V. Der „Plan" einer allgemein-russischen politischen Zeitung

V. Der „Plan" einer allgemein-russischen politischen Zeitung

Der größte Fehler der ,Iskra' in dieser Beziehung“ – schreibt B. Kritschewski („Rabotscheje Djelo" Nr. 10, S. 30), indem er uns der Tendenz beschuldigt, „die Theorie durch ihre Isolierung von der Praxis in eine tote Doktrin zu verwandeln" – „ist ihr ,Plan' einer allgemein-russischen Parteiorganisation" (d. h. der Artikel „Womit beginnen?"). Und Martynow sekundiert ihm, indem er erklärt, dass „die Tendenz der ,Iskra', die Bedeutung des fortschreitenden Ganges des grauen Tageskampfes im Vergleich zur Propaganda glänzender und vollendeter Ideen herabzusetzen …, gekrönt worden sei durch den Plan einer Parteiorganisation, den sie in Nr. 4, im Artikel ,Womit beginnen?' vorschlägt" (ebenda S. 61). Schließlich schloss sich in allerletzter Zeit den Leuten, die dieser „Plan" (die Anführungsstriche sollen das ironische Verhalten ihm gegenüber zum Ausdruck bringen) empört hat, auch L. Nadjeschdin an, und zwar in der uns eben zugegangenen Broschüre „Am Vorabend der Revolution" (herausgegeben von der uns bereits bekannten „revolutionär-sozialistischen Gruppe" Swoboda), in der erklärt wird, „jetzt von einer Organisation sprechen, die wie Fäden von einer allgemein-russischen Zeitung ausgeht", hieße „Studierstubenideen und Studierstubenarbeit produzieren" (S. 126), – das sei eine Erscheinung des „Literatentums" usw.

Dass unser Terrorist sich mit den Verteidigern des „fortschreitenden Ganges des grauen Tageskampfes" solidarisch gezeigt hat, kann uns nicht verwundern, nachdem wir in den Kapiteln über Politik und über Organisation die Wurzeln dieser Verwandtschaft aufgedeckt haben. Aber wir müssen jetzt schon bemerken, dass L. Nadjeschdin, und nur er allein, den Versuch gemacht hat, gewissenhaft in den Gedankengang des Artikels, der ihm missfallen hat, einzudringen, dass er den Versuch gemacht hat, ihn sachlich zu beantworten, – während das „Rabotscheje Djelo" absolut nichts Sachliches gesagt hat, sondern nur bemüht war, die Frage mit Hilfe eines ganzen Haufens unanständiger demagogischer Ausfälle zu verwirren. Und wie unangenehm das auch sein mag, wir müssen zunächst einige Zeit auf die Säuberung des Augiasstalles verwenden.

a) Wer hat den Artikel „Womit beginnen?" übelgenommen?1

Wir wollen ein Bukett jener Ausdrücke und Ausrufe zeigen, mit denen das „Rabotscheje Djelo" über uns hergefallen ist.

Nicht eine Zeitung kann eine Parteiorganisation schaffen, sondern umgekehrt …" „Eine Zeitung, die über der Partei und außerhalb ihrer Kontrolle steht und von ihr unabhängig ist dank einem eigenen Netz von Agenten" … „Wie konnte die ,lskra' die tatsächlich bestehenden sozialdemokratischen Organisationen der Partei vergessen, der sie angehört?" … „Wer feste Prinzipien und einen entsprechenden Plan besitzt, der ist auch der oberste Regulator des realen Kampfes der Partei, der ihr die Ausführung des Planes diktiert" … „Der Plan vertreibt unsere lebendigen und lebensfähigen Organisationen ins Reich der Schatten und will ein phantastisches Netz von Agenten ins Leben rufen" … „Wenn der Plan der ,Iskra' ausgeführt worden wäre, so würde er zur vollkommenen Ausmerzung aller Spuren der bei uns gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands führen" … „Das propagandistische Organ wird zum unkontrollierbaren, absolutistischen Gesetzgeber des gesamten praktischen revolutionären Kampfes" … „Wie muss sich unsere Partei zu ihrer vollkommenen Unterordnung unter die autonome Redaktion verhalten?" usw. usw.

Wie der Leser aus dem Inhalt und dem Ton dieser Zitate sieht, fühlt sich das „Rabotscheje Djelo" beleidigt. Aber es ist beleidigt nicht für sich, sondern für die Organisationen und Komitees unserer Partei, die die „Iskra" angeblich in das Reich der Schatten vertreiben und deren Spuren sie sogar ausmerzen will. Wirklich, wie entsetzlich! Merkwürdig ist nur eins. Der Artikel „Womit beginnen?" ist im Mai 1901 erschienen, die Artikel des „Rabotscheje Djelo" sind im September 1901 erschienen, jetzt haben wir bereits Mitte Januar 1902. In diesen ganzen fünf Monaten (sowohl vor wie nach dem September) ist kein einziges Parteikomitee und keine einzige Parteiorganisation mit einem formellen Protest gegen dieses Ungeheuer, das die Komitees und die Organisationen ins Reich der Schatten vertreiben will, hervorgetreten! Während doch in dieser Zeit sowohl in der „Iskra" als auch in einer Menge anderer, lokaler und nichtlokaler Publikationen Dutzende und Hunderte von Mitteilungen aus allen Ecken und Enden Russlands erschienen sind. Wie ist es möglich, dass die, die man ins Reich der Schatten vertreiben will, das nicht gemerkt und es nicht übelgenommen haben, dass sich dagegen eine dritte Person beleidigt fühlt?

Das ist möglich, weil die Komitees und anderen Organisationen in Anspruch genommen sind durch wirkliche Arbeit und nicht durch ein Spiel mit dem „Demokratismus". Die Komitees haben den Artikel „Womit beginnen?" gelesen, sie haben sich überzeugt, dass das ein Versuch ist, „einen bestimmten Plan der Organisation auszuarbeiten, damit von allen Seiten an ihren Aufbau herangegangen werden kann", und da sie sehr gut wussten und sahen, dass keine einzige von „allen" diesen „Seiten" „an den Aufbau heranzugehen" gedenkt, solange sie sich nicht überzeugt haben wird von seiner Notwendigkeit und von der Richtigkeit des architektonischen Planes, so haben sie natürlich auch gar nicht daran gedacht, die Frechheit der Leute „übelzunehmen", die in der „Iskra" gesagt haben: „In Anbetracht der unaufschiebbaren Dringlichkeit der Frage entschließen wir uns, von uns aus den Genossen den Entwurf eines Planes zu unterbreiten, den wir in einer Broschüre, die für den Druck vorbereitet wird, ausführlich entwickeln wollen." War es denn überhaupt, wenn man gewissenhaft an die Sache heranging, möglich, nicht zu verstehen, dass die Genossen, wenn sie den ihrer Aufmerksamkeit empfohlenen Plan annehmen, ihn durchführen werden, nicht weil sie sich „unterordnen", sondern weil sie überzeugt sind von seiner Notwendigkeit für unsere gemeinsame Sache, und dass, wenn sie ihn ablehnen, dieser „Entwurf" (welch anspruchsvolles Wort, nicht wahr?) ein einfacher Entwurf bleiben wird? Ist es denn nicht Demagogie, wenn man gegen den Entwurf eines Planes nicht nur dadurch kämpft, dass man ihn „herunterreißt" und den Genossen den Rat gibt, ihn abzulehnen, sondern auch dadurch, dass man Leute, die auf revolutionärem Gebiet unerfahren sind, gegen die Verfasser des Entwurfes aufhetzt, nur weil diese es wagen, „Gesetze zu erlassen", als „oberste Regulatoren" aufzutreten, d. h. weil sie es wagen, den Entwurf eines Planes vorzuschlagen?? Kann unsere Partei sich entwickeln und vorwärtsschreiten, wenn man den Versuch, die örtlichen Führer zu umfassenderen Ansichten, Aufgaben, Plänen usw. zu heben, beantwortet nicht nur unter dem Gesichtspunkte der Unrichtigkeit dieser Ansichten, sondern des „Beleidigtseins", weil man uns auf ein höheres Niveau heben „will"? Auch L. Nadjeschdin z. B. hat unseren Plan „zerpflückt", aber zu einer solchen Demagogie, die nicht mehr erklärt werden kann aus bloßer Naivität oder Primitivität der politischen Ansichten, ist er nicht herabgesunken, den Vorwurf des „Inspektorats über die Partei" hat er von Anfang an entschieden abgelehnt. Und darum kann und muss man Nadjeschdins Kritik an dem Plan sachlich beantworten, während man dem „Rabotscheje Djelo" nur mit Verachtung antworten kann.

Aber die Verachtung für einen Schriftsteller, der herabsinkt zu einem Geschrei über „Absolutismus" und „Unterordnung", befreit uns nicht von der Pflicht, das Durcheinander zu entwirren, das solche Leute dem Leser auftischen. Und hier können wir allen anschaulich zeigen, von welcher Art diese Schlagworte vom „breiten Demokratismus" sind. Man beschuldigt uns, die Komitees vergessen zu haben, sie in das Reich der Schalten vertreiben zu wollen usw. Wie sollen wir auf diese Beschuldigungen antworten, wenn wir dem Leser fast nichts Konkretes von unseren wirklichen Beziehungen zu den Komitees erzählen können, wenn wir es nicht können aus Gründen der Konspiration? Leute, die mit heftigen und die Masse aufreizenden Vorwürfen um sich werfen, erweisen sich uns überlegen dank ihrer Leichtfertigkeit, ihrem nachlässigen Verhalten den Pflichten eines Revolutionärs gegenüber, der die Beziehungen und Verbindungen, die er besitzt, die er anknüpft oder anzuknüpfen versucht, vor dem Auge der Welt sorgfältig verborgen halten muss. Selbstverständlich lehnen wir es ein- für allemal ab, auf dem Gebiete des „Demokratismus" mit solchen Leuten zu konkurrieren. Was aber den Leser betrifft, der in die Parteiangelegenheiten nicht eingeweiht ist, so besteht das einzige Mittel, die Pflicht ihm gegenüber zu erfüllen, darin, ihm nicht zu erzählen, was vorhanden und was im Werden2 ist, sondern einen kleinen Teil von dem, was war und wovon zu erzählen erlaubt ist, da es bereits in der Vergangenheit liegt.

