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Wladimir I. Lenin 18990500 Der Kapitalismus in der Landwirtschaft

Wladimir I. Lenin: Der Kapitalismus in der Landwirtschaft

Über das Buch Kautskys und den Artikel des Herrn Bulgakow

April – Mai 1899

[Ausgewählte Werke, Band 12. Die Theorie der Agrarfrage. Moskau 1939, S. 1-45]

Erster Artikel

In Nr. 1–2 des „Natschalo“ (Abt. II, S. 1–21) ist ein Artikel des Herrn S. Bulgakow, betitelt „Zur Frage der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft“, erschienen, der sich mit einer Kritik des Werkes Kautskys über die Agrarfrage befasst. Herr Bulgakow sagt mit vollem Recht, dass „das Buch Kautskys eine geschlossene Weltanschauung darstellt“, dass es sowohl theoretisch als auch praktisch von großer Bedeutung ist. Dies sei wohl die erste systematische und wissenschaftliche Untersuchung einer Frage, die in allen Ländern selbst unter Schriftstellern, die in den allgemeinen Anschauungen solidarisch sind und sich als Marxisten bekennen, heftige Streitigkeiten hervorgerufen habe und noch hervorrufe. Herr Bulgakow „beschränkt sich auf eine negative Kritik“, auf die Kritik „einzelner Thesen des Buches Kautskys“ (dessen Inhalt er den Lesern des „Natschalo“ „kurz“ – wir werden sehen, allzu kurz und sehr ungenau – darlegt). „Mit der Zeit“ hofft Herr Bulgakow „eine systematische Darstellung der Frage der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft zu geben“ und somit Kautsky „ebenfalls eine geschlossene Weltanschauung“ entgegenzustellen.

Wir zweifeln nicht daran, dass auch in Russland das Buch Kautskys nicht wenige Streitigkeiten zwischen den Marxisten hervorrufen wird, dass auch in Russland die einen von ihnen gegen Kautsky, die andern für ihn sein werden. Wenigstens stimmt der Schreiber dieser Zeilen mit der Meinung des Herrn Bulgakow, mit seiner Einschätzung des Buches Kautskys ganz entschieden nicht überein. Diese Einschätzung verblüfft – ungeachtet dessen, dass Herr Bulgakow „Die Agrarfrage“1 als „vortreffliche Arbeit“ anerkennt – durch ihre Schärfe und ihren in einer Polemik zwischen richtungsverwandten Schriftstellern ungewöhnlichen Ton. Hier einige Beispiele für die Ausdrucksweise des Herrn Bulgakow: „außergewöhnlich oberflächlich“ … „gleichermaßen wenig wirkliche Agronomie und wirkliche Ökonomie“ … „ernsthafte wissenschaftliche Probleme übergeht Kautsky mit Phrasen“ (hervorgehoben von Herrn Bulgakow!!) usw. usw. Sehen wir uns die Ausdrücke des strengen Kritikers nun ein wenig näher an und machen wir gleichzeitig den Leser mit dem Buch Kautskys bekannt.

I

Noch bevor Herr Bulgakow Kautsky zu Leihe geht, bekommt Marx im Vorbeigehen eins ausgewischt. Selbstverständlich betont Herr Bulgakow die gewaltigen Verdienste des großen Ökonomen, doch bemerkt er, dass bei Marx „teilweise“ sogar „falsche Vorstellungen …, die von der Geschichte schon zur Genüge widerlegt worden sind“, vorkommen. „Zu der Zahl solcher Vorstellungen gehört z. B. die, nach der in der Landwirtschaft das variable Kapital gegenüber dem konstanten ebenso abnimmt wie in der verarbeitenden Industrie, so dass sich die organische Zusammensetzung des Agrarkapitals ständig erhöht.“ Wer irrt sich hier, Marx oder Herr Bulgakow? Herr Bulgakow hat die Tatsache im Auge, dass in der Landwirtschaft der Fortschritt der Technik und die Steigerung der Betriebsintensität oft zu einer Erhöhung der für die Bearbeitung der gegebenen Bodenfläche notwendigen Arbeitsmenge führt. Das ist unbestreitbar, doch von hier ist es noch weit bis zur Verneinung der Theorie von der Abnahme des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten, im Verhältnis zum konstanten. Die Marxsche Theorie behauptet lediglich, dass das Verhältnis v/c (v = variables Kapital, c = konstantes Kapital) im Allgemeinen die Tendenz hat, sich zu verringern, selbst wenn v pro Flächeneinheit zunimmt, – widerlegt dies etwa die Marxsche Theorie, wenn hierbei c noch schneller anwächst? In Bezug auf die Landwirtschaft der kapitalistischen Länder, im Großen und Ganzen genommen, sehen wir eine Abnahme von v und eine Zunahme von c. Die Landbevölkerung und die Zahl der Landarbeiter nimmt sowohl in Deutschland wie in Frankreich und in England ab, während die Zahl der in der Landwirtschaft angewandten Maschinen zunimmt. In Deutschland z. B. ging die Landbevölkerung von 1882 bis 1895 von 19,2 auf 18,5 Millionen (die Zahl der ländlichen Lohnarbeiter von 5,9 auf 5,6 Millionen) zurück, während die Zahl der in der Landwirtschaft angewandten Maschinen von 458.369 auf 913.391 gestiegen istA; die Zahl der in der Landwirtschaft angewandten Dampfmaschinen erhöhte sich von 2731 im Jahre 1879 auf 12.856 im Jahre 1897, wobei die Zahl der Dampfpferdekräfte noch stärker anstieg. Die Zahl des Hornviehs erhöhte sich von 15,8 auf 17,5, die der Schweine von 9,2 auf 12,2 Millionen (von 1883 bis 1892). In Frankreich verringerte sich die Landbevölkerung von 6,9 Millionen („selbständiger“2) Personen im Jahre 1882 auf 6,6 Millionen im Jahre 1892, während die Zahl der landwirtschaftlichen Maschinen wie folgt anstieg: im Jahre 1862 132 784, im Jahre 1882 278 896, im Jahre 1892 355 795; die Zahl des Hornviehs: von 12,0 auf 13,0 und 13,7 Millionen, der Pferde von 2,91 auf 2,84 und 2,79 Millionen (die Abnahme der Zahl der Pferde in den Jahren 1882 bis 1892 ist weniger bedeutend als die Abnahme der Landbevölkerung). Somit hat die Geschichte im Großen und Ganzen in Bezug auf die kapitalistischen Länder der Gegenwart die Anwendbarkeit des Marxschen Gesetzes auf die Landwirtschaft bestätigt, keineswegs alter widerlegt. Der Fehler des Herrn Bulgakow besteht darin, dass er einzelne agronomische Tatsachen, ohne ihre Bedeutung genau zu prüfen, zu eilfertig in den Rang allgemeiner ökonomischer Gesetze erhoben hat. Wir betonen „allgemeiner“, da weder Marx noch seine Schüler das, vorliegende Gesetz jemals anders betrachtet haben, als ein Gesetz der allgemeinen Tendenzen des Kapitalismus, nicht aber als ein Gesetz aller Einzelfälle, Sogar in Bezug auf die Industrie hat Marx selbst darauf hingewiesen, dass die Perioden der technischen Umwälzungen (wo sich das Verhältnis v/c verringert) durch Perioden des Fortschritts auf der gegebenen technischen Grundlage (wo das Verhältnis v/c unverändert ist, sich aber in einzelnen Fällen auch erhöhen kann) abgelöst werden. Wir kennen in der Industriegeschichte der kapitalistischen Länder Fälle, wo dies Gesetz in Bezug auf ganze Industriezweige durchbrochen wird. Zum Beispiel wenn große kapitalistische Werkstätten (die ungenau Fabriken genannt werden) sich auflösen, um der kapitalistischen Heimarbeit Platz zu machen. Bezüglich der Landwirtschaft aber unterliegt es keinem Zweifel, dass in ihr der Entwicklungsprozess des Kapitalismus unermesslich komplizierter ist und unvergleichlich mannigfaltigere Formen annimmt.

Gehen wir zu Kautsky über. Der Abriss der Landwirtschaft in der Feudalzeit, mit dem Kautsky beginnt, ist angeblich „sehr oberflächlich verfasst und überflüssig“. Es ist schwer, die Motive eines solchen Verdikts zu begreifen. Wir sind überzeugt, dass, wenn es Herrn Bulgakow gelingen sollte, seinen Plan zu verwirklichen und eine systematische Darstellung der Frage der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft zu geben, er unbedingt die Grundzüge der vorkapitalistischen Ökonomie der Landwirtschaft wird schildern müssen. Sonst sind weder der Charakter der kapitalistischen Wirtschaft noch die Übergangsformen zu verstehen, die sie mit der feudalen Wirtschaft verbinden. Herr Bulgakow selbst erkennt die gewaltige Bedeutung „der Form an, die die Landwirtschaft zu Beginn (hervorgehoben von Herrn Bulgakow) ihres kapitalistischen Laufs besaß“. Kautsky beginnt gerade mit dem „Beginn des kapitalistischen Laufs“ der europäischen Landwirtschaft. Den Abriss der feudalen Landwirtschaft hat Kautsky nach unserer Ansicht vortrefflich zusammengestellt: mit jener bemerkenswerten Klarheit und Fähigkeit – die diesem Schriftsteller überhaupt eigen sind –, das Wichtige und Wesentliche auszuwählen, ohne sich in untergeordnete Einzelheiten zu verlieren. Kautsky gibt vor allem in der Einleitung eine in höchstem Grade genaue und richtige Fragestellung. Er erklärt ganz entschieden:

Kein Zweifel, und das wollen wir von vornherein als erwiesen annehmen, die Landwirtschaft entwickelt sich nicht nach derselben Schablone, wie die Industrie; sie folgt eigenen Gesetzen.“ („Die Agrarfrage“, S. 5/6.. Verlag von J. H. W. Dietz Nachf., Stuttgart 1899.)

Die Aufgabe besteht darin, zu „untersuchen, ob und wie das Kapital sich der Landwirtschaft bemächtigt, sie umwälzt, alte Produktions- und Eigentumsformen unhaltbar macht und die Notwendigkeit neuer hervorbringt“ (S. 6).

Eine solche und nur eine solche Fragestellung kann zu einer befriedigenden Klärung der „Entwicklung der Landwirtschaft in der kapitalistischen Gesellschaft“ (der Titel des ersten, theoretischen Abschnitts des Buches Kautskys) führen.

Zu Beginn des „kapitalistischen Laufs“ befand sich die Landwirtschaft in den Händen des Bauern, der nach der allgemeinen Regel dem Feudalregime der gesellschaftlichen Wirtschaft unterworfen war. Und Kautsky charakterisiert vor allem das System der Bauernwirtschaft, die Verbindung der Landwirtschaft mit der Hausindustrie, ferner die Elemente der Zersetzung dieses Paradieses der.kleinbürgerlichen und konservativen Schriftsteller (à la Sismondi), die Bedeutung des Wuchers und das allmähliche Eindringen des Klassengegensatzes „in das Dorf, ja in den bäuerlichen Haushalt selbst, der die alte Harmonie und Interessengemeinschaft zerstört“. (S. 13.)

Dieser Prozess begann schon im Mittelalter und ist auch in der Gegenwart noch nicht völlig abgeschlossen. Wir unterstreichen diese Erklärung, weil sie sofort die ganze Unrichtigkeit der Behauptung des Herrn Bulgakow zeigt, Kautsky habe nicht einmal die Frage gestellt, wer der Träger des technischen Fortschritts in der Landwirtschaft war. Kautsky hat diese Frage mit aller Bestimmtheit gestellt und geklärt, und jeder, der sein Buch aufmerksam gelesen hat, wird sich die (von den Narodniki, Agronomen und vielen andern oft vergessene) Wahrheit zu eigen machen, dass der Träger des technischen Fortschritts in der modernen Landwirtschaft die Dorfbourgeoisie, die kleine wie die große, ist, wobei die große (wie Kautsky gezeigt hat) in dieser Beziehung eine wichtigere Rolle spielt als die kleine.

II

Nach einer Schilderung der Grundzüge der feudalen Landwirtschaft (in Kapitel III) – Herrschaft der Dreifelderwirtschaft, dieses höchst konservativen Systems des Ackerbaus, Unterdrückung und Expropriation der Bauernschaft durch den adligen Großgrundbesitz, Organisierung der feudal-kapitalistischen Wirtschaft durch diesen letzteren, Verwandlung des Bauern in einen Hungerleider im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts, Entwicklung der bürgerlichen Bauernschaft (der Großbauern, die nicht ohne Dingung von Knechten und Tagelöhnern auskommen), für die die alten Formen der ländlichen Beziehungen und des Grundeigentums nicht geeignet waren; Niederreißung dieser Formen, Freimachung des Weges für „die Entwicklung einer kapitalistischen, intensiven Landwirtschaft“ (S. 26) durch die im Schoß der Industrie und der Städte zur Entwicklung gelangte Klasse der Bourgeoisie – nach dieser Schilderung geht Kautsky zur Charakteristik der „modernen Landwirtschaft“ (Kapitel IV) über.

Dieses Kapitel gibt einen außerordentlich präzisen, gedrängten und klaren Abriss jener gigantischen Revolution, die der Kapitalismus in der Landwirtschaft vollzog, indem er das althergebrachte Handwerk der von Not bedrückten und von Unkultur niedergehaltenen Bauern in eine wissenschaftliche Anwendung der Agronomie verwandelte, den uralten Stillstand der Landwirtschaft brach und den Anstoß zu einer schnellen Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit gab (und noch gibt). Die Dreifelderwirtschaft wurde durch die Fruchtwechselwirtschaft ersetzt, die Viehhaltung und die Bodenbearbeitung verbessert, die Ernten erhöht, die Spezialisierung des Ackerbaus und die Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Wirtschaften stark entwickelt. Die vorkapitalistische Einförmigkeit wurde durch eine stets zunehmende Mannigfaltigkeit abgelöst, die von dem technischen Fortschritt aller Zweige der Landwirtschaft begleitet ist. Die Anwendung von Maschinen in der Landwirtschaft, die Anwendung des Dampfes setzte ein und fand schnell Verbreitung; es begann die Anwendung der Elektrizität, die nach den Angaben der Fachleute berufen ist, in diesem Produktionszweig eine noch größere Rolle zu spielen als der Dampf. Es entwickelten sich die Verwendung von Feldbahnen, die Melioration und die Verwendung von Kunstdünger entsprechend den Forschungsergebnissen der Pflanzenphysiologie; es begann die Anwendung der Bakteriologie in der Landwirtschaft. Die Meinung des Herrn Bulgakow, dass Kautsky angeblich auf „diese AngabenB keine ökonomische Analyse folgen lässt“, ist völlig unbegründet. Kautsky zeigt genau den Zusammenhang dieser Umwälzung mit dem Wachstum des Marktes (insbesondere mit dem Wachstum der Städte), mit der Unterwerfung der Landwirtschaft unter die Konkurrenz auf, die die Umgestaltung des Ackerbaus und seine Spezialisierung erzwang.

Diese, von städtischem Kapital ausgehende Umwälzung vergrößert die Abhängigkeit des Landwirts vom Markte, ändert aber auch unaufhörlich für ihn die Marktverhältnisse. Ein Produktionszweig, der rentabel war, solange nur eine Landstraße den nächsten Markt mit dem Weltmarkt verband, wird unrentabel und muss durch einen anderen ersetzt werden, wenn eine Eisenbahn durch die Gegend gebaut wird, die z. B. billigeres Getreide hinbringt, so dass der Körnerbau nicht mehr lohnt, gleichzeitig aber eine Absatzmöglichkeit für Milch eröffnet. Der wachsende Verkehr bringt auch immer wieder neue oder verbesserte Kulturpflanzen ins Land“ usw. (S. 37-38.)

In der Feudalzeit“ – sagt Kautsky – „gab es keinen anderen Ackerbau außer dem kleinen, denn der Gutsherr bearbeitete seine Felder mit demselben Bauerninventar. Der Kapitalismus schuf zum ersten Mal die Möglichkeit eines Großbetriebs im Ackerbau, der technisch rationeller war als der Kleinbetrieb.“

Von den Maschinen in der Landwirtschaft sprechend, untersucht Kautsky (der, nebenbei gesagt, die Besonderheiten des Ackerbaus in dieser Hinsicht genau aufgezeigt hat) den kapitalistischen Charakter ihrer Anwendung, ihren Einfluss auf die Arbeiter, die Bedeutung der Maschinen als Faktor des Fortschritts, die „reaktionäre Utopie“ der Projekte von der Beschränkung in der Anwendung der landwirtschaftlichen Maschinen.

Die landwirtschaftliche Maschine wird fortfahren, „ihre revolutionäre Tätigkeit zu üben; sie wird die Landarbeiter in die Stadt treiben und dadurch ein kräftiges Mittel werden, auf der einen Seite die Arbeitslöhne auf dem flachen Lande zu heben, auf der anderen die weitere Entwicklung des Maschinenwesens daselbst zu fördern“ (S. 41).

Es sei hinzugefügt, dass Kautsky in besonderen Kapiteln sowohl den kapitalistischen Charakter der modernen Landwirtschaft, als auch das Verhältnis zwischen Großbetrieb und Kleinbetrieb, sowie die Proletarisierung der Bauernschaft genau untersucht. Die Behauptung des Herrn Bulgakow, Kautsky habe „nicht die Frage gestellt, warum alle diese Wunder wirkenden Veränderungen notwendig waren“, ist, wie wir sehen, völlig falsch.

In Kapitel V („Der kapitalistische Charakter der modernen Landwirtschaft") erläutert Kautsky die Marxsche Theorie des Wertes, des Profits und der Rente.

Ohne Geld ist der moderne landwirtschaftliche Betrieb unmöglich“ – sagt Kautsky –, „oder, was dasselbe sagen will, ohne Kapital; denn in der heutigen Produktionsweise kann jede Geldsumme, die nicht Zwecken des persönlichen Konsums dient, zu Kapital, zu Mehrwert heckendem Wert werden und wird es in der Regel auch. Der moderne landwirtschaftliche Betrieb ist also kapitalistischer Betrieb.“ (S. 56.)

