Lenin‎ > ‎1902‎ > ‎

Gruppe „Borjba" 19011100 Mitteilung über die Veröffentlichungen der sozialdemokratischen Gruppe „Borjba"

Mitteilung über die Veröffentlichungen der sozialdemokratischen Gruppe „Borjba"

[Sonderdruck der Gruppe „Borjba". Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 5, 1930, S. 529-535]

Wieder eine neue Gruppe! Ein neuer Anlass zu Streitigkeiten und Zerwürfnissen! – so werden wahrscheinlich viele von denen sprechen, in deren Hände diese Mitteilung gelangt. Um alle Missverständnisse zu vermeiden, wollen wir folgendes erklären.

Wie aus den – vom Bund der russischen Sozialdemokraten einerseits und von der Liga der russischen revolutionären Sozialdemokratie andererseits – veröffentlichten Dokumenten hervorgeht, ist unsere Gruppe nicht so „neu", wie die Leute glauben mögen, die in die Einzelheiten der inneren Beziehungen unserer Auslandsorganisationen nicht eingeweiht sind. Wenn sie bisher mit ihren Veröffentlichungen nicht hervorgetreten ist, so nur, weil für die Mitglieder dieser Gruppe, da sie zu den nächsten Mitarbeitern der „Iskra" und der „Sarja" gehörten, kein Grund zu einem besonderen Auftreten vorhanden war. Wir legten zu großen Wert auf die Möglichkeit einer gemeinsamen Arbeit mit Genossen, mit denen wir in den Ansichten über die nächsten Aufgaben der russischen Sozialdemokratie übereinstimmten, um die Meinungsverschiedenheiten zu betonen, die sehr bald in verschiedenen Fragen zutage traten. Erst nachdem wir uns davon überzeugt haben, dass unsere Ansichten über die Methoden und Mittel zur Erreichung unseres gemeinsamen Zieles auseinandergehen, und da wir nicht die Verantwortung für Handlungen auf uns nehmen wollen, an deren Erörterung wir nicht teilgenommen haben, haben wir beschlossen, getrennt aufzutreten. Dass das eine Tat äußerster Notwendigkeit war, dass sie nicht dem Wunsch entsprang, unbedingt eine „eigene" Gruppe zu gründen, geht aus den Anstrengungen hervor, die wir gemacht haben, um die sozialdemokratischen Auslandsorganisationen zu vereinigen, bevor wir mit neuen Veröffentlichungen hervortraten. Wir haben den ersten gelegenen Augenblick ausgenutzt – als durch die Frühjahrsereignisse des vorigen Jahres die Notwendigkeit der Vereinigung aller russischen Sozialdemokraten in ihrem Kampf gegen den Absolutismus scharf betont wurde – und den Anstoß zur Einberufung der Genfer Konferenz von Vertretern des Auslandsbundes der russischen Sozialdemokraten, der Organisation „Iskra" und „Sarja", der revolutionären Organisation „Sozialdemokrat" und unserer Gruppe gegeben.

Diese Konferenz hat die Vertreter unserer Gruppe beauftragt, die Punkte der grundsätzlichen Vereinbarung auszuarbeiten, die der organisatorischen Vereinigung aller sozialdemokratischen Auslandsorganisationen, darunter auch unserer Gruppe, zu einem Auslandskomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands zugrunde liegen sollten. Auf derselben Konferenz wurden die Grundzüge für eine organisatorische Verständigung festgelegt.

Diese Beschlüsse sollten von der Einigungskonferenz bestätigt und in Kraft gesetzt werden, die jedoch leider, trotz allen unseren Bemühungen, die Debatten während der ganzen Zeit auf das Grundsätzliche zu beschränken, mit einem Misserfolg endete.

Unsere Hoffnung, dass die sozialdemokratischen Auslandsorganisationen durch ihren Zusammenschluss die Sache der organisatorischen Vereinigung der Komitees und Gruppen in Russland erleichtern würden, hat sich offensichtlich als verfrüht erwiesen. Diese Vereinigung ist aber eine notwendige Bedingung für den erfolgreichen Kampf gegen den Absolutismus: nur die vereinigte, einheitliche und kampffähige sozialdemokratische Arbeiterpartei wird sich an die Spitze des Kampfes gegen den Absolutismus stellen können. Wir erkennen die grundsätzlichen Resolutionen der Genfer Konferenz vollkommen an, geben aber gleichzeitig unserer liefen Überzeugung Ausdruck, dass die Vereinigung der russischen Sozialdemokraten sich nur auf dem Boden des revolutionären Marxismus vollziehen kann, der, ob gut oder schlecht, in diesen Resolutionen seinen Ausdruck gefunden hat.