Der Bund macht Anspielungen auf unser „UsurpatorentumA der „Auslandsbund russischer Sozialdemokraten" beschuldigt uns, die Spuren der Partei ausmerzen zu wollen. Gut, Herrschaften, ihr werdet vollständige Genugtuung erhalten, wenn wir den Lesern vier Tatsachen aus der Vergangenheit erzählen.

Die ersteB Tatsache: Die Mitglieder eines der „Kampfverbände", die an der Gründung unserer Partei und an der Entsendung eines Delegierten zum Parteitag, auf dem sie gegründet wurde, unmittelbar teilgenommen haben, verhandeln mit einem der Mitglieder der „Iskra"-Gruppe über die Gründung einer besonderen Arbeiterbibliothek, die die Bedürfnisse der gesamten Bewegung befriedigen soll.3 Es gelingt nicht, die Arbeiterbibliothek zu gründen, und die für sie geschriebenen Broschüren „Die Aufgaben der russischen Sozialdemokraten" und „Das neue Fabrik-Gesetz“ geraten auf Umwegen und durch dritte Personen ins Ausland, wo sie gedruckt werden.

Die zweite Tatsache: Die Mitglieder des Zentralkomitees des Bund wenden sich an ein Mitglied der „Iskra"-Gruppe mit dem Vorschlag, ein – wie der Bund sich damals ausdrückte – „literarisches Laboratorium" zu organisieren4, wobei sie darauf hinweisen, dass, wenn dies nicht gelingt, unsere Bewegung stark zurückgehen könnte. Das Ergebnis der Verhandlungen ist die Broschüre: „Die Arbeitersache in Russland"C.

Die dritte Tatsache: Das Zentralkomitee des Bund wendet sich durch Vermittlung eines Provinzstädtchens an ein Mitglied der „Iskra" mit dem Vorschlag, die Redaktion der „Rabotschaja Gazeta", die wieder erscheinen soll, zu übernehmen, und erhält natürlich dessen Zustimmung. Der Vorschlag wird dann geändert: man bietet die Mitarbeit an, in Anbetracht einer neuen Kombination mit der Redaktion. Auch hierzu erhält man selbstverständlich die Zustimmung.5 Es werden Artikel geschickt, (die noch vorhanden sind) – „Unser Programm" – mit einem direkten Protest gegen die Bernsteiniade, gegen die Schwenkung in der legalen Literatur und in der „Rabotschaja Mysl"; „Unsere nächste Aufgabe" (die Organisation eines regelmäßig erscheinenden und mit allen örtlichen Gruppen eng verknüpften Parteiorgans; die Mängel der herrschenden „Handwerklerei"); „Eine brennende Frage" (die Analyse der Entgegnung, dass man vor der Organisation eines allgemeinen Organs zunächst eine Tätigkeit der örtlichen Gruppen entfalten müsse; das Bestehen auf der großen Bedeutung der „revolutionären Organisation" – auf der Notwendigkeit, „die Organisation, Disziplin und konspirative Technik auf die höchste Stufe der Vollkommenheit zu heben"). Der Vorschlag, die „Rabotschaja Gazeta" wieder herauszugeben, wird nicht verwirklicht, und die Artikel bleiben ungedruckt.

Die vierte Tatsache: Ein Mitglied des Komitees, das den zweiten ordentlichen Parteitag unserer Partei organisiert, teilt einem Mitglied der „Iskra"-Gruppe das Parteitagsprogramm mit und stellt die Kandidatur dieser Gruppe für die Funktion der Redaktion der neu herauszugebenden „Rabotschaja Gazeta" auf. Seine vorbereitenden Schritte werden dann auch von dem Komitee, dem er angehörte, und vom Zentralkomitee des Bund sanktioniert; die „Iskra"-Gruppe wird von Ort und Zeit der Tagung benachrichtigt, verfasst aber auch (da sie nicht sicher ist, ob sie nicht aus bestimmten Gründen verhindert sein wird, einen Delegierten zu entsenden) einen schriftlichen Bericht an den Parteitag. In diesem Bericht wird der Gedanke entwickelt, dass wir durch die Wahl eines Zentralkomitees allein – in einer Zeit so völliger Zerfahrenheit, wie der jetzigen – nicht nur die Frage der Vereinigung nicht lösen können, sondern dass wir, wenn die Organisation wiederum rasch in die Hände der Polizei fällt – was infolge der mangelnden Konspiration mehr als wahrscheinlich ist – außerdem noch riskieren, die große Idee der Gründung der Partei zu kompromittieren; dass man darum beginnen müsse mit einer an alle Komitees und an alle übrigen Organisationen gerichteten Aufforderung, das neu erscheinende allgemeine Organ zu unterstützen, das alle Komitees tatsächlich miteinander verbinden, das tatsächlich eine Führergruppe für die ganze Bewegung heranbilden wird; den Komitees und der Partei aber wird es nicht schwer fallen, eine solche von den Komitees geschaffene Gruppe in ein Zentralkomitee zu verwandeln, sobald sie sich festigt und erstarkt. Infolge einer Reihe von Verhaftungen konnte der Parteitag jedoch nicht zustande kommen und der Bericht musste aus konspirativen Gründen vernichtet werden, nachdem ihn nur wenige Genossen, darunter die Bevollmächtigten eines Komitees, gelesen hatten.6

Mag jetzt der Leser selbst über den Charakter solcher Methoden urteilen, wie die Anspielung auf unser Usurpatorentum von Seiten des Bund, oder wie die Beweisführung des „Rabotscheje Djelo dass wir die Komitees in das Reich der Schatten vertreiben und die Parteiorganisation ersetzen woben durch die Organisierung der Verbreitung der Ideen einer Zeitung. Ja, gerade die Komitees sind es, denen wir auf ihre mehrfache Aufforderung hin über die Notwendigkeit, einen bestimmten Plan für die allgemeine Arbeit anzunehmen, Bericht erstattet haben. Gerade für die Parteiorganisation haben wir diesen Plan in den Artikeln für die „Rabotschaja Gazeta" und im Bericht an den Parteitag ausgearbeitet, und zwar wiederum auf Grund der Aufforderung von Genossen, die in der Partei eine so einflussreiche Stellung innehatten, dass sie die Initiative zur (tatsächlichen) Wiederaufnahme des Organs übernahmen. Und erst, nachdem die zweimaligen Versuche der Parteiorganisation, mit uns zusammen offiziell das zentrale Parteiorgan wieder herauszugeben, Schiffbruch erlitten hatten, hielten wir es für unsere direkte Pflicht, mit einem nichtoffiziellen Organ hervorzutreten, damit die Genossen bei einem dritten Versuch schon bestimmte Erfahrungen und nicht nur bloße Annahmen vor sich hatten. Jetzt liegen verschiedene Resultate dieser Erfahrungen bereits klar vor aller Augen, und alle Genossen können beurteilen, ob wir unsere Pflicht richtig aufgefasst haben und was man von Leuten denken muss, die aus Ärger darüber, dass wir den einen ihre Inkonsequenz in der „nationalen" Frage und den anderen die Unzulässigkeit prinzipienloser Schwankungen nachgewiesen haben, Leute irreführen wollen, die die letzte Vergangenheit nicht kennen.

b) Kann eine Zeitung ein kollektiver Organisator sein?

Der wesentliche Inhalt des Artikels „Womit beginnen?" besteht in der Stellung eben dieser Frage und ihrer Beantwortung im positiven Sinne. Den einzigen uns bekannten Versuch, diese Frage sachlich zu analysieren und die Notwendigkeit ihrer Beantwortung im negativen Sinne zu beweisen, macht L. Nadjeschdin, dessen Argumente wir hier ungekürzt anführen wollen:

Es gefällt uns sehr gut, wie die ,Iskra' (Nr. 4) die Frage der Notwendigkeit einer allgemein-russischen Zeitung stellt, aber wir können absolut nicht zugeben, dass man diese Frage behandeln kann in einem Artikel unter dem Titel ,Womit beginnen?'. Es ist zweifellos eines der wichtigsten Dinge, aber nicht durch eine Zeitung, nicht durch eine ganze Serie populärer Flugschriften, nicht durch einen Berg von Proklamationen kann der Grund gelegt werden zu einer Kampforganisation für einen revolutionären Moment. Es ist notwendig, an die Bildung politischer Organisationen an den einzelnen Orten heranzugehen. Wir haben sie nicht, wir haben hauptsächlich unter intelligenten Arbeitern gearbeitet, die Massen aber haben fast ausschließlich einen wirtschaftlichen Kampf geführt. Wenn nicht starke politische Organisationen an den einzelnen Orten herangebildet werden, welche Bedeutung hat dann eine noch so gut organisierte allgemein-russische Zeitung? Ein feuerfester Strauch, der selbst brennt, nie verbrennt, aber auch niemanden entzündet! Die ,Iskra' glaubt, um sie, für sie würden sich Leute sammeln, sich organisieren. Aber es liegt diesen Leuten doch viel näher, sich um eine konkretere Sache zu sammeln und zu organisieren! Eine solche konkretere Sache kann und muss die umfassende Organisation von Lokalzeitungen, die sofortige Vorbereitung der Arbeiter zu Demonstrationen, die ständige Arbeit der örtlichen Organisationen unter den Arbeitslosen sein (unermüdliche Verbreitung von Flugblättern und Schriften. Veranstaltung von Versammlungen, von Protestaktionen gegen die Regierung usw.). Es ist notwendig, an den einzelnen Orten eine lebendige politische Arbeit in Angriff zu nehmen, und wenn sich auf diesem realen Boden die Notwendigkeit der Vereinigung herausstellt, – so wird diese nicht künstlich und nicht nur auf dem Papier sein; – nicht durch Zeitungen kann eine solche Vereinigung der Arbeit an den einzelnen Orten zu einer allgemein-russischen Sache bewerkstelligt werden." („Am Vorabend der Revolution", S. 54.)