Diese Stelle bietet uns übrigens die Möglichkeit, die folgende Erklärung des Herrn Bulgakow einzuschätzen;

Ich gebrauche diesen Ausdruck (kapitalistische Landwirtschaft) in dem üblichen Sinne (in demselben Sinn gebraucht ihn auch Kautsky), d. h. im Sinne des Großbetriebs in der Landwirtschaft. In Wirklichkeit aber (sic!) gibt es bei kapitalistischer Organisation der gesamten Volkswirtschaft überhaupt keine nichtkapitalistische Landwirtschaft, die in ihrer Gesamtheit durch die allgemeinen Bedingungen der Organisation der Produktion bestimmt wird, und erst in ihren Grenzen darf man große Landwirtschaft als Unternehmerobjekt und kleine Landwirtschaft unterscheiden. Der Klarheit halber ist auch hier ein neuer Ausdruck nötig.“

Es zeigt sich also, dass Herr Bulgakow Kautsky korrigiert hat… „In Wirklichkeit aber“, gebraucht Kautsky, wie der Leser sieht, den Ausdruck „kapitalistische Landwirtschaft“ überhaupt nicht in dem „üblichen“ ungenauen, Sinn, in dem ihn Herr Bulgakow gebraucht. Kautsky versteht sehr wohl und sagt es sehr klar und deutlich, dass bei kapitalistischer Produktionsweise jeder Ackerbaubetrieb „nach allgemeiner Regel“ kapitalistisch ist. Zur Begründung dieser Meinung wird die einfache Tatsache angeführt, dass die moderne Landwirtschaft Geld braucht, Geld aber, das man nicht für den persönlichen Verbrauch verwendet, wird in der modernen Gesellschaft zu Kapital. Es scheint uns, dass dies ein bisschen klarer ist als die „Korrektur“ des Herrn Bulgakow, und dass Kautsky durchaus die Möglichkeit gezeigt hat, auch ohne einen „neuen Ausdruck“ auszukommen.

In Kapitel V seines Buches behauptet Kautsky u. a., dass sowohl das Pachtsystem, das sich in England so vollkommen entwickelt hat, als auch das Hypothekarsystem, das sich auf dem europäischen Kontinent mit erstaunlicher Schnelligkeit entwickelt, im Grunde ein und denselben Prozess, nämlich den Prozess der Trennung des Landwirts vom Grund und BodenC zum Ausdruck bringt. In dem kapitalistischen System des Farmertums ist diese Trennung klar wie der Tag. Im Hypothekarsystem „liegt die Sache weniger klar und einfach, aber im Grunde läuft es auf dasselbe hinaus“ (S. 86.).

Offenbar ist die Bodenhypothek wirklich eine Verpfändung oder eine Veräußerung der Grundrente. Folglich sind die Rentenempfänger (=Grundeigentümer) sowohl beim Hypothekarsystem als auch heim Pachtsystem von den Empfängern des Unternehmerprofits (Landwirte, landwirtschaftliche Unternehmer} getrennt. Herrn Bulgakow „ist die Bedeutung dieser Behauptung Kautskys überhaupt unklar“.

Es kann wohl kaum als bewiesen betrachtet werden, dass die Hypothek eine Trennung des Grund und Bodens vom Landwirt zum Ausdruck bringt.“ „Erstens lässt sich nicht beweisen, dass die Verschuldung die ganze Rente verzehrt, dies ist nur als Ausnahme möglich…“

Wir antworten hierauf: es besteht gar keine Notwendigkeit, zu beweisen, dass die Zinsen für Hypothekenschulden die ganze Rente verzehren, ebenso wie keine Notwendigkeit besteht, zu beweisen, dass der tatsächliche Pachtzins mit der Rente zusammenfällt. Es genügt der Beweis, dass die Hypothekarverschuldung mit gigantischer Schnelligkeit wächst, dass die Grundbesitzer sich bemühen, ihren gesamten Grund und Boden zu verpfänden und bestrebt sind, die ganze Rente zu veräußern. Dass diese Tendenz vorliegt – eine theoretische ökonomische Analyse kann es überhaupt nur mit Tendenzen zu tun haben –, darüber kann kein Zweifel bestehen. Folglich ist auch der Prozess der Trennung des Grund und Bodens vom Landwirt unzweifelhaft. Die Vereinigung des Rentenempfängers und des Empfängers des Unternehmerprofits in einer Person ist „historisch eine Ausnahme“ (S. 91)… „Zweitens müssen in jedem gegebenen Falle die Ursachen und Quellen der Verschuldung analysiert werden, um ihre Bedeutung zu verstehen.“

Das ist wahrscheinlich entweder ein Druckfehler oder ein Lapsus. Herr Bulgakow kann nicht verlangen, dass ein Ökonom (der noch dazu „die Entwicklung der Landwirtschaft in der kapitalistischen Gesellschaft“ im Allgemeinen behandelt) die Ursachen der Verschuldung „in jedem gegebenen Falle“ zu untersuchen verpflichtet oder auch nur imstande ist. Wenn Herr Bulgakow von der Notwendigkeit sprechen wollte, die Ursachen der Verschuldung in verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeiten zu analysieren, so können wir ihm nicht beistimmen. Kautsky hat vollkommen recht, dass sich viel zu viel Monographien über die Agrarfrage angehäuft haben, dass die dringendste Aufgabe der modernen Theorie keineswegs in der Vermehrung der Monographien um neue, sondern in der „Erforschung der Grundtendenzen der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit“ besteht. (Vorrede, S. VI)

Zu der Zahl dieser Grundtendenzen gehört zweifellos auch die Trennung des Grund und Bodens vom Landwirt in Form der steigenden Hypothekarverschuldung. Kautsky hat die wirkliche Bedeutung der Hypotheken, ihren fortschrittlichen historischen Charakter (die Trennung des Grund und Bodens vom Landwirt ist eine der Bedingungen der Vergesellschaftung der Landwirtschaft, S. 88) und ihre notwendige Rolle in der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft klar und deutlich definiert.D Alle Betrachtungen Kautskys in dieser Frage sind theoretisch außerordentlich wertvoll und liefern eine starke Waffe gegen die (besonders in „jedem beliebigen Leitfaden der Ökonomie der Landwirtschaft“) so verbreitete bürgerliche Rederei über „die schlimmen Folgen“ der Verschuldung und über „Hilfsmaßnahmen“ …

Drittens“ – schließt Herr Bulgakow – „kann der verpachtete Boden wiederum verpfändet werden und in diesem Sinne die Stelle unverpachteten Bodens einnehmen.“

Ein sonderbares Argument! Möge Herr Bulgakow auch nur eine ökonomische Erscheinung, auch nur eine ökonomische Kategorie angeben, die sich nicht mit anderen verflechten. Die Fälle, wo die Pacht mit der Hypothek vereinigt ist, bedeuten weder eine Widerlegung noch auch nur eine Abschwächung der These der Theorie, dass der Prozess der Trennung des Grund und Bodens vom Landwirt sich in zwei Formen ausdrückt:.im Pachtsystem und in der Hypothekarverschuldung.

Als „noch unerwarteter“ und „absolut unrichtig“ erklärt Herr Bulgakow auch die These Kautskys, „die Länder des ausgebildeten Pachtsystems“ seien „auch Länder mit vorwiegendem Großgrundbesitz“ (S. 88).

Kautsky spricht hier von der Konzentration des Grundeigentums (unter dem Pachtsystem) und der Konzentration der Hypotheken (bei Eigenbetrieb der Grundbesitzer) als von einer Bedingung, die die Aufhebung des privaten Grundeigentums erleichtert. Über die Frage der Konzentration des Grundeigentums, fährt Kautsky fort, gibt es keine Statistik, die „die Vereinigung verschiedener Besitzungen in einer Hand … verfolgen ließe“, doch „im allgemeinen darf man wohl annehmen, dass dort, wo die Zahl der Pachtungen und die Fläche des Pachtlandes zunimmt, auch der Grundbesitz in weniger Händen sich konzentriert“. „Die Länder des ausgebildeten Pachtsystems sind auch Länder mit vorwiegendem Großgrundbesitz.“ Es ist klar, dass sich diese ganze Darlegung Kautskys eben ausschließlich auf Länder mit ausgebildetem Pachtsystem bezieht, während Herr Bulgakow sich auf Ostpreußen beruft, wo er die Zunahme der Pacht bei gleichzeitiger Zersplitterung des Großgrundbesitzes „zu zeigen hofft“ – und durch dies Einzelbeispiel Kautsky widerlegen will! Nur vergisst Herr Bulgakow zu Unrecht, dem Leser mitzuteilen, dass Kautsky selbst auf die Zersplitterung der großen Güter und das Wachstum der Bauernpacht in Ostelbien hinweist und hierbei, wie wir weiter unten sehen werden, die wirkliche Bedeutung dieser Prozesse klarmacht.

Die Konzentration des Grundbesitzes in Ländern mit Hypothekarverschuldung beweist Kautsky an Hand der Konzentration der Hypothekeninstitute. Herr Bulgakow hält das für nicht beweiskräftig.

Es kann“ – nach seiner Meinung – „leicht der Fall sein, dass eine Dekonzentration des Kapitals (durch Aktien) bei gleichzeitiger Konzentration der Kreditinstitutionen vor sich geht.“

Nun, über diese Frage wollen wir mit Herrn Bulgakow schon gar nicht streiten.

III

Nachdem Kautsky die Grundzüge der feudalen und der kapitalistischen Landwirtschaft behandelt hat, geht er zur Frage des „Großbetriebs und Kleinbetriebs“ (Kap. VI) in der Landwirtschaft über. Dieses Kapitel ist eins der besten in dem Buche Kautskys. Zunächst untersucht er hier die „technische Überlegenheit des Großbetriebs“. Kautsky entscheidet die Frage zugunsten des Großbetriebs und gibt keineswegs eine abstrakte Formel, die die ungeheure Mannigfaltigkeit der landwirtschaftlichen Beziehungen ignoriert (wie Herr Bulgakow höchst unbegründet meint), sondern weist im Gegenteil klar und unzweideutig auf die Notwendigkeit hin, diese Mannigfaltigkeit bei der Anwendung des Gesetzes der Theorie auf die Praxis zu berücksichtigen. Die Überlegenheit des Großbetriebs in der Landwirtschaft über den Kleinbetrieb ist „selbstverständlich“ nur „unter der Annahme sonst gleichbleibender Umstände“ unvermeidlich (S. 100. Von mir hervorgehoben). Dies erstens. Auch in der Industrie ist ja das Gesetz der Überlegenheit des Großbetriebs keineswegs so absolut und so einfach wie man manchmal denkt; auch dort gewährleistet erst die Gleichheit „der sonstigen Umstände“ (die in der Praxis bei weitem nicht immer vorliegt) die volle Anwendbarkeit des Gesetzes. In der Landwirtschaft aber, die sich durch eine unvergleichlich größere Kompliziertheit und Mannigfaltigkeit der Beziehungen auszeichnet, ist die volle Anwendbarkeit des Gesetzes der Überlegenheit des Großbetriebs an bedeutend strengere Bedingungen geknüpft. Kautsky bemerkt z. B. sehr treffend, dass an der Grenze zwischen dem bäuerlichen Betrieb und dem kleinen Gutsbetrieb ein „Umschlag der Quantität in die Qualität“ stattfindet: der bäuerliche Großbetrieb kann dem gutsherrlichen Kleinbetrieb „wenn auch nicht technisch, so doch ökonomisch überlegen“ sein. Die Kosten eines wissenschaftlich geschulten Leiters (einer der wichtigsten Vorteile des Großbetriebs) belasten ein kleines Rittergut über seine Leistungsfähigkeit hinaus, während die eigene Leitung durch den Besitzer oft bloß „junkerlich“, nicht aber wissenschaftlich ist. Zweitens sind der Überlegenheit des Großbetriebs in der Landwirtschaft bestimmte Grenzen gesetzt. Kautsky untersucht diese Grenzen in der weiteren Darlegung ausführlich. Es versteht sich ebenfalls von selbst, dass diese Grenzen für die verschiedenen Zweige der Landwirtschaft und unter verschiedenen sozial-ökonomischen Verhältnissen nicht gleich sind. Drittens ignoriert Kautsky keineswegs, dass es „vorläufig“ noch Zweige der Landwirtschaft gibt, in denen die Fachleute den Kleinbetrieb als konkurrenzfähig anerkennen, z. B. die Garten- und Weinkultur, den Anbau von Industriepflanzen usw. (S. 115). Diese Kulturarten sind aber von völlig untergeordneter Bedeutung gegenüber den entscheidenden Zweigen der Landwirtschaft, dem Getreidebau und der Viehzucht. Außerdem

gibt es auch auf dem Gebiete der Garten- und Weinkultur bereits genug erfolgreiche Großbetriebe“ (S. 115).

Daraus folgt:

Spricht man von der Landwirtschaft im Allgemeinen, dann kommen die Kulturarten, in denen der Kleinbetrieb dem Großbetrieb überlegen, kaum in Betracht, und dann kann man wohl sagen, dass der Großbetrieb dem Kleinbetrieb entschieden überlegen ist.“ (S. 116.)

Nachdem Kautsky die technische Überlegenheit des Großbetriebs in der Landwirtschaft nachgewiesen bat (ausführlicher behandeln wir die Argumente Kautskys weiter unten, wo wir uns mit den Einwänden des Herrn Bulgakow befassen), wirft er die Frage auf:

Was hat der Kleinbetrieb diesen Vorteilen des Großbetriebs entgegenzusetzen?“

und antwortet:

Den größeren Fleiß und die größere Sorgsamkeit des Arbeiters, der für sich selbst schafft im Gegensatz zu dem Lohnarbeiter, und die Bedürfnislosigkeit des kleinen selbständigen Landwirts, die selbst die des Landarbeiters noch übersteigt.“ (S. 106.) – und durch eine ganze Reihe von anschaulichen Angaben über die Lage der Bauern in Frankreich, England und Deutschland stellt Kautsky die Tatsache „der Überarbeit und der Unterkonsumtion im Kleinbetrieb“ außerhalb jedes Zweifels. Schließlich weist Kautsky darauf hin, dass sich die Überlegenheit des Großbetriebs auch in dem Bestreben der Landwirte, Genossenschaften zu bilden, ausdrückt: „Genossenschaftlicher Betrieb ist Großbetrieb.“ Es ist bekannt, wie viel Aufhebens die Ideologen des Kleinbürgertums im Allgemeinen und die russischen Narodniki im Besonderen (es sei nur das oben zitierte Buch des Herrn Kablukow genannt) von den Genossenschaften der kleinen Landwirte machen. Um so größere Bedeutung erlangt deshalb die hervorragende Analyse der Rolle der Genossenschaften, die Kautsky gibt. Die Genossenschaften der kleinen Landwirte sind natürlich ein Glied des ökonomischen Fortschritts, doch bringen sie den Fortschritt zum Kapitalismus, nicht aber zum Kollektivismus zum Ausdruck, wie man vielfach meint und behauptet. (S. 118.) Die Genossenschaften schwächen nicht den Vorsprung des Großbetriebs in der Landwirtschaft vor dem Kleinbetrieb, sondern verstärken ihn, weil die Großbesitzer eher die Möglichkeit haben, Genossenschaften zu bilden, und diese Möglichkeit stärker ausnutzen. Dass ein genossenschaftlicher, kollektiv bewirtschafteter Großbetrieb einem kapitalistischen Großbetrieb überlegen ist, das erkennt Kautsky – selbstverständlich – mit voller Entschiedenheit an. Er geht auf die Versuche einer kollektiven Führung der Landwirtschaft, die in England von den Anhängern OwensE gemacht wurden, und auf ähnliche Gemeinden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ein. Alle diese Experimente, sagt Kautsky, beweisen unwiderleglich, dass die kollektive Führung eines modernen landwirtschaftlichen Großbetriebs durch die Genossenschaftsmitglieder durchaus möglich ist, soll aber diese Möglichkeit Wirklichkeit weiden, so ist „eine Reihe bestimmter ökonomischer, politischer, intellektueller Voraussetzungen“ notwendig. Der kleine Produzent (sowohl der Handwerker als auch der Bauer) wird am Übergang zu genossenschaftlicher Produktion gehindert durch seinen äußerst schwach entwickelten Gemeinsinn, seine schwache Disziplin, seine Isoliertheit, seinen „Eigentumsfanatismus“, der nicht nur unter den westeuropäischen Bauern, sondern, fügen wir von uns aus zu, euch unter den russischen „Gemeinde“bauern konstatiert wird (man denke an A. N. Engelhardt und G. Uspenski).

Dagegen ist es ein Unding, zu erwarten“ – erklärt Kautsky kategorisch –, „dass der Bauer in der heutigen Gesellschaft zur genossenschaftlichen Produktion übergeben wird.“ (S. 129.)

Dies ist der außerordentlich reiche Inhalt des Kapitels VI des Buches Kautskys. Herr Bulgakow ist mit diesem Kapitel besonders unzufrieden. Kautsky, sagt man uns, begeht „die Hauptsünde“, verschiedene Begriffe zu verwechseln, „die technischen Vorteile werden mit den ökonomischen verwechselt“. Kautsky „geht von der falschen Voraussetzung aus, dass die technisch vollkommenere Produktionsweise auch die ökonomisch vollkommenere, d. h. lebensfähigere ist“. Dies entschiedene Urteil des Herrn Bulgakow ist, wovon sich der Leser, so hoffen wir, bereits aus unserer Darlegung des Gedankenganges Kautskys überzeugt haben wird, völlig unbegründet. Ohne Technik und ÖkonomieF im geringsten zu verwechseln, geht Kautsky völlig richtig vor, wenn er die Frage des Verhältnisses von Großbetrieb und Kleinbetrieb in der Landwirtschaft unter sonst gleichbleibenden Umständen für kapitalistische Wirtschaftsverhältnisse untersucht. Gleich im ersten Satz des ersten Abschnitts des Kapitels VI zeigt Kautsky diesen Zusammenhang zwischen der Höhe der Entwicklung des Kapitalismus und dem Grad der allgemeinen Anwendbarkeit des Gesetzes der Überlegenheit des landwirtschaftlichen Großbetriebs genau auf:

Je kapitalistischer die Landwirtschaft wird, desto mehr entwickelt sie einen qualitativen Unterschied der Technik zwischen Großbetrieb und Kleinbetrieb.“ (S. 92.)