Wir stehen auf dem Boden dieser Resolutionen und lehnen alle Versuche, den Opportunismus in unsere sozialdemokratische Bewegung hinein zu tragen, entschieden ab. Darum tut es uns sehr leid, dass unsere Genossen aus dem Auslandsbund der russischen Sozialdemokraten, dessen auf der Genfer Konferenz festgestellte Verdienste wir anerkennen, durch die Korrekturen, die sie auf der „Einigungs"-Konferenz beantragten und die dann z. T. im neuen Programm des „Rabotscheje Djelo" Aufnahme fanden, ein neues Hindernis für die Vereinigung schaffen, da sie die Ablehnung der vollständigen und vorbehaltlosen Anerkennung des Programms der revolutionären Sozialdemokratie mit allen sich aus ihm ergebenden praktischen Anwendungen bedeuten, eines Programms, das, wir wiederholen es, den einzigen Boden für die Vereinigung unserer Partei darstellt.

Ebenso wie der Auslandsbund erkennen wir den demokratischen Organisationsgrundsatz als notwendige Bedingung für die erfolgreiche Entwicklung der Sozialdemokratie an, wir wollen aber unsere Genossen vom Auslandsbund daran erinnern, dass dieser Grundsatz in der Form, in der sie ihn durchführen, bereits zur grundsatzlosen Widerspiegelung jeder beliebigen Richtung, die aus diesen oder jenen zeitweiligen und örtlichen Gründen innerhalb der verschiedenen in Russland wirkenden Gruppen entstehen kann, geführt hat und wieder führen wird. Von dem Auslandskomitee fordern, dass es alle programmatischen Anschauungen gehorsam widerspiegle, die in jedem gegebenen Augenblick in den Komitees in Russland herrschen, es in ein einfach ausführendes Organ verwandeln, – heißt vergessen, dass es ein Teil der Partei ist, und zwar ein Teil, der, dank den Bedingungen seiner Tätigkeit in vielen Fällen die allgemeinen Aufgaben der gesamten Bewegung besser erfassen und klären kann als die Gruppen und Komitees, die unter dem ständigen Druck der örtlichen Verhältnisse stehen. Unseres Erachtens müssen sich sowohl das Auslandskomitee als auch die Komitees in Russland in ihrer Tätigkeit den Grundsätzen des revolutionären sozialdemokratischen Programms „unterordnen", das, wenn Meinungsverschiedenheiten entstehen, die oberste Instanz sein muss.

Natürlich zwingen die Tätigkeitsbedingungen der russischen Sozialdemokratie zum Verzicht auf die breite Anwendung der demokratischen Grundsätze. Je enger aber der Kreis von Leuten ist, die einer gegebenen Organisation angehören, je höher die Forderungen sind, die wir an die neu beitretenden Mitglieder stellen, um so strenger müssen diese Grundsätze innerhalb der Organisation durchgeführt werden, um so weniger darf hier das Platz haben, was Bebel und Liebknecht Personenkultus genannt haben. Nur auf diese Weise können wir die Möglichkeit solcher Erscheinungen beseitigen, wie das Verbergen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten hinter organisatorischen – und umgekehrt. Eine solche Komplizierung einer Meinungsverschiedenheit durch eine andere führt nicht nur zu keiner Klärung der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten, sondern macht sie im Gegenteil noch verwickelter und größer und trägt sogar dazu bei, dass nicht vorhandene Streitpunkte erfunden werden. Besonders gefährlich ist in dieser Beziehung die Ansicht, nach der jede Programmschattierung in unserer Bewegung zu einem besonderen Organisationsplan führt. Für die Vertreter unserer „ökonomistischen und halb ökonomistischen Richtungen" und sogar für viele mit ihnen grundsätzlich nicht einverstandene Genossen bestehen nicht einmal die Organisationsfragen, die für die Vertreter der „Orthodoxie" mit den Hauptaufgaben der russischen Sozialdemokratie aufs Innigste verknüpft sind.

Wir dagegen denken, dass die „Programmschattierungen", soweit sie die „Vertreter der Orthodoxie" von den Genossen unterscheiden, die mit den Vertretern unserer „ökonomistischen und halb ökonomistischen Richtungen" grundsätzlich nicht einverstanden sind, innerhalb ein und derselben Organisation miteinander auskommen können. Sonst wird jede „Programmschattierung", – da sie keine Möglichkeit findet, sich in der Organisation zu äußern, für die ihr Organisationsplan „aufs Innigste verknüpft ist" mit den Hauptaufgaben der russischen Sozialdemokratie" und die auf Grund einer solchen Ansicht keine Kritik an diesem Plan durch ihre eigenen Mitglieder auf den Seiten ihrer Veröffentlichungen zulassen kann, – trotz ihrer Abneigung gegen das „Zirkelwesen" zu einer besonderen Gruppe werden müssen. Eben in einer solchen Lage sind wir „Sektierer", „Orthodoxe", Genossen, die „mit den Vertretern unserer ökonomistischen und halb ökonomistischen Richtungen" grundsätzlich nicht einverstanden sind.