Wir haben die Stellen der beredsamen Tirade unterstrichen, die sowohl die Unrichtigkeit der Beurteilung unseres Planes durch den Verfasser als auch die Unrichtigkeit seines Standpunktes überhaupt, den er hier der „Iskra" entgegensetzt, besonders plastisch aufzeigen. Wenn an den einzelnen Orten keine starken politischen Organisationen herangebildet werden, dann wird auch die beste allgemein-russische Zeitung keine Bedeutung haben. Vollkommen richtig. Aber das ist es ja gerade, dass es kein anderes Mittel gibt, starke politische Organisationen heranzubilden, als eine allgemein-russische Zeitung. Der Verfasser hat die wesentlichste Erklärung der „Iskra" übersehen, die sie gegeben hat, bevor sie zur Darlegung ihres „Planes" überging: notwendig ist

die Aufforderung, eine revolutionäre Organisation zu schaffen, die fähig wäre, alle Kräfte zu vereinigen und die Bewegung nicht nur dem Namen nach, sondern tatsächlich zu leiten, d. h. stets bereit zu sein zur Unterstützung eines jeden Protestes und revolutionären Ausbruches, die ausgenutzt werden müssen zur Vermehrung und Stärkung der für den entscheidenden Kampf tauglichen Streitkräfte."

Prinzipiell werden jetzt, nach dem Februar und März, alle damit einverstanden sein, – fährt die „Iskra" fort. Aber wir brauchen keine prinzipielle, sondern eine praktische Entscheidung der Frage; es ist notwendig, sofort einen bestimmten Plan der Organisation auszuarbeiten, damit sofort von verschiedenen Seiten an ihren Aufbau herangegangen werden kann. Und nun will man uns von der praktischen Entscheidung wieder zurück zerren zu einer zwar prinzipiell richtigen, unbestreitbaren, großen, aber für die breiten Massen der Arbeitenden vollkommen unverständlichen Wahrheit: „starke politische Organisationen heranzubilden"! Nicht darum handelt es sich mehr, verehrter Herr Verfasser, sondern wie eben diese Arbeit vor sich zu gehen hat!

Es ist nicht wahr, dass „wir hauptsächlich unter intelligenten Arbeitern gearbeitet haben, während die Massen fast ausschließlich einen wirtschaftlichen Kampf geführt haben. In einer solchen Form verfällt dieser Satz in die für die „Swoboda" charakteristische und grundfalsche Gegenüberstellung der intelligenten Arbeiter und der „Masse". Auch die intelligenten Arbeiter haben bei uns in den letzten Jahren „fast ausschließlich einen wirtschaftlichen Kampf geführt". Das einerseits. Und anderseits werden es auch die Massen nie lernen, einen politischen Kampf zu führen, solange wir nicht dazu beitragen werden, dass sowohl aus den Kreisen der intelligenten Arbeiter als auch aus den Kreisen der Intellektuellen für diesen Kampf Führer herangebildet werden; solche Führer können aber nur herangebildet werden durch eine systematische, dauernde Analyse aller Seiten unseres politischen Lebens, aller Versuche des Protestes und des Kampfes der verschiedenen Klassen und aus verschiedenen Anlässen. Darum ist es einfach lächerlich, wenn man von der „Heranbildung politischer Organisationen" spricht und gleichzeitig die „papierne Arbeit" der politischen Zeitung der „lebendigen politischen Arbeit an den einzelnen Orten" entgegenstellt! Der Zeitungsplan der „Iskra" läuft ja auch auf den „Plan" hinaus, eine solche „Kampfbereitschaft" zu schaffen, damit sowohl die Arbeitslosenbewegung als auch die Bauernaufstände, die Unzufriedenheit der Semstwoleute, die „Empörung der Bevölkerung gegen die Schandtaten der Zarenregierung" usw. unterstützt werden. Jeder, der die Bewegung kennt, weiß sehr gut, dass die übergroße Mehrheit der örtlichen Organisationen nicht einmal daran denkt, dass ferner viele der hier angedeuteten Perspektiven einer „lebendigen politischen Arbeit" noch nie von irgendeiner Organisation verwirklicht worden sind, dass z. B. der Versuch, die Aufmerksamkeit auf das Anwachsen der Unzufriedenheit und des Protestes in der Semstwo-Intelligenz zu lenken, sowohl bei Nadjeschdin („Herrgott, ist denn dieses Organ für die Semstwo-Leute?", „Am Vorabend der Revolution", S. 129) als auch bei den Ökonomisten (Nr. 12 der „Iskra", Brief) und bei vielen Praktikern ein Gefühl des Staunens hervorgerufen hat. Unter solchen Bedingungen kann man nur damit „beginnen", dass man die Leute veranlasst, an all das zu denken, dass man sie veranlasst, jedes kleinste Anzeichen der Gärung und des aktiven Kampfes zusammenzufassen und zu verallgemeinern. Eine „lebendige politische Arbeit" kann man in unserer Zeit der Degradierung der sozialdemokratischen Aufgaben ausschließlich beginnen mit der lebendigen politischen Agitation, die unmöglich ist ohne eine allgemein-russische, oft erscheinende und gut verbreitete Zeitung.

Leute, die im „Plan" der „Iskra" eine Erscheinung des ,Literatentums" sehen, haben das Wesen des Planes absolut nicht begriffen, weil sie als Ziel ansahen, was in diesem Moment als das passendste Mittel in den Vordergrund geschoben wird. Diese Leute haben sich nicht die Mühe gegeben, über die beiden Vergleiche nachzudenken, durch die der vorgeschlagene Plan anschaulich illustriert wird. Die Organisierung einer allgemein-russischen politischen Zeitung – hieß es in der „Iskra" – muss der Leitfaden sein, an Hand dessen wir die Organisation (d. h. die revolutionäre Organisation, die stets bereit ist, jeden Protest und jeden Ausbruch der Empörung zu unterstützen) unbeirrt entwickeln, vertiefen und erweitern können. Sagt bitte: wenn die Maurer an verschiedenen Stellen die Grundsteine zu einem ungeheuer großen, noch nie dagewesenen Bau legen, – ist es dann eine „papierne" Arbeit, wenn sie eine Schnur ziehen, die die richtige Stelle für das Legen der Steine finden hilft, die auf das Endziel der allgemeinen Arbeit hinweist, die die Möglichkeit gibt, nicht nur jeden Stein, sondern auch jedes Stückchen eines Steines zu verwerten, das, sich dem vorhergehenden und dem folgenden anschließend, eine abgeschlossene und allumfassende Linie bildet? Und erleben wir nicht in unserem Parteileben gerade einen solchen Augenblick, wo wir Steine und Maurer besitzen und nur die allen sichtbare Schnur fehlt, an die sich alle halten könnten? Mag man schreien, dass wir, wenn wir diese Schnur ziehen, kommandieren wollen: wenn wir kommandieren wollten, ihr Herren, so würden wir anstatt „Iskra Nr. 1" – „Rabotschaja Gazeta Nr. 3" geschrieben haben, wie es einige Genossen vorgeschlagen hatten und wozu wir das volle Recht gehabt hätten nach jenen Ereignissen, von denen oben die Rede gewesen ist.7 Aber wir haben das nicht getan: wir wollten uns die Hände frei halten zum unversöhnlichen Kampf gegen alle Pseudo-Sozialdemokraten; wir wollten, dass unsere Schnur, wenn sie richtig gezogen ist, anerkannt werde, weil sie richtig ist, und nicht, weil ein offizielles Organ sie gezogen hat.

Die Frage der Zusammenfassung der lokalen Tätigkeit in zentralen Organen bewegt sich in einem verzauberten Kreise“ – belehrt uns L. Nadjeschdin –, „die Zusammenfassung erfordert die Gleichartigkeit der Elemente, diese Gleichartigkeit aber kann nur durch etwas Einigendes geschaffen werden, dieses Einigende wiederum kann nur das Produkt starker örtlicher Organisationen sein, die sich jetzt keineswegs durch einen einheitlichen Charakter auszeichnen."

Eine ebenso achtbare und unwiderlegbare Wahrheit wie die, dass man starke politische Organisationen heranbilden müsse. Eine Wahrheit, die ebenso fruchtlos ist wie jene. Jede Frage „bewegt sich in einem verzauberten Kreis", denn das ganze politische Leben ist eine endlose Kette aus einer endlosen Reihe von Gliedern. Die ganze Kunst des Politikers besteht eben darin, gerade jenes Glied zu finden und sich fest daran zu klammern, das ihm am wenigsten aus der Hand geschlagen werden kann, das im gegebenen Augenblick am wichtigsten ist, das dem Besitzer dieses Gliedes den Besitz der ganzen Kette am besten garantiert.D Hätten wir genügend erfahrene Maurer, die so gut aufeinander eingearbeitet sind, dass sie auch ohne Schnur die Steine gerade dort hinlegen, wo es notwendig ist (das ist abstrakt gesprochen, durchaus nicht unmöglich), dann könnten wir vielleicht auch an ein anderes Glied herangehen. Aber das ist ja eben gerade das Übel, dass wir noch keine erfahrenen und gut aufeinander eingearbeiteten Maurer haben, dass die Steine fast immer ganz zwecklos gelegt werden, dass keine gemeinsame Schnur sie zusammenhält, sondern dass sie so zersplittert sind, dass der Feind sie einfach fortbläst, als wären es nicht Steine, sondern Sandkörner.