In der vorkapitalistischen Landwirtschaft bestand dieser qualitative Unterschied nicht. Was soll man da von der strengen Belehrung sagen, die Herr Bulgakow Kautsky zuteil werden lässt:

Tatsächlich muss die Frage so gestellt werden: welche Bedeutung können in der Konkurrenz des Großbetriebs und Kleinbetriebs, unter den gegebenen sozialökonomischen Bedingungen diese oder jene Besonderheiten jeder dieser Produktionsformen haben?“

Dies ist eine „Korrektur“ genau derselben Art wie die oben von uns betrachtete.

Sehen wir jetzt zu, wie Herr Bulgakow die von Kautsky zugunsten der technischen Überlegenheit des Großbetriebs in der Landwirtschaft vorgebrachten Argumente widerlegt. Kautsky sagt:

Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Industrie und Landwirtschaft liegt darin, dass in letzterer immer noch der eigentliche Wirtschaftsbetrieb und der Haushalt eine feste Einheit bilden, während in der Industrie… beide völlig voneinander unabhängig sind.“

Dass aber der größere Haushalt dem. kleineren an Arbeits- und Materialersparung überlegen ist, bedarf kaum eines Beweises. Der erste kauft (man beachte dies! W. I.)

Petroleum, Zichorienkaffee und Margarine im Großen“, der zweite „im Keinen“ etc. (S. 93).

Herr Bulgakow „korrigiert“:

Kautsky wollte nicht sagen, dass dies technisch vorteilhafter ist, sondern dass dies weniger kostet… I“

Ist es nicht klar, dass auch in diesem Falle (wie in allen übrigen) der Versuch des Herrn Bulgakow, Kautsky zu „korrigieren“, mehr als missglückt ist?

Dies Argument“ – fährt der strenge Kritiker fort – „ist an und für sich ebenfalls sehr zweifelhaft, da in den Wert des Produkts, unter gewissen Bedingungen, der Wert der getrennten Bauernhäuser durchaus nicht einzugehen braucht, während der Wert des gemeinsamen Bauernhauses eingehen wird und obendrein mit Zinsen. Das hängt ebenfalls von den sozial-ökonomischen Bedingungen ab, die man – nicht aber die scheinbar technischen Vorteile des Großbetriebs gegenüber dem Kleinbetrieb – untersuchen sollte …“

Erstens vergisst Herr Bulgakow die Kleinigkeit, dass Kautsky, der zunächst die verhältnismäßige Bedeutung des Großbetriebs und des Kleinbetriebs unter sonst gleich bleiben den Umständen behandelt, in der weiteren Darlegung auch diese Umstände eingehend untersucht. Herr Bulgakow möchte folglich verschiedene Fragen in einen Topf werfen. Zweitens, wieso braucht der Wert der Bauernhäuser nicht in den Wert des Produkts einzugehen? Nur aus dem Grunde, weil der Bauer den Wert seines Holzes oder seine beim Bau und bei der Renovierung des Hauses geleistete Arbeit „nicht rechnet“.

Soweit der Bauer noch Naturalwirtschaft betreibt, braucht er seine Arbeit natürlich „nicht zu rechnen“, – und zu Unrecht vergisst Herr Bulgakow dem Leser zu sagen, dass Kautsky dies mit voller Klarheit und Präzision auf Seite 165 bis 167 seines Buches aufzeigt. (Kapitel VIII, „Die Proletarisierung des Bauern".) Hier aber handelt es sich um die „sozial-ökonomischen Umstände“ des Kapitalismus, nicht aber um die der Natural- und der einfachen Warenwirtschaft. Aber unter kapitalistischen sozialen Verhältnissen seine Arbeit „nicht zu rechnen“, das bedeutet, seine Arbeit (dem Kaufmann oder einem anderen Kapitalisten) umsonst hingeben, das bedeutet, gegen nicht volle Entlohnung der Arbeitskraft arbeiten, das bedeutet, das Niveau der Bedürfnisse unter die Norm senken. Diesen Unterschied des Kleinbetriebs hat Kautsky, wie wir gesehen haben, völlig anerkannt und richtig gewertet. Herr Bulgakow wiederholt in seinem Einwand gegen Kautsky die übliche Methode und den üblichen Fehler der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ökonomen. Diese Ökonomen lärmten allen die Ohren voll mit ihren Lobeshymnen auf die „Lebensfähigkeit“ des Kleinbauern, der es ja nicht nötig hat, seine Arbeit zu rechnen, Profit und Rente nachzujagen usw. Diese guten Leute vergaßen nur, dass eine derartige Auffassung die „sozial-ökonomischen Umstände“ der Naturalwirtschaft, der einfachen Warenproduktion und des Kapitalismus durcheinander wirft. Alle diese Fehler werden von Kautsky, der die einzelnen Systeme der sozial-ökonomischen Beziehungen streng unterscheidet, vortrefflich erläutert.

Ist der landwirtschaftliche Betrieb des Kleinbauern“ – sagt er – „dem Bereich der Warenproduktion entrückt, bildet er bloß ein Stück des Haushalts, dann bleibt er auch außerhalb des Bereichs der zentralisierenden Tendenzen der modernen Produktionsweise. Wie irrationell und verschwenderisch seine Parzellenwirtschaft auch sein mag, er hält an ihr fest, wie seine Frau an ihrem kümmerlichen Haushalt, der auch mit dem größten Aufwand von Arbeitskraft ein unendlich dürftiges Resultat erzielt, der aber das einzige Gebiet bildet, auf dem sie nicht fremdem Willen untertan zu sein braucht und frei ist von Ausbeutung.“ (S. 165.)

Die Sache ändert sich, wenn die Naturalwirtschaft durch die Warenwirtschaft verdrängt wird. Der Bauer muss dann Produkte verkaufen, Werkzeuge kaufen, Boden kaufen. Solange der Bauer einfacher Warenproduzent bleibt, kann er sich mit dem Lebensniveau eines Lohnarbeiters begnügen. Er kann auf Profit und Grundrente verzichten und für ein Grundstück einen höheren Preis zahlen als ihn ein kapitalistischer Unternehmer zahlen könnte (S. 166). Doch die einfache Warenproduktion wird durch die kapitalistische Produktion verdrängt. Wenn z, B. der Bauer auf sein Grundstück eine Hypothek aufgenommen hat, muss er auch schon die Rente, die dem Gläubiger verkauft ist, aufbringen. Auf dieser Entwicklungsstufe kann man den Bauer nur formell als einfachen Warenproduzenten ansehen. De facto (in der Tat. D. Red.) hat er es gewöhnlich bereits mit dem Kapitalisten – dem Gläubiger, Kaufmann, industriellen Unternehmer – zu tun, bei dem er „Nebenerwerb“ suchen, d. h. dem er seine Arbeitskraft verkaufen muss. In diesem Stadium – und Kautsky, wiederholen wir, stellt Großbetrieb und Kleinbetrieb in der kapitalistischen Gesellschaft einander gegenüber – bedeutet die Möglichkeit, „seine Arbeit nicht zu rechnen“, für den Bauern pur eins: sich bei der Arbeit halbtot zu schulten und seine Bedürfnisse endlos einzuschränken.

Ebenso haltlos sind auch die anderen Einwände des Herrn Bulgakow. Der Kleinbetrieb lässt in engeren Grenzen die Anwendung von Maschinen zu; für den Kleinwirt ist die Kreditaufnahme schwieriger und teurer, sagt Kautsky. Herr Bulgakow findet, dass diese Argumente falsch sind und verweist auf die … bäuerlichen Genossenschaften! Mit absolutem Stillschweigen übergeht er hierbei die Beweisgründe Kautskys, der die von uns oben angeführte Wertung dieser Genossenschaften und ihrer Bedeutung gegeben hat. In der Frage der Maschinen erteilt Herr Bulgakow Kautsky wiederum eine Rüge, weil er nicht „die allgemeine ökonomische Frage gestellt hat: welches überhaupt die ökonomische Rolle der Maschinen in der Landwirtschaft ist“ (Herr Bulgakow hat das Kapitel IV des Buches Kautskys bereits vergessen), „und ob sie in ihr das gleiche unvermeidliche Werkzeug sind wie in der verarbeitenden Industrie?“ Kautsky hat auf den kapitalistischen Charakter der Anwendung von Maschinen in der modernen Landwirtschaft klar hingewiesen (S. 39, 40 ff.), hat die Besonderheiten der Landwirtschaft, die der Anwendung von Maschinen in der Landwirtschaft „technische“ und „ökonomische Schwierigkeiten" entgegensetzen, hervorgehoben (S. 38 ff.), Daten über die wachsende Anwendung von Maschinen (S. 40), über ihre technische Bedeutung (S. 42ff.) und über die Rolle des Dampfes und der Elektrizität angeführt. Kautsky hat gezeigt, welcher Betriebsumfang nach den Angaben der Agronomie zu voller Ausnutzung der verschiedenen Maschinen erforderlich ist (S. 94), und darauf hingewiesen, dass nach der deutschen Betriebsstatistik von 1895 der Prozentsatz der Maschinen anwendenden Wirtschaften von den Kleinbetrieben zu den Großbetrieben regelmäßig und rasch steigt (2 Prozent in Betrieben unter 2 ha; 13,8 Prozent in Betrieben mit 2 bis 5 ha; 45,8 Prozent in Betrieben mit 5 bis 20 ha; 78,8 Prozent in Betrieben mit 20 'bis 100 ha; 94,2 Prozent in Betrieben mit 100 ha und darüber). Herr Bulgakow möchte an Stelle dieser Daten „allgemeine“ Erörterungen über die „Unbesiegbarkeit“ oder Besiegbarkeit der Maschinen sehen!

Der Hinweis darauf, dass beim Kleinbetrieb eine größere Menge Arbeitsvieh auf den Hektar kommt… ist aus dem Grunde … nicht überzeugend…, weil hierbei der Grad der Viehintensität der Wirtschaft nicht untersucht wird“,

sagt Herr Bulgakow.

Schlagen wir die Seite des Buches Kautskys auf, wo dieser Hinweis gegeben wird. Wir lesen dort:

Die große Zahl von Kühen heim Kleinbetrieb“ (auf 1000 ha berechnet) „ist in nicht geringem Maße auch darauf zurückzuführen, dass der Bauer mehr Viehzucht und weniger Getreidebau treibt als der Großbetrieb; die Differenz in der Pferdehaltung kann dagegen dadurch nicht erklärt werden.“ (S. 96, wo Daten über das Königreich Sachsen für das Jahr 1860, über ganz Deutschland für das Jahr 1883 und über England für das Jahr 1880 angeführt werden.)

Es sei daran erinnert, dass auch in Russland die Semstwo-Statistik dasselbe Gesetz aufgedeckt hat, das die Überlegenheit des landwirtschaftlichen Großbetriebs über den Kleinbetrieb zum Ausdruck bringt: die bäuerlichen Großbetriebe kommen pro Flächeneinheit mit einer geringeren Menge von Vieh und Inventar aus.G

Die Darlegung der Argumente Kautskys von der Überlegenheit des Großbetriebs über den Kleinbetrieb in der kapitalistischen Landwirtschaft wird von Herrn Bulgakow bei weitem nicht vollständig gegeben. Die Überlegenheit des landwirtschaftlichen Großbetriebs besteht nicht nur in geringerem Verlust an Kulturfläche, in Ersparungen an lebendem und totem Inventar, in vollerer Ausnutzung des Inventars, in der größeren Möglichkeit, Maschinen anzuwenden, und in der leichteren Kreditbeschaffung, sondern auch in der kommerziellen Überlegenheit des Großbetriebs, in der wissenschaftlich geschulten Leitung. (Kautsky, S. 104.) Der landwirtschaftliche Großbetrieb macht die Kooperation der Arbeiter und die Arbeitsteilung in höherem Maße nutzbar. Besonders hohe Bedeutung misst Kautsky der wissenschaftlichen agronomischen Bildung des Landwirts bei.

Einen wissenschaftlich vollkommen gebildeten Landwirt kann nur jener Betrieb anwenden, der groß genug ist, dass die Arbeit der Leitung und Beaufsichtigung der Wirtschaft eine Arbeitskraft ausschließlich beschäftigt.“ (S. 98: „Diese Größe… wechselt mit der Betriebsart“ von 3 ha beim Weinbau bis 500 ha bei extensiver Wirtschaft.)

Kautsky hebt hierbei die interessante und äußerst charakteristische Tatsache hervor, dass die Verbreitung landwirtschaftlicher Schulen niederer und mittlerer Stufe nicht dem Bauern Nutzen bringt, sondern dem Großbetrieb, dem sie Angestellte zuführt (dasselbe lässt sich auch in Russland beobachten).

Aber jene höhere Bildung, die ein vollkommen rationeller Betrieb erfordert, ist allerdings mit den heutigen Existenzbedingungen des Bauern schwer verträglich. Damit ist natürlich nicht eine Verurteilung der höheren Bildung, sondern der Lebensbedingungen des Bauern ausgesprochen. Es besagt nichts anderes, als dass der bäuerliche Betrieb dem Großbetrieb gegenüber sich nicht auf seine höheren Leistungen, sondern auf seine geringeren Ansprüche stützt.“ (S. 99.)

Der Großbetrieb muss nicht nur bäuerliche Arbeitskräfte unterhalten, sondern auch städtische Arbeitskräfte, deren Ansprüche auf einem unvergleichlich höheren Niveau stehen.

Die in höchstem Grade interessanten und wichtigen Angaben, die Kautsky zum Beweis für „die Überarbeit und Unterkonsumtion im Kleinbetrieb“ anführt, nennt Herr Bulgakow „einige (!) zufällige (??) Zitate“. Herr Bulgakow „nimmt es auf sich“, eine gleiche Anzahl „Zitate entgegengesetzten Charakters“ anzuführen. Er vergisst nur zu sagen, ob er es nicht ebenfalls auf sich nimmt, eine entgegengesetzte Behauptung aufzustellen, die er mit „Zitaten entgegengesetzten Charakters“ beweisen würde. Das ist ja der Kern der Sache! Nimmt es Herr Bulgakow etwa auf sich, zu behaupten, dass der Großbetrieb in der kapitalistischen Gesellschaft sich vom bäuerlichen Betrieb durch Überarbeit und Unterkonsumtion des Arbeitenden unterscheidet? Herr Bulgakow ist vorsichtig genug, eine solch komische Behauptung nicht aufzustellen. Die Tatsache der Überarbeit und der sinkenden Ansprüche der Bauern glaubt er mit der Bemerkung abtun zu können, dass „die Bauern in einer Gegend wohlhabend, in der anderen dürftig leben“!! Was würde man von einem Ökonomen sagen, der, statt die Daten über die Lage des Klein- und Großbetriebs zu verallgemeinern, sich daran machen würde, den Unterschied in der „Wohlhabenheit“ der Bevölkerung dieser oder jener „Gegenden“ zu untersuchen? Was würde man von einem Ökonomen sagen, der die Tatsache der Überarbeit und der Unterkonsumtion der Heimarbeiter, verglichen mit den Fabrikarbeitern, mit der Bemerkung abtun würde, dass „die Heimarbeiter in einer Gegend wohlhabend, in der anderen dürftig leben“? Apropos Heimarbeiter.

Offenbar“ – schreibt Herr Bulgakow – „hat Kautsky im Geiste die Parallele mit der Hausindustrie vorgeschwebt, wo die Überarbeit keine technischen Grenzen hat“ (wie in der Landwirtschaft), „doch diese Parallele passt hier nicht.“

Offenbar, antworten wir hierauf, hat Herr Bulgakow das von ihm kritisierte Buch erstaunlich unaufmerksam behandelt, denn die Parallele mit der Hausindustrie „hat Kautsky nicht im Geiste vorgeschwebt“, sondern auf sie wird von ihm schön auf der ersten Seite in dem Abschnitt, der die Frage der Überarbeit behandelt (Kapitel VI, b, S. 106), klar und deutlich hingewiesen:

Wie in der Hausindustrie wirkt auch in der kleinbäuerlichen Wirtschaft die Familienarbeit der Kinder noch verderblicher als die Lohnarbeit bei Fremden.“

Wie entschieden Herr Bulgakow auch dekretieren mag, dass diese Parallele hier nicht passe, so ist seine Meinung dennoch völlig falsch. In der Industrie hat die Überarbeit keine technischen Grenzen, für den Bauern aber ist sie „durch die technischen Bedingungen der Landwirtschaft begrenzt“, urteilt Herr Bulgakow. Es fragt sich, wer denn eigentlich Technik und Ökonomie verwechselt, Kautsky oder Herr Bulgakow? Was sollen denn hier die Technik der Landwirtschaft oder der Hausindustrie, wo die Tatsachen besagen, dass der Kleinproduzent sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Industrie die Kinder von früherem Alter an zur Arbeit treibt, eine größere Anzahl Stunden täglich arbeitet, „sparsamer“ lebt, seine Ansprüche so weit beschneidet, dass er in einem zivilisierten Lande als ein wirklicher „Barbar“ (ein Ausdruck von Marx) erscheint? Kann man denn die ökonomische Gleichartigkeit solcher Erscheinungen in der Landwirtschaft und in der Industrie deshalb verneinen, weil die Landwirtschaft eine Menge Besonderheiten aufweist (die Kautsky keineswegs vergisst)? „Der Kleinbauer kann, selbst wenn er es wünscht, nicht länger arbeiten als dies sein Feld erfordert“, sagt Herr Bulgakow. Doch der Kleinbauer kann 14 und nicht 12 Stunden arbeiten und arbeitet auch so lange; er kann mit jener übernormalen Anstrengung arbeiten, die seine Nerven und Muskeln bedeutend schneller verbraucht als bei normaler Arbeit, und arbeitet auch mit jener übernormalen Anstrengung. Und dann, was für eine falsche und überspitzte Abstraktion – alle Arbeiten des Bauern auf das Feld allein zu reduzieren! Bei Kautsky ist dergleichen nicht zu finden. Kautsky weiß sehr wohl, dass der Bauer auch in der häuslichen Wirtschaft arbeitet, dass er am Bau und an der Renovierung des Hauses, des Stalles, der Geräte usw. arbeitet, „ohne“ all diese Überarbeit „zu rechnen“, für die der Lohnarbeiter im Großbetrieb den üblichen Lohn fordert. Ist es nicht für jeden unvoreingenommenen Menschen klar, dass die Überarbeit für den Bauern – den kleinen Landwirt – unvergleichlich weitere Grenzen hat als für den Kleinindustriellen, wenn er nur Industrieller ist? Die Überarbeit des kleinen Landwirts wird als allgemein gültige Tatsache anschaulich dadurch bewiesen, dass alle bürgerlichen Schriftsteller einstimmig den „Fleiß“ und die „Sparsamkeit“ des Bauern bezeugen und die Arbeiter der „Faulheit“ und „Verschwendung“ bezichtigen.

