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ZK der SDAPR 19070700 Zweite allrussische Konferenz

ZK der SDAPR: Zweite allrussische Konferenz

(21., 22. und 23. Juli 1907)

[„Mitteilung über die Parteikonferenz vom 21., 22. und 23. Juni 1907." Flugblatt herausgegeben vom ZK der SDAPR. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 12, Wien-Berlin 1933, S. 519-526]

Die 2. Allrussische Konferenz fand (Juli 1907) in Helsingfors statt und beschäftigte sich mit taktischen Fragen anlässlich der Auseinanderjagung der II. Duma und des Staatsstreichs vom 3. Juni. Vor der Konferenz traten unter den Bolschewiki deutlich zwei taktische Linien zutage:

1. für den Boykott der III. Duma (Vertreter A. Bogdanow);

2. gegen den Boykott (mit Lenin an der Spitze).

In der Fraktionssitzung, an der sich auch die Polen und die Letten beteiligten, kam es zur Einigung. Es wurde beschlossen, in Einheitsfront gegen die Menschewiki aufzutreten, die aus rein kadettischen Gründen den Duma-Boykott ablehnten. Unter dem Einfluss Lenins beschloss die Mehrheit der Fraktion, für Wahlbeteiligung zu stimmen. Über die Begründung der Resolution gab es unter den Bolschewiki keine Meinungsverschiedenheiten.

Die Resolution der Konferenz

Am 21., 22. und 23. Juli 1907 tagte die vom Zentralkomitee auf Grund des Parteistatuts einberufene Konferenz der SDAPR. Auf der Konferenz wurden folgende Fragen erörtert: Beteiligung an den Wahlen zur III. Reichsduma, Wahlabkommen, Wahlplattform, Gewerkschaftskongress.

Der Konferenz wohnten 26 Delegierte mit beschließender Stimme bei: 5 vom Zentralgebiet. 3 vom Kaukasus, 2 vom Nordgebiet, 1 von Südrussland, 1 vom Donezbecken, 5 von Polen, 5 vom „Jüdischen Arbeiterbund", 2 von der Lettischen Sozialdemokratie, 2 vom Uralgebiet.

In der Frage der Beteiligung an den Wahlen zur Reichsduma wurde mit 15 gegen 11 Stimmen folgende Resolution angenommen:

In Anbetracht dessen,

1. dass die die russische Revolution bedingenden Hauptursachen: das tiefe Missverhältnis zwischen dem politischen System und den Bedürfnissen der Wirtschaftsentwicklung des Landes, die Verelendung der Bauernschaft, die Verschärfung der Not des Proletariats, die Arbeitslosigkeit, nach wie vor bestehen und somit die objektiven geschichtlichen Aufgaben der Revolution nicht gelöst sind, zugleich aber keine solche Massenvernichtung der Kräfte der Revolution stattgefunden hat, die ihre gänzliche Entkräftung hätte herbeiführen können;

2. dass die sich trotz stärkster Unterdrückung fortsetzende Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Organisationen des Proletariats, seine immer häufigeren wirtschaftlichen Aktionen und das unzweifelhafte Wachstum des politischen Bewusstseins der Bauernschaft darauf verweisen, dass unter dem äußerlichen Stillstand der Revolution in Wirklichkeit die Sammlung und Vorbereitung der Massenkräfte zum neuen entscheidenden Kampf vor sich geht;

3. dass die äußerst ablehnende Haltung der Volksmassen gegenüber den Wahlen zur III. Duma, die von tiefgreifender Zerstörung der früheren Verfassungsillusionen und von richtiger Einschätzung des konterrevolutionären Charakters der Duma zeugt, ebenfalls dafür spricht, –

erklärt die Konferenz, dass die Sozialdemokratie eine Agitation für die Erweiterung des wirtschaftlichen und politischen Kampfes des Proletariats und für die Notwendigkeit offener Massenaktionen in Gestalt von allgemeinen Streiks, Demonstrationen, Meetings usw. zu treiben hat.