Ein anderer Vergleich:

Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator. In dieser Beziehung kann sie mit einem Gerüst verglichen werden, das um ein im Bau befindliches Gebäude errichtet wird; es zeigt die Umrisse des Gebäudes an, erleichtert die Verbindung zwischen den einzelnen Bauarbeitern, hilft ihnen, die Arbeit zu verteilen und die allgemeinen Resultate zu überblicken, die durch die organisierte Arbeit erreicht worden sind."E

Nicht wahr, wie ähnlich sieht das einem Literaten, einem Mann der Studierstube, der seine eigene Rolle überschätzt? Für die Wohnung selber ist doch kein Baugerüst erforderlich, das Baugerüst wird aus schlechterem Material gemacht, es wird nur für kurze Zeit errichtet und dann in den Ofen geworfen, sobald der Rohbau fertig ist. Was den Aufbau von revolutionären Organisationen betrifft, so zeigt die Erfahrung, dass sie manchmal auch ohne Baugerüst aufgebaut werden können – man denke z. B. an die siebziger Jahre. Aber jetzt kann man sich bei uns gar nicht vorstellen, dass es möglich sein soll, den für uns notwendigen Bau ohne Baugerüst zu errichten.

Nadjeschdin ist damit nicht einverstanden und sagt: „Die ,Iskra' glaubt, um die Zeitung, bei der Arbeit für sie würden sich die Leute sammeln, sich organisieren. Es liegt ihnen aber viel näher, sich um eine konkretere Sache zu sammeln und zu organisieren!" So, so, „es liegt viel näher, um eine konkretere Sache…" Ein russisches Sprichwort sagt: Spuck' nicht in den Brunnen, – vielleicht wirst du selbst daraus das Wasser trinken müssen. Aber es gibt Leute, die auch nichts dagegen haben, das Wasser aus einem Brunnen zu trinken, in den man schon hinein gespuckt hat. Welch widerwärtiges Zeug haben unsere herrlichen legalen „Kritiker des Marxismus" und die illegalen Verehrer der „Rabotschaja Mysl" im Namen dieser konkreteren Dinge nicht schon geschwätzt! Wie sehr wird unsere gesamte Bewegung behindert durch die Engherzigkeit, den Mangel an Initiative und Mut, die gerechtfertigt werden mit den traditionellen Argumenten des „Näherliegens der konkreteren Dinge"! Und Nadjeschdin, der sich für besonders feinfühlig dem „Leben" gegenüber hält, der die Männer der „Studierstube" besonders streng verurteilt, der (mit dem Anspruch, geistreich zu sein) die „Iskra" beschuldigt, überall nur Ökonomismus zu sehen, der sich einbildet, hoch über dieser Teilung in Orthodoxe und Kritiker zu stehen, merkt nicht, dass er mit seinen Argumenten gerade der ihn empörenden Engherzigkeit in die Hände arbeitet, dass er aus dem Brunnen trinkt, der schon tüchtig voll gespuckt ist! Ja, die aufrichtige Empörung über die Engherzigkeit, der glühendste Wunsch, die Leute, die ihr huldigen, eines Besseren zu belehren, genügt noch nicht, wenn der, der sich darüber empört, sich ohne Steuer und ohne Segel treiben lässt und ebenso „spontan", wie die Revolutionäre der siebziger Jahre, zum „exzitierenden Terror", zum „Agrarterror", zum „Sturmläuten" usw. Zuflucht nimmt. Man betrachte diese „konkreteren Dinge", um die – wie er glaubt – sich zu sammeln und zu organisieren „viel näher liegt": erstens die lokalen Zeitungen; zweitens die Vorbereitung zu Demonstrationen; drittens die Arbeit unter den Arbeitslosen. Auf den ersten Blick sieht man, dass alle diese Dinge vollkommen zufällig herausgegriffen sind, wie es gerade kam, nur um irgend etwas zu sagen, denn, wie wir sie auch betrachten mögen, es ist absolut unsinnig, in ihnen irgend etwas Spezielles zu finden, um das man sich „sammeln und organisieren" könnte. Sagt doch derselbe Nadjeschdin ein paar Seiten weiter:

Es wäre an der Zeit, einfach die Tatsache festzustellen: an den einzelnen Orten wird erbärmlich wenig gearbeitet, die Komitees machen nicht den zehnten Teil von dem, was sie machen könnten … die einigenden Zentren, die wir jetzt haben, sind eine Fiktion, sind ein revolutionärer Kanzleibürokratismus, ein gegenseitiges Befördern auf Generalsposten, und so wird es sein, solange es keine starken örtlichen Organisationen geben wird."

In diesen Worten ist neben Übertreibungen auch viel bittere Wahrheit enthalten, und kann es möglich sein, dass Nadjeschdin den Zusammenhang nicht sieht zwischen der erbärmlich geringen Arbeit an den einzelnen Orten und dem engen Gesichtskreis der Führer, dem beschränkten Umfange ihrer Tätigkeit, die nicht zu vermeiden sind angesichts der mangelnden Schulung der im Rahmen örtlicher Organisationen eingeschlossenen Führer? Hat er ebenso wie der Verfasser des Artikels über die Organisation in der „Swoboda" vergessen, wie der Übergang zu einer breiten lokalen Presse (seit 1898) begleitet war von einem besonderen Erstarken des Ökonomismus und der „Handwerklerei"? Ja, selbst wenn eine irgendwie befriedigende Organisation einer „breiten lokalen Presse" möglich wäre (wir haben aber weiter oben gezeigt, dass sie, mit Ausnahme ganz besonderer Fälle, unmöglich ist), so könnten auch dann die lokalen Organe nicht alle Kräfte der Revolutionäre zum gemeinsamen Ansturm gegen den Absolutismus, zur Führung des einheitlichen Kampfes „sammeln und organisieren". Man vergesse nicht, dass es sich hier nur um die „sammelnde", um die organisatorische Bedeutung der Zeitung handelt, und wir könnten Nadjeschdin, der die Zersplitterung verteidigt, die von ihm selbst gestellte ironische Frage vorlegen: „Haben wir vielleicht von irgendwoher 200.000 revolutionäre organisatorische Kräfte geerbt?" Weiter, „die Vorbereitung zu Demonstrationen" kann dem Plan der „Iskra" nicht entgegengestellt werden, schon weil dieser Plan als eines seiner Ziele die breitesten Demonstrationen vorsieht; es handelt sich nur um die Wahl des praktischen Mittels. Nadjeschdin ist hier wieder in Verwirrung geraten, denn er hat außer acht gelassen, dass Demonstrationen (die bisher meist ganz spontan vor sich gingen) nur von einer bereits „gesammelten und organisierten" Armee „vorbereitet" werden können, dass wir es aber gerade nicht verstehen, zu sammeln und zu organisieren. „Die Arbeit unter den Arbeitslosen." Wieder die gleiche Konfusion, denn auch das ist eine der Kriegshandlungen eines mobilisierten Heeres und nicht ein Plan zu einer Mobilisierung. In welchem Maße Nadjeschdin auch hier das Verderbliche unserer Zersplitterung, des Nichtvorhandenseins der „200.000 Kräfte" unterschätzt, geht aus Folgendem hervor. Der „Iskra" ist von vielen (darunter auch von Nadjeschdin) der Vorwurf gemacht worden, sie bringe zu wenig Mitteilungen über die Arbeitslosigkeit und nur zufällige Korrespondenzen über die gewöhnlichsten Erscheinungen des Dorflebens. Der Vorwurf ist berechtigt, aber die „Iskra" ist hier „ohne Schuld schuldig". Wir sind bemüht, unsere „Schnur" auch durch das Dorf zu ziehen, aber wir haben dort fast gar keine Maurer, und wir müssen jeden anspornen, der auch nur eine gewöhnliche Tatsache mitteilt, in der Hoffnung, dass das die Zahl der Mitarbeiter auf diesem Gebiet vermehren und uns alle lehren wird, schließlich wirklich nur bedeutsame Tatsachen zu wählen. Aber es gibt so wenig Material für eine solche Schulung, dass ohne seine Verallgemeinerung für ganz Russland nichts vorhanden ist, aus dem man lernen könnte. Zweifellos könnte ein Mensch, der auch nur annähernd soviel agitatorische Fähigkeit besitzt und das Leben der Ärmsten auch nur ungefähr so gut kennt, wie es bei Nadjeschdin der Fall zu sein scheint, durch Agitation unter den Arbeitslosen der Bewegung unschätzbare Dienste leisten, – aber ein solcher Mensch würde sein Talent in der Erde vergraben, wenn er nicht dafür Sorge tragen wollte, dass alle russischen Genossen von jedem Schritt seiner Arbeit in Kenntnis gesetzt werden, um auf diese Weise solchen Leuten eine Lehre und ein Beispiel zu sein, die es, in ihrer Masse, noch nicht verstehen, eine neue Sache in Angriff zu nehmen.