Die kleinen Bauern, sagt der von Kautsky zitierte Erforscher des Lebens der Landbevölkerung in Westfalen, überanstrengen ihre Kinder derart mit Arbeit, dass ihre körperliche Entwicklung gehemmt wird; solche schlechten Seiten hat die Lohnarbeit nicht. Der parlamentarischen Agrarkommission, die im Jahre 1897 die Lebensverhältnisse in den Agrargebieten Englands untersuchte, erklärte ein Kleinbauer aus Lincoln: „Ich habe eine Familie großgezogen und sie nahezu tot geschunden.“ Ein anderer sagt: „Ich und meine Kinder, wir arbeiten mitunter 18 Stunden im Tag, durchschnittlich 10 bis 12“, ein dritter: „Wir arbeiten härter als Tagelöhner, wie Sklaven.“ Mr. Read charakterisiert vor der Kommission die Lage der kleinen Farmer in den Ackerbaugegenden folgendermaßen:

Der einzige Weg für ihn, sich zu behaupten, ist der, zu arbeiten wie zwei Tagelöhner und nicht mehr auszugeben wie einer. Seine Kinder sind mehr abgerackert und schlechter erzogen als die Kinder von Tagelöhnern.“ („Royal Commission on Agriculture final report“, S. 34, 357, zitiert bei Kautsky, S. 109.)

Nimmt es Herr Bulgakow etwa auf sich, zu behaupten, dass die Tagelöhner nicht weniger oft wie zwei Bauern arbeiten? Besonders charakteristisch, ist jedoch folgende von Kautsky angeführte Tatsache, die zeigt, wie „bäuerliche Hungerkunst zur ökonomischen Überlegenheit eines Kleinbetriebs führen kann“: ein Vergleich der Rentabilität zweier Bauernwirtschaften in Baden zeigt in der einen, der großen, ein Defizit von 933 Mark, in der anderen, einer halb so großen, einen Überschuss von 191 Mark. Doch die erste Wirtschaft, die ausschließlich mit Lohnarbeitern betrieben wurde, musste eine reichliche Kost geben und dafür pro Kopf und Tag fast 1 Mark ausgeben, während in der kleinen Wirtschaft ausschließlich die Familienmitglieder arbeiteten (Frau und sechs erwachsene Kinder), deren Kost um die Hälfte dürftiger war: 48 Pfennig pro Kopf und Tag. Hätte die Bauernfamilie der kleinen Wirtschaft ebenso gut gegessen, wie die Lohnarbeiter der größeren, so hätte die kleine Wirtschaft ein Defizit von 1250 Mark aufzuweisen gehabt! „Ihr Überschuss stammte nicht aus der vollen Scheune, sondern aus dem leeren Magen.“ Welche Menge ähnlicher Beispiele würde aufgedeckt werden, wenn die vergleichenden Untersuchungen über die „Rentabilität“ der Groß- und Kleinbetriebe in der Landwirtschaft mit einer Berechnung des Konsums und der Arbeit der Bauern und der Lohnarbeiter einhergingen.H Nehmen wir eine andere Berechnung der höheren Rentabilität eines Kleinbetriebs von 4,6 ha im Vergleich zu einem Großbetrieb von 26,5 ha, die in einer der Fachzeitschriften angestellt worden ist. Doch wie kommt die höhere Einnahme zustande? fragt Kautsky. Es stellt sich heraus, dass dem kleinen Landwirt die Kinder helfen, und zwar von dem Alter an, wo sie zu laufen beginnen, während die Kinder den Großwirt Geld kosten (Schule, Gymnasium). Im Kleinbetrieb ersetzen auch die Greise von über 70 Jahren „noch eine volle Arbeitskraft“. „Der gewöhnliche Tagelöhner, besonders im Großbetrieb, denkt bei seiner Arbeit: wenn es doch erst Feierabend wäre; der Kleinbauer, wenigstens bei allen dringenden Arbeiten: wenn der Tag doch, noch ein paar Stunden länger dauerte.“ Die Kleinproduzenten, belehnt uns eben dieser Verfasser des Aufsatzes in der Agrarzeitschrift, nutzen die Zeit bei eiligen Arbeiten durch Frühaufstehen und Länger- und Schnellerarbeiten besser aus als der größere Besitzer, dessen Arbeiter dann gewöhnlich nicht eher aufstehen, nicht länger und nicht besser arbeiten wollen, als an anderen Tagen. Der Bauer versteht es dank seines „einfachen“ Lebens, einen Reinertrag zu erzielen; er bewohnt eine Lehmkate, die hauptsächlich durch die Arbeit der Familie gebaut ist; (die Frau ist siebzehn Jahre verheiratet, hat aber erst ein Paar Schuhe gebraucht, meistens ging sie barfuß oder in Holzpantoffeln. Kleider webt sie selbst für ihre Familie. Kartoffeln, Milch, seltener ein Hering bildeten die Nahrung. Der Mann raucht nur sonntags eine Pfeife Tabak. „Die Leute wussten nicht, dass sie besonders einfach lebten und äußerten sich nicht unzufrieden über ihre Lage… Bei dieser einfachen Lebensweise hatten die Leute fast jährlich einen kleinen Überschuss aus ihrer Wirtschaft.“

IV

Nach der Analyse des Verhältnisses zwischen Großbetrieb und Kleinbetrieb in der kapitalistischen Landwirtschaft geht Kautsky zu einer speziellen Untersuchung der „Schranken der kapitalistischen Landwirtschaft“ (Kapitel VII) über. Gegen die Theorie der Überlegenheit des landwirtschaftlichen Großbetriebs, sagt Kautsky, rebellieren vor allem die „Menschenfreunde“ (wir hätten fast gesagt Volksfreunde …) in den Reihen der Bourgeoisie, die „Nichtsalsfreihändler“ und die Agrarier. In letzter Zeit treten viele Ökonomen für den landwirtschaftlichen Kleinbetrieb ein. Sie berufen sich gewöhnlich auf die Statistik, welche zeigt, dass eine Verdrängung der Kleinbetriebe durch Großbetriebe nicht stattfindet. Auch Kautsky führt Daten der Statistik an, wonach in Deutschland von 1882 bis 1895 am stärksten die Fläche der Mittelbetriebe anwuchs, dagegen in Frankreich von 1882 bis 1892 die der kleinsten und die der größten Betriebe, während sie bei den Mittelbetrieben abnahm. In England verringerte sich von 1885 bis 1895 die Fläche der kleinsten und größten Betriebe: am meisten vergrößerte sich die Fläche der Betriebe mit 40 bis 120 ha (100 bis 300 Acres), d. h. der Betriebe, die man nicht zu den kleinen zählen kann. In Amerika verringert sich die Durchschnittsgröße der Farmen folgendermaßen: 1850 – 203 Acres, 1860 – 199 Acres, 1870 – 153 Acres, 1880 – 134 Acres, 1890 – 137 Acres. Kautsky untersucht die Angaben der amerikanischen Statistik näher, und seine Analyse ist, entgegen der Meinung des Herrn Bulgakow, von großer prinzipieller Bedeutung. Die Hauptursache der Verringerung der Durchschnittsgröße der Farmen ist die Zerstückelung der großen Plantagen des Südens nach der Befreiung der Neger; in den Südstaaten hat sich die Durchschnittsgröße der Farmen um mehr als die Hälfte verringert. „Einen Sieg des Kleinbetriebs über den modernen“ (= kapitalistischen) „Großbetrieb wird kein Sachkundiger in diesen Zahlen sehen.“ Überhaupt zeigt die Untersuchung der Daten der amerikanischen Statistik nach den einzelnen Gebieten viele verschiedenartige Beziehungen. Im Nördlichen Zentralgebiet, in den Haupt-„Weizenstaaten“, stieg die Durchschnittsgröße der Farmen von 122 auf 133 Acres.

Nur dort behält der Kleinbetrieb die Oberhand, wo die Landwirtschaft verkommt oder wo vorkapitalistischer Großbetrieb in Konkurrenz mit bäuerlichem Betrieb tritt.“ (S. 135.)

Diese Folgerung Kautskys ist sehr wichtig, da sie jene Bedingungen zeigt, ohne die der Gebrauch der Statistik nur ein missbräuchlicher sein kann: es ist unbedingt notwendig, kapitalistischen Großbetrieb von vorkapitalistischem zu unterscheiden, und ebenso notwendig, die Untersuchung getrennt nach einzelnen Gebieten vorzunehmen, die sich in den Formen der Landwirtschaft und den historischen Entwicklungsbedingungen der Landwirtschaft durch wesentliche Besonderheiten unterscheiden. Man sagt: „Zahlen beweisen!“ Aber man muss doch untersuchen, was sie beweisen. Sie beweisen nur das, was sie direkt sagen. Direkt sprechen die Zahlen nicht von der Größe des Betriebs, sondern von dem Areal der Wirtschaften. Es ist nun aber allerdings möglich und pflegt in der Praxis auch so zu sein: „ein intensiv bewirtschaftetes kleines Gut kann ein größerer Betrieb sein als ein umfangreiches, extensiv bewirtschaftetes“.

Die Statistik, die uns nur über das Areal eines Betriebs Auskunft gibt, lässt uns ganz im Dunkeln darüber, ob eine eventuelle Verkleinerung seines Gebietsumfangs auf einer tatsächlichen Verkleinerung oder einer Intensivierung der Wirtschaft beruht.“ (S. 146.)

Die Forst- und die Weidewirtschaft, diese ersten Formen der kapitalistischen Großwirtschaft, sind der größten Ausdehnung der Güter fähig. Die Ackerwirtschaft erfordert bereits eine geringere Betriebsfläche. Die verschiedenen Systeme des Ackerbaus sind in dieser Hinsicht wiederum verschieden: die Raubwirtschaft, die extensive Wirtschaft (die in Amerika bis jetzt überwog), lässt riesige Farmen zu (bis zu 10.000 ha wie die Bonanza-Farmen3 Dalrymples, Glenns u. a. Auch in unseren Steppen erreichen die bäuerlichen Anbauflächen, und um so mehr die der Kaufleute, solche Ausdehnung). Der Übergang zur Düngung usw. muss unbedingt zur Verringerung der Betriebsfläche der Wirtschaften führen, die z. B. in Europa kleiner sind als in Amerika. Der Übergang von der Ackerwirtschaft zur Viehwirtschaft erfordert wiederum eine Verringerung der Betriebsfläche: in England betrug im Jahre 1880 die Durchschnittsgröße der Viehwirtschaften 52,3 Acres, die der Getreidewirtschaften 74,2 Acres. Deshalb muss der sich in England vollziehende Übergang vom Ackerbau zur Viehzucht die Tendenz zu einer Verkleinerung der Betriebsfläche erzeugen.

Es hieße aber sehr oberflächlich urteilen, wollte man daraus auf einen Rückgang des Großbetriebs schließen.“ (S. 149.)

In Ostelbien (durch dessen Untersuchung Herr Bulgakow mit der Zeit Kautsky zu widerlegen hofft) findet eben ein Übergang zu intensiver Wirtschaft statt: Die großen Güter, sagt der von Kautsky zitierte Sering, erhöhen die Produktivität ihres Bodens, indem sie entlegene Teile der Güter an Bauern verkaufen oder verpachten, weil diese entlegenen Teile bei intensiver Wirtschaftsführung schwer nutzbringend zu bestellen sind.

Daher werden die großen Güter in Ostelbien verkleinert, neben ihnen kleine Bauernwirtschaften geschaffen, nicht weil der Kleinbetrieb dem großen überlegen ist, sondern weil die bisherigen Gutsflächen den Bedürfnissen extensiver Wirtschaft angepasst waren.“ (S. 150.)

Die Verkleinerung der Betriebsfläche führt in allen diesen Fällen gewöhnlich zu einer Vergrößerung (pro Einheit Bodenfläche) der Menge des Produkts und oft zu einer Vergrößerung der Zahl der beschäftigten Arbeiter, d. h. zu einer tatsächlichen Vergrößerung des Betriebsumfangs.

Hieraus geht klar hervor, wie wenig beweiskräftig die summarischen Angaben der landwirtschaftlichen Statistik über die Betriebsflächen sind und mit welcher Vorsicht man sie benutzen muss. In der Industriestatistik haben wir es mit unmittelbaren Kennziffern des Betriebsumfangs (Warenmenge, Produktionssumme, Arbeiterzahl) zu tun, und können obendrein die einzelnen Betriebsarten leicht getrennt nehmen. Diesen unerlässlichen Bedingungen einer Beweiskräftigkeit genügt die landwirtschaftliche Statistik sehr selten.

Weiterhin setzt das Monopol des Grundeigentums dem Agrarkapitalismus Schranken: In der Industrie wächst das Kapital durch die Akkumulation, durch die Verwandlung des Mehrwerts in Kapital; die Zentralisation, d. h. die Vereinigung mehrerer kleiner Kapitale in ein großes, spielt eine geringere Rolle. Anders in der Landwirtschaft. Der gesamte Grund und Boden ist besetzt (in den zivilisierten Ländern), und die Betriebsfläche verbreitern kann man nur durch die Zentralisation mehrerer Grundstücke, und zwar so, dass sie eine gemeinsame Fläche bilden. Es ist klar, dass die Vergrößerung eines Gutes durch Ankauf der umliegenden Grundstücke eine sehr schwierige Sache ist, besonders deshalb, weil die kleinen Grundstücke teils, von Landarbeitern (die der Großbetrieb braucht), teils von Kleinbauern besetzt sind, die die Fertigkeit besitzen, sich durch eine grenzenlose und unglaubliche Herabsetzung ihrer Ansprüche zu halten. Die Feststellung dieser einfachen und sonnenklaren Tatsache, die die Schranken des Agrarkapitalismus aufzeigt, schien Herrn Bulgakow aus irgendeinem Grunde eine „Phrase“ (??!!) zu sein und ließ ihn ganz unbegründet in ein Freudengeschrei ausbrechen: „Die Überlegenheit des Großbetriebs zerschellt (!) also (!) an dem ersten Hindernis.“ Zuerst hat Herr Bulgakow das Gesetz der Überlegenheit des Großbetriebs, dem er eine übermäßige Abstraktheit zuschrieb, von der Kautsky weit entfernt ist, falsch verstanden und verwandelt jetzt sein Unverständnis in ein Argument gegen Kautsky! Höchst sonderbar ist die Meinung des Herrn Bulgakow, er könne Kautsky durch einen Hinweis auf Irland (Großgrundbesitz, aber ohne Großproduktion) widerlegen. Aus der Tatsache, dass der Großgrundbesitz eine der Bedingungen des Großbetriebs ist, folgt keineswegs, dass er eine ausreichende Bedingung ist. In einem Werk über den Kapitalismus in der Landwirtschaft im allgemeinen konnte Kautsky selbstverständlich nicht die historischen und andere Ursachen der Besonderheiten Irlands oder eines anderen Landes behandeln. Es würde wohl niemand einfallen, von Marx zu fordern, bei einer Analyse der allgemeinen Gesetze des Kapitalismus in der Industrie zu erläutern, warum sich in Frankreich die kleine Industrie länger hält, warum sich in Italien die Industrie schwach entwickelt usw. Ebenso haltlos ist der Hinweis des Herrn Bulgakow, dass die Konzentration allmählich erfolgen „könne“: ein Gut durch Aufkauf der Grundstücke der Nachbarn zu erweitern, ist bei weitem nicht so einfach, wie an eine Fabrik neue Räumlichkeiten für eine zusätzliche Zahl von Werkbänken usw. anzubauen.

Indem Herr Bulgakow sich so auf diese rein fiktive Möglichkeit einer allmählichen Konzentration oder Pacht zwecks Bildung von Großbetrieben beruft, hat er die wirkliche Besonderheit der Landwirtschaft im Konzentrationsprozess wenig beachtet (eine Besonderheit, auf die Kautsky hinweist). Das sind die Latifundien, die Anhäufung mehrerer Güter in ein und derselben Hand. Die Statistik zählt gewöhnlich nur einzelne Güter und gibt keinerlei Mitteilungen über den Prozess der Konzentration verschiedener Güter in den Händen der Großgrundbesitzer. Kautsky teilt in Bezug auf Deutschland und Österreich äußerst plastische Beispiele einer solchen Konzentration mit, die zu einer besonderen, höheren Form des kapitalistischen landwirtschaftlichen Großbetriebs führt, wenn nämlich mehrere große Güter zu einem wirtschaftlichen Ganzen vereinigt werden, das von einem Zentralorgan verwaltet wird. Ein solch gigantisches landwirtschaftliches Unternehmen ermöglicht es, die verschiedenartigsten Zweige der Landwirtschaft zusammenzufassen und die Vorteile des Großbetriebs in höchstem Maße auszunutzen.

