g) Das Parteistatut – Der Entwurf des Genossen Martow

g) Das Parteistatut – Der Entwurf des Genossen Martow1

Vom Programm ging der Parteitag zum Parteistatut über (wir übergehen die oben berührte2 Frage des Zentralorgans und die Berichte der Delegierten, die leider von den meisten Delegierten in befriedigender Form nicht vorgelegt werden konnten). Es ist unnötig zu sagen, dass die Frage des Statuts für uns alle von gewaltiger Bedeutung war. In der Tat, die „Iskra" ist ja von Anfang an nicht nur als literarisches Organ aufgetreten, sondern auch als organisatorischer Kern. In dem Redaktionsartikel der Nr. 4 („Womit beginnen?") hat die „Iskra" einen ganzen OrganisationsplanA aufgestellt und diesen Plan drei Jahre lang systematisch, unbeirrt durchgeführt. Als der zweite Parteitag die „Iskra" als Zentralorgan anerkannte, da waren von den drei Punkten zur Begründung der entsprechenden Resolution (S. 147) zwei Punkte gerade diesem Organisationsplan und den organisatorischen Ideen der „Iskra" gewidmet: ihrer Rolle in der Leitung der praktischen Parteiarbeit und der führenden Rolle in der Vereinheitlichung der Arbeit. Es ist daher vollkommen natürlich, dass die Arbeit der „Iskra" und die ganze Arbeit der Parteiorganisation, das ganze Werk des tatsächlichen Wiederaufbaues der Partei, nicht als vollendet betrachtet werden konnte ohne die Anerkennung bestimmter organisatorischer Ideen durch die gesamte Partei, ohne die formale Fixierung dieser Ideen. Diese Aufgabe sollte das Organisationsstatut der Partei erfüllen.

Die Hauptgedanken, die die „Iskra" bestrebt war, der Parteiorganisation zugrunde zu legen, liefen im Wesentlichen auf folgende zwei hinaus. Der erste, der Gedanke des Zentralismus, bestimmte prinzipiell die Methode der Lösung aller organisatorischen und einzelnen Teilfragen. Der zweite Hauptgedanke – die besondere Rolle des ideologisch leitenden Organs, der Zeitung – zog die zeitweiligen und besonderen Bedürfnisse eben der russischen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in den Verhältnissen der politischen Sklaverei, unter den Bedingungen der Entstehung einer ursprünglichen Operationsbasis für den revolutionären Ansturm im Auslande in Betracht. Der erste Gedanke, der allein prinzipielle, musste das ganze Statut durchdringen; der zweite, als Teilgedanke, das Resultat der zeitweiligen Umstände des Orts und der Methode der Aktion, fand seinen Ausdruck in der scheinbaren Abweichung vom Zentralismus, in der Schaffung zweier Zentralstellen: des Zentralorgans und des Zentralkomitees. Diese beiden Hauptgedanken der iskristischen Parteiorganisation wurden von mir in dem Redaktionsartikel der „Iskra" (Nr. 4) „Womit beginnen?" und in „Was tun?" entwickelt, und schließlich in der Form fast eines Statutes im „Brief an einen Genossen" ausführlich auseinandergesetzt. Im Grunde genommen blieb nur noch die redaktionelle Arbeit der Formulierung der Paragraphen des Statuts, das eben diese Ideen ins Leben umsetzen sollte, wenn die Anerkennung der „Iskra" nicht nur auf dem Papier, nicht nur eine konventionelle Phrase bleiben sollte.3 Im Vorwort zu dem von mir neu herausgegebenen „Brief an einen Genossen" habe ich bereits darauf hingewiesen, dass es genügt, einfach das Parteistatut mit dieser Broschüre zu vergleichen, um die völlige Übereinstimmung der organisatorischen Gedanken hier und dort festzustellen.

Was die redaktionelle Arbeit zur Formulierung der iskristischen organisatorischen Ideen betrifft, so muss ich einen Zwischenfall erwähnen, den Genosse Martow hervorgerufen hat.