Von der Wichtigkeit der Zusammenfassung, von der Notwendigkeit, „zu sammeln und zu organisieren", sprechen jetzt alle, aber in den meisten Fällen gibt es keine bestimmte Vorstellung davon, womit man beginnen und wie diese Zusammenfassung durchgeführt werden soll. Alle werden sicherlich damit einverstanden sein, dass, wenn wir z. B. die einzelnen Zirkel der Bezirke einer Stadt „zusammenfassen", hierfür gemeinsame Einrichtungen notwendig sind, d. h. nicht nur die allgemeine Bezeichnung „Vereinigung", sondern tatsächlich eine gemeinsame Arbeit, ein Austausch von Material, Erfahrung und Kräften, eine Verteilung der Funktionen nicht nur nach Bezirken, sondern auch nach den Spezialgebieten der gesamten Tätigkeit in der Stadt. Jeder wird zugeben, dass die Kosten eines soliden, konspirativen Apparates (um einen handelstechnischen Ausdruck zu gebrauchen) aus den „Mitteln" (sowohl materiellen wie menschlichen, natürlich) eines Bezirks nicht gedeckt werden können, dass auf einem so engen Gebiet das Talent eines Fachmannes nicht zur Entfaltung kommen kann. Dasselbe trifft aber auch zu für die Zusammenfassung verschiedener Städte, denn auch ein Gebiet, wie z. B. eine einzelne Provinz, hat sich bereits in der Geschichte unserer sozialdemokratischen Bewegung als viel zu eng erwiesen: wir haben das oben an einem Beispiele sowohl der politischen Agitation als auch der Organisationsarbeit eingehend nachgewiesen. Dieses Gebiet muss, muss notgedrungen und vor allem erweitert werden, man muss eine tatsächliche Verbindung zwischen den Städten durch eine regelmäßige gemeinsame Arbeit herstellen, denn die Zersplitterung entmutigt die Menschen, die „wie in einer Höhle sitzen" (nach dem Ausdruck des Verfassers eines Briefes an die „Iskra")8, ohne zu wissen, was in der Welt vorgeht, bei wem sie etwas lernen, wie sie Erfahrung gewinnen können, in welcher Weise der Wunsch einer breiten Tätigkeit zu befriedigen ist. Und ich bestehe weiter darauf, dass man mit der Herstellung dieser tatsächlichen Verbindung nur beginnen kann auf der Grundlage einer allgemeinen Zeitung, als dem einzigen, regelmäßigen allgemein-russischen Unternehmen, das die Ergebnisse der mannigfaltigsten Arten der Tätigkeit summiert und dadurch die Leute anfeuert, stets auf all den zahlreichen Wegen vorwärts zu schreiten, die zur Revolution führen, wie alle Wege nach Rom führen. Wenn wir nicht nur mit Worten eine Vereinigung wollen, so ist es notwendig, dass jeder lokale Zirkel sofort, sagen wir ein Viertel seiner Kräfte, der aktiven Arbeit an der allgemeinen Sache zur Verfügung stellt, und die Zeitung wird ihm sofort den allgemeinen Abriss, den Umfang und den Charakter dieser Sache zeigenF, sie wird ihm zeigen, welche Lücken es sind, die sich in der gesamten allgemein-russischen Tätigkeit am stärksten fühlbar machen, wo es keine Agitation gibt, wo die Verbindung noch schwach ist, welche Rädchen des gewaltigen allgemeinen Mechanismus der betreffende Zirkel ausbessern oder durch bessere ersetzen könnte. Ein Zirkel, der noch nicht gearbeitet hat, sondern erst Arbeit sucht, könnte schon beginnen, nicht als Handwerker in einer einzelnen kleinen Werkstatt, der weder die Entwicklung der „Industrie" vor ihm noch den allgemeinen Stand der gegebenen industriellen Produktionsmethoden kennt, sondern als Teilnehmer an einem großen Unternehmen, das den gesamten allgemein-revolutionären Ansturm gegen den Absolutismus widerspiegelt. Und je vollkommener jedes einzelne Rädchen gearbeitet ist, je größer die Zahl der Einzelarbeiter, die an der allgemeinen Sache mitarbeiten, um so dichter würde unser Netz sein, und eine um so geringere Verwirrung in den allgemeinen Reihen würden die unvermeidlichen Verhaftungen hervorrufen.

Eine tatsächliche Verbindung würde schon allein die Verbreitung der Zeitung herstellen (wenn diese den Namen Zeitung verdiente, d. h. regelmäßig, und nicht nur einmal im Monat, wie die großen Zeitschriften, sondern viermal monatlich erschiene). Jetzt sind die Verbindungen zwischen den Städten zu revolutionären Zwecken eine ganz große Seltenheit und jedenfalls eine Ausnahme; dann aber würden diese Verbindungen zu einer Regel werden, sie würden natürlich nicht nur die Verbreitung der Zeitung, sondern auch (was viel wichtiger ist) den Austausch der Erfahrungen, des Materials, der Kräfte und Mittel sichern. Der Umfang der organisatorischen Arbeit würde sofort um ein Vielfaches wachsen, und der Erfolg an einem Orte würde ständig zur weiteren Vervollkommnung beitragen, er würde den Wunsch wecken, die schon vorhandene Erfahrung des am anderen Ende des Landes arbeitenden Genossen auszunutzen. Die örtliche Arbeit würde sehr viel reicher und vielseitiger sein als jetzt: die politischen und ökonomischen Enthüllungen, die in ganz Russland gesammelt werden, würden den Arbeitern aller Berufe und aller Entwicklungsstufen geistige Nahrung geben, sie würden Material und Anlass geben zu Unterhaltungen und Besprechungen über die verschiedensten Fragen, die durch Andeutungen der legalen Presse, durch Gespräche in der Gesellschaft und „verschämte" Regierungsmitteilungen aufgeworfen werden. Jeder Ausbruch der Empörung, jede Demonstration würde von allen Seiten und an allen Enden Russlands besprochen und beurteilt werden und so den Wunsch hervorrufen, nicht hinter anderen zurückzubleiben, es besser als die anderen zu machen (wir Sozialisten lehnen das Rivalisieren, die „Konkurrenz", gar nicht grundsätzlich ab), zielbewusst das vorzubereiten, was das erste Mal irgendwie spontan zustande kam, die günstigen Verhältnisse an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Moment auszunutzen, um den Angriffsplan zu ändern usw. Außerdem würde diese Belebung der örtlichen Arbeit nicht zu der verzweifelten „letzten" Anstrengung aller Kräfte und zu dem Aufs-Spiel-setzen aller Leute führen, wie es jetzt meist bei jeder Demonstration oder bei jedem Erscheinen einer Nummer der lokalen Zeitung der Fall ist: einerseits würde es der Polizei viel schwerer fallen, bis zu den „Wurzeln" zu gelangen, da sie ja nicht wüsste, an welchem Ort sie sie zu suchen hat; anderseits würde die regelmäßige allgemeine Arbeit die Leute daran gewöhnen, die Kraft eines gegebenen Angriffs dem gegebenen Zustand der Kräfte des bestimmten Truppenteils der Gesamtarmee anzupassen (jetzt denkt fast niemand an eine solche Anpassung, denn in neun Fällen von zehn geschehen solche Angriffe spontan), und den „Transport" nicht nur von Literatur, sondern auch von revolutionären Kräften aus einem andern Ort erleichtern.

Jetzt ist es so, dass in den meisten Fällen diese Kräfte bei der eng begrenzten lokalen Arbeit verbluten, dann aber wäre die Möglichkeit gegeben und es wäre immer Anlass vorhanden, einen halbwegs begabten Agitator oder Organisator von einem Ende des Landes an das andere zu werfen. Man würde mit kleinen Reisen in Parteiangelegenheiten auf Parteikosten beginnen und sich dann daran gewöhnen, sein Gehalt vollständig von der Partei zu beziehen, Berufsrevolutionär zu werden, sich zum wirklichen politischen Führer emporzuarbeiten.

Wenn es uns tatsächlich gelänge, zu erreichen, dass alle oder die große Mehrheit der örtlichen Komitees, der örtlichen Gruppen und Zirkel aktiv an der allgemeinen Sache mitarbeiteten, so könnten wir in kürzester Zeit eine Wochenzeitung herausgeben, die regelmäßig in Zehntausenden von Exemplaren über ganz Russland verbreitet wird. Diese Zeitung würde zu einem kleinen Teilchen des gewaltigen Blasebalges werden, der jeden Funken des Klassenkampfes und der Volksempörung zu einer allgemeinen Feuersbrunst anfacht. Um diese an und für sich noch sehr unschuldige und noch sehr kleine, aber regelmäßige und im vollen Sinne des Wortes allgemeine Sache könnte man eine ständige Armee von erprobten Kämpfern systematisch sammeln und schulen. Am Baugerüst dieses allgemeinen organisatorischen Gebäudes würden aus unseren Revolutionären sozialdemokratische Scheljabows, aus unseren Arbeitern russische Bebels emporsteigen, die sich an die Spitze der mobilisierten Armee stellen und das ganze Volk zur Abrechnung mit der Schande und dem Fluche Russlands aufrütteln würden.

Das ist es, wovon man träumen muss!

Wovon man träumen muss!" Ich habe diese Worte niedergeschrieben und bin erschrocken. Ich stellte mir vor, ich sitze auf der „Einigungskonferenz" und mir gegenüber sitzen die Redakteure und Mitarbeiter des „Rabotscheje Djelo". Und nun steht Genosse Martynow auf und wendet sich drohend an mich: „Gestatten Sie, dass ich Sie frage, hat die autonome Redaktion noch das Recht, ohne vorherige Befragung der Parteikomitees zu träumen?" Und nach ihm steht Genosse Kritschewski auf und fährt (den Genossen Martynow philosophisch vertiefend, der schon längst den Genossen Plechanow vertieft hat) noch drohender fort: „Ich gehe weiter. Ich frage, ob ein Marxist überhaupt das Recht hat, zu träumen, wenn er nicht vergisst, dass, nach Marx, die Menschheit sich stets Aufgaben stellt, die sie verwirklichen kann, und dass die Taktik ein Prozess des Wachstums der Aufgaben ist, die zusammen mit der Partei wachsen?"

Bei dem bloßen Gedanken an diese drohenden Fragen überläuft es mich eiskalt, und ich überlege nur, wohin ich mich verstecken könnte. Ich werde versuchen, mich hinter Pissarew zu verstecken.