Der Leser sieht, wie weit Kautsky von einer abstrakten und schablonenhaften Auffassung der „Marxschen Theorie“, der er treu bleibt, entfernt ist. Kautsky warnte vor dieser schablonenhaften Auffassung und fügte sogar in das in Frage stehende Kapitel einen besonderen Abschnitt über den Untergang des Kleinbetriebs in der Industrie ein. Er weist sehr richtig darauf hin, dass der Sieg des Großbetriebs auch in der Industrie durchaus nicht so einfach ist und sich nicht in so gleichförmiger Weise vollzieht, wie das Leute zu glauben gewohnt sind, die von der Unanwendbarkeit der Marxschen Theorie auf die Landwirtschaft sprechen. Es sei nur auf die kapitalistische Heimarbeit hingewiesen und an die schon von Marx gemachte Bemerkung über die außergewöhnliche Buntheit der Übergangs- und Mischformen erinnert, die den Sieg des Fabriksystems verdunkeln. Um wie viel Mal komplizierter ist die Sache in der Landwirtschaft! Die Entwicklung des Reichtums und des Luxus führt beispielsweise dazu, dass die Millionäre riesige Ländereien ankaufen, sie in Jagdreviere verwandeln, die ihrem Vergnügen dienen. In Österreich, im Salzburgischen, nimmt der Rinderbestand seit 1869 ab. Die Ursache ist der Verkauf von Alpen an reiche Jagdliebhaber. Sehr treffend bemerkt Kautsky, dass, wenn man die Daten der landwirtschaftlichen Statistik summarisch und kritiklos nimmt, es sich dann mühelos nachweisen lässt, dass die kapitalistische Produktionsweise die Tendenz hat, die modernen Völker in Jägervölker zurückzuverwandeln!

Schließlich weist Kautsky unter den Bedingungen, die der kapitalistischen Landwirtschaft Schranken setzen, auch auf den Umstand hin, dass der Mangel an Arbeitskräften, als Folge der Abwanderung der Bevölkerung vom Lande, die Großgrundbesitzer veranlasst, danach zu trachten, den Arbeitern Landstücke zuzuteilen und ein Kleinbauerntum zu schaffen, das den Gutsbesitzern Arbeitskräfte liefert. Ein völlig besitzloser Landarbeiter ist eine Seltenheit, da im Ackerbau die Landwirtschaft in strengem Sinne mit der häuslichen Wirtschaft verbunden ist. Ganze Kategorien von landwirtschaftlichen Lohnarbeitern besitzen oder benutzen Land. Wird der Kleinbetrieb allzu stark verdrängt, so trachten die Großgrundbesitzer danach, ihn durch Landverkauf oder Land Verpachtung zu festigen oder wiederherzustellen.

In allen europäischen Ländern“ – sagt der von Kautsky zitierte Sering – „macht sich neuerdings eine starke Bewegung geltend … die die Landarbeiter durch Verleihung von Bodenbesitz sesshaft machen will.“

Es ist mithin im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise nicht damit zu rechnen, dass der Kleinbetrieb in der Landwirtschaft völlig verdrängt wird, da die Kapitalisten und Agrarier selbst darauf bedacht sind, ihn wiederherzustellen, sobald die Verelendung der Bauernschaft zu weit gegangen ist. Marx wies schon im Jahre 1850 in der „Neuen Rheinischen Zeitung4 auf diesen Kreislauf von Konzentration und Zersplitterung des Bodens in der kapitalistischen Gesellschaft hin.

Herr Bulgakow findet, dass diese Erwägungen Kautskys „ein Körnchen Wahrheit, aber noch mehr Irrtümer enthalten“. Gleich allen übrigen Urteilssprüchen des Herrn Bulgakow ist auch dieser äußerst schwach und äußerst nebelhaft motiviert. Herr Bulgakow findet, dass Kautsky „eine Theorie des proletarischen Kleinbetriebs konstruiert hat“ und dass diese Theorie nur für ein sehr beschränktes Gebiet zutrifft. Wir sind anderer Meinung. Die landwirtschaftliche Lohnarbeit der kleinen Landwirte (oder, was dasselbe ist, der Typus des Lohnarbeiters und Tagelöhners mit einer Parzelle) ist eine Erscheinung, die in einem oder dem andern Maße allen kapitalistischen Ländern eigen ist. Keinem Schriftsteller, der den Kapitalismus in der Landwirtschaft darstellen möchte, wird es möglich sein, diese Erscheinung unberücksichtigt zu lassen, ohne sich gegen die Wahrheit zu vergehen.I Dass insbesondere in Deutschland der proletarische Kleinbetrieb eine allgemeine Tatsache ist, diesen Umstand hat Kautsky in Kapitel VIII seines Buches: „Die Proletarisierung des Bauern“ ausführlich nachgewiesen. Der Hinweis des Herrn Bulgakow, dass auch andere Schriftsteller, unter ihnen Herr Kablukow, von dem „Mangel an Arbeitskräften“ gesprochen haben, lässt das Wichtigste unberücksichtigt: den gewaltigen prinzipiellen Unterschied zwischen der Theorie des Herrn Kablukow und der Theorie Kautskys. Herr Kablukow „konstruiert“ auf Grund des ihm eigenen kleinbürgerlichen Standpunkts aus dem Mangel an Arbeitskräften die Haltlosigkeit des Großbetriebs und die Lebensfähigkeit des Kleinbetriebs. Kautsky charakterisiert die Tatsachen genau und zeigt ihre wirkliche Bedeutung in der modernen Klassengesellschaft auf: die Grundbesitzer werden durch ihre Klasseninteressen veranlasst, danach zu trachten, den Arbeitern Landparzellen zuzuteilen. Die Klassenlage der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter mit Parzellen stellt sie zwischen das Kleinbürgertum und das Proletariat, jedoch näher zu letzterem. Mit andern Worten: Herr Kablukow erhebt eine Seite des verwickelten Prozesses zu der Theorie der Haltlosigkeit des Großbetriebs. Kautsky dagegen analysiert die besonderen Formen der sozial-ökonomischen Beziehungen, die durch die Interessen des Großbetriebs in einem gewissen Stadium seiner Entwicklung und unter bestimmten historischen Verhältnissen geschaffen werden.

V

Gehen wir zu dem folgenden Kapitel des Buches Kautskys über, dessen Titel wir soeben angeführt haben. Kautsky untersucht hier erstens die „Tendenz zur Bodenzerstückelung“, zweitens die „Formen des bäuerlichen Nebenerwerbs“. Hier werden somit jene in höchstem Grade wichtigen Tendenzen des Agrarkapitalismus geschildert, die der übergroßen Mehrheit der kapitalistischen Länder eigen sind. Die Boden Zerstückelung, sagt Kautsky, führt zu einer verstärkten Nachfrage der Kleinbauern, die für den Boden mehr bezahlen als die großen Landwirte, nach kleinen Bodenstücken. Diese letztere Tatsache wurde von einigen Schriftstellern als Beweis dafür angeführt, dass der landwirtschaftliche Kleinbetrieb dem Großbetrieb überlegen sei. Kautsky antwortet hierauf sehr treffend durch einen Vergleich der Bodenpreise mit den Wohnungspreisen: es ist bekannt, dass kleine und billige Wohnungen, auf die Raumeinheit berechnet (Kubikmeter usw.), teurer zu stehen kommen als große und teure Wohnungen. Der höhere Preis für kleine Landstücke erklärt sich nicht aus einer Überlegenheit des landwirtschaftlichen Kleinbetriebs, sondern aus der besonders bedrückten. Lage des Bauern. Wie groß die Menge von Zwergwirtschaften ist, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, ist aus folgenden Zahlen zu ersehen: In Deutschland hatten im Jahre 1895 von 6½ Millionen landwirtschaftlichen Betrieben 4¼ Millionen, d. h. mehr als drei Viertel, eine Bodenfläche von weniger als 5 ha (58 Prozent weniger als 2 ha). In Belgien 78 Prozent (709 500 von 909.000) weniger als 2 ha. In England (1895) 118.000 von 520.000 weniger als 2 ha. In Frankreich (1892) 2,2 Millionen (von 5,7 Millionen) weniger als 1 ha, 4 Millionen weniger als 5 ha. Herr Bulgakow glaubt die Behauptung Kautskys, dass diese Zwergwirtschaften höchst unrationell sind (Mangel an Vieh, Gerät, Geld und Arbeitskräften, die durch Nebenerwerb abgezogen werden), mit dem Hinweis zu widerlegen, dass der Boden ,,sehr oft“ (??) mit der Schaufel „mit unglaublich starker Intensität“, wenn auch … mit „einem äußerst unrationellen Aufwand an Arbeitskräften“ bearbeitet wird. Es versteht sich von selbst, dass dieser Einwand absolut nicht stichhaltig ist und dass Einzelbeispiele einer ausgezeichneten Bodenbearbeitung durch den kleinen Bauern ebenso nicht geeignet sind, die von Kautsky gegebene allgemeine Charakteristik der Wirtschaften von diesem Typus zu widerlegen, wie das oben angeführte Beispiel der größeren Rentabilität des Kleinbetriebs die These von der Überlegenheit des Großbetriebs nicht widerlegt. Dass Kautsky völlig recht hat, wenn er diese Betriebe im Großen und GanzenJ zu den proletarischen zählt, das ergibt sich klar aus der von der deutschen Betriebszählung von 1895 aufgedeckten Tatsache, dass die Masse der Kleinbetriebe ohne Nebenerwerb nicht auskommt. Von der Gesamtzahl der 4,7 Millionen Personen, die selbständig von der Landwirtschaft leben, gehen 2,7 Millionen oder 56 Prozent noch einem Nebenerwerb nach. Von 32 Millionen mit weniger als 2 ha Land haben nur 0,4 Millionen oder 13 Prozent keinen Nebenerwerb! In ganz Deutschland gehören von 5½ Millionen landwirtschaftlicher Betriebe 1½ Millionen landwirtschaftlichen und industriellen Lohnarbeitern (+ 704.000 Gewerbetreibenden). Und hiernach nimmt Herr Bulgakow es auf sich zu behaupten, dass die Theorie des proletarischen landwirtschaftlichen Kleinbetriebs von Kautsky „konstruiert“ sei!K Die Formen der Proletarisierung der Bauernschaft (die Formen des bäuerlichen Nebenerwerbs) sind von Kautsky höchst gründlich untersucht worden (S. 174–193). Leider können wir aus Raummangel nicht ausführlich auf die Charakteristik dieser Formen eingehen (landwirtschaftliche Lohnarbeit, Hausindustrie, „das infamste System der kapitalistischen Ausbeutung“, Arbeit dir Fabriken und Bergwerken usw.). Wir bemerken nur, dass Kautsky das Wandergewerbe in genau derselben Weise wertet wie es die russischen Gelehrten tun. Die Saisonarbeiter, die rückständiger und bedürfnisloser sind als die städtischen Arbeiter, üben nicht selten eine schädliche Wirkung auf die Lebensbedingungen dieser letzteren aus. Aber „dort, woher sie kamen und wohin sie wieder zurückkehren“, werden sie „höchst wirksame Pioniere des Fortschritts …“ „Sie nehmen neue Bedürfnisse, neue Ideen an.“ (S. 192) Sie wecken unter der weltverlorenen Bauernschaft das Bewusstsein und das Gefühl (menschlicher Würde und den Glauben an die eigenen Kräfte.

Zum Schluss wollen wir uns mit dem letzten, besonders scharfen Angriff des Herrn Bulgakow auf Kautsky befassen. Kautsky sagt, dass in Deutschland von 1882 bis 1895 die (der Fläche nach) kleinsten Betriebe und die größten Betriebe zahlenmäßig sich am stärksten vermehrt haben (so dass die Parzellierung des Bodens auf Kosten der initiieren Betriebe erfolgt). Und tatsächlich haben sich die Betriebe unter 1 ha zahlenmäßig um 8,8 Prozent, die Betriebe von 5 bis 20 ha um 7,8 Prozent und die Betriebe mit über 1000 ha um 11 Prozent vermehrt (die dazwischen liegenden Betriebsgrößen weisen fast keine Veränderung auf, während die Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe um 5,3 Prozent zugenommen hat). Herr Bulgakow ist stark darüber entrüstet, dass das prozentuale Verhältnis der größten Betriebe genommen wird, deren Zahl ganz gering ist (515 und 572 in den entsprechenden Jahren). Die Entrüstung des Herrn Bulgakow ist völlig unbegründet. Er vergisst, dass diese an Zahl geringen Betriebe die größten Betriebe sind, dass sie fast ebenso viel Boden einnehmen, wie die 2,3–2,5 Millionen Zwergwirtschaften (unter 1 ha). Wenn ich sagte, dass die Zahl der größten Fabriken mit 1000 und mehr Arbeitern im Lande, sagen wir, von 51 auf 57, d h. um 11 Prozent, gestiegen ist, während die Gesamtzahl der Fabriken um 5,3 Prozent gestiegen ist – würde das etwa nicht das Wachstum dies Großbetriebs zeigen, ungeachtet dessen, dass die Zahl der größten Fabriken im Vergleich mit der Gesamtzahl der Fabriken ganz gering sein kann? Kautsky kennt sehr wohl die Tatsache, dass die bäuerlichen Betriebe von 5 bis 20 ha nach dem Anteil der von ihnen eingenommenen Bodenfläche am stärksten zugenommen haben (Herr Bulgakow, S. 18), und behandelt sie im folgenden Kapitel.

Kautsky nimmt weiter die quantitativen Veränderungen der landwirtschaftlich benutzten Fläche bei den verschiedenen Kategorien in den Jahren 1882 und 1895. Es erweist sich, dass die größte Vermehrung (+ 563 477 ha) auf die bäuerlichen Betriebe mit 5 bis 20 ha, dann auf die größten mit über 1000 ha (+ 94 014) entfällt, während sich die (Fläche der Betriebe mit 20 bis 1000 ha um 86 809 ha verringert hat. Die Betriebe unter 1 ha haben ihre Fläche um 32 683 ha und die Betriebe mit 1–5 ha um 45 604 ha vergrößert.

Und Kautsky folgert: Die Abnahme der von den Betrieben mit 20 bis 1000 ha eingenommenen Fläche (die durch die Zunahme der Fläche der Betriebe mit über 1000 ha mehr als wettgemacht wird) entspringt nicht einem Rückgang des Großbetriebs, sondern seiner Intensivierung. Wir haben schon gesehen, dass diese Intensivierung in Deutschland fortschreitet und oft eine Verringerung der Betriebsfläche erfordert. Dass eine Intensivierung des Großbetriebs vor sich geht, ist aus der steigenden Anwendung von Dampfmaschinen, wie auch aus dem gewaltigen Wachstum der Zahl der landwirtschaftlichen Angestellten, die in Deutschland nur der Großbetrieb beschäftigt, zu ersehen. Die Zahl der Gutsverwalter (Inspektoren), Aufseher, Buchhalter usw. stieg in den Jahren 1882 bis 1895 von 47 455 auf 76 978, d. h. um 62 Prozent; der Prozentsatz der Frauen unter diesen Angestellten stieg von 12 auf 23,4.

Alles dies zeigt deutlich, um wie viel intensiver und kapitalistischer der landwirtschaftliche Großbetrieb seit dem Anfang der achtziger Jahre geworden ist. Die Erklärung dafür, warum daneben gerade die mittelbäuerlichen Betriebe so sehr an Boden gewonnen haben, werden wir im folgenden Kapitel finden.“ (S. 174.)

Herr Bulgakow erblickt in dieser Darstellung einen „schreienden Widerspruch gegenüber der Wirklichkeit“, doch seine Argumente rechtfertigen auch diesmal nicht im Geringsten ein so entschiedenes und kühnes Verdikt und erschüttern die Schlussfolgerung Kautskys in keiner Weise.

Vor allem erklärt die Intensivierung des Betriebs, wenn sie stattfände, noch nicht die relative wie die absolute Verringerung des Ackerbodens, die Abnahme des prozentualen Anteils der Betriebsgruppe mit 20–1000 ha. Der Umfang des Ackerbodens könnte sich gleichzeitig mit der Vermehrung der Zahl der Betriebe vergrößern; letztere müsste sich nur (sic!) etwas schneller vergrößern, so dass der Umfang der Fläche eines jeden gegebenen Betriebs kleiner würde.“L

Wir haben diese Betrachtung, aus der Herr Bulgakow den Schluss zieht, dass „die Verringerung des Umfangs der Betriebe unter dem Einfluss des Wachstums der Intensität eine reine Phantasie ist“ (sic!) absichtlich ungekürzt wiedergegeben, weil sie uns anschaulich denselben Fehler des Missbrauchs „der Daten der Statistik“ zeigt, vor dem Kautsky so dringend gewarnt hat. Herr Bulgakow stellt an die Statistik der Betriebsflächen lächerlich strenge Anforderungen und misst dieser Statistik eine Bedeutung bei, die sie niemals haben kann. Warum, in der Tat, sollte sich die Ackerfläche „etwas“ vergrößern? Warum „sollte“ die Intensivierung des Betriebes (die manchmal, wie wir gesehen haben, zum Verkauf und zur Verpachtung abgelegener Gutsländereien an die Bauern führt), nicht eine bestimmte Zahl von Betrieben einer höheren Kategorie in eine niedrigere versetzen? Warum „sollte“ sie nicht die Ackerfläche der Betriebe mit 20–1000 ha verringern?M In einer Industriestatistik würde die Verringerung der Produktionssumme der größten Fabriken von einem Niedergang des Großbetriebs sprechen. Dagegen gibt die Verringerung der Fläche der großen Güter um 1,2 Prozent nicht den geringsten Aufschluss über den nicht selten mit der Verringerung der Betriebsfläche wachsenden Umfang des Betriebs und kann ihn auch nicht geben. Wir wissen, dass in Europa im Allgemeinen eine Verdrängung der Getreidewirtschaften durch Viehzuchtwirtschaften stattfindet, die in England besonders stark ist. Wir wissen, dass dieser Übergang manchmal eine Verringerung der Betriebsfläche erfordert, doch wäre es nicht sonderbar, aus einer Verringerung der Betriebsfläche auf einen Niedergang des Großbetriebs zu schließen? Die von Herrn Bulgakow auf Seite 20 angeführte „beredte Tabelle“, die eine Verringerung der Zahl der Groß- und Kleinbetriebe und eine Zunahme der Zahl der mittleren Betriebe (5–20 ha) zeigt, die Vieh für Feldarbeit besitzen, beweist daher noch nicht das Geringste. Das konnte auch auf Veränderungen im Betriebssystem zurückzuführen sein.