„… Die faktischen Daten werden euch zeigen," sagte Martow auf dem Kongress der Liga (S. 58), „wie unerwartet für Lenin mein Abgleiten zum Opportunismus im Zusammenhang mit diesem (d. h. dem ersten) Paragraphen gewesen ist. Anderthalb oder zwei Monate vor dem Parteitag zeigte ich Lenin meinen Entwurf, wo der § 1 genau so dargelegt war, wie er von mir auf dem Parteitag vorgeschlagen wurde. Lenin wandte sich gegen meinen Entwurf, der ihm zu sehr ins Einzelne ging, und sagte, ihm gefiele nur die Idee des § 1 – die Bestimmung der Parteimitgliedschaft, die er mit Abänderungen in sein Statut übernehmen würde, denn meine Formulierung sei unglücklich gewählt. Lenin kannte also meine Formulierung seit langem, er kannte auch meine Ansichten über diese Frage. Ihr seht also, dass ich mit offenem Visier zum Parteitag gefahren bin, dass ich meine Ansichten nicht verheimlicht habe. Ich hatte vorher angekündigt, dass ich gegen die gegenseitige Kooptation, gegen den Grundsatz der Einstimmigkeit bei der Kooptation in das Zentralkomitee und in das Zentralorgan usw. kämpfen würde."

Was die Ankündigung des Kampfes gegen die gegenseitige Kooptation betrifft, so werden wir an anderer Stelle sehen, wie sich die Sache verhielt. Jetzt wollen wir uns das offene „Visier" des Martowschen Statuts ansehen. Als Martow in der Liga frei aus dem Gedächtnis die Episode mit seinem misslungenen Entwurf mitteilte (den Martow auf dem Parteitag selber als misslungen zurückzog, nach dem Parteitag aber mit der ihm eigentümlichen Konsequenz wieder ans Tageslicht förderte), hatte er, wie üblich, vieles vergessen und daher wieder vieles durcheinander gebracht. Man könnte meinen, es hätte genug Tatsachen gegeben, die vor Berufungen auf Privatgespräche und auf das eigene Gedächtnis warnten (unwillkürlich erinnern sich die Leute nur an das, was für sie vorteilhaft ist!), und doch benutzt Martow minderwertige Unterlagen, da ihm andere fehlen. Jetzt beginnt sogar Genosse Plechanow ihn nachzuahmen – das schlechte Beispiel wirkt anscheinend ansteckend.

Die „Idee" des ersten Paragraphen in Martows Entwurf konnte mir nicht „gefallen", denn sein Entwurf enthält keine einzige Idee, die auf dem Parteitag zum Vorschein gekommen wäre. Sein Gedächtnis hat ihn verlassen. Es ist mir geglückt, in den Papieren Martows Entwurf zu finden, wo „der erste Paragraph gerade nicht so dargelegt war, wie es von ihm auf dem Parteitag vorgeschlagen wurde"! Das nennt man nun „ein offenes Visier"!

§ 1 in Martows Entwurf lautet: „Als zugehörig zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands gilt jeder, der ihr Programm anerkennt und aktiv für die Verwirklichung ihrer Aufgaben unter der Kontrolle und Leitung der Organe (sic!) der Partei arbeitet."

§ 1 in meinem Entwurf lautet: „Als Mitglied der Partei gilt jeder, der ihr Programm anerkennt, und die Partei sowohl mit materiellen Mitteln als auch durch die persönliche Mitarbeit in einer der Parteiorganisationen unterstützt."

§ 1 in der Formulierung, die von Martow auf dem Parteitag vorgeschlagen und vom Parteitag angenommen wurde, lautet: „Als Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands gilt jeder, der ihr Programm anerkennt, die Partei mit materiellen Mitteln unterstützt und ihr unter der Leitung einer ihrer Organisationen regelmäßig persönlichen Beistand leistet."

Aus dieser Gegenüberstellung ist deutlich zu ersehen, dass Martows Entwurf eben gar keine Idee enthält und nur eine leere Redensart ist. Dass die Parteimitglieder unter der Kontrolle und Leitung der Organe der Partei arbeiten, versteht sich von selbst, das kann auch nicht anders sein, davon reden nur Leute, die gern reden, um nichts zu sagen, die die „Statuten" mit unzähligen inhaltslosen Worten und bürokratischen (d. h. für die Sache unnötigen und angeblich äußerlich notwendigen) Formeln füllen. Die Idee des ersten Paragraphen tritt erst klar hervor, wenn man die Frage stellt: können die Parteiorgane in der Tat ihre leitende Rolle Parteimitgliedern gegenüber verwirklichen, die keiner Parteiorganisation angehören? Von diesem Gedanken ist in dem Entwurf des Genossen Martow keine Spur zu finden. Folglich konnte ich die „Ansichten" des Genossen Martow „über diese Frage" nicht kennen, denn in dem Entwurf des Genossen Martow sind gar keine Ansichten über diese Frage vorhanden. Die faktischen Daten des Genossen Martow erweisen sich als ein vollkommenes Durcheinander.

