Lenin‎ > ‎1904‎ > ‎

Wladimir I. Lenin 19040911 Brief an Glebow (B. N. Noskow)

Wladimir I. Lenin: Brief an Glebow (B. N. Noskow)1

[Veröffentlicht mit einigen Kürzungen im Jahre 1904, in der Broschüre N. Schachows: „Der Kampf um den Parteitag". Genf. Nach Sämtliche Werke, Band 6, Wien-Berlin 1930, S. 481-489]

11. IX. 1904

Werter Genosse!

Sie wiederholen noch einmal, dass der Wunsch, ich solle Mitglied der Redaktion des Zentralorgans werden, vom „Zentralkomitee" geäußert worden sei. Auch ich muss wiederholen, dass das zum mindesten ungenau ist. Als Sie formell erklärten, die bekannte Deklaration des Zentralkomitees sei einstimmig angenommen worden, wobei das Zentralkomitee mit einer Ausnahme vollzählig anwesend gewesen sein soll, habe ich sofort (schon am 18. VIII. 04) geantwortet, dass das nicht wahr sei. Die Deklaration haben drei Mitglieder des Zentralkomitees unterschrieben, das vor kurzem noch neun Mitglieder zählte, und diese drei haben vollkommen statutenwidrig erklärt, Genosse Ossipow sei nicht Mitglied des Zentralkomitees, während dieser mir schriftlich erklärte, dass er sich nach wie vor als Mitglied des Zentralkomitees betrachte. Es ist statutenwidrig, einen Genossen für zurückgetreten zu erklären, ohne sich mit ihm darüber auseinandergesetzt zu haben. Beide Argumente, mit denen Sie und Ihre beiden Kollegen dieses statutenwidrige Vorgehen verteidigt haben, sind offensichtlich unhaltbar. Sie haben sich darauf berufen, dass Genosse Ossipow in der vorhergehenden ordentlichen Sitzung des Zentralkomitees formell von seinem Rücktritt Mitteilung gemacht habe. Das ist nicht wahr, denn Ende Mai (d. h. mehrere Monate nach jener Sitzung, die im Februar oder März stattgefunden hat) zählten wir noch neun Mitglieder des Zentralkomitees, was durch das von drei Mitgliedern des Zentralkomitees unterzeichnete Abkommen vom 26. V. 04 und durch den diesem Abkommen beigelegten Brief bestätigt wird. Sie berufen sich darauf, dass Genosse Ossipow nach der erwähnten Sitzung des Zentralkomitees einem Ortskomitee beigetreten ist, wozu ein Mitglied des Zentralkomitees nicht berechtigt sei. Darauf hatte Genosse Ossipow mir schon vorher schriftlich geantwortet, dass er gerade auf Vorschlag der Mitglieder des Zentralkomitees, die ihn jetzt für zurückgetreten erklärt haben, an den betreffenden Ort gereist sei, um an der örtlichen Arbeit teilzunehmen, und dass er nicht als formelles Mitglied des Komitees gearbeitet habe. Aber selbst wenn ein solcher unberechtigter, auf Grund der Statuten nicht zulässiger Eintritt eines Mitgliedes des Zentralkomitees in ein Ortskomitee stattgefunden hätte, so folgt hieraus keineswegs, dass diese falsche Handlung durch den Austritt aus dem Zentralkomitee und nicht durch den Austritt aus dem