Dass der landwirtschaftliche Großbetrieb in Deutschland intensiver und kapitalistischer geworden ist, das geht erstens daraus hervor, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Dampfmaschinen von 1879 bis 1897 auf das Fünffache gestiegen ist. Herr Bulgakow beruft sich in seinem Einwand ganz zu Unrecht darauf, dass die absolute Zahl aller Maschinen überhaupt (und nicht der Dampfmaschinen) bei den Kleinbetrieben (bis 20 ha) weit größer ist als bei den Großbetrieben, wie auch darauf, dass in Amerika die Maschinen bei extensiver Betriebsführung angewendet werden. Es handelt sich.jetzt nicht um Amerika, sondern um Deutschland, wo es keine Bonanza-Farmen5 gibt. Hier die Daten über den Prozentsatz der Betriebe in Deutschland (1895) mit Dampfpflügen und mit Dampfdreschmaschinen.

Betriebe

Prozentsatz der Betriebe mit

Dampfpflügen

Dampfdreschmaschinen

unter 2 Hektar

0,00

1,08

2– 5 Hektar

0,00

5,20

5- 20 Hektar

0,01

10,95

20-100 Hektar

0,10

16,60

100 Hektar und darüber

5,29

61,22

Wenn sich also die Gesamtzahl der Dampfmaschinen in der Landwirtschaft Deutschlands verfünffacht hat, beweist das etwa nicht das Wachstum der Intensivierung des Großbetriebs? Man darf nur nicht vergessen, wie es Herr Bulgakow wiederum auf Seite 21 tut, dass die Größenzunahme des Betriebs in der Landwirtschaft nicht immer mit dem Wachstum der Betriebsfläche identisch ist.

Zweitens ist die Tatsache, dass der Großbetrieb kapitalistischer geworden ist, aus der Zunahme der Zahl der landwirtschaftlichen Angestellten zu ersehen. Vergeblich nennt Herr Bulgakow dies Argument Kautskys eine „Kuriosität“: „ … die Zunahme der Zahl der Offiziere bei Verringerung der Armee“ – bei Verringerung der Zahl der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter. Wiederum sagen wir: „rira bien, qui rira le dernier!6N Kautsky vergisst nicht nur nicht die Verringerung der Zahl der landwirtschaftlichen Arbeiter, sondern demonstriert sie ausführlich an einer ganzen Reihe von Ländern; nur hat diese Tatsache hiermit nicht das Geringste zu tun, da ja auch die gesamte Landbevölkerung abnimmt, während die Zahl der proletarischen kleinen Landwirte zunimmt:. Angenommen, ein Großgrundbesitzer ginge von Getreidebau .zu Zuckerrübenbau und gleichzeitiger Zuckerfabrikation über (in Deutschland wurden 1871 und 1872 2,2 Millionen Tonnen Zuckerrüben verarbeitet, 1881 und 1882 6,3 Millionen, 1891 und 1892 9,5 Millionen, 1896 und 1897 13,7 Millionen Tonnen). Die entfernt liegenden Teile des Guts könnte er sogar an kleine Bauern verkaufen oder verpachten, besonders wenn er die Frauen und Kinder der Bauern als Tagelöhner auf den Rübenfeldern benötigt. Angenommen, er führt den Dampfpflug ein, der die früheren Spannpflüge verdrängt (in den sächsischen Rübenwirtschaften – den „wahren Musterwirtschaften intensiver Kultur“O – werden die Dampfpflüge jetzt allgemein angewendet). Die Zahl der Lohnarbeiter wird abnehmen. Die Zahl der höheren Angestellten (Buchhalter, Verwalter, Techniker .u. a.) wird unbedingt zunehmen. Will Herr Bulgakow etwa bestreiten, dass wir hier ein Wachstum der Intensität und des Kapitalismus im Großbetrieb vor uns haben? Will er behaupten, dass in Deutschland nichts Ähnliches vor sich geht ?

Um die Darlegung des Kapitels VIII des Buches Kautskys über die Proletarisierung der Bauern abzuschließen, muss unbedingt folgende Stelle angeführt werden:

Was uns hier interessiert“ – sagt Kautsky nach der oben von uns zitierten und bei Herrn Bulgakow angeführten Stelle – „ist die Tatsache, dass die Proletarisierung des Landvolks in Deutschland ebenso wie anderswo fortschreitet, obwohl hier die Tendenz auf Parzellierung der mittleren Güter zu wirken aufgehört hat. Von 1882 bis 1895 hat sich die Zahl aller landwirtschaftlichen Betriebe um 281.000 vermehrt. Davon aber entfällt der weitaus grüßte Teil auf die Zunahme der proletarischen Betriebe unter 1 Hektar. Diese nahmen um 206.000 zu.“

Die Bewegung der Landwirtschaft ist, wie man sieht, eine ganz eigenartige, von der des industriellen und des kommerziellen Kapitals ganz verschiedene. Wir haben im vorigen Kapitel darauf hingewiesen, dass in der Landwirtschaft die Tendenz zur Zentralisation der Betriebe nicht zur völligen Aufhebung des Kleinbetriebs führt, sondern dass sie, wo zu weit zur Geltung gebracht, die entgegengesetzte Tendenz erzeugt, dass die Tendenz zur Zentralisation und die zur Zersplitterung einander ablösen. Jetzt sehen wir, dass beide Tendenzen auch nebeneinander wirken können. Es wächst die Zahl der Kleinbetriebe, deren Besitzer auf dem Warenmarkt als Proletarier, als Verkäufer der Ware Arbeitskraft erscheinen … Diese kleinen Landwirte haben auf dem Warenmarkt als Verkäufer der Ware Arbeitskraft alle entscheidenden Interessen mit dem industriellen Proletariat gemein, ohne durch ihren Besitz in einen Gegensatz zu ihm zu geraten. Sein Grundbesitz emanzipiert zwar den Parzellenbauern mehr oder weniger vom Lebensmittelhändler, nicht aber von der Ausbeutung durch den kapitalistischen Unternehmer, mag dieser nun ein industrieller oder ein landwirtschaftlicher sein.“ (S. 174.)

Im nächsten Artikel werden wir den übrigen Teil des Buches Kautskys darlegen und eine allgemeine Wertung dieses Buches geben, sowie beiläufig die Einwände untersuchen, die Herr Bulgakow in seinem weiteren Artikel macht.

Zweiter Artikel

I

In Kapitel IX seines Buches („Die wachsenden Schwierigkeiten der warenproduzierenden Landwirtschaft“) geht Kautsky zur Analyse der der kapitalistischen Landwirtschaft eigenen Widersprüche über. Die Einwände, die Herr Bulgakow gegen dies Kapitel vorbringt und die wir unten untersuchen werden, lassen erkennen, dass der Kritiker die allgemeine Bedeutung dieser „Schwierigkeiten“ nicht ganz richtig begriffen hat. Es gibt „Schwierigkeiten“, die für die volle Entwicklung der rationellen Landwirtschaft „Hindernisse“ darstellen und dennoch einen Anstoß geben zur Entwicklung der kapitalistischen Landwirtschaft. Z. B. weist Kautsky unter anderen „Schwierigkeiten“ auf die Entvölkerung des flachen Landes hin. Zweifellos ist die Abwanderung der besten und intelligentesten Arbeitskräfte vom flachen Lande ein „Hindernis“ für die volle Entwicklung der rationellen Landwirtschaft, ebenso zweifellos ist es jedoch, dass die Landwirte gegen dies Hindernis mit der Entwicklung der Technik, wie z. B. der Einführung von Maschinen, ankämpfen.

Kautsky untersucht folgende „Schwierigkeiten“: a) die Grundrente, b) das Erbrecht, c) die Beschränkungen des Erbrechts, die Majorate (Fideikommiss und Anerbenrecht), d) die Ausbeutung des Landes durch die Stadt, e) die Entvölkerung des flachen Landes.

Die Grundrente ist jener Teil des Mehrwerts, der nach Abzug des Durchschnittsprofits auf das in der Wirtschaft angelegte Kapital verbleibt. Das Monopol des Grundeigentums gibt dem Grundeigentümer die Möglichkeit, sich diesen Überschuss anzueignen, wobei der Bodenpreis ( = kapitalisierte Rente) die einmal erzielte Höhe der Rente fixiert. Es ist klar, dass die Rente die volle Rationalisierung der Landwirtschaft „erschwert“: beim Pachtsystem verringert sich das Interesse an Vervollkommnungen usw., beim Hypothekarsystem muss der größere Teil des Kapitals nicht in den Betrieb, sondern in den Landkauf angelegt werden. Herr Bulgakow weist in seinem Einwand erstens darauf hin, dass in der Zunahme der Hypothekarverschuldung „nichts Schreckliches“ zu sehen sei. Er vergisst nur, dass Kautsky nicht „in einem anderen Sinne“, sondern gerade in diesem Sinne bereits auf die Unvermeidlichkeit der Zunahme der Hypothekarverschuldung auch bei einem Blütezustand der Landwirtschaft hingewiesen hat (siehe oben, erster Artikel, II). Für die Gegenwart aber stellt Kautsky keineswegs die Frage, ob die Zunahme der Hypothekarverschuldung „schrecklich“ ist oder nicht, sondern die Frage, welche Schwierigkeiten es dem Kapitalismus nicht erlauben, seine Mission ganz zu erfüllen. Zweitens ist es – so meint Herr Bulgakow – „kaum richtig, das Wachstum der Rente nur als Hindernis anzusehen … Das Wachstum der Rente, die Möglichkeit ihrer Erhöhung ist für die Landwirtschaft ein selbständiger Antrieb, der zu technischem und jeder Art anderem Progress anregt“ („Prozess“ ist offenbar ein Druckfehler). Der Antrieb zum Fortschritt der kapitalistischen Landwirtschaft ist das Wachstum der Bevölkerung, das Wachstum der Konkurrenz, das Wachstum der Industrie, die Rente aber ist ein Tribut, der durch den Grundbesitz von der gesellschaftlichen Entwicklung, vom Wachstum der Technik erhoben wird. Darum ist es falsch, das Wachstum der Rente für einen „selbständigen Antrieb“ zum Fortschritt zu erklären. Theoretisch ist die kapitalistische Produktion durchaus vereinbar mit dem Fehlen von Privateigentum an Grund und Boden, mit der Nationalisierung des Grund und Bodens (Kautsky, S. 207), wo es eine absolute Rente überhaupt nicht gäbe und die Differentialrente dem Staat zufiele. Hierbei würde der Antrieb zu agronomischem Fortschritt durchaus nicht nachlassen, sondern sich im Gegenteil gewaltig verstärken.

Nichts irrtümlicher“ – sagt Kautsky – „als zu glauben, es liege im Interesse der Landwirtschaft, die Güterpreise in die Höhe zu treiben oder sie künstlich hochzuhalten. Dies liegt im Interesse der augenblicklichen Grundbesitzer, der Hypothekenbanken und der Güterspekulanten, nicht aber im Interesse der Landwirtschaft, am allerwenigsten in dem ihrer Zukunft, der kommenden Generation der Landwirte.“ (S. 199.)

Der Preis des Bodens aber ist die kapitalisierte Rente.

Die zweite Schwierigkeit der warenproduzierenden Landwirtschaft besteht darin, dass sie unbedingt das Privateigentum an Grund und Boden erfordert, das aber führt dazu, dass der Grund und Boden bei Vererbung entweder zersplittert (und diese Parzellierung des Bodens führt stellenweise sogar zu technischem Rückschritt) oder durch Hypotheken belastet wird (wo der Erbe, dem das Land zufällt, den übrigen Miterben Geldkapital auszahlt, das er sich durch Aufnahme von Hypotheken auf sein Land verschafft). Herr Bulgakow macht Kautsky den Vorwurf, dass er angeblich „in seiner Darstellung die positive Seite der Mobilisierung des Bodens übersieht“. Dieser Vorwurf ist absolut unbegründet, da Kautsky sowohl durch den historischen Teil seines Buches (insbesondere durch das Kapitel III des ersten Abschnitts, das den feudalen Ackerbau und die Ursachen seiner Ablösung durch den kapitalistischen behandelt), wie auch durch den praktischen TeilP dem Leser die positive Seite und die historische Notwendigkeit des Privateigentums an Grund und Boden, der Unterwerfung des Ackerbaus unter die Konkurrenz und folglich auch der Mobilisierung des Bodens klar aufzeigt. Was den anderen Vorwurf des Herrn Bulgakow gegen Kautsky betrifft, nämlich dass letzterer das Problem, das „auf dem verschiedenen Grad des Wachstums der Bevölkerung in verschiedenen Gegenden beruht", nicht untersucht, so ist uns dieser Vorwurf völlig unverständlich. Hat Herr Bulgakow etwa erwartet, in Kautskys Buch Studien über Bevölkerungstheorie anzutreffen?

Ohne auf die Frage der Majorate, die (nach dem oben Ausgeführten) nichts Neues darstellt, einzugehen, wenden wir uns der Frage der Ausbeutung des flachen Landes durch die Stadt zu. Die Behauptung des Herrn Bulgakow, dass Kautsky angeblich „den negativen Seiten nicht die positiven und vor allem die Bedeutung der Stadt als Markt für die Landwirtschaft entgegenstellt“, widerspricht direkt der Wirklichkeit. Die Bedeutung der Stadt als Markt für die Landwirtschaft ist von Kautsky gleich auf der ersten Seite des Kapitels, das „die moderne Landwirtschaft“ (S. 30 ff.) behandelt, klar aufgezeigt worden. Gerade der „städtischen Industrie“ (S. 292) schreibt Kautsky die Hauptrolle bei der Umgestaltung der Landwirtschaft, ihrer Rationalisierung usw. zu.Q

Wir können es daher absolut nicht verstehen, wie Herr Bulgakow in seinem Artikel (S. 32 in Nr. 3 des „Natschalo“) dieselben Gedanken gewissermaßen gegen Kautsky wiederholen konnte! Das ist ein besonders anschauliches Beispiel dafür, wie falsch der strenge Kritiker den Inhalt des kritisierten Buches darlegt.

Es darf nicht vergessen werden – belehrt Herr Bulgakow Kautsky –, dass ein Teil des Wertes (der in die Stadt abströmt) auf das flache Land zurückkehrt.“

Jedermann wird denken, dass Kautsky diese Binsenwahrheit vergessen hat. In Wirklichkeit unterscheidet Kautsky den Abfluss der Werte (vom flachen Lande in die Stadt) ohne Gegenleistung und auf Gegenleistung, und zwar weitaus klarer als dies Herr Bulgakow zu tun versucht. Kautsky behandelt „das Abströmen der Warenwerte ohne Gegenleistung von dem flachen Lande in die Stadt“ (S. 210) zuerst (Rente, die in der Stadt verzehrt wird, Steuern, Zinsen für Schulden in städtischen Banken), und sieht hierin mit vollem Recht die ökonomische Ausbeutung des flachen Landes durch die Stadt. Dann stellt Kautsky die Frage des Abflusses der Werte auf Gegenleistung, d. h. des Tausches landwirtschaftlicher Produkte gegen Industrieprodukte, und sagt:

Aber so wenig dieser Abfluss vom Standpunkt des Wertgesetzes eine Ausbeutung der Landwirtschaft bedeutetR, so führt er doch tatsächlich, ebenso wie die anderen oben erwähnten Faktoren, zu ihrer stofflichen Ausbeutung, zu einer Verarmung des Grund und Bodens an Nährstoffen.“ (S. 211.)

Was diese agronomische Ausbeutung des flachen Landes durch die Stadt betrifft, so vertritt Kautsky auch in dieser Beziehung eine der Grundthesen der Theorie Marx’ und Engels’, nämlich dass der Gegensatz zwischen Stadt und Land das notwendige gegenseitige Übereinstimmungs- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Landwirtschaft und der Industrie zerstört und dieser Gegensatz daher mit der Verwandlung des Kapitalismus in eine höhere Form verschwinden muss.S

Herr Bulgakow findet, dass die Meinung Kautskys von der agronomischen Ausbeutung des flachen Landes durch die Stadt „sonderbar“ sei und dass „Kautsky hier jedenfalls den Boden der reinen Phantasie betreten hat“ (sic!!!). Uns setzt der Umstand in Erstaunen, dass Herr Bulgakow hierbei die Identität der von ihm kritisierten Ansichten Kautskys mit einer der Grundideen Marx’ und Engels’ ignoriert. Der Leser ist berechtigt zu glauben, dass Herr Bulgakow den Gedanken von der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land für eine „reine Phantasie“ hält. Wenn dies wirklich die Meinung des Kritikers ist, dann sind wir entschieden mit ihm nicht einverstanden und halten es mit der „Phantasie“ (d. h. in Wirklichkeit nicht einer Phantasie, sondern mit einer tiefer schürfenden Kritik des Kapitalismus). Die Ansicht, der Gedanke von der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land sei eine Phantasie, ist gar nicht neu. Das ist die übliche Auffassung der bürgerlichen Ökonomen. Diese Auffassung wurde auch von einigen Schriftstellern mit tiefer schürfenden Anschauungen übernommen. So fand z. B. Dühring, dass der Gegensatz zwischen Stadt und Land „der Natur der Sache nach unvermeidlich“ sei.

Weiter ist Herr Bulgakow darüber „erstaunt“ (!), dass Kautsky auf die immer häufiger eintretenden Pflanzen- und Tierseuchen als eine der Schwierigkeiten der warenproduzierenden Landwirtschaft und des Kapitalismus hinweist.