Umgekehrt, gerade über den Genossen Martow muss man sagen, dass er aus meinem Entwurf „meine Ansichten über diese Frage kannte", aber keinen Einspruch gegen sie erhob und sie weder in der Redaktionssitzung widerlegte, obwohl mein Entwurf zwei bis drei Wochen vor dem Parteitag allen vorgelegen hatte, noch vor den Delegierten, die meinen Entwurf eben erst kennen lernten. Mehr als das. Sogar auf dem Parteitag, als ich meinen Entwurf zum Statut einbrachteB und ihn noch vor der Wahl der Statutenkommission verteidigte, erklärte Genosse Martow offen: „Ich schließe mich den Schlussfolgerungen des Genossen Lenin an. Nur in zwei Fragen bin ich mit ihm nicht einverstanden" (gesperrt von mir) – in der Frage der Art der Zusammensetzung des Rats und in der Frage der einstimmigen Kooptation" (S. 157). Von einem Nichteinverstandensein hinsichtlich des § 1 ist hier noch mit keinem Wort die Rede.

In seiner Broschüre über den Belagerungszustand hielt es Genosse Martow für notwendig, noch einmal mit besonderer Ausführlichkeit an sein Statut zu erinnern. Er versichert dort, dass sein Statut, das er auch heute noch (Februar 1904 – wer weiß, was in drei Monaten sein wird!), mit Ausnahme einiger nebensächlicher Einzelheiten zu unterschreiben bereit sei, „seine ablehnende Stellung zu dem Übermaß an Zentralismus deutlich genug zum Ausdruck gebracht habe" (S. IV). Dass dieser Entwurf dem Parteitag nicht vorgelegt wurde, erklärt Martow jetzt erstens damit, dass die „iskristische Erziehung ihm ein geringschätzendes Verhalten gegenüber Statuten eingeflößt" habe (wenn es dem Genossen Martow gefällt, bedeutet für ihn das Wort „Iskrist" nicht das enge Zirkelwesen, sondern die ideologisch festeste Richtung! Schade nur, dass die iskristische Erziehung im Verlaufe von drei Jahren dem Genossen Martow nicht beigebracht hat, sich der anarchistischen Phrase gegenüber mit Geringschätzung zu verhalten, mit deren Hilfe intellektuelle Wankelmütigkeit die Verletzung des gemeinsam angenommenen Statuts zu rechtfertigen vermag). Zweitens hätte er, Genosse Martow, es vermieden, „irgendeinen Misston in die Taktik jenes grundlegenden organisatorischen Kerns, den die „Iskra" darstellte, hineinzubringen". Das erscheint außerordentlich logisch! In der prinzipiellen Frage der opportunistischen Formulierung des § 1 oder der Übertreibung des Übermaßes an Zentralismus hat Genosse Martow so sehr Angst vor einem Misston (der nur, wenn man vom engsten Zirkelstandpunkt ausgeht, schrecklich sein kann), dass er seine Meinungsverschiedenheiten nicht einmal vor einem solchen Kern, wie es die Redaktion war, zum Ausdruck brachte. In der praktischen Frage der Zusammensetzung der zentralen Körperschaften hat Genosse Martow gegen das Votum der Mehrheit der Mitglieder der Iskra-Organisation (dieses wirklichen organisatorischen Grundkerns) an den „Bund" und die Leute vom „Rabotscheje Djelo" appelliert. Genosse Martow bemerkt nicht den „Misston" in seinen Redensarten, die das Zirkelwesen zum Schutze der quasi-Redaktion einschmuggeln, um das „Zirkelwesen" in der Beurteilung der Frage durch jene abzulehnen, die am meisten dazu kompetent sind. Um ihn zu strafen, wollen wir ungekürzt seinen Statutenentwurf anführen und unsererseits hervorheben, welche Ansichten und welches Übermaß er offenbart".C

Entwurf zum Parteistatut. – I. Zugehörigkeit zur Partei. – 1. Als zugehörig zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands gilt jeder, der ihr Programm anerkennt und für die Verwirklichung ihrer Aufgaben unter der Kontrolle und Leitung der Parteiorgane aktiv arbeitet. – 2. Über den Ausschluss eines Mitgliedes aus der Partei wegen Handlungen, die mit den Interessen der Partei unvereinbar sind, hat das Zentralkomitee zu beschließen. [Das begründete Urteil über den Ausschluss wird im Archiv der Partei aufbewahrt und auf Verlangen jedem Parteikomitee mitgeteilt. Über den Ausschluss durch das Zentralkomitee kann an den Parteitag appelliert werden, wenn zwei oder mehr Komitees es fordern] … "

In Klammern werde ich die offensichtlich inhaltslosen Sätze des Martowschen Entwurfes setzen, die nicht nur keine „Idee" enthalten, sondern auch keine bestimmte Bedingung oder Forderung, wie zum Beispiel der wunderbare Hinweis im „Statut", wо das Urteil aufzubewahren ist, oder der Hinweis darauf, dass über vom Zentralkomitee vorgenommene Ausschlüsse (und nicht überhaupt über alle seine Beschlüsse?) beim Parteitag Berufung eingelegt werden kann. Das sind eben Auswüchse der Phrase oder ein wahrer bürokratischer Formalismus, der sich in der Erfindung von überflüssigen, bewusst nutzlosen oder die Dinge verschleppenden Punkten und Paragraphen äußert.

„… II. Die örtlichen Komitees. 3. Die Vertreter der Partei in ihrer örtlichen Arbeit sind die Parteikomitees … " (wie neu und wie klug!) „… 4. [Die Parteikomitees werden in der Zusammensetzung anerkannt, die sie zur Zeit des 2. Parteitages hatten.] 5. Die neuen Komitees, die außer den im § 4 genannten entstehen, werden vom Zentralkomitee eingesetzt, [das entweder den vorhandenen Bestand der örtlichen Organisation als Komitee anerkennt oder durch Umgestaltung dieser Organisation ein örtliches Komitee bildet]. – 6. Die Komitees ergänzen ihren Bestand durch Kooptation. – 7. Das Zentralkomitee hat das Recht, das örtliche Komitee durch eine Anzahl von (ihm bekannten) Genossen zu ergänzen, doch darf diese Anzahl nicht mehr als ein Drittel des Gesamtkomitees betragen … "

Ein Musterbild von Kanzleigeist: warum nicht mehr als ein Drittel? Wozu das? Welchen Sinn hat diese Einschränkung, die nichts einschränkt, denn die Ergänzung kann ja oft wiederholt werden?

„… 8. [Ist das örtliche Komitee auseinandergefallen oder zerschlagen" (d. h. nicht ganz verhaftet?) „infolge der Verfolgungen, so wird es vom Zentralkomitee wieder hergestellt … "

Schon ohne auf § 7 Rücksicht zu nehmen? Findet denn Genosse Martow nicht eine Ähnlichkeit zwischen diesem § 8 und jenen russischen Gesetzen über Ordnung und Anstand, die gebieten, am Werktag zu arbeiten und am Feiertag zu ruhen?

„… 9. [Der ordentliche Parteitag kann das Zentralkomitee beauftragen, die Zusammensetzung irgendeines örtlichen Komitees umzugestalten, wenn die Tätigkeit dieses Komitees als unvereinbar mit den Interessen der Partei anerkannt wird. In diesem Falle wird das Komitee als aufgelöst betrachtet und die Genossen des betreffenden Ortes werden von der Pflicht der UnterordnungD unter dieses Komitee entbunden] … "

Die Regel, die in diesem Paragraphen enthalten ist, ist ebenso hoch nützlich, wie der im russischen Gesetzeskodex bis heute noch erhaltene Artikel, der lautet: Allen und jedem ist die Trunksucht verboten.

„… 10. [Die örtlichen Parteikomitees leiten die gesamte propagandistische, agitatorische und organisatorische Tätigkeit der Partei und unterstützen, soweit es in ihren Kräften steht, das Zentralkomitee und das Zentralorgan der Partei bei der Erfüllung der ihnen obliegenden allgemeinen Parteiaufgaben] … "

Uff! Wozu all das, um des Himmels willen?

„… 11. [Die innere Ordnung der örtlichen Organisationen, die gegenseitigen Beziehungen zwischen dem Komitee und den ihm untergeordneten … (hören Sie, hören Sie, Genosse Axelrod?) … Gruppen und die Grenzen der Kompetenz und der Autonomie … (sind denn die Grenzen der Kompetenz und die Grenzen der Autonomie nicht ein und dasselbe?)

dieser Gruppen werden von dem Komitee selbst festgesetzt und dem Zentralkomitee und der Redaktion des Zentralorgans wird davon Mitteilung gemacht] … "

(Eine Lücke: es wird nicht gesagt, wo diese Mitteilungen aufbewahrt werden sollen.)

„… 12. [Alle den Komitees untergeordneten Gruppen und einzelnen Parteimitglieder haben das Recht, zu fordern, dass ihre Ansicht oder ihr Wunsch hinsichtlich einer beliebigen Frage dem Zentralkomitee der Partei und ihren Zentralorganen übermittelt werde]. 13. Das örtliche Parteikomitee ist verpflichtet, einen Teil seiner Einkünfte in die Kasse des Zentralkomitees abzuführen, und zwar berechnet das Zentralkomitee, wie groß der Teil ist, der auf jedes Komitee fällt. – III. Organisation der Agitation in anderen (nichtrussischen) Sprachen. 14. [Zum Zwecke der Agitation in einer nichtrussischen Sprache und der Organisierung der Arbeiter, unter denen eine solche Agitation getrieben wird, können dort besondere Organisationen gebildet werden, wo sich eine solche spezialisierte Agitation und die Schaffung einer solchen Organisation als notwendig erweisen]. 15. Die Entscheidung über die Frage, wie weit ein solches Bedürfnis vorliegt, wird dem Zentralkomitee der Partei, und in strittigen Fällen dem Parteitag überlassen … "

Der erste Teil des Paragraphen ist überflüssig, wenn man die weiteren Bestimmungen des Statuts berücksichtigt; der zweite Teil über die strittigen Fälle aber ist geradezu lächerlich.

„… 16. [Die örtlichen Organisationen, von denen in § 14 die Rede ist, sind in ihren besonderen Angelegenheiten autonom, wirken aber unter der Kontrolle des örtlichen Komitees und sind ihm untergeordnet, wobei die Formen dieser Kontrolle und die Norm der organisatorischen Beziehungen zwischen dem betreffenden Komitee und der betreffenden besonderen Organisation vom Ortskomitee bestimmt werden … "

(Nun, Gott sei Dank! Jetzt sieht man doch, wie überflüssig dieser ganze Redeschwall gewesen ist.)

„… Hinsichtlich der allgemeinen Parteiangelegenheiten wirken diese Organisationen als Teil der Komitee-Organisation.]

„… 17. [Die im § 14 erwähnten örtlichen Organisationen können zur erfolgreichen Durchführung ihrer besonderen Aufgaben einen autonomen Verband bilden. Ein solcher Verband kann seine besonderen literarischen und administrativen Organe haben, wobei die einen wie die andern unter der unmittelbaren Kontrolle des Zentralkomitees der Partei stehen. Das Statut eines solchen Verbandes wird von ihm selber ausgearbeitet, aber vom Zentralkomitee bestätigt]. 18. [Zu dem Bestand des in § 17 genannten autonomen Verbandes können auch örtliche Parteikomitees gehören, wenn sie sich infolge der örtlichen Verhältnisse hauptsächlich der Agitation in der betreffenden Sprache widmen. Anmerkung. Ein solches Komitee, das einen Teil des autonomen Verbandes bildet, hört nicht auf, ein Parteikomitee zu sein] … "

(Der ganze Paragraph ist außerordentlich nützlich und ausnehmend gescheit, die Anmerkung aber noch mehr als das.)

„… 19. [Die örtlichen Organisationen, die dem autonomen Verband angehören, stehen in ihrem Verkehr mit seinen zentralen Organen unter der Kontrolle der örtlichen Komitees]. – 20. [Die zentralen literarischen und Verwaltungsorgane der autonomen Verbände stehen zu dem Zentralkomitee der Partei in demselben Verhältnis wie die örtlichen Parteikomitees]. – IV. Das Zentralkomitee und die literarischen Organe der Partei. – 21. [Als Vertreter der Partei gelten im allgemeinen ihr Zentralkomitee und ihre literarischen Organe: das politische und das wissenschaftliche Organ]. – 22. In den Händen des Zentralkomitees liegt die allgemeine Leitung der gesamten praktischen Tätigkeit der Partei: die Sorge um die richtige Ausnutzung und Verteilung ihrer gesamten Kräfte; die Kontrolle über die Tätigkeit aller Teile der Partei; die Versorgung der örtlichen Organisationen mit Literatur; die Organisierung des technischen Apparates der Partei; die Einberufung der Parteitage. – 23. In den Händen der literarischen Organe der Partei liegt die ideologische Leitung des Parteilebens: die Propagierung des Parteiprogramms und die wissenschaftliche und publizistische Ausarbeitung der Weltanschauung der Sozialdemokratie. – 24. Alle örtlichen Parteikomitees und autonomen Verbände stehen in unmittelbarem Verkehr sowohl mit dem Zentralkomitee der Partei als auch mit der Redaktion der Parteiorgane und erstatten diesen periodisch Bericht über den Stand der Bewegung und über die Organisationsarbeit an den einzelnen Orten. – 25. Die Redaktion der literarischen Organe der Partei wird vom Parteitag eingesetzt und übt ihre Tätigkeit bis zum nächsten Parteitag aus. – 26. [Die Redaktion ist in ihren inneren Angelegenheiten autonom] und kann in der Zeit zwischen zwei Parteitagen ihren Bestand ergänzen oder verändern, wovon sie jedes Mal dem Zentralkomitee Mitteilung macht. – 27. Alle Mitteilungen, die vom Zentralkomitee ausgehen oder von ihm gebilligt sind, werden auf Verlangen des Zentralkomitees im Parteiorgan veröffentlicht. – 28. Im Einvernehmen mit der Redaktion der Parteiorgane bildet das Zentralkomitee besondere literarische Gruppen für diese oder jene Arten literarischer Arbeit. – 29. Das Zentralkomitee wird vom Parteitag ernannt und übt diese Tätigkeit bis zum folgenden Parteitag aus. Das Zentralkomitee ergänzt seinen Bestand durch Kooptation in unbeschränkter Zahl, wovon es jedes Mal die Redaktion der zentralen Parteiorgane in Kenntnis setzt. – V. Die Auslandsorganisation der Partei. – 30. Die Auslandsorganisation der Partei leitet die Propaganda unter den im Auslande lebenden Russen und die Organisierung der sozialistischen Elemente unter ihnen. An ihrer Spitze steht eine gewählte Verwaltung. – 31. Die autonomen Verbände, die der Partei angehören, können im Auslande ihre Abteilungen zur Unterstützung der besonderen Aufgaben dieser Verbände haben. Diese Abteilungen gehören als autonome Gruppen der allgemeinen Auslandsorganisation an. – VI. Die Parteitage. – 32. Die oberste Parteiinstanz ist der Parteitag. – 33. [Der Parteitag legt das Programm, das Statut und die leitenden Grundsätze für die Tätigkeit der Partei fest, kontrolliert die Arbeit aller Parteiorgane und untersucht die zwischen ihnen entstehenden Konflikte]. – 34. Eine Vertretung auf dem Parteitag haben: a) sämtliche örtlichen Komitees der Partei; b) die zentralen Verwaltungsorgane aller autonomen Verbände, die der Partei angehören; c) das Zentralkomitee der Partei und die Redaktionen ihrer Zentralorgane; d) die Auslandsorganisation der Partei. – 35. Eine Übertragung der Mandate ist zulässig, aber nur unter der Bedingung, dass ein Delegierter nicht mehr als drei gültige Mandate vertreten darf. Die Teilung eines Mandates unter zwei Vertretern ist zulässig. Gebundene Mandate sind unzulässig.

36. Dem Zentralkomitee wird es überlassen, zu dem Parteitag Genossen mit beratender Stimme einzuladen, deren Anwesenheit von Nutzen sein kann,

37. In Fragen der Änderung des Programms oder des Parteistatuts ist eine Mehrheit von der vorhandenen Stimmen erforderlich; die übrigen Fragen werden durch einfache Stimmenmehrheit entschieden. 38. Der Parteitag gilt als beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte aller zur Zeit des Parteitages vorhandenen Parteikomitees auf ihm vertreten sind. 39. Der Parteitag soll – wenn die Möglichkeit besteht – einmal in zwei Jahren einberufen werden. [Sollten Hindernisse, die vom Willen des Zentralkomitees unabhängig sind, die Einberufung des Parteitages innerhalb dieser Frist verhindern, so kann das Zentralkomitee den Parteitag auf eigene Verantwortung verschieben.]

Der Leser, dessen Geduld ausnahmsweise gereicht hat, um dieses sogenannte Statut zu Ende zu lesen, wird von uns sicherlich keine besondere Untersuchung der hier folgenden Schlussfolgerungen verlangen. Erster Schluss: das Statut leidet an einer schwer heilbaren Wassersucht. Zweiter Schluss: eine besondere Schattierung der organisatorischen Ansichten im Sinne eines ablehnenden Verhaltens zum übermäßigen Zentralismus in diesem Statut zu entdecken, ist unmöglich. Dritter Schluss: Genosse Martow handelte im höchsten Grade vernünftig, als er der Welt (und der Beratung auf dem Parteitag) über 38/39 seines Statuts vorenthielt. Einigermaßen originell ist nur, dass man aus Anlass dieser Verheimlichung von einem offenen Visier redet.

1 Die Worte „Der Entwurf des Genossen Martow" sind in der Ausgabe von 1908 weggelassen. Die Red.

2 Die Worte „oben berührte" sind in der Ausgabe von 1908 weggelassen. Die Red.

A In seiner Rede über die Anerkennung der „Iskra" als Zentralorgan hat Genosse Popow u. a. gesagt: „Ich erinnere an den Artikel in Nr. 3 oder 4 der ,Iskra': ,Womit beginnen?' Viele der in Russland tätigen Genossen fanden ihn taktisch unrichtig, anderen erschien dieser Plan phantastisch, und die Mehrheit (wahrscheinlich die Mehrheit der den Genossen Popow umgebenden Genossen) erklärten ihn nur mit Ehrgeiz." (S. 140.) Wie der Leser sieht, bin ich bereits daran gewöhnt, dass man meine politischen Ansichten als Ehrgeiz auslegt. Diese Auslegung wird jetzt von den Genossen Axelrod und Martow wieder aufgewärmt. (Diese Fußnote ist in der Ausgabe von 1908 weggelassen. Die Red.)

3 Der weitere Teil des Paragraphen ist in der Ausgabe von 1908 weggelassen. Die Red.

B Übrigens. Die Protokollkommission veröffentlichte in der Beilage XI den Statutenentwurf, „der auf dem Parteitag von Lenin eingebracht wurde" (S. 393). Die Protokollkommission hat hier auch eine kleine Verwirrung angestiftet. Sie hat meinen ursprünglichen Entwurf, der allen Delegierten (und sehr vielen vor dem Parteitag) gezeigt wurde, mit dem Entwurf verwechselt, der auf dem Parteitag eingebracht wurde, und hat den ersten veröffentlicht, ihn aber als den zweiten ausgegeben. Ich habe natürlich gegen die Veröffentlichung meiner Entwürfe nichts einzuwenden, sei es auch in allen Stadien ihrer Vorbereitung, doch darf dabei kein Durcheinander entstehen. Ein Durcheinander aber ist entstanden, denn Popow und Martow (S. 154 und 157) kritisieren Formulierungen in dem von mir dem Parteitag tatsächlich vorgelegten Entwurf, die in dem von der Protokollkommission veröffentlichten Entwurf gar nicht vorhanden sind (vgl. S. 394, § 7 und 11), Bei einem aufmerksameren Verhalten in dieser Angelegenheit hätte man durch ein einfaches Vergleichen der von mir zitierten Seiten den Irrtum leicht bemerken können.

C Ich will bemerken, dass ich leider die erste Variante des Martowschen Entwurfes nicht finden konnte, der, wenn ich nicht irre, aus 48 Paragraphen bestand und noch mehr an einem „Übermaß" von nutzlosem Formalismus krankte.

D Wir lenken die Aufmerksamkeit des Genossen Axelrod auf dieses Wörtchen. Das ist doch fürchterlich! Da sind die Wurzeln des „Jakobinertums", das nicht einmal … nicht einmal vor einer Änderung in der Zusammensetzung der Redaktion haltmacht …

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