Ein Zwiespalt gleicht dem anderen nicht" – schrieb Pissarew über den Zwiespalt zwischen Traum und Wirklichkeit. - „Meine Träume können den natürlichen Gang der Ereignisse überholen, oder sie können auf ganz anderen Wegen gehen, auf Wegen, die der natürliche Gang der Ereignisse nie beschreiten kann. Im ersten Falle ist das Träumen nicht schädlich; es kann sogar die Energie des arbeitenden Menschen fördern und stärken. In solchen Träumen ist nichts, was die Arbeitskraft entstellt oder paralysiert. Ganz im Gegenteil. Wenn der Mensch gar keine Fähigkeit hätte, in dieser Weise zu träumen, wenn er nicht dann und wann vorauseilen könnte, um in seiner Einbildung das einheitliche und vollendete Bild des Werkes zu sehen das eben erst in seinen Händen zu entstehen beginnt, - dann kann ich mir absolut nicht vorstellen, welche anregende Ursache den Menschen zwingen würde umfassende und ermüdende Arbeiten auf dem Gebiete der Kunst, der Wissenschaft und des praktischen Lebens anzufangen und zu Ende zu führen … Der Zwiespalt zwischen Traum und Wirklichkeit ist nicht schädlich wenn nur die träumende Persönlichkeit ernstlich an ihren Traum glaubt wenn sie aufmerksam das Leben betrachtet, ihre Beobachtungen mit ihren Luftschlössern vergleicht und überhaupt gewissenhaft an der Verwirklichung arbeitet. Wenn es irgendeinen Berührungspunkt zwischen Traum und Leben gibt, dann ist alles gut."9

Träume solcher Art gibt es in unserer Bewegung unglücklicherweise zu wenig. Und schuld daran sind hauptsächlich die sich mit ihrer Nüchternheit, mit ihre „Nähe" zum „Konkreten" brüstenden Vertreter der legalen Kritik und des nicht legalen „Chwostismus".

c) Welchen Typus der Organisation brauchen wir

Aus dem Vorhergehenden kann der Leser ersehen, dass unsere „Taktik als Plan" in der Ablehnung der sofortigen Aufforderung zum Sturmangriff besteht, in der Forderung, eine regelrechte Belagerung der feindlichen Festung" zu unternehmen oder, mit anderen Worten, in der Forderung, alle Anstrengungen darauf zu richten, dass ein ständiges Heer gesammelt, organisiert und mobilisiert wird. Als wir das „Rabotscheje Djelo" verlachten wegen seines plötzlichen Überganges vom Ökonomismus zum Geschrei über Sturmangriff (das im April 1901 in Nr. 6 des „Listok des Rabotscheje Djelo" ertönte), da ist es natürlich über uns hergefallen und hat uns des „Doktrinarismus" beschuldigt, hat uns vorgeworfen, unsere revolutionäre Pflicht nicht zu verstehen, zur Vorsicht aufgefordert zu haben usw. Uns haben diese Vorwürfe aus dem Munde von Leuten, die keine festen Prinzipien haben und sich auf die scharfsinnige „Taktik als Prozess" beschränken, absolut nicht gewundert, ebenso wenig, wie wir uns darüber gewundert haben, dass diese Beschuldigungen wiederholt wurden von Nadjeschdin, der überhaupt gegen alle festen Prinzipien im Programm und in der Taktik hoheitsvolle Verachtung hegt.

Man sagt, dass die Geschichte sich nicht wiederhole. Aber Nadjeschdin ist aus allen Kräften bemüht, sie zu wiederholen, er ahmt eifrig Tkatschew nach, wettert gegen das „revolutionäre Kulturträgertum" und schreit vom „Läuten der Sturmglocke", vom besonderen „Standpunkt am Vorabend der Revolution" usw. Er vergisst anscheinend den bekannten Ausspruch, dass, wenn das Original eines historischen Ereignisses eine Tragödie darstellt, seine Wiederholung nur eine Farce ist. Der durch die Predigt von Tkatschew vorbereitete und mit Hilfe des „einschüchternden" Terrors verwirklichte Versuch, die Macht zu erobern, war großartig, der „exzitierende" Terror des kleinen Tkatschew aber ist einfach lächerlich, und er ist besonders lächerlich, wenn man ihn ergänzt durch die Idee der Organisation der Durchschnittsmenschen. Wenn die ,Iskra' – schreibt Nadjeschdin – die Sphäre des Literatentums verlassen hätte, so würde sie gesehen haben, dass das (solche Erscheinungen, wie der Brief des Arbeiters an die ,Iskra', Nr. 7. u. ä.) Symptome dessen sind, dass der ,Sturm' sehr, sehr bald beginnen wird, und jetzt (sic!) von der Organisation sprechen, die wie Fäden von einer allgemein-russischen Zeitung ausgeht, heißt – Studierstubenideen und Studierstubenarbeit produzieren."

Man betrachte nur dieses unglaubliche Durcheinander: einerseits der exzitierende Terror und die „Organisation der Durchschnittsmenschen" neben der Ansicht, dass es „viel näher" liege, sich um „konkretere" Dinge zu sammeln, z. B. um Lokalzeitungen, – und anderseits heißt es Studierzimmerideen produzieren, wenn man „jetzt" von einer allgemein-russischen Organisation spricht, d. h. – direkter und einfacher gesagt – ,.jetzt" ist es schon zu spät! Und die „breite Organisation von Lokalzeitungen" – das ist nicht zu spät, verehrtester L. Nadjeschdin? Man vergleiche damit den Standpunkt und die Taktik der „Iskra": der exzitierende Terror ist Unsinn, von der Organisation gerade der Durchschnittsmenschen und von einer breiten Organisation der Lokalzeitungen sprechen, heißt dem Ökonomismus weit die Tore öffnen. Man muss von einer einheitlichen allgemein-russischen Organisation der Revolutionäre sprechen, und es ist solange nicht zu spät, von ihr zu sprechen, bis der wirkliche und nicht papierene Sturm begonnen hat.

Ja, was die Organisation betrifft, so sieht es damit bei uns wirklich nicht sehr glänzend aus, – fährt Nadjeschdin fort, – ja, die ,Iskra' hat vollkommen recht, wenn sie sagt, dass die Hauptmasse unserer militärischen Kräfte aus Freiwilligen und Aufständischen bestehe Es ist gut, dass ihr euch den Zustand unserer Kräfte nüchtern vorstellt, aber warum dabei vergessen, dass wir die Masse noch gar nicht haben, und dass sie uns darum nicht fragen wird, wann sie die Kriegshandlungen eröffnen soll, und revoltieren wird Wenn die Masse selber mit ihrer spontanen, zerstörenden Macht auftritt, dann kann sie doch ,das reguläre Heer' erdrücken und zurückdrängen, in das man immer eine außerordentlich systematische Organisation hineinbringen wollte, wozu man aber die Zeit nicht fand." (Von uns gesperrt.)

Eine bewundernswerte Logik! Eben weil wir „die Masse noch gar nicht haben, ist es unvernünftig und unanständig, sofort von „Sturmangriff" zu schreien, denn der Sturmangriff ist der Angriff eines regulären Heeres, nicht aber der spontane Ausbruch der Masse. Eben weil die Masse das reguläre Heer erdrücken und zurückdrängen kann, ist es unbedingt notwendig, dass wir mit unserer Arbeit, „eine außerordentlich systematische Organisation" in das reguläre Heer hineinzubringen, hinter der spontanen Erhebung nicht zurückbleiben, denn je rascher es uns gelingt, eine Organisiertheit in das Heer hineinzubringen, um so wahrscheinlicher ist es, dass dieses Heer von der Masse nicht erdrückt wird, sondern dass es in den ersten Reihen und an der Spitze der Masse stehen wird. Nadjeschdin ist darum so verworren, weil er glaubt, dass dieses systematisch organisierte Heer mit irgend etwas beschäftigt ist, was es von der Masse trennt, während es in Wirklichkeit ausschließlich beschäftigt ist mit der allseitigen und alles umfassenden politischen Agitation, d. h. gerade mit der Arbeit, die die spontan-zerstörende Kraft der Masse und die bewusst-zerstörende Kraft der Organisation der Revolutionäre einander näher bringt und zu einem Ganzen verschmilzt. Ihr, Herrschaften, wälzt eure Schuld auf die anderen ab, denn gerade die Gruppe „Swoboda", die in ihr Programm den Terror aufnimmt, ruft damit zur Organisation der Terroristen auf, eine solche Organisation aber würde unser Heer tatsächlich von seiner Annäherung an die Masse ablenken, die leider noch nicht auf unserer Seite steht, die uns leider noch nicht oder nur sehr selten fragt, wann und wie sie ihre Kriegshandlungen eröffnen soll.

Wir werden die Revolution selbst verpassen – fährt Nadjeschdin fort, die ,Iskra' zu schrecken –, wie wir die jetzigen Ereignisse verpasst haben, die uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel trafen."

Dieser Satz im Zusammenhang mit dem oben angeführten zeigt uns sehr anschaulich das Unsinnige des von der „Swoboda" erfundenen besonderen „Standpunktes am Vorabend der Revolution".G Der besondere „Standpunkt" läuft, um es offen zu sagen, darauf hinaus, dass es „jetzt" bereits zu spät sei, zu reden und sich vorzubereiten. Wenn dem so ist, verehrtester Feind des „Literatentums", – warum war es dann notwendig, auf 132 Druckseiten „über Fragen der TheorieH und der Taktik" zu schreiben? Glauben Sie nicht, dass es sich für den Standpunkt am Vorabend der Revolution" mehr geziemt hätte, 132.000 Flugblätter mit dem kurzen Aufruf „Haut sie!" herauszugeben?

Die Revolution zu verpassen, riskiert am wenigsten, wer die allgemeine politische Agitation an die Spitze seines Programms, seiner Taktik und Organisationsarbeit stellt, wie es die „Iskra" tut. Die Leute, die in ganz Russland damit beschäftigt sind, die Fäden der Organisation zu knüpfen, die von der allgemein-russischen Zeitung ausgehen, haben nicht nur die Frühjahrsereignisse nicht verpasst, sondern uns, im Gegenteil, die Möglichkeit gegeben, sie vorauszusehen. Sie haben auch die Demonstrationen nicht verpasst, die in Nr. 13 und 14 der „Iskra" geschildert sind10, im Gegenteil, sie haben an ihnen teilgenommen, da sie lebhaft die Pflicht empfanden, der spontanen Erhebung der Masse zu Hilfe zu kommen, wobei sie außerdem durch die Zeitung allen russischen Genossen halfen, diese Demonstrationen genau zu verstehen und die aus ihnen gewonnene Erfahrung auszunutzen. Sie werden auch, wenn sie am Leben sein werden, die Revolution nicht verpassen, die von uns vor allem Erfahrung in der Agitation erfordert, die verlangt, dass wir es verstehen, jeden Protest zu unterstützen (sozialdemokratisch zu unterstützen) und der spontanen Bewegung die Richtung zu geben, sie zu behüten vor den Fehlern der Freunde und vor den Fallen der Feinde!