Was hat denn der Kapitalismus hiermit zu tun … ?“ fragt Herr Bulgakow. „Könnte die Notwendigkeit der Veredlung der Viehgattungen etwa durch irgendeine höhere soziale Organisation aufgehoben werden?“

Wir sind unsererseits darüber erstaunt, wie Herr Bulgakow diesen völlig klaren Gedanken Kautskys missverstehen konnte. Die alten, in natürlicher Zuchtwahl entstandenen Pflanzen- und Tierrassen werden durch „veredelte“ Rassen, die in künstlicher Zuchtwahl geschaffen wurden, ersetzt. Die Pflanzen und Tiere werden empfindlicher und anspruchsvoller; die Seuchen verbreiten sich bei den modernen Verkehrsmitteln mit erstaunlicher Schnelligkeit, während die Bewirtschaftung individuell zersplittert, nicht selten klein (eine bäuerliche) bleibt und nach wie vor der Kenntnisse und Mittel entbehrt. Der städtische Kapitalismus bemüht sich, alle Mittel der modernen Wissenschaft für die Entwicklung der Technik der Landwirtschaft zu liefern, doch für die Verbesserung der elenden sozialen Lage der Produzenten tut er nichts: die städtische Kultur überträgt er nicht systematisch und planmäßig ins Dorf. Die Notwendigkeit der Verbesserung der Viehgattungen wird von keiner höheren sozialen Organisation aufgehoben werden (Kautsky hat selbstverständlich nicht daran gedacht, eine solche Absurdität auszusprechen), doch leidet die moderne kapitalistische Gesellschaftsorganisation um so mehr unter dem Mangel einer gesellschaftlichen Kontrolle und unter dem bedrückten Zustand der Bauern und Arbeiter, je mehr sich die Technik entwickelt und je empfindlicher die Vieh- und Pflanzengattungen werden.T Die letzte „Schwierigkeit“ der warenproduzierenden Landwirtschaft erblickt Kautsky in der „Entvölkerung des flachen Landes“, in der Aufsaugung der besten, energischsten und intelligentesten Arbeitskräfte durch die Stadt. Herr Bulgakow findet, dass diese These in ihrer allgemeinen Form „auf jeden Fall falsch“ sei und „die jetzige Entwicklung der städtischen Bevölkerung auf Kosten der Landbevölkerung keineswegs das Entwicklungsgesetz der kapitalistischen Landwirtschaft zum Ausdruck bringt“, sondern die Abwanderung der Landbevölkerung der Industrie- und Exportländer in die Überseeländer und in die Kolonien. Ich glaube, Herr Bulgakow irrt sich. Die Zunahme der städtischen (allgemeiner: der industriellen) Bevölkerung auf Kosten der Landbevölkerung ist keine nur vorübergehende, sondern eine allgemeine Erscheinung, die gerade das Gesetz des Kapitalismus zum Ausdruck bringt. Die theoretische Begründung dieses Gesetzes besteht.wie ich an anderer Stelle ausgeführt habeU, erstens darin, dass die Zunahme der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit vom primitiven Ackerbau immer mehr und mehr Industriezweige losreißtV, und zweitens darin, dass das zur Bearbeitung eines gegebenen Bodenstücks benötigte variable Kapital sich im Großen und Ganzen verringert (vgl. „Das Kapital“, Bd. III, Teil 2, S. 177). Von mir zitiert in „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, S. 4 und 444). Weiter oben haben wir bereits bemerkt, dass in einzelnen Fällen und einzelnen Perioden eine Erhöhung des zur Bearbeitung eines gegebenen Bodenstücks erforderlichen variablen Kapitals beobachtet wird. Doch das erschüttert nicht die Richtigkeit des allgemeinen Gesetzes. Kautsky wäre es natürlich nicht eingefallen zu bestreiten, dass die relative Verringerung der landwirtschaftlichen Bevölkerung sich nicht in allen Einzelfällen in eine absolute Verringerung verwandelt und dass das Maß dieser absoluten Verringerung auch vom Wachstum der kapitalistischen Kolonien abhängt. An den entsprechenden Stellen seines Buches hat Kautsky mit voller Klarheit auf dies Wachstum der kapitalistischen Kolonien, die Europa mit billigem Getreide überschwemmen, hingewiesen. („Dieselbe Landflucht, die das fache Land Europas entvölkert, führt nicht nur den Städten, sondern auch den Kolonien stets neue Scharen kräftiger Landleute zu …“ S. 242.) Dass die Industrie der Landwirtschaft die stärksten, energischsten und intelligentesten Arbeiter entzieht, ist eine allgemeine Erscheinung nicht nur in den Industrie-, sondern auch in den Agrarländern, nicht nur in Westeuropa, sondern auch in Amerika und Russland. Der durch den Kapitalismus erzeugte Widerspruch zwischen der Kultur der Städte und der Barbarei des flachen Landes führt unvermeidlich dazu. „Augenscheinlich“ findet Herr Bulgakow das „Argument“, dass „die Verringerung der landwirtschaftlichen Bevölkerung bei allgemeiner Bevölkerungszunahme ohne starke Getreideeinfuhr undenkbar ist“. Meiner Ansicht nach ist dies Argument nicht nur nicht augenscheinlich, sondern direkt falsch. Eine Verringerung der landwirtschaftlichen Bevölkerung bei allgemeiner Bevölkerungszunahme (es wachsen die Städte) ist auch ohne Getreideeinfuhr durchaus denkbar (es erhöht sich die Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, durch eine geringere Zahl von Arbeitern die frühere oder selbst eine noch größere Menge Produkte herzustellen). Denkbar ist auch eine allgemeine Bevölkerungszunahme bei einer Verringerung der landwirtschaftlichen Bevölkerung und bei einer Verringerung (oder nichtproportionellen Zunahme) der Menge der landwirtschaftlichen Produkte, – „denkbar“ infolge der durch den Kapitalismus hervorgerufenen Verschlechterung der Volksernährung.

Herr Bulgakow behauptet, dass die Tatsache des Wachstums der bäuerlichen Mittelbetriebe in Deutschland von 1882 bis 1895 -– eine Tatsache, die von Kautsky festgestellt und von ihm damit in Zusammenhang gebracht wird, dass diese Betriebe am wenigsten unter Mangel an Arbeitern leiden – „fähig ist. die ganze Konstruktion Kautskys zu erschüttern“. Sehen wir uns die Behauptungen Kautskys etwas näher an.

Nach den Daten der landwirtschaftlichen Statistik wuchs von 1882 bis 1895 am stärksten die Fläche der Betriebe mit 5 bis 20 ha. Im Jahre 1882 nahm diese Fläche 28,8 Prozent der Gesamtfläche, im Jahre 1895 29,9 Prozent ein. Diese Vergrößerung der mittelbäuerlichen Betriebe war von einer Verringerung der Fläche der großbäuerlichen Betriebe begleitet (20–100 ha; 1882: 31,1 Prozent, 1895: 30,3 Prozent).

Diese Zahlen“ – sagt Kautsky – „erfreuen das Herz aller guten Staatsbürger, die da in der Bauernschaft das festeste Bollwerk der bestehenden Ordnung sehen. Sie bewegt sich doch nicht, nämlich die Landwirtschaft, rufen sie begeistert, für sie gilt das Marxsche Dogma nicht.“

Das Anwachsen der mittelbäuerlichen Betriebe wird als Beginn einer neuen Blütezeit der Bauernschaft gedeutet.

Aber diese Blüte wurzelt im Sumpf“, antwortet Kautsky diesen guten Staatsbürgern. „Sie erwächst nicht aus dem Wohlstand der Bauernschaft, sondern aus der Bedrängnis der gesamten Landwirtschaft.“ (S. 230.)

Kurz vorher hat Kautsky gesagt:

Trotz aller technischen Fortschritte ist bereits, daran kann man nicht zweifeln, stellenweise (von Kautsky hervorgehoben) ein Niedergang der Landwirtschaft eingetreten." (S. 228.)

Dieser Niedergang führt beispielsweise zur Wiedergeburt des Feudalismus, zu Versuchen, die Arbeiter an die Scholle zu fesseln und ihnen bestimmte Pflichtleistungen aufzuerlegen. Was ist dabei verwunderlich, wenn die rückständigen Wirtschaftsformen auf dem Boden dieser „Bedrängnis“ wieder aufleben und die Bauernschaft, die sich überhaupt von den Arbeitern des Großbetriebs durch ein niedrigeres Niveau der Bedürfnisse und durch die größere Fähigkeit. Hunger zu leiden und sich halb zu Tode zu arbeiten, unterscheidet, sich bei der Krise länger hält?W

Die Agrarkrisis erstreckt sich auf alle warenproduzierenden Klassen der Landwirtschaft; sie macht vor den Mittelbauern nicht halt.“ (S. 231.)

Man sollte meinen, dass all diese Thesen Kautskys so klar sind, dass es unmöglich ist, sie nicht zu verstehen. Und nichtsdestoweniger hat sie unser Kritiker offenbar nicht verstanden. Herr Bulgakow gibt seine Meinung nicht bekannt; ob er dies Wachstum der mittelbäuerlichen Betriebe so oder anders erklärt. Kautsky aber unterschiebt er die Meinung, dass „die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise zum Untergang der Landwirtschaft führt“. Und Herr Bulgakow bricht in die Worte aus:

Die Behauptung Kautskys von der Zerstörung der Landwirtschaft ist falsch, willkürlich, unbewiesen, widerspricht den grundlegendsten Tatsachen der Wirklichkeit“ usw. usw.

Wir bemerken hierauf, dass Herr Bulgakow die Gedanken Kautskys völlig falsch wiedergibt. Kautsky behauptet keineswegs, dass die Entwicklung des Kapitalismus zum Untergang der Landwirtschaft führt, sondern behauptet das Gegenteil. Aus den Worten Kautskys von der Bedrängnis (= Krisis) der Landwirtschaft und von dem stellenweise (nota bene) eintretenden technischen Rückschritt zu folgern, dass Kautsky von der „Zerstörung“, vom „Untergang“ der Landwirtschaft spricht, das ist nur bei vollkommen unaufmerksamer Behandlung des Buches Kautskys möglich. In Kapitel X, das speziell der Frage der überseeischen Konkurrenz (d, h. der Grundbedingung der Agrarkrise) gewidmet ist, sagt Kautsky:

'Die kommende Krisis braucht natürlich die von ihr betroffene Industrie nicht zu ruinieren. Sie tut das nur in den seltensten Fällen. In der Regel führt sie nur dahin, die bestehenden Eigentumsverhältnisse im Sinne des Kapitalismus umzuwälzen. (S. 273/274.)

Diese Bemerkung über die Krise der landwirtschaftlichen technischen Betriebe zeigt mit aller Klarheit die allgemeine Ansicht Kautskys über die Bedeutung der Krise. In demselben Kapitel wiederholt Kautsky diese Ansicht auch in Bezug auf die gesamte Landwirtschaft:

Man braucht deswegen noch lange nicht von einem Untergang der Landwirtschaft zu sprechen. Aber ihr konservativer Charakter ist unwiderruflich dahin, wo die moderne Produktionsweise einmal festen Fuß gefasst. Das Verharren beim Alten droht dem Landwirt sicheres Verderben; ununterbrochen muss er die Entwicklung der Technik verfolgen, ununterbrochen seinen Betrieb den neuen Verhältnissen anpassen… Auch auf dem flachen Lande gerät das ganze ökonomische Leben, das sich bisher so einförmig streng in ewig gleichen Geleisen bewegte, in den Zustand beständiger Revolutionierung, der das Kennzeichen der kapitalistischen Produktionsweise ist.“ (S. 289.)

Herr Bulgakow „begreift nicht“, wie die Tendenzen zur Entwicklung der Produktivkräfte der Landwirtschaft mit den Tendenzen zur Verschärfung der Schwierigkeiten der warenproduzierenden Landwirtschaft vereinbar sind. Was gibt es denn da Unbegreifliches? Der Kapitalismus gibt sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Industrie der Entwicklung der Produktivkräfte einen gigantischen Anstoß, doch gerade diese Entwicklung verschärft je länger je mehr die Gegensätze des Kapitalismus und stellt ihm neue „Schwierigkeiten“ in den Weg. Kautsky entwickelt einen der Grundgedanken Marx’, der die fortschrittliche historische Rolle des Agrarkapitalismus (Rationalisierung der Landwirtschaft, Trennung des Grund und Bodens vom Landwirt, Befreiung der Landbevölkerung von den Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnissen usw.) kategorisch betont und gleichzeitig nicht minder kategorisch auf die Verarmung und Bedrängnis der unmittelbaren Produzenten, auf die Unvereinbarkeit des Kapitalismus mit den Forderungen einer rationellen Landwirtschaft hingewiesen halt. Es ist in höchstem Grade seltsam, dass Herr Bulgakow, der erklärt, dass seine „allgemeine sozialphilosophische Weltanschauung die gleiche ist wie die Kautskys“X, nicht bemerkt, dass Kautsky hier einen Grundgedanken Marx’ entwickelt. Die Leser des „Natschalo“ müssen unvermeidlich darüber im Zweifel bleiben, wie Herr Bulgakow sich zu diesen Grundgedanken verhält und wie er bei Identität der allgemeinen Weltanschauung sagen kann: „De principiis non est disputandum“!!?7 Wir erlauben uns, dieser Erklärung des Herrn Bulgakow nicht zu glauben; wir halten den Streit zwischen ihm und anderen Marxisten gerade infolge der Gemeinsamkeit dieser „principia“ für möglich. Wenn Herr Bulgakow sagt, der Kapitalismus rationalisiere die Landwirtschaft, die Industrie liefere die Technik für die Landwirtschaft usw., so wiederholt er nur eins dieser „principia“. Nur sagt er dabei ganz zu Unrecht „ganz im Gegenteil“. Die Leser können denken, dass Kautsky anderer Meinung ist, während Kautsky mit aller Entschiedenheit und Bestimmtheit in seinem Buche gerade diese Grundgedanken Marx’ entwickelt.

Es war die Industrie“ – sagt Kautsky -–, „die dann die technischen und wissenschaftlichen Bedingungen der neuen, rationellen Landwirtschaft erzeugte, sie durch Maschinen und Kunstdünger, durch das Mikroskop und das chemische Laboratorium revolutionierte und dadurch die technische Überlegenheit des kapitalistischen Großbetriebs über den bäuerlichen Kleinbetrieb herbeiführte.“ (S. 292.)

Kautsky verfällt somit nicht in den Widerspruch, den wir bei Herrn Bulgakow antreffen: einerseits erkennt Herr Bulgakow an, dass „der Kapitalismus“ (d. h. die Produktion vermittels Lohnarbeit, d. h. nicht bäuerlicher, sondern Großbetrieb?) „die Landwirtschaft rationalisiert“, während anderseits „der Träger dieses technischen Fortschritts hier keineswegs der Großbetrieb ist“!

II

Das Kapitel X des Kautskyschen Buches ist der Frage über die überseeische Konkurrenz und über die Industrialisierung der Landwirtschaft gewidmet. Herr Bulgakow lässt sich über dies Kapitel äußerst geringschätzig aus: „Nichts besonders Neues oder Originelles, mehr oder minder bekannte grundlegende Tatsachen“ usw. Die grundlegende Frage der Auffassung der Agrarkrise, ihres Wesens und ihrer Bedeutung lässt er unberührt. Indessen ist diese Frage von gewaltiger theoretischer Wichtigkeit.

Der allgemeinen Auffassung von der landwirtschaftlichen Entwicklung, die Marx gegeben und Kautsky ausführlich entwickelt hat, entspringt unvermeidlich auch die Auffassung von der Agrarkrise. Das Wesen der Agrarkrise sieht Kautsky darin, dass die europäische Landwirtschaft infolge der Konkurrenz der Länder, die äußerst billig Getreide produzieren, die Möglichkeit verloren hat, die Lasten, die das Privateigentum an Grund und Boden und die kapitalistische Warenproduktion der Landwirtschaft auferlegen, auf die Masse der Konsumenten abzuwälzen. Von jetzt an muss die europäische Landwirtschaft

sie selbst tragen" (diese Lasten), „und darin besteht die heutige Agrarkrisis“ (S. 239, von Kautsky hervorgehoben).

Die schwerste dieser Lasten ist die Grundrente. In Europa ist sie durch die vorhergehende historische Entwicklung bis zu einer gewaltigen Höhe empor geschraubt (sowohl die Differential- als auch die absolute Rente) und in den Bodenpreisen fixiertY. In den Kolonien (Amerika, Argentinien u. a.), soweit sie Kolonien bleiben, sehen wir dagegen freie Ländereien, die von neuen Siedlern entweder völlig umsonst oder für einen geringen Preis besetzt werden, und zwar Ländereien, deren jungfräuliche Fruchtbarkeit die Produktionskosten auf ein Minimum herabsetzt. Es ist ganz natürlich, dass die europäische kapitalistische Landwirtschaft die maßlos aufgeblähte Rente (in Gestalt hoher Getreidepreise) bis jetzt auf die Konsumenten abwälzte, während jetzt die Last dieser Rente auf die Landwirte und Grundbesitzer selbst fällt und sie ruiniert.Z Der frühere Wohlstand des kapitalistischen Grundbesitzes und der kapitalistischen Landwirtschaft ist somit durch die Agrarkrise gestört worden und wird weiterhin gestört. Der kapitalistische Grundbesitz hatte bisher einen immer größeren Tribut von der gesellschaftlichen Entwicklung erhoben und die Höhe dieses Tributs in den Bodenpreisen fixiert. Jetzt muss er auf diesen Tribut verzichten.Ä Die kapitalistische Landwirtschaft ist jetzt in denselben Zustand der Labilität versetzt worden, der der kapitalistischen Industrie eigen ist. und ist gezwungen, sich den neuen Marktbedingungen anzupassen. Wie jede andere Krise, so ruiniert auch die Agrarkrise die Massen der Landwirte, zerbricht gründlich die herkömmlichen Eigentumsverhältnisse, führt stellenweise zu technischem Rückschritt, zum Wiederaufleben mittelalterlicher Beziehungen und Formen der Wirtschaft, im Großen und Ganzen jedoch beschleunigt sic die gesellschaftliche Entwicklung, verdrängt den patriarchalischen Stillstand aus seinen letzten Zufluchtsstätten, erzwingt die weitere Spezialisierung der Landwirtschaft (einer der Grundfaktoren des landwirtschaftlichen Fortschritts in der kapitalistischen Gesellschaft), die weitere Anwendung von Maschinen usw. Im Großen und Ganzen – das hat Kautsky in Kapitel IV seines Buches an Hand der Daten über einige Länder gezeigt – sehen wir sogar in Westeuropa in den Jahren 1880 bis 1890 keinen Stillstand der Landwirtschaft, sondern einen technischen Fortschritt. Wir sagen sogar in Westeuropa deshalb, weil dieser Fortschritt z. B. in Amerika noch klarer ist.