Mit Rücksicht, anderseits, darauf:

1. dass die Boykott-Taktik nur unter der Voraussetzung eines mit direktem Vorstoß gegen die alte Macht verbundenen breiten, allgemeinen, raschen revolutionären Aufschwungs oder zu Zwecken des Kampfes gegen weitverbreitete Verfassungsillusionen (wie es z. B. beim Boykott der Bulygin- und der Witte-Duma der Fall war) richtig wäre;

2. dass die Verhältnisse, unter denen die revolutionäre Sozialdemokratie sich an der II. Duma beteiligt hat, keine wesentlichen Veränderungen aufweisen, da das neue Wahlgesetz nur die Ersetzung einer Duma, die kadettisch redete und oktobristisch handelte, durch eine offen oktobristische Duma in Aussicht stellt;

3. dass der Staatsstreich vom 3. Juni 1907 ein direktes und unvermeidliches Resultat der Niederlage des Dezemberaufstandes 1905, ein Resultat des Verrats der liberalen Bourgeoisie und der Tätigkeit zweier Dumas ist, die das revolutionäre Bewusstsein korrumpiert und durch die Politik der Abmachungen und Kompromisse mit der alten Macht (Losungen des Duma-Kabinetts, der Schonung der Duma usw.) die revolutionäre Stimmung der Massen herabgedrückt haben, dass ferner die Lehren der zweiten Periode der russischen Revolution 1906 und 1907 darin bestehen, dass die gleiche systematische Offensive der Reaktion, der gleiche Rückzug der Revolution, die wir in dieser ganzen Zeit gesehen haben, unter der Herrschaft des Glaubens an die Verfassung und unter der Hegemonie der Kadetten in der Freiheitsbewegung unausbleiblich ist –

erklärt die Konferenz:

a) dass die Sozialdemokratie sich an der Wahlkampagne und an der III. Duma beteiligen muss;

b) dass sie in der Wahlkampagne und in der Duma selbst den sozialistischen Gedanken und die revolutionären Losungen zu verbreiten und im Bewusstsein der Volksmassen zu festigen und einen entschiedenen Kampf sowohl gegen die Reaktion als auch gegen die Hegemonie der Kadetten in der Freiheitsbewegung überhaupt und in der Duma insbesondere zu führen hat."

Mit 15 gegen 11 Stimmen wurde folgender Resolutionsentwurf abgelehnt: „In Anbetracht dessen,

1. dass der Boykott gegenwärtig sich auf einen vorübergehenden politischen Indifferentismus der breiten Massen stützen und ihre Passivität verstärken würde;

2. dass er dem Bestreben der Reaktion, ihren schlimmsten Feind, die Partei des Proletariats, vom Schauplatz der offenen politischen Tätigkeit, wie die Duma es ist, zu entfernen, entgegenkommen und dadurch der Regierung und den Reaktionären ihre Aufgabe erleichtern würde, die darin besteht, die Duma zu einem Werkzeug der Festigung ihrer Herrschaft im Lande und der Hebung ihres Ansehens auf internationalem Gebiet zu machen;

3. dass der freiwillige Verzicht der Sozialdemokratie auf die Beteiligung an den Wahlen und an der Duma selbst den Prozess der Befreiung der breiten Massen vom Einfluss der bürgerlichen – liberalen und demokratischen – Parteien äußerst erschweren würde, der unentschlossenen und inkonsequenten Opposition dieser letzteren keinen konsequenten Demokratismus und revolutionären Geist der Sozialdemokratie entgegenstellen und sie zugleich in den Augen der Massen zu den einzigen Vertretern der Opposition gegen Regierung und Reaktionäre machen würde:

4. dass ein solches Zurücktreten dem Proletariat die Möglichkeit entziehen würde, die Wahlkampagne und die Duma zu dem Zwecke auszunutzen, durch systematische Entgegenstellung seiner Klassenforderungen denjenigen aller bürgerlichen Parteien die rückständigen Schichten der Arbeiterklasse aufzurütteln, sie in den allgemeinen proletarischen Kampf hineinzuziehen und unter dem Banner der Sozialdemokratie zusammenzuschließen;

5. dass die Sozialdemokratie auf diese Weise durch Annahme der Boykott-Taktik den Schauplatz ihrer Einwirkung auf die Volksmassen einengen würde, einer Einwirkung, die diese Massen zu dem unausbleiblichen neuen revolutionären Aufschwung vorbereitet, –

lehnt die Konferenz den Boykott ab und beschließt, dass die Partei sich sowohl an den Wahlen zur Duma als auch an der Duma selbst aufs Energischste zu beteiligen hat.

