d) Die Auflösung der Gruppe „Juschny Rabotschij"

d) Die Auflösung der Gruppe „Juschny Rabotschij"

Die Verteilung der Delegierten in der Frage des Organisationskomitees könnte vielleicht zufällig erscheinen. Aber eine solche Meinung wäre irrtümlich, und um sie zu beseitigen, wollen wir von der chronologischen Reihenfolge abweichen und sofort den Konflikt behandeln, der sich zwar am Ende des Parteitages ereignete, aber mit dem vorhergehenden aufs Engste verbunden war. Dieser Konflikt betraf die Auflösung der Gruppe „Juschny Rabotschij". Gegen die iskristischen organisatorischen Tendenzen – den vollständigen Zusammenschluss der Parteikräfte und die Beseitigung des die Kräfte zersplitternden Chaos – standen hier die Interessen einer Gruppe, die eine nützliche Arbeit verrichtet hatte, als eine wirkliche Partei noch fehlte, und die jetzt bei einer Zentralisierung der Arbeit überflüssig wurde. Im Namen der Interessen eines Zirkels konnte die Gruppe „Juschny Rabotschij" mit nicht geringerem Recht als die alte „Iskra"-Redaktion auf die Erhaltung der „Kontinuität" und auf ihre Unantastbarkeit Anspruch erheben. Im Namen der Interessen der Partei musste diese Gruppe sich der Verschiebung ihrer Kräfte in „die entsprechenden Parteiorganisationen" fügen (S. 313, Schluss der vom Parteitag angenommenen Resolution). Vom Standpunkt der Interessen eines Zirkels und der „Spießbürgerlichkeit" musste die Auflösung einer nützlichen Gruppe „heikel" erscheinen (nach dem Ausdruck der Genossen Russow und Deutsch), einer Gruppe, die sich ebenso dagegen sträubte, wie die alte Redaktion der „Iskra". Vom Standpunkte der Interessen der Partei war die Auflösung, das „Aufsaugen" (ein Ausdruck Gussews) durch die Partei notwendig. Die Gruppe „Juschny Rabotschij" erklärte direkt, dass sie es „nicht für notwendig halte", sich für aufgelöst zu erklären, und verlange, dass „der Parteitag entschieden seine Meinung sage", und zwar „unverzüglich: ja oder nein". Die Gruppe „Juschny Rabotschij" berief sich offen auf dieselbe „Kontinuität", an die die alte Redaktion der „Iskra" zu appelieren begonnen hatte … nach ihrer Auflösung! Obwohl wir alle zusammen die einheitliche Partei bilden", sagte Genosse Jegorow, „so besteht sie doch aus einer ganzen Reihe von Organisationen, denen man als geschichtlichen Größen Rechnung tragen muss … Wenn eine solche Organisation für die Partei nicht schädlich ist, so braucht sie nicht aufgelöst zu werden."

Auf diese Weise war die wichtige grundsätzliche Frage ganz klar gestellt, und alle Iskristen wandten sich, solange noch die Interessen ihres eigenen Zirkeltums nicht an die Oberfläche drängten, entschieden gegen die schwankenden Elemente (die Bundisten und zwei Genossen vom „Rabotscheje Djelo" waren zu dieser Zeit nicht mehr auf dem Parteitag; sie wären zweifellos mit allen Kräften dafür eingetreten, dass es notwendig sei, „den geschichtlichen Größen Rechnung zu tragen"). Die Abstimmung ergab 31 Stimmen für, 5 Stimmen gegen die Auflösung, bei 5 Stimmenthaltungen (4 Stimmen der Mitglieder der Gruppe „Juschny Rabotschij" und noch 1 Stimme, wahrscheinlich die Bjelows, nach seinen früheren Erklärungen zu urteilen, S. 308).

Es bildete sich eine deutliche Gruppe von 10 Stimmen, die dem konsequenten Organisationsplan der „Iskra" schroff ablehnend gegenüberstand und das Zirkelwesen gegen das Parteiwesen verteidigte. In den Debatten stellen die Iskristen gerade diese Frage grundsätzlich (siehe die Rede Lange s, S. 315), sie wenden sich gegen die Handwerklerei und die Zerfahrenheit, lehnen es ab, auf die „Sympathien" einzelner Organisationen Rücksicht zu nehmen, und sagen offen, dass „die Sache der Vereinigung der Partei und der Sieg jener Grundsätze des Programms, die wir hier bestätigt haben, schon früher erreicht worden wären, wenn die Genossen vom ,Juschny Rabotschij' schon vor einem Jahr oder vor zwei einen mehr grundsätzlichen Standpunkt vertreten hätten." In diesem Sinne sprechen auch Orlow, Gussew, Ljadow, Murawjow, Russow, Pawlowitsch, Glebow und Gorin. Die Iskristen von der „Minderheit" erheben sich nicht nur nicht gegen diese wiederholt auf dem Parteitag erhobenen bestimmten Hinweise auf die ungenügend grundsätzliche Politik und „Linie" des „Juschny Rabotschij", Machows und anderer, sie machen nicht nur keine Vorbehalte in dieser Hinsicht, sondern schließen sich, im Gegenteil – durch den Mund von Deutsch – ihnen entschieden an, sie verurteilen das „Chaos" und begrüßen die „offene Stellung der Frage" (S. 315) durch denselben Genossen Russow, der in der gleichen Sitzung о Schrecken! – die Kühnheit hatte, auch die Frage der alten Redaktion unmittelbar auf rein parteilichen Boden zu stellen (S. 325).1

Bei der Gruppe „Juschny Rabotschij" hat die Frage ihrer Auflösung eine starke Empörung ausgelöst, deren Spuren auch in den Protokollen zu finden sind (man darf nicht vergessen, dass die Protokolle nur ein blasses Bild von den Debatten geben, denn anstatt der ungekürzten Rede bringen sie nur ganz gedrängte Zusammenfassungen und Auszüge). Genosse Jegorow bezeichnete sogar die bloße Erwähnung des Namens der Gruppe „Rabotschaja Mysl" neben dem „Juschny Rabotschij" als „Lüge" – ein bezeichnendes Musterbeispiel dessen,, welches Verhalten zum nsequenten Ökonomismus auf dem Parteitag herrschte. Sogar noch viel später, in der 37. Sitzung, spricht Genosse Jegorow von der Auflösung des „Juschny Rabotschij" mit der größten Gereiztheit (S. 356) und bittet ins Protokoll aufzunehmen, dass bei der Behandlung der Frage des „Juschny Rabotschij" die Mitglieder dieser Gruppe weder über die Mittel zur Herausgabe des Blattes noch über die Kontrolle des Zentralorgans und des Zentralkomitees befragt wurden. Genosse Popow macht während der Debatten über den „Juschny Rabotschij" Anspielungen auf eine kompakte Mehrheit, die die Frage dieser Gruppe gewissermaßen im Voraus entschieden hat. „Jetzt – sagt er (S. 316) – nach den Reden der Genossen Gussew und Orlow ist alles klar." Der Sinn dieser Worte ist unzweideutig: jetzt, wo die Iskristen sich geäußert und eine Resolution vorgeschlagen haben, ist alles klar, d. h. es ist klar, dass der „Juschny Rabotschij" entgegen seinem Willen aufgelöst werden wird.2 Der Vertreter des „Juschny Rabotschij" unterscheidet hier selber zwischen den Iskristen (und dabei solchen, wie Gussew und Orlow) und seinen eigenen Anhängern, als Vertretern verschiedener „Linien" in der organisatorischen Politik. Und wenn die heutige „Iskra" die Gruppe des „Juschny Rabotschij" (wahrscheinlich auch die Machows?) als „typische Iskristen" hinstellt, so zeigt das nur anschaulich, dass man die wichtigsten (vom Standpunkte dieser Gruppe) Ereignisse des Parteitages und den Wunsch der neuen Redaktion vergessen hat, die Spuren zu verwischen, die darauf hinweisen, aus welchen Elementen die sogenannte „Minderheit" entstanden ist.

Leider wurde auf dem Parteitag die Frage eines populären Blattes nicht aufgeworfen. Alle Iskristen haben diese Frage sehr lebhaft erörtert, und zwar sowohl vor dem Parteitag als auch während des Parteitages außerhalb der Sitzungen; sie stimmten darin überein, dass es im gegenwärtigen Moment des Parteilebens höchst unzweckmäßig gewesen wäre, die Herausgabe eines solchen Blattes in die Wege zu leiten oder eins der bestehenden Blätter in ein solches zu verwandeln. Die Anti-Iskristen vertraten auf dem Parteitag die entgegengesetzte Meinung, die Gruppe „Juschny Rabotschij" in ihrem Bericht ebenfalls, und nur dem Zufall oder dem Wunsch, keine „hoffnungslose" Frage aufzuwerfen, ist es zu verdanken, dass nicht eine entsprechende Resolution mit zehn Unterschriften eingebracht wurde.

1 Das Wort „denselben" und der Schluss des Satzes, beginnend mit den Worten „der in der gleichen Sitzung" ist in der Ausgabe von 1908 weggelassen. Die Red.

2 Der Schluss des § d, beginnend mit den Worten „Der Vertreter des … " ist in der Ausgabe von 1908 weggelassen. Die Red.

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