Wir sind somit zu dem letzten Argument gekommen, das uns zwingt, besonders zu bestehen auf dem Plane, eine Organisation um die allgemein-russische Zeitung mit Hilfe der gemeinsamen Arbeit an dieser Zeitung zu schaffen. Nur eine solche Organisation wird die für eine sozialdemokratische Kampforganisation notwendige Elastizität garantieren, d. h. die Fähigkeit, sich den verschiedenartigsten und rasch wechselnden Bedingungen des Kampfes sofort anzupassen, die Fähigkeit,

einerseits einer offenen Schlacht gegen einen an Kraft überlegenen Gegner, wenn er alle seine Kräfte an einem Punkt gesammelt hat, auszuweichen und andererseits die Schwerfälligkeit dieses Gegners auszunutzen und ihn dann und dort anzugreifen, wo der Überfall am wenigsten erwartet wird."I

Es wäre der größte Fehler, wollte man die Parteiorganisation aufbauen nur mit der Aussicht auf eine Revolte oder einen Straßenkampf oder nur auf den „fortschreitenden Gang des grauen Tageskampfes". Wir müssen unsere tägliche Arbeit ständig leisten und immer zu allem bereit sein, denn es ist oft fast unmöglich, die Ablösung von Perioden der Erregung durch Stillstandsperioden vorauszusehen, in den Fällen aber, wo das möglich ist, könnte man dieses Voraussehen nicht ausnutzen für den Umbau der Organisation, denn eine solche Ablösung erfolgt in einem absolutistischen Lande ungeheuer rasch, da sie zuweilen nur abhängt von einem nächtlichen Überfall der zaristischen Schergen. Auch die Revolution selber darf man sich nicht in der Form eines einmaligen Aktes vorstellen (wie es scheinbar Nadjeschdin vorschwebt), sondern in der Form eines rasch aufeinanderfolgenden Wechsels von mehr oder weniger starken Ausbrüchen und mehr oder weniger langen Stillstandsperioden. Darum muss der Hauptinhalt der Tätigkeit unserer Parteiorganisation, der Brennpunkt dieser Tätigkeit, eine Arbeit sein, die sowohl in der Periode des stärksten revolutionären Ausbruches als auch in der Periode des vollständigen Stillstandes möglich und notwendig ist, und zwar: die Arbeit der politischen Agitation, die in ganz Russland einheitlich zusammengefasst sein muss, die alle Seiten des Lebens beleuchtet und in die breitesten Massen dringt. Diese Arbeit aber ist im gegenwärtigen Russland undenkbar ohne eine allgemein-russische, sehr oft erscheinende Zeitung. Die Organisation, die sich von selbst um diese Zeitung bildet, die Organisation ihrer Mitarbeiter (im weiten Sinne des Wortes, d. h. aller an ihr arbeitenden), wird eben zu allem bereit sein, angefangen von der Rettung der Ehre, des Prestiges und der Stetigkeit der Partei im Moment der größten revolutionären „Unterdrückung", bis zu der Vorbereitung, der Festsetzung und Durchführung des allgemeinen bewaffneten Volksaufstandes.

In der Tat, man stelle sich den bei uns sehr üblichen Fall eines vollkommenen Auffliegens an einem oder an mehreren Orten vor. Wenn alle örtlichen Organisationen nicht miteinander verbunden sind durch eine gemeinsame Sache, so wird in einem solchen Falle die Arbeit oft für viele Monate unterbrochen werden. Ist aber eine gemeinsame Sache vorhanden, so genügt, wenn noch so viel aufgeflogen ist, die Arbeit von zwei, drei energischen Leuten, um innerhalb von wenigen Wochen neue Zirkel von Jugendlichen, die bekanntlich sogar jetzt sehr rasch entstehen, mit der Zentralstelle zu verbinden; wenn aber diese gemeinsame Sache, die unter den polizeilichen Verfolgungen leidet, vor aller Augen stehen wird, so werden die neuen Zirkel noch rascher entstehen und sich noch rascher mit ihr in Verbindung setzen können.

Man stelle sich anderseits einen Volksaufstand vor. In der heutigen Zeit werden wohl alle damit einverstanden sein, dass wir an ihn denken und uns auf ihn vorbereiten müssen. Aber wie vorbereiten? Das Zentralkomitee kann doch nicht überall Agenten zur Vorbereitung des Aufstandes ernennen! Selbst, wenn wir ein ZK hätten, so würde es in den gegenwärtigen russischen Verhältnissen durch solche Ernennungen absolut nichts erreichen. Im Gegenteil, das Netz von AgentenJ, das sich bei der Arbeit für die Organisation und Verbreitung der allgemeinen Zeitung von selbst bildet, brauchte nicht zu „sitzen" und auf die Losung zum Aufstand zu „warten", sondern es würde gerade eine solche regelmäßige Arbeit leisten, die ihm im Moment des Aufstandes die größte Wahrscheinlichkeit des Erfolges garantiert. Gerade eine solche Arbeit würde unbedingt die Verbindung mit den breitesten Massen der Arbeiter und mit allen Schichten, die mit dem Absolutismus unzufrieden sind, festigen, was für den Aufstand von so großer Wichtigkeit ist. In einer solchen Arbeit würde sich die Fähigkeit herausbilden, die allgemeine politische Lage richtig einzuschätzen, und folglich auch die Fähigkeit, den für den Aufstand passenden Moment zu wählen. Gerade eine solche Arbeit würde alle örtlichen Organisationen lehren, gleichzeitig auf ein und dieselben, ganz Russland bewegenden politischen Fragen und Ereignisse zu reagieren, auf diese „Ereignisse" möglichst energisch, möglichst einheitlich und zweckmäßig zu antworten, – der Aufstand ist doch aber im Grunde die energischste, die einheitlichste und zweckmäßigste „Antwort" des gesamten Volkes an die Regierung. Gerade eine solche Arbeit würde endlich alle revolutionären Organisationen an allen Enden Russlands dazu anhalten, ständige und gleichzeitig streng konspirative Verbindungen zu unterhalten, die die faktische Einheit der Partei schaffen – Verbindungen, ohne die es unmöglich ist, den Plan des Aufstandes kollektiv zu beraten und die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen am Vorabend des Aufstandes zu treffen, über die das strengste Geheimnis gewahrt werden muss.

Mit einem Wort, der „Plan der allgemein-russischen politischen Zeitung" ist nicht nur keine Frucht der Studierstubenarbeit von Leuten, die angesteckt sind von Doktrinarismus und Literatentum (wie es Leuten schien, die nicht richtig darüber nachgedacht haben), sondern im Gegenteil, er ist der praktischste Plan, sofort von allen Seiten mit der Vorbereitung des Aufstandes zu beginnen, ohne gleichzeitig auch nur für einen Augenblick die dringende Tagesarbeit zu vergessen.

1 Dieses Unterkapitel ist in der Ausgabe von 1908 vom Verfasser weggelassen worden, was in einer Fußnote folgendermaßen motiviert wurde: „Das Unterkapital ,a) Wer hat den Artikel Womit beginnen?' übelgenommen?' wird in dieser Ausgabe weggelassen, denn es enthält ausschließlich eine Polemik gegen das ,Rabotscheje Djelo' und gegen den Bund über die Frage, ob die ,Iskra' tatsächlich versucht hat, zu kommandieren' usw. In diesem Kapitel ist unter anderem darauf hingewiesen worden, dass der Bund selber (1898 u. 1899) die Mitglieder der ,Iskra' aufforderte, die Herausgabe des Zentralorgans wieder aufzunehmen und ein ,literarisches Laboratorium' zu organisieren." Die Red.

2 „Im Werden", von Lenin deutsch gebraucht. Die Red.

A „Iskra" Nr. 8: Antwort des Zentralkomitees des „Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes" in Polen und Russland auf unseren Artikel über die nationale Frage. {Zur Frage des Verhältnisses des „Bund" zu der russischen Sozialdemokratie als Ganzem nahm der I. Parteitag (1898) eine Resolution an, auf Grund deren „der ,Bund' der Partei als autonome Organisation beitritt, die nur in den Fragen selbständig ist, die speziell das jüdische Proletariat betreffen". Die separatistischen Tendenzen innerhalb des „Bund" gewannen das Übergewicht über die zentralistischen Tendenzen und auf seinem IV. Parteitag (im April 1901) trat der „Bund" ein für das föderalistische Prinzip in der Partei und für die Aufhebung der organisatorischen Beziehungen zwischen dem „Bund" und der Partei, die der I. Parteitag festgelegt hatte. Die entsprechende Stelle in der Resolution des IV. Parteitages des „Bund" lautete folgendermaßen: „Der Parteitag betrachtet die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands als föderative Vereinigung der sozialdemokratischen Parteien aller Nationen, die im russischen Staat leben, er beschließt, dass der ,Bund' als Vertreter des jüdischen Proletariats der Partei als föderativer Teil beitritt, und beauftragt das Zentralkomitee des ,Bund', diesen Beschluss durchzuführen". Sofort nach der Veröffentlichung des Berichts über den IV. Parteitag des „Bund" brachte die „Iskra" in Nr. 7 (August) eine Notiz (J. Martows) über die Resolutionen dieses Parteitages, die klar erkennen ließen, dass der „Bund" eine Schwenkung zum Nationalismus und zum organisatorischen Separatismus vollzogen hatte. Die „Iskra" betonte vor allem die „Rechtsungültigkeit" des Beschlusses über die Änderung der Lage des „Bund" in der Partei. Das ZK des „Bund" antwortete mit einem Brief vom 29. August (11. September), in dem es die Stellungnahme des IV. Parteitages „klarzustellen" und zu rechtfertigen suchte („Iskra" Nr. 8, 10. September). Zur Frage der Rechtsungültigkeit des Parteitagsbeschlusses erklärte das ZK des „Bund", dass der „Bund" hinsichtlich der „Rechtmäßigkeit" seiner Handlungen „nur dem Zentralkomitee der Partei oder dem Parteitage Rechenschaft schuldig sei, keineswegs aber den einzelnen Organisationen, die der Partei angehören, am allerwenigsten aber Gruppen, für deren Zugehörigkeit zur Partei, abgesehen vom Titel ihrer Publikationen, einstweilen keine Beweise vorhanden sind". Der letzte Satz enthält jene Anspielungen des „Bund" auf das „Usurpatorentum" der „Iskra", von dem Lenin spricht.}

B Wir bringen diese Tatsachen absichtlich nicht in der Reihenfolge, in der sie stattgefunden haben. {Diese Fußnote Lenins ist auf konspirative Erwägungen zurückzuführen: Lenin wollte „dritten Personen" die Feststellung der chronologischen Folge einiger Episoden aus dem inneren Parteileben erschweren. In Wirklichkeit spielten sich die Ereignisse, über die Lenin hier berichtet, aber doch in der Reihenfolge ab, in der Lenin sie bringt.}

3 „Die erste Tatsache" bezieht sich auf die Verhandlungen des Petersburger „Kampfbundes" mit Lenin, der in der zweiten Hälfte des Jahres 1897 beide im Text erwähnte Broschüren geschrieben hatte.