Zugleich ist die Konferenz der Auffassung, dass nur eine ununterbrochene Einmischung der proletarischen Massen in den Entwicklungsverlauf des politischen Lebens, nur ständige revolutionäre Aktivität der Massen (Meetings, Demonstrationen, Streiks usw.) sie auf den unausbleiblichen entschlossenen Entscheidungskampf gegen das herrschende Regime vorbereiten kann. Daher weist die Konferenz die Parteiorganisationen an, sowohl die Wahlen zur Duma als auch die Tätigkeit der sozialdemokratischen Dumafraktion mit allen möglichen Formen proletarischer und allgemeiner Volksaktivität, mit der Organisierung des Protestes gegen den Staatsstreich zu verbinden."

Der Boykott der Wahlen zur III. Duma wurde mit 15 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Die Konferenzmitglieder, die für den Boykott gestimmt hatten, gaben danach ihren Resolutionsentwurf in folgender Fassung als Sondermeinung zu Protokoll:

In Anbetracht dessen:

1. dass die die russische Revolution bedingenden Hauptursachen, das tiefe Missverhältnis zwischen dem politischen System und den Bedürfnissen der Wirtschaftsentwicklung des Landes, die Verelendung der Bauernschaft, die Verschärfung der Not des Proletariats, die Arbeitslosigkeit nach wie vor bestehen und somit die objektiven geschichtlichen Aufgaben der Revolution nicht gelöst sind, zugleich aber keine solche Massenvernichtung der Kräfte der Revolution stattgefunden hat, die ihre gänzliche Entkräftung hätte herbeiführen können;

2. dass die sich trotz stärkster Unterdrückung fortsetzende Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Organisationen des Proletariats, seine immer häufigeren wirtschaftlichen Aktionen und das unzweifelhaft tum des politischen Bewusstseins der Bauernschaft darauf verweisen, dass unter dem äußerlichen Stillstand der Revolution in Wirklichkeit die Sammlung und Vorbereitung der Massenkräfte zum neuen entscheidenden Kampf vor sich geht;

3. dass dafür auch die äußerst ablehnende Haltung der Volksmassen gegenüber den Wahlen zur III. Duma spricht, die von tiefgreifender Zerstörung der früheren Verfassungsillusionen und von richtiger Einschätzung des neuen Wahlgesetzes, das die Duma zum. Mittelpunkt der Organisierung der konterrevolutionären Kräfte macht, sowie von der richtigen Einschätzung des konterrevolutionären Charakters der Duma zeugt, –

finden wir, dass nächst der stetigen und wichtigsten Aufgabe der Partei – Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Organisation des Proletariats auf dem Boden der Äußerung seines Klassenbewusstseins – die spezielle taktische Aufgabe der Partei in der heutigen bürgerlich-demokratischen Revolution nach wie vor darin besteht, die Volksmassen über die Notwendigkeit eines allgemeinen Volksaufstandes und über die Notwendigkeit der Einberufung einer Konstituierenden Versammlung auf revolutionärem Wege, als des einzigen Mittels, Boden für die Bauernschaft und Freiheit für das ganze Volk zu erringen, aufzuklären, sowie die planmäßige Verbindung der Kräfte des Proletariats und der revolutionären Bauernschaft im entscheidenden Augenblick des Kampfes vorzubereiten. Alles, was mit diesen Hauptaufgaben in Widerspruch steht, muss aus der Parteitaktik beseitigt werden, und die Hauptbemühungen der Partei sind heute auf die Verstärkung und Verbreiterung ihrer unmittelbaren Organisationstätigkeit zu richten – sowohl auf dem Gebiete des Wirtschaftskampfes des Proletariats durch Schaffung und Unterstützung der Gewerkschaften und durch Festigung des sozialdemokratischen Einflusses in denselben als auch auf dem Gebiet des politischen Lebens durch Entwicklung und Festigung der Parteiorganisationen und ihrer agitatorisch-propagandistischen Arbeit. Ferner in Anbetracht dessen,

1. dass angesichts der oben erwähnten Einstellung der Massen gegenüber der III. Duma eine von der Sozialdemokratie ausgehende Aufforderung zur Wahlbeteiligung, auch bei der revolutionärsten Begründung dieser Aufforderung, von den Massen nur als Anerkennung der Auffassung ausgelegt werden würde, dass die Revolution zu Ende ist und dass es nunmehr heißt, zu langjähriger Kleinarbeit überzugehen;