Kurz, es liegt kein Grund vor, in der Agrarkrise eine Erscheinung zu sehen, die den Kapitalismus und die kapitalistische Entwicklung hemmt.

1 „Die Agrarfrage“ ist der Titel des Buches Kautskys, von dem hier gesprochen wird. D. Red.

A Die verschiedenen Maschinen sind hier zusammen gerechnet. Alle Zahlen sind, soweit kein besonderer Hinweis vorliegt, dem Huch Kautskys entnommen.

2 Das Wort „selbständig“ bezeichnet in der Statistik den Eigentümer einer Wirtschaft zum Unterschied von den erwachsenen Mitgliedern seiner Familie und von den Lohnarbeitern. D. Red.

B „Alle diese Angaben meint Herr Bulgakow – kann man jedem beliebigen (sic!) Leitfaden der Ökonomie der Landwirtschaft entnehmen.“ Wir teilen diese optimistische Ansicht des Herrn Bulgakow über die „Leitfäden“ nicht. Greifen wir aus der Zahl der „beliebigen“ die russischen Bücher der Herren Skworzow („Das Dampftransportwesen“) und N. Kablukow („Vorträge“, zur Hälfte nachgedruckt in dem „neuen“ Buch „Die Entwicklungsbedingungen der bäuerlichen Wirtschaft in Russland“) heraus. Weder bei dem einen noch bei dem anderen könnte der Leser ein Bild gewinnen von der Umwälzung, die der Kapitalismus in der Landwirtschaft vollzogen hat, weil keiner von ihnen sich auch nur das Ziel setzt, ein allgemeines Bild des Übergangs von der feudalen zur kapitalistischen Wirtschaft zu geben.

C In Band III des „Kapital“ wies Marx auf diesen Prozess hin (ohne seine verschiedenen Formen in den verschiedenen Ländern zu untersuchen) und bemerkte, dass diese „Trennung des Grund und Bodens als Arbeitsbedingung vom Grundeigentum und Grundeigentümer“ „eines der großen Resultate der kapitalistischen Produktionsweise“ ist (III,2, S. 156/157)

D Die Zunahme der Hypothekarverschuldung braucht nicht notwendigerweise einen Notstand der Landwirtschaft anzuzeigen … Auch der Fortschritt und die Blüte der Landwirtschaft (wie auch ihr Niedergang) „muss sich in einer Zunahme der Hypothekarschulden äußern, einmal wegen des wachsenden Kapitalbedürfnisses, das von einer fortschreitenden Landwirtschaft entwickelt wird, und dann wegen des Steigen« der Grundrente, das eine Ausdehnung des landwirtschaftlichen Kredits ermöglicht“ (S. 87.).

E Auf Seite S. 124–126 beschreibt Kautsky die landwirtschaftliche Kommune in Ralahine, von der übrigens auch Herr Dioneo in Nr. 2 des „Russkoje Bogatstwo“ von diesem Jahr (1899. D. Red.) den russischen Lesern erzählt.

FDas einzige, worauf sich Herr Bulgakow stützen könnte, ist der Titel, den Kautsky dem ersten Abschnitt des Kapitels VI gegeben hat: ,,a) Die technische Überlegenheit des Großbetriebs“, wo doch in diesem Abschnitt sowohl von den technischen als auch von den ökonomischen Vorteilen des Großbetriebs gesprochen wird. Beweist das aber etwa, dass Kautsky Technik und Ökonomik verwechselt? Außerdem ist es noch eine Frage, ob die Bezeichnung Kautskys ungenau ist. Die Sache ist die, dass Kautsky den Zweck verfolgt, den Inhalt des ersten und des zweiten Abschnitts des Kapitels IV einander gegenüberzustellen: im ersten (a) wird von der technischen Überlegenheit des Großbetriebs in der kapitalistischen Landwirtschaft gesprochen, und hier figuriert neben den Maschinen u. a. beispielsweise der Kredit. Herr Bulgakow ironisiert: „eine eigenartige technische Überlegenheit“. Doch – rira bien qui rira le dernier! (Wer zuletzt lacht, lacht am besten! D. Red.) Man tue einen Blick in das Buch Kautskys und man wird sehen, dass er hauptsächlich jenen Progress in der Technik des Kreditwesens (und weiter auch in der Technik des Handels) meint, der nur dem Großwirt zugänglich ist. Im zweiten Abschnitt (b) werden dagegen die Arbeitsmenge und die Verbrauchsnorm des Arbeitenden in Großbetrieb und Kleinbetrieb verglichen, folglich werden hier rein ökonomische Unterschiede zwischen Kleinbetrieb und Großbetrieb untersucht. Die Ökonomie des Kredits und des Handels ist für beide gleich, die Technik aber verschieden.

G Siehe W. J. Postnikow: „Die südrussische Bauernwirtschaft.“ Vergl. W. Iljin, „Die Entwicklung des Kapitalismus", Kapitel II, Abschnitt 1. [W. Iljin ist ein Pseudonym, mit dem Lenin gewöhnlich seine Arbeiten, die unter dem Zarismus legal erschienen, zeichnete; in vorliegendem Falle handelt es sich um sein Buch „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, Kap. II, Abschnitt 1 dieses Buches. D. Red.]

3 Große Getreidewirtschaften in Nordamerika, die extensive Wirtschaftsweise mit hochentwickelter Technik vereinigten. D. Red.

4 Im Jahre 1850 erschien die von Marx herausgegebene „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue.“ D. Red,

I Vgl. „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, Kap. II, Abschnitt XII, S. 120. Man rechnet, dass in Frankreich ungefähr 75 Prozent der Landarbeiter eigenen Boden besitzen. Ebenda auch andere Beispiele

J Wir betonen „im Großen und Ganzen“, weil sich natürlich nicht bestreiten lässt, dass in Einzelfällen auch diese Betriebe mit winziger Bodenfläche viel Produkte und Ertrag abwerfen können (Weingärten, Gemüsegärten usw.). Doch was würde man von einem Ökonomen sagen, der den Hinweis auf den ständigen Rückgang des Pferdebestandes der russischen Bauern mit einem Hinweis auf das Beispiel, sagen wir, der Gemüsegärtner der Umgebung Moskaus, die manchmal auch ohne Pferd eine rationelle und rentable Landwirtschaft treiben können, widerlegen wollte?

K In der Anmerkung auf Seite 15 sagt Herr Bulgakow, dass Kautsky den Fehler der Verfasser des Buches über die Getreidepreise wiederhole, wenn er die Ansicht vertrete, dass die gewaltige Mehrheit der Landbevölkerung an den Getreidezöllen nicht interessiert sei. Auch mit dieser Meinung können wir nicht einverstanden sein. Die Verfasser des Buches über die Getreidepreise haben eine Menge Fehler gemacht (auf die ich in dem obengenannten Buch wiederholt hingewiesen habe), aber in der Anerkennung der Tatsache, dass die Masse der Bevölkerung an hohen Getreidepreisen nicht interessiert ist, liegt kein Fehler. Ein Fehler ist es nur, von diesem Interesse der Masse auf das Interesse der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung unmittelbar zu schließen. Die Herren Tugan-Baranowski und Struve wiesen mit Recht darauf hin, dass als Kriterium einer Wertung der Getreidepreise die Frage betrachtet werden muss, oh sie die Abarbeit durch den Kapitalismus mehr oder weniger schnell verdrängen, ob sie die gesellschaftliche Entwicklung vorwärts stoßen. Das ist eine Frage, die an Hand der Tatsachen zu entscheiden ist, und ich entscheide diese Frage anders als Struve. Ich glaube, dass die Tatsache der Verlangsamung der Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft infolge niedriger Preise durchaus nicht bewiesen ist. Im Gegenteil, das besonders schnelle Wachstum des landwirtschaftlichen Maschinenbaus und der Anstoß, den das Sinken der Getreidepreise der Spezialisierung der Landwirtschaft gegeben hat, zeigen, dass die niedrigen Preise die Entwicklung des Kapitalismus in der russischen Landwirtschaft vorwärts stoßen. (Vgl. „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, S. 147, Anm. 2 in Kap. III. Abschn. V.) Das Sinken der Getreidepreise übt auf alle übrigen Beziehungen in der Landwirtschaft eine stark umbildende Wirkung aus.

Herr Bulgakow sagt: „Eine der wichtigsten Bedingungen der Intensivierung der Bodenkultur ist die Erhöhung der Getreidepreise“ (in gleicher Weise spricht sich Herr P. S. in der „Inneren Rundschau“, S. 299 desselben Hefts des „Natschalo“ aus). Das ist ungenau. Marx zeigt im sechsten Abschnitt von Band III des „Kapital“, dass die Produktivität der auf den Boden angelegten zusätzlichen Kapitale sinken, aber auch steigen kann; bei einem Sinken der Getreidepreise kann die Rente fallen, aber auch steigen. Folglich kann die Intensivierung – in verschiedenen historischen Perioden und in verschiedenen Ländern – durch völlig verschiedene Bedingungen, unabhängig vom Stand der Getreidepreise, hervorgerufen werden.

L Herr Bulgakow führt noch eingehendere Daten an, doch sie fügen zu den Daten Kautskys nicht das Geringste hinzu, da sie die gleiche Vermehrung der Zahl der Betriebe in der Gruppe der Großgrundbesitzer allein und die Verringerung der Bodenfläche zeigen,

M Eine Verringerung von 16.986.101 ha in dieser Betriebsgröße auf 16.802.115 ha, d. h. um ganze … 1,2 Prozent! Nicht wahr, das spricht sehr überzeugend von der von Herrn Bulgakow wahrgenommenen „Agonie“ des Großbetriebs?

5 Große Getreidewirtschaften in Nordamerika, die extensive Wirtschaftsweise mit hochentwickelter Technik vereinigten. D. Red.

6 Das von Lenin angeführte französische Sprichwort bedeutet: wer zuletzt lacht, lacht am besten. D. Red.

N Wirklich kurios ist die Bemerkung des Herrn Bulgakow, dass die Zunahme der Zahl der Angestellten vielleicht vom Wachstum der landwirtschaftlichen Industrie, keineswegs aber (!) von der zunehmenden Intensität des Großbetriebs zeugt. Wir haben bis jetzt geglaubt, dass eine der wichtigsten Formen der Steigerung der Intensität die Zunahme der landwirtschaftlichen technischen Betriebe ist (die von Kautsky in Kapitel X ausführlich geschildert und gewertet wird).

O Kärger, zitiert bei Kautsky auf S. 45.

P Kautsky hat sich entschieden gegen jede Art mittelalterlicher Beengung der Bodenmobilisierung, gegen die Majorate (Fideikommiss und Anerbenrecht), gegen die Unterstützung der mittelalterlichen bäuerlichen Markgenossenschaft (S. 332) u. a. ausgesprochen.

Q Vgl. auch S. 214, wo Kautsky von der Rolle der städtischen Kapitalien hei der Rationalisierung der Landwirtschaft spricht.

R Möge der Leser die im Text angeführte unzweideutige Erklärung Kautskys mit folgender „kritischer“ Bemerkung des Herrn Bulgakow vergleichen: „Wenn Kautsky überhaupt die Abgabe von Getreide durch die unmittelbaren Erzeuger an die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung als Ausbeutung ansieht“ usw. Es ist nicht zu glauben, dass ein Kritiker, der sich auch nur einigermaßen aufmerksam mit dem Buch Kautskys befasst hat, dieses „wenn“ schreiben konnte!

S Es versteht sich von selbst, dass diese Meinung von der Notwendigkeit der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land in der Gesellschaft der assoziierten Produzenten nicht im Geringsten der Anerkennung der fortschrittlichen historischen Rolle widerspricht, welche die Abwanderung der Bevölkerung vom Ackerbau zur Industrie spielt. Ich hatte Gelegenheit, hierüber an anderer Stelle zu sprechen. („Studien", S. 81, Anmerkung 69).

T Darum empfiehlt Kautsky im praktischen Teil seines Buches eine Sanitätsinspektion, deren Aufgabe die Durchführung bestimmter hygienischer Vorschriften für Viehställe ist. (S. 397)

V Herr Bulgakow weist auf diesen Umstand hin und sagt, dass „die landwirtschaftliche Bevölkerung sich auch in einem Blütezustand der Landwirtschaft relativ (von ihm hervorgehohen) verringern kann“. Sie ..kann“ nicht nur, sondern muss sich unvermeidlich in der kapitalistischen Gesellschaft verringern … „Die relative Verringerung (der landwirtschaftlichen Bevölkerung) zeigt hier nur (sic!) das Wachstum neuer Zweige der Volksarbeit“, folgert Herr Bulgakow. Dieses „nur“ ist äußerst seltsam. Die neuen Industriezweige sind es, die die „energischsten und intelligentesten Arbeitskräfte“ aus der Landwirtschaft abziehen. Es genügt somit schon diese einfache Überlegung, um die allgemeine These. Kautskys als völlig richtig anzuerkennen: dazu, dass diese allgemeine These (der Kapitalismus entziehe der Landwirtschaft die energischsten und anteiligem testen Arbeitskräfte) richtig sei, genügt die relative Verringerung der landwirtschaftlichen Bevölkerung völlig.

W „Die kleineren Betriebe“ –- sagt Kautsky an anderer Stelle – „halten zäher in einer aussichtslosen Position aus. Ob das ein Vorzug des Kleinbetriebs ist, darf füglich bezweifelt werden.“ (S. 134.)

Wir verweisen übrigens auf die die Ansicht Kautskys völlig bestätigenden Daten Dr. F. Ph. Koenigs. der in seinem Buch (..Die Lage der englischen Landwirtschaft etc.“. Jena 1896) die Lage der englischen Landwirtschaft in einigen sehr typischen Grafschaften ausführlich beschrieben hat. Hinweise auf die Überarbeit und die Unterkonsumtion der kleinen Landwirte im Vergleich zu den Lohnarbeitern finden wir hier die Menge, während gegenteilige Hinweise nicht Vorkommen. Die Rentabilität der Kleinbetriebe, lesen wir z. B„ wird „durch ungeheuren Fleiß und Sparsamkeit“ erreicht (5. 881: die Wohnungen der kleinen Besitzer sind herzlich schlecht (S. 1071; der kleine Gutsbesitzer (yeoman farmer) ist jetzt schlimmer daran als der Pächter (S. 149); am schlimmsten ist die Lage der kleinen Gutsbesitzer (in Lincolnshire); ihre Wohnungen sind nicht so gut wie die Arbeiterwohnungen auf den großen Pachtgütern; einige sind sehr schlecht. Sie arbeiten härter und länger als gewöhnliche Arbeiter und verdienen weniger; sie leben weniger gut und essen weniger Fleisch … die Töchter und Söhne des Besitzers arbeiten ohne Lohn und leben und kleiden sich schlecht (S. 157). „Die kleinen Farmer arbeiten wie Sklaven, oft im Sommer von morgens 3 Uhr bis abends 9 Uhr.“ (Mitteilung der „Chamber of Agriculture“ in Boston, S. 158.) „Zweifellos“ – sagt ein großer Farmer – „hat der kleine Mann, der wenig Kapital besaß und dessen Familie die ganze Arbeit besorgt hat, sich am ehesten im Haushalt einschränken können, während der große Pächter seine Knechte ebenso gut nähren muss, ob die Zeiten gut oder schlecht sind.“ (S. 218.) Die kleinen Farmer (in Ayrshire) „sind ungeheuer fleißig und ihre Frauen und Kinder arbeiten nicht weniger, ja oft mehr als Tagelöhner; man sagt, dass zwei von ihnen in einem Tage ebenso viel arbeiten, als drei Lohnarbeiter“ (S. 231). „Das Leben des kleinen Pächters, der mit seiner Familie arbeiten muss, …ein reines Sklavenleben.“ (S. 253.) „Im Großen und Ganzen … scheinen die kleinen Farmer die landwirtschaftliche Krisis besser überstanden zu haben als die größeren, allein dieser Schluss ist nicht maßgebend für die größere Rentabilität der kleinen Farmen. Vielmehr glauben wir den Grund darin zu finden, dass der kleine Mann die unentgeltliche Hilfe seiner Familie bei der Arbeit besitzt… ist es Sitte bei dem kleinen Farmer, seine ganze Familie in seinem Betriebe arbeiten zu lassen … die Kinder… erhalten nur ihre Verköstigung und nur selten einen bestimmten Tagelohn“ (S. 277/278) usw. usw.

X Bezüglich der philosophischen Weltanschauung wissen wir nicht, ob diese Worte des Herrn Bulgakow den Tatsachen entsprechen. Kautsky ist, wie es scheint, nicht Anhänger der kritischen Philosophie wie Herr Bulgakow.

7 Über Grundsätze soll man nicht streiten. D. Red.

Y Siehe über diesen Prozess der Aufblähung der Rente und ihrer Fixierung die treffenden Bemerkungen von Parvus in seinem Buche „Weltmarkt und Agrarkrise“. Parvus ist mit Kautsky in den Grundanschauungen über die Krise und die Agrarfrage überhaupt solidarisch.

Z Parvus, a. a. O., S. 141, zitiert im „Natschalo“ Nr. 3, S. 117. Rezension über das Buch Parvus’). Wir fügen hinzu, dass auch andere „Schwierigkeiten“ der warenproduzierenden Landwirtschaft, die auf Europa lasten, die Kolonien in einem unvergleichlich weniger starken Grade belasten.

Ä Die absolute Rente ist das Resultat des Monopols. „Zum Glück hat das Steigen der absoluten Grundrente seine Grenzen … Bis vor kurzem war sie allerdings in Europa in stetem Steigen begriffen, ebenso wie die Differentialrente … Aber die überseeische Konkurrenz hat dieses Monopol in hohem Grade durchbrochen. Wir haben keinen Grund zur Annahme, dass die Differentialrente in Europa unter der überseeischen Konkurrenz gelitten hat, ausgenommen einige Distrikte Englands … Aber die absolute Grundrente ist gesunken und dies ist vor allem den arbeitenden Klassen zugute gekommen.“ (S. 80. Vgl. auch S. 328.)

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