Unseres Erachtens hat der Organisationsplan der „Iskra" mit „Orthodoxie" nichts zu schaffen. Soweit er in dem Aufsatz „Womit beginnen?" entwickelt ist, ist es ein ganz abenteuerlicher Plan, der auf eine Entwicklungsstufe der revolutionären Bewegung berechnet ist, auf der diese sich erst im Keimzustand befindet, auf der es sich um die Sammlung und Zusammenfassung einzelner gleichgesinnter Leute handelt, und nicht um die Verschmelzung oder die Vereinigung bereits wirkender Organisationen. Solange dieser Plan einer der möglichen, zur allgemeinen Erörterung vorgeschlagenen Organisationspläne ist, kann man ihn als eine harmlose literarische Stilübung betrachten (das aber ist die Ansicht vieler Genossen in Russland). Wenn aber ein solcher Plan in enge Verbindung mit der „Orthodoxie" gebracht wird, wenn Leute, die mit diesem Plan nicht einverstanden sind, leichten Herzens „Opportunisten" getauft werden, so können wir „Orthodoxen" nicht umhin, in entschiedenster Weise im Namen derselben „Orthodoxie" dagegen Verwahrung einzulegen. Nein! Wir waren bisher davon überzeugt, dass die revolutionäre Sozialdemokratie demokratisch sein muss. Wir haben nicht vergessen, dass der „Bund der Kommunisten" in Deutschland, der in der revolutionären Bewegung der vierziger Jahre eine so große Rolle gespielt hat, wie Engels sagte, „durchaus demokratisch, mit gewählten und stets absetzbaren Behörden"1 gewesen ist. Wir haben nicht vergessen, dass die Hauptorganisatoren der deutschen sozialdemokratischen Partei, Liebknecht und Bebel, in ihrem Kampf gegen die Lassalleaner stets den demokratischen Organisationsgrundsatz in den Vordergrund stellten, dass es eben die Eisenacher waren, die darauf bestanden, dass die sozialdemokratische Arbeiterpartei sich „eine einheitliche Organisation, welche es aber auch jedem einzelnen ermöglicht, seinen Einfluss für das Wohl der Gesamtheit geltend zu machen2", geben muss. Nicht wir werden die Bedeutung, die eine feste zentralisierte Organisation für die russische Sozialdemokratie hat, in Abrede stellen. Aber eine solche Organisation, wenn sie sich nur nicht die Verschwörung zum Ziele setzt und keinen verschwörerischen Charakter tragen will, muss unbedingt demokratisch sein.

Und eben weil wir „Orthodoxe" sind, wollen wir keinem andern den Organisationsgrundsatz überlassen, den die „Orthodoxie" stets durchgeführt hat, wir wollen nicht, dass die „Orthodoxen" aufhören, die Hüter eines der Hauptgrundsätze der revolutionären Sozialdemokratie zu sein.

In unserer Partei geht jetzt alles drunter und drüber. Es wäre richtiger, zu sagen, dass es eine in programmatischer und taktischer Beziehung geschlossene und geeinigte Partei nicht gibt, sondern dass nur eine Anzahl sozialdemokratischer Organisationen besteht, die manchmal im Einvernehmen miteinander, manchmal getrennt handeln. Die Vereinigung dieser Organisationen ist die dringendste Notwendigkeit. Damit aber diese Vereinigung von Dauer sei, ist die vollkommene Klärung der Fragen notwendig, die die russischen Sozialdemokraten gegenwärtig bewegen. Nur auf diese Weise kann die grundsätzliche Einheitlichkeit zustande kommen, ohne die die organisatorische Einheitlichkeit undenkbar ist. In unserem unregelmäßig erscheinenden Sammelbuch „Borjba" und in einzelnen Schriften werden wir bemüht sein, uns zu allen diesen Fragen zu äußern.*

Wir wollen noch einige Worte über die von uns geplante Herausgabe der „Sozialdemokratischen Bibliothek" sagen. Sie zerfällt in zwei Reihen: 1. Schriften über die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung und 2. Schriften, die verschiedene Fragen des Programms und der Taktik, d. h. die Theorie und Praxis des Sozialismus und der Arbeiterbewegung behandeln. Die erste Reihe erfordert keine Erläuterung. Das Bedürfnis nach Kenntnis der Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung in den verschiedenen Ländern war stets groß und wächst mit unserer Bewegung.