2. dass die Beteiligung an der III. Duma unter den gegebenen Verhältnissen ihrer Einberufung (in höchstem Grade reaktionäres Wahlgesetz und selbst im Vergleich zu den vorigen Wahlen um ein Vielfaches gesteigerte Verfolgungen) der Partei keine ernstlichen politischen Vorteile bietet, da unter diesen Verhältnissen keine Möglichkeit besteht, in der Duma eine der Partei würdige sozialdemokratische Vertretung zu schaffen und die Tätigkeit zu einer breit angelegten Agitations- und Organisationsarbeit erfolgreich auszunutzen;

3. dass für die Organisierung der revolutionären Schichten der Bauernschaft die Taktik des Boykotts, die das heranwachsende revolutionäre Bewusstsein dieser Schichten zusammenschließt und ihm feste Formen gibt, die zweckmäßigste ist, – sprechen wir uns für den Boykott der Wahlen zur III. Duma aus, jedoch bei energischer Beteiligung der Partei an der "Wahlkampagne, in deren Verlauf die Agitation für den Boykott mit der Aufklärung breiter Massen über das Wesen der politischen Lage und über die Aufgaben der Partei verbunden wird."

Diese Gruppe von Konferenzteilnehmern gab außerdem folgende Erklärung ab:

Wir endesunterzeichneten Konferenzmitglieder, die eine Sondermeinung im Sinne des Boykotts der III. Duma zu Protokoll gegeben und dadurch vor der Partei die Verantwortung für den, unserer Auffassung nach, falschen Beschluss der Konferenzmehrheit abgelehnt haben, haben es für nötig befunden, um den Sieg des opportunistischen Flügels unserer Partei bei der Bestimmung des Charakters und des Inhalts der bevorstehenden Wahlkampagne zu verhüten, unsere Stimme derjenigen der antiboykottistischen Resolution zu geben, die unserer Meinung nach das geringere Übel ist."

Darauf wurde von der Konferenz folgender Entwurf von Wahlabkommen mit anderen Parteien angenommen:

1. Die Sozialdemokratie geht bei den Wahlen selbständig vor und geht im ersten Wahlgang keine Wahlabkommen ein.

2. Bei Stichwahlen sind Wahlabkommen mit allen Parteien links von den Kadetten zulässig.

3. Im zweiten Stadium und allen weiteren sind Wahlabkommen mit allen revolutionären und Oppositionsparteien einschließlich Kadetten (und verwandter Gruppen, wie der mohammedanischen, der Kosakengruppe usw.) zulässig.

4. Bei Wahlabkommen mit nichtsozialistischen Parteien hat sich die Sozialdemokratie nach dem Grad des Demokratismus zu richten; die Reihenfolge ist die nachstehende: 1. Sozialrevolutionäre, 2. Volkssozialisten, 3. Trudowiki, 4. Kadetten.

5. In der Arbeiterkurie sind Abkommen mit anderen Parteien und Organisationen nicht zulässig; eine Ausnahme bilden die der SDAPR nicht angeschlossenen nationalen sozialdemokratischen Organisationen sowie die PPS.

6. Sämtliche Wahlabkommen dürfen nur technischer Art sein.

In der Frage der Wahlplattform wurde folgende Resolution gefasst: „Die Konferenz beauftragt das Zentralkomitee, eine Wahlplattform auszuarbeiten auf Grund der von der Konferenz angenommenen Resolution über die Beteiligung an den Wahlen und an der Reichsduma" (angenommen mit 14 Stimmen gegen 8, bei einer Stimmenthaltung. Drei Konferenzteilnehmer waren abwesend).

In der Frage „Gewerkschaftskongress und Partei" wurde beschlossen: „Sämtliche vorgelegten Resolutionsentwürfe in der Frage ,Gewerkschaftskongress und Partei' sind dem ZK als Material zu überweisen." Es wurden zu dieser Frage vier Resolutionsentwürfe vorgelegt:

Erster Entwurf

In Anbetracht dessen,

1. dass die Sozialdemokratie als Partei, die die Interessen der Klassenbewegung des Proletariats als Ganzes vertritt, das größte Interesse an möglichster Koordinierung der Gewerkschaftsbewegung mit den allgemeinen Interessen der Arbeiterbewegung hat;