4 „Ein Mitglied der ,Iskra'-Gruppe" ist J. Martow, der Verfasser der Broschüre „Die Arbeitersache in Russland" (1899).

C Übrigens bittet mich der Verfasser dieser Broschüre, zu erklären, dass sie, wie auch seine früheren Broschüren, dem „Auslandsbund" zugeschickt wurde in der Annahme, dass seine Schriften von der Gruppe „Befreiung der Arbeit" redigiert würden. (Aus bestimmten Gründen konnte er damals, d. h. im Februar 1899, vom Wechsel in der Redaktion nichts wissen.) Diese Broschüre wird bald von der Liga neu verlegt werden.

5 „Die dritte Tatsache" betrifft die Verhandlungen des ZK des „Bund", das die Herausgabe des führenden Organs der Partei, der „Rabotschaja Gazeta", wieder aufnehmen sollte – mit Lenin im Jahre 1899.

6 „Das Mitglied des Komitees, das den II. Parteitag organisiert", war I. Ch. Lalajanz, ein Mitglied des Charkower Komitees, der im Frühjahr 1900 zu Verhandlungen mit Lenin nach Moskau gekommen war. Genaueres über diesen Parteitag, der in Smolensk tagen sollte, aber nicht stattfand

7 Der Schluss des Satzes, von den Worten ab „nach jenen Ereignissen", ist in der Ausgabe von 1908 weggelassen worden. Die Red.

D Gen. Kritschewski und Gen. Martynow! Ich lenke eure Aufmerksamkeit auf diese empörende Offenbarung von „Absolutismus", von „unkontrollierbarer Autorität", von „oberster Regulierung" usw. Denkt nur: er will die ganze Kette besitzen!! Schreibt nur rasch eine Anklageschrift. Da habt ihr ein fertiges Thema für zwei Leitartikel in Nr. 12 des „Rabotscheje Djelo". (Diese Fußnote hat der Verfasser in der Ausgabe des Jahres 1908 weggelassen. D. Red.) {In der ersten Ausgabe der Broschüre „Was tun?" (1902), der der Text der vorliegenden Fußnote entnommen ist, steht – Nr. 12 des „Rabotscheje Djelo". Diese Nummer klingt etwas merkwürdig. Ein Heft des „Rabotscheje Djelo" mit einer solchen Nummer ist nicht erschienen, nach Nummer 10 gab die Redaktion des „Rabotscheje Djelo" ein Doppelheft heraus (11/12). Zu der Zeit, als Lenin „Was tun?" schrieb, war die letzte Nummer des „Rabotscheje Djelo", die bis zu dieser Zeit (September 1901) erschienen war und die Lenin gekannt haben konnte. – Nr. 10: die beiden Leitartikel dieser Nummer, die B. Kritschewski und A. Martynow geschrieben hatten, bildeten für Lenin den Gegenstand einer besonderen Untersuchung und Kritik in „Was tun?". Es ist also anzunehmen, dass die von Lenin angegebene Zahl 12 ein Schreib- oder Druckfehler ist. [Merkwürdige Anmerkung. Mir scheint plausibler, dass Lenin Nr. 10 kannte, das Erscheinen von Nr. 11 demnächst erwartete und daher annahm, dass frühestens in Nr. 12 eine Antwort auf „Was tun?“ erscheinen könne. - WK]}

E Martynow, der im „Rabotscheje Djelo" den ersten Satz dieses Zitates angeführt hat (Nr. 10, S. 62) hat gerade den zweiten Satz weggelassen, als wollte er damit betonen, dass er auf das Wesen der Frage nicht eingehen wolle, oder dass er unfähig sei, dieses Wesen zu verstehen.

8 Dieser Brief ist in der „Iskra" nicht enthalten; die Redaktion hatte ihn bekommen, aber offenbar nicht veröffentlicht.

F Ein Vorbehalt: wenn er mit der Richtung dieser Zeitung sympathisiert und es als nützlich für die Sache betrachtet, ihr Mitarbeiter zu werden, wobei wir unter Mitarbeit nicht nur die literarische, sondern jede revolutionäre Mitarbeit verstehen. Anmerkung für das „Rabotscheje Djelo": für Revolutionäre, die die Sache schätzen und nicht das Spiel mit dem Demokratismus, die das „Sympathisieren" nicht trennen von der aktiven und lebendigen Teilnahme, versteht sich dieser Vorbehalt von selbst. (Diese Fußnote hat der Verfasser in der Ausgabe von 1908 weggelassen. D. Red.)

9 Ein Zitat aus dem Artikel D. I. Pissarews „Fehlschläge eines unreifen Gedankens". Der Artikel wurde im Jahre 1864 geschrieben. (Band III der Werke Pissarews, St. Petersburg 1894.)

G „Am Vorabend der Revolution", S. 62.

H Übrigens hat L. Nadjeschdin in seiner „Übersicht über die Fragen der Theorie" zur Klärung der theoretischen Fragen fast nichts beigetragen, wenn man von folgendem, vom „Standpunkt am Vorabende der Revolution" sehr interessanten Satz absieht: „Die Bernsteiniade als Ganzes verliert für uns in diesem Augenblick ihren aktuellen Charakter, ebenso wie es gleichgültig ist, ob Herr Adamowitsch nachweist, dass Herr Struve sich bereits einen Orden verdient hat, oder ob, umgekehrt, Herr Struve Herrn Adamowitsch widerlegt und nicht demissionieren will, – das ist alles vollkommen gleichgültig, denn die Stunde der Revolution hat geschlagen." (Seite 110.) Es würde schwer fallen, die grenzenlose Sorglosigkeit L. Nadjeschdins in Bezug auf die Theorie noch plastischer darzustellen. Wir haben „den Vorabend der Revolution" verkündet – darum „ist es vollkommen gleichgültig", ob es den Orthodoxen gelingt, die Position der Kritiker endgültig zu widerlegen!! Und unser Neunmal-Weiser merkt nicht, dass wir eben gerade während der Revolution die Resultate des theoretischen Kampfes gegen die Kritiker brauchen werden für den entscheidenden Kampf gegen ihre praktischen Positionen!

10 In den Monaten November/Dezember 1901 ging eine Welle von Studentendemonstrationen durch das Land, die von den Arbeitern unterstützt wurden. In Nr. 13 (vom 20. Dezember 1901) und Nr. 14 (vom 1. Januar 1902) werden die Demonstrationen in Nischni Nowgorod (aus Anlass der Ausweisung Maxim Gorkis), in Moskau (aus Anlass des Verbotes der Veranstaltung einer Gedenkfeier – für Dobroljubow), Studentenversammlungen und Demonstrationen in Moskau, Petersburg, Kiew, Charkow, Demonstrationen in Jekaterinoslaw usw. geschildert. Den Demonstrationen war der Artikel Lenins in Nr. 13: „Der Beginn der Demonstrationen", gewidmet, ferner der Artikel G. Plechanows in Nr. 14: „Die Demonstrationen".

I „Iskra" Nr. 4 „Womit beginnen?" – „Die revolutionären Kulturträger, die nicht auf dem Standpunkte des Vorabends der Revolution stehen, lassen sich nicht beirren durch die lange Dauer der Arbeit" – schreibt Nadjeschdin (S. 62). Hierzu wollen wir bemerken: Wenn wir es nicht verstehen, eine solche politische Taktik, einen solchen Organisationsplan auszuarbeiten, die unbedingt auf eine sehr lange Arbeit berechnet sind und gleichzeitig durch den Prozess dieser Arbeit selber die Bereitschaft unserer Partei garantieren, auf ihrem Posten zu sein imd bei jedem unerwarteten Ereignis, bei jeder Beschleunigung des Ganges der Ereignisse, ihre Pflicht zu erfüllen, – so werden wir uns einfach als armselige politische Abenteurer erweisen. Nur Nadjeschdin, der sich seit gestern Sozialdemokrat nennt, kann vergessen, dass das Ziel der Sozialdemokratie die radikale Umwandlung der Lebensbedingungen der ganzen Menschheit ist, dass sich die Sozialdemokraten darum nicht beirren lassen dürfen durch die lange Dauer ihrer Arbeit.

J O weh, o weh! Wieder ist dieses furchtbare Wort „Agent", das das demokratische Ohr der Martynows so sehr verletzt, meinen Lippen entschlüpft! Es ist merkwürdig, warum hat dieses Wort die Koryphäen der siebziger Jahre nicht verletzt und warum verletzt es die Handwerkler der neunziger Jahre? Mir gefällt dieses Wort, denn es weist sehr klar auf die gemeinsame Sache hin, der alle Agenten ihre Absichten und Handlungen unterordnen, und wenn man dieses Wort durch ein anderes ersetzen muss, so könnte ich höchstens das Wort „Mitarbeiter" wählen, wenn es nicht ein wenig nach Literatentum röche und etwas verschwommen wäre. Wir aber brauchen eine militärische Organisation von Agenten. Übrigens, die (besonders im Auslande) zahlreichen Martynows, die es lieben, sich mit der „gegenseitigen Ernennung zu Generalen" zu beschäftigen, könnten anstatt „Agent für Passangelegenheiten" sagen: „Der Oberkommandierende der besonderen Abteilung für die Versorgung der Revolutionäre mit Pässen" usw. (Diese Fußnote hat der Verfasser in der Ausgabe von 1908 weggelassen. D. Red.)

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