Die zweite Reihe erfordert einige Erläuterungen, denn sie soll nach unserem Plan Bedürfnisse befriedigen, die sich in den letzten Jahren besonders fühlbar gemacht haben.

Die sogenannte „Agitations"zeit unserer Bewegung (1896–1900), deren Verdienste wir nicht leugnen wollen, hat auch ihre Schattenseiten gehabt. Sie hat alle Kräfte verschlungen, die das „Zirkelwesen" zu Beginn der neunziger Jahre hervorgebracht hat, und fast nichts dazu getan, neue Propagandisten heranzubilden, die imstande wären, die Aufgaben der Gegenwart und die Aufgaben der Zukunft zu einem Ganzen zu verbinden. In unserer Bewegung überwiegt jetzt die Gattung der „Praktiker", die ganz in der örtlichen Organisationsarbeit aufgehen und oft die Bedürfnisse der Gesamtbewegung vergessen. Das bedeutet keineswegs, dass wir die Bedeutung dieser Arbeit in Abrede stellen. Im Gegenteil. Unseres Erachtens ist die Führung im wirtschaftlichen Kampfe des Proletariats für die Sozialdemokratie um so wichtiger, als sie das beste Mittel ist, die Entstehung und Festigung verschiedener Formen der „reinen Arbeiterbewegung" zu verhindern. Wenn die revolutionäre Sozialdemokratie die Sache der Organisierung des Proletariats vernachlässigen und sie ausschließlich den „Ökonomisten" verschiedenster Art überlassen wollte, so würde sie dadurch, ob sie will oder nicht, die Festigung und Entwicklung von Verhältnissen fördern, in denen die Arbeiterklasse unter den politischen Einfluss von Nichtsozialisten und sogar dem Sozialismus feindlich gegenüberstehenden Leuten geraten kann. Hilft dagegen die revolutionäre Sozialdemokratie der Arbeiterklasse, ihre nächsten Forderungen klarzulegen und aufzustellen, kommt sie ihr mit ihrer Erfahrung zu Hilfe, die sie aus der Geschichte und der Wirksamkeit der westeuropäischen Arbeiterbewegung gewonnen hat, so muss sie diese nächsten Forderungen durch ein untrennbares Band mit den Aufgaben der Gesamtbewegung verbinden, so muss sie, nach Maßgabe ihrer Kraft, die proletarische Massenbewegung in eine sozialdemokratische verwandeln. Die revolutionäre Sozialdemokratie, die sozusagen an der Wiege der Arbeiterbewegung steht und für all deren Nöte, auch die kleinsten, ein aufmerksames Ohr hat, die furchtlos für die Verteidigung der Interessen der Arbeiterbewegung eintritt, schafft in der Arbeiterklasse Überlieferungen, die der bürgerlichen Demokratie, wie revolutionär sie auch auftreten mag, nie gestatten werden, die Arbeiterbewegung in ihr Schlepptau zu nehmen.

Aus diesem Grunde beabsichtigen wir, der Klärung der Fragen der Organisation des Proletariats in allen ihren Formen breiten Raum zu gewähren.