2. dass der bevorstehende Allrussische Gewerkschaftskongress für den ideologischen und organisatorischen Zusammenschluss der Gewerkschaften sowie für die gesamte Arbeiterbewegung als solche von größter Bedeutung sein wird;

3. dass diese Bedeutung um so größer sein wird, je breiter und tiefer die Vorbereitung zum Kongress ist, –

fordert die Konferenz die Parteimitglieder auf, an der Vorbereitung und Organisierung des Gewerkschaftskongresses energischen Anteil zu nehmen und dabei überall, sowohl in den vorbereitenden Versammlungen als auch auf dem Kongress selber, bei der Erörterung und Beschlussfassung in allgemeinen Fragen sowie in Fragen, die mit der laufenden Tätigkeit der Gewerkschaften zusammenhängen, einen Standpunkt zu vertreten, der den Klasseninteressen und der Klassensolidarität des Proletariats entspricht. Nur auf diesem Wege kann jener ideologische Zusammenhang zwischen Gewerkschaften und Partei gesichert werden, der für die Zukunft die Herstellung auch organisatorischer Verbindungen verbürgt. Ferner in Anbetracht dessen,

1. dass der Londoner Parteitag die Resolution des Vereinigungsparteitags bestätigt hat, in der die Gewerkschaften als notwendige Elemente der Klassenorganisationen des Proletariats bezeichnet werden;

2. dass hiervon ausgehend die Parteiorganisationen keinerlei Schritte zulassen dürfen, die die normale Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung stören oder hemmen;

3. dass die grundlegende Bedingung ihrer normalen Entwicklung die Einheit der Gewerkschaftsorganisationen ist;

4. dass die Gewerkschaftsbewegung immer mehr über den lokalen Rahmen hinauswächst und das Fundament für Organisationen in Gebiets- und Reichsmaßstab schafft;

ferner mit Rücksicht darauf,

5. dass der Londoner Parteitag sich nur in bedingtem Sinne für die Herstellung organisatorischer Verbindungen zwischen Gewerkschaften und Partei ausgesprochen hat;

6. dass die vorzeitige Herstellung organisatorischer Verbindungen nicht zur Annäherung, sondern zur Absonderung der politischen und der Wirtschaftsorganisationen des Proletariats voneinander führt und dass anderseits die Praxis gezeigt hat, dass auch die in Bezug auf Parteiverbindung neutralen Gewerkschaften in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle Klassenpolitik treiben und von der allgemein-proletarischen politischen Bewegung nicht abseits stehen, –

erklärt die Konferenz,

dass die Herstellung formaler organisatorischer Bindungen (in der Form des Anschlusses an die Partei oder in der Form der Anerkennung ihrer ideologischen Führung) unzulässig ist in jenen Fällen, wo dies a) zur Zersplitterung der Gewerkschaftsorganisationen führt; b) den Kreis ihrer Mitgliedschaft oder ihres Einflusses einschränkt, c) dem Zusammenschluss der Gewerkschaften mit gleichartigen Organisationen in anderen Stadien oder mit verwandten Gewerkschaften zu größeren Organisationseinheiten Industrieverbänden), die den modernen Bedingungen der Gewerkschaftsbewegung besser entsprechen, hinderlich ist.

Zugleich hält es die Konferenz für notwendig, zur Koordinierung des Auftretens aller proletarischen Organisationen im Falle von Massenaktionen regelmäßige Beratungen von Vertretern der Partei- und Gewerkschaftsorganisationen zu veranstalten."

Zweiter Entwurf

Indem die Konferenz sich im Großen und Ganzen auf den Standpunkt der Resolution des Stockholmer Parteitags stellt, erklärt sie,

1. dass das Hauptziel der in Gewerkschaftsorganisationen arbeitenden Sozialdemokraten die Festigung des ideellen Einflusses der Sozialdemokraten ist;

2. dass infolgedessen die Interessen der Partei für die sozialdemokratischen Gewerkschafter im Vergleich zu den besonderen Interessen der Gewerkschaften im Vordergrund stehen müssen;

3. dass zur Durchführung des ideellen Einflusses der Partei aus sozialdemokratischen Gewerkschaftern ein besonderer Organisations- und Agitationsapparat im Namen und unter Kontrolle der Partei zu bilden ist."

Dritter Entwurf

Die Konferenz protestiert entschieden gegen die von einem Referenten auf der Konferenz ausgehende Aufforderung, die Londoner Resolution ,unschädlich zu machen', d. h. sie faktisch nicht anzuwenden. Die Konferenz fordert alle Parteimitglieder auf, die Resolution des Londoner Parteitags über die Gewerkschaften unter Festigung der formalen Verbindungen zwischen Gewerkschaften und sozialdemokratischer Partei energisch zur Ausführung zu bringen und unter allen Verhältnissen stets streng darauf zu achten, dass die Sozialdemokraten in den Gewerkschaften sich nicht auf passive Anpassung an die ,neutrale' Plattform beschränken, die heute von den verschiedenen bürgerlich-demokratischen Richtungen (Kadetten, Parteilosen, Progressisten, Sozialrevolutionären usw.) besonders eifrig vertreten wird, sondern die sozialdemokratischen Auffassungen in ihrem ganzen Umfang nachdrücklich vertreten, die Anerkennung der ideellen Führerrolle der Sozialdemokratie durch die Gewerkschaftsorganisationen sowie die Herstellung stetiger organisatorischer Verbindungen zwischen den Gewerkschaften und der SDAPR stetig fördern.

Zu diesem Zweck hält es die Konferenz in erster Linie für erforderlich,

1. dass jedes Parteimitglied zugleich Gewerkschaftsmitglied ist und seinerseits bestrebt ist, sämtliche klassenbewussten Gewerkschaftsmitglieder zu Parteimitgliedern zu machen;

2. dass die Parteiorganisationen und die Parteipresse alle Gewerkschaftsfragen überhaupt, im speziellen aber alle Fragen des bevorstehenden Gewerkschaftskongresses, in der eifrigsten Weise erörtern und studieren."

Vierter Entwurf

In Anbetracht dessen,

1. dass der politische und der Wirtschaftskampf Erscheinungsformen des Klassenkampfes des Proletariats, gegenseitig bedingt und im gleichen Maße notwendig sind, um die Kräfte der Arbeiterklasse auf die Eroberung der Staatsmacht und die volle soziale Befreiung vorzubereiten;

2. dass infolgedessen die wirtschaftliche und die politische Organisation des Proletariats in ihrer Entwicklung die Herstellung einer vollen ideellen Einheit und des engsten organisatorischen Zusammenhangs anstreben müssen;

3. dass eine solche Einheit und eine solche Verbindung nur auf dem Wege einer steten und unaufhörlichen Zusammenarbeit von Partei und Gewerkschaften an der Lösung der für die Arbeiterbewegung entstehenden Fsagen des politischen und des Wirtschaftskampfes erreicht werden können dies auch die vom Londoner Parteitag bestätigte Resolution des Stockholmer Parteitags erklärt;

4. dass außerhalb dieser Arbeit die Forderung nach Anerkennung des sozialdemokratischen Programms durch die Gewerkschaften und ihrer Unterordnung unter die Parteiorganisationen keineswegs zur Festigung des Zusammenhangs zwischen der wirtschaftlichen und politischen Bewegung des Proletariats beitragen, sondern im Gegenteil zwischen Gewerkschaften und Partei Zwietracht säen, in die Gewerkschaftsbewegung Zersplitterung hinein tragen und die Partei den gewerkschaftlich organisierten Massen entfremden, diese letzteren aber auf dem Wege des Anarchismus und Syndikalismus drängen kann:

konstatiert die Konferenz:

dass die Parteiorganisationen bisher noch sehr wenig getan haben, um zwischen Gewerkschaften und Partei wirklichen Zusammenhang herzustellen, und fordert daher alle Parteiorganisationen zur Durchführung der Beschlüsse des Stockholmer Parteitags auf. Zugleich aber lehnt die Konferenz sowohl die Proklamierung der gegenseitigen Absonderung zwischen politischer und wirtschaftlicher Organisation des Proletariats als auch die Versuche, die Herstellung der Einheit des politischen und des Wirtschaftskampfs nicht durch Zusammenarbeit und systematische Festigung des ideellen Einflusses der Sozialdemokratie auf die Gewerkschaften, sondern durch die Forderung nach formaler Anerkennung des Parteiprogramms oder nach formaler Unterordnung der Gewerkschaften unter die Führung der Parteiorganisationen zu erreichen, aufs entschiedenste ab."

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