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Wladimir I. Lenin 19050308 „Oswoboschdenije" und neue „Iskra", Monarchisten und Girondisten

Wladimir I. Lenin: Oswoboschdjenije" und neue „Iskra",

Monarchisten und Girondisten

[Wperjod" Nr. 9, 23. Februar/8. März 1905. Nach Sämtliche Werke, Band 7, 1929, S. 212-214]

Die Nummer 66 des „Oswoboschdjenije" bringt eine Rezension über die (von der Redaktion der „Iskra" gebilligte und empfohlene, siehe „Iskra" Nr. 84) Broschüre von Martynow „Zwei Diktaturen". Wie zu erwarten war, macht der liberale Bourgeois aus seinen Sympathien für den opportunistischen Flügel der Sozialdemokratie gar kein Hehl. Für das „Oswoboschdjenije" ist die Broschüre Martynows „neben der Arbeit des Herrn Akimow1 „eines der interessantesten Erzeugnisse der gesamten neueren sozialdemokratischen Literatur". Konnte ein Liberaler zu der Propaganda des Chwostismus, die die revolutionäre Klasse mit der verhängnisvollen Perspektive einer Teilnahme an der provisorischen Regierung und der „revolutionären Diktatur" beim demokratischen Umsturz ins Bockshorn zu jagen sucht (Martynow, der vor dem „Jakobinertum" Angst hat, verwechselt den demokratischen Umsturz mit der sozialistischen Revolution!), sich anders verhalten? Ist es ein Zufall, dass das „Oswoboschdjenije" in dem Artikel „Eine bezeichnende Schwenkung"2 den Plechanowschen Gedanken über Zugeständnisse an die Revisionisten begrüßt hat? Womit ist die Erklärung des „Oswoboschdjenije" (Nr. 57), dass „in der Sache die Menschewisten jetzt etwas Lebens- und Aktionsfähigeres verteidigen als die Bolschewisten" zu erklären? Nicht etwa damit, dass „die einzige Hoffnung auf die ideologische Lebensfähigkeit des russischen Liberalismus in der Lebensfähigkeit des sozialdemokratischen Opportunismus besteht" (siehe unsere Broschüre „Ein dienstfertiger Liberaler")?

Hatte Herr Struve recht oder unrecht, als er behauptete, dass die Broschüre Trotzkis: „Unsere politischen Aufgaben", die unter der Redaktion der „Iskra" (siehe Nr. 72) erschien, „ganz mit Recht einige Ideen in Schutz nimmt, die allen denen, die sich für die sozialdemokratische Literatur interessieren, bereits aus den Schriften der Herren Akimow, Martynow und Kritschewski sowie der andern sogenannten Ökonomisten bekannt sind" (Nr. 57 des „Oswoboschdjenije")? Hätten Martynow und Co. über diese Fragen nachgedacht, so würden sie vielleicht die kopfzerbrechende (oh, was für eine kopfzerbrechende!) Idee der alten „Iskra" über die Ähnlichkeit der Beziehungen zwischen den Jakobinern und den Girondisten einerseits, und zwischen den revolutionären Sozialdemokraten und den Opportunisten anderseits begriffen haben. (Dieser Gedanke wurde, wenn wir nicht irren, zum ersten Mal im Leitartikel der „Iskra" Nr. 2, den Plechanow geschrieben hat, ausgesprochen3.)

Waren die Girondisten Verräter an der Sache der großen französischen Revolution? Nein. Aber sie waren inkonsequente, unentschlossene, opportunistische Verteidiger dieser Sache. Deshalb kämpften gegen sie die Jakobiner, die ebenso konsequent die Interessen der vorgeschrittenen Klasse des 18. Jahrhunderts verfochten haben, wie die revolutionären Sozialdemokraten die Interessen der vorgeschrittenen Klasse des 20. Jahrhunderts konsequent verfechten. Deshalb wurden die Girondisten von den direkten Verrätern der großen Revolution, den Monarchisten, den konstitutionellen Pfaffen usw. unterstützt und gegen die Angriffe der Jakobiner in Schutz genommen. Beginnt Ihnen jetzt ein Licht aufzugehen, verehrtester Girondist Martynow? Noch immer nicht? Wir wollen es Ihnen weiter erläutern. Sind die Anhänger der neuen „Iskra" Verräter an der Sache des Proletariats? Nein. Aber sie sind inkonsequente, unentschlossene, opportunistische Verteidiger dieser Sache (und der Grundsätze der Organisation und Taktik, die diese Sache beleuchten). Deshalb kämpfen gegen ihre Position die revolutionären Sozialdemokraten (die einen direkt und offen, die anderen insgeheim, hinter den verschlossenen Türen der Redaktionszimmer, mit Kniffen und Winkelzügen4). Deshalb werden die Anhänger der neuen „Iskra" von den direkten Verrätern an der Sache des Proletariats, den „Oswoboschdjenije"-Leuten, ideell unterstützt und in Schutz genommen. Beginnt Ihnen nun jetzt ein Licht aufzugehen, verehrtester Girondist Martynow?

1 Gemeint ist die Broschüre von W. Аkimоw: „Über die Verhandlungen des II. Parteitages der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands", Genf 1904 (russisch).

2 Der Artikel „Eine bezeichnende Schwenkung" erschien im „Oswoboschdjenije" Nr. 13 (37) vom 2./15. Dezember 1903.

3 In Nr. 2 der „Iskra", in dem Artikel: „An der Schwelle des zwanzigsten Jahrhunderts" schrieb Plechanow: „Schon heute zeigen sich in der großen sozialistischen Bewegung zwei verschiedene Richtungen, und vielleicht wird der revolutionäre Kampf des 20. Jahrhunderts zu dem führen, was man mutatis mutandis, als den Bruch zwischen dem sozialdemokratischen ,Berg' und der sozialdemokratischen ,Gironde' wird bezeichnen können".

4 Gemeint ist Pleсhаnоw , der damals mit den Menschewiki (Axelrod, Martynow usw.) in den wesentlichsten Fragen nicht einverstanden war und gegen sie kämpfte, aber dies „insgeheim, hinter den verschlossenen Türen der Redaktionszimmer, mit Kniffen und Winkelzügen" tat, im Gegensatz zu den Bolschewiki, die den offenen Kampf für notwendig hielten.

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