Doch gibt es noch ein anderes Bedürfnis, das ebenfalls rasch befriedigt werden muss. Uns Sozialdemokraten wurde oft vorgeworfen, dass wir die Bauernschaft nicht beachten. Es ist überflüssig zu sagen, dass das ein ganz ungerechtfertigter Vorwurf ist, der auf dem Mangel an Kenntnis der sozialdemokratischen Grundsätze beruht. Die russische Sozialdemokratie hat bereits seit ihren ersten Schritten erklärt, dass sie sich die Organisierung der sozialistischen revolutionären Kräfte der Stadt – zum Zwecke der Hineinziehung der Bauern in das Flussbett der weltgeschichtlichen Bewegung – zur Aufgabe macht. Wenn sie praktisch an diese Arbeit nicht herangehen konnte, so kann man ihr ebenso wenig einen Vorwurf daraus machen, wie der „Narodnaja Wolja" gegen die aus irgendeinem Grunde keine Anklage wegen Nichtbeachtung der Bauernschaft erhoben wird. Aber in den letzten Jahren haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert. Die sozialdemokratische Bewegung ist gewachsen und hat in ihrem Wachstum immer breitere Arbeiterschichten erfasst. Immer öfter gerät der von der sozialdemokratischen Propaganda berührte Arbeiter mit Hilfe unserer weisen Regierung in das Dorf. Das Dorf aber hat sich im Verlauf der letzten zwanzig Jahre wesentlich geändert. Die Differenzierung in der Bauernschaft schafft immer mehr die Voraussetzungen für die revolutionäre Propaganda und Agitation. Und die ins Dorf kommenden sozialdemokratischen Arbeiter brauchen Agitationsstoff. Den Sozialdemokraten fällt die Pflicht zu, eine Literatur zu schaffen, die dieses Bedürfnis befriedigt. Besonders wichtig ist in dieser Hinsicht die Zerstörung der Legende von dem Befreier Zar, die Aufklärung über Verlauf, Ursachen und Folgen der Aufhebung der Leibeigenschaft, die Kritik an der jetzigen Staats- und Rechtsordnung. Rufen wir uns die Worte von Engels ins Gedächtnis: „In einem Land, wie Deutschland, wo noch gut die Hälfte der Bevölkerung vom Landbau lebt, ist es notwendig, dass die sozialistischen Arbeiter und durch sie die Bauern erfahren, wie das heutige Grundeigentum, großes wie kleines, entstanden ist; notwendig, dass dem heutigen Elend der Tagelöhner und der heutigen Verschuldungsknechtschaft der Kleinbauern entgegengehalten werde das alte Gemeineigentum aller freien Männer an dem, was damals für sie in Wahrheit ein Vaterland, ein ererbter freier Gemeinbesitz war." Um so notwendiger ist das in Russland, wo sich noch keine Interessengemeinschaft der Kleinbauernschaft und des Großgrundbesitzes entwickelt hat, – eine Interessengemeinschaft, die den europäischen Bauer so oft zwingt, im Großgrundbesitzer seinen natürlichen Verteidiger zu sehen, – wo die ganze Regierungspolitik gegenüber der Bauernschaft auf offene Plünderung zu Gunsten des Adels hinausläuft. Und niemand kann diese Aufgabe so gut erfüllen, wie der sozialdemokratische Arbeiter, dem das „Herrentum" nicht im Wege steht, das die Propaganda der Revolutionäre der 70er Jahre so sehr erschwert hat.

Es ist überflüssig zu sagen, dass wir der Theorie des „wissenschaftlichen Sozialismus" viel Platz einräumen werden, insbesondere den Fragen, die in den letzten Jahren so heftige Auseinandersetzungen in der internationalen Sozialdemokratie hervorgerufen haben. Als einen der größten Mängel unserer sogenannten „Arbeiter"-Literatur betrachten wir das fast vollständige Fehlen von gemeinverständlichen Büchern, die die philosophischen Grundlagen des wissenschaftlichen Sozialismus auseinandersetzen. Nur diese Vernachlässigung der geistigen Bedürfnisse der Arbeiterintelligenz kann das Wachstum der „kulturträgerischen" Bewegung in verschiedenen Schichten der Arbeiterklasse erklären. Wir haben die feste Überzeugung, dass die illegale Literatur eine Antwort auf alle Anforderungen der Arbeiter geben muss, ohne sie zu zwingen, sich an die oft trübe Quelle des legalen Marxismus zu wenden.

Wir betrachten die Unterstützung der in Russland wirkenden Genossen bei ihrer schwierigen Arbeit der Organisierung des Proletariats zu einer kampffähigen sozialdemokratischen Arbeiterpartei als unsere wichtigste Aufgabe und hoffen, dass unser Unternehmen die moralische und materielle Hilfe unserer Genossen in Russland und im Ausland finden wird. Von besonderem Wert wäre für uns die Unterstützung der in Russland lebenden Genossen bei der Gründung unserer Bibliothek. Sie könnte darin zum Ausdruck kommen, dass die Genossen angeben, welche Bücher im gegebenen Augenblick am meisten gebraucht werden, und dass sie uns ihre Arbeiten zusenden. Wir behalten uns dabei selbstverständlich das Recht vor, in einem besonderen Vorwort unsere Ansicht über die vom Verfasser aufgeworfene Frage zu äußern, wenn sie mit der Ansicht des Verfassers nicht übereinstimmt.

1 Das Zitat im Original deutsch. Die Red.

2 Das Zitat im Original deutsch. Die Red.

* Natürlich werden wir, wenn die Ereignisse in Russland eine beschleunigte Geschwindigkeit annehmen sollten, gezwungen sein, eine bequemere Form zu wählen, damit uns die Möglichkeit gegeben ist, auf die Ereignisse rascher zu antworten.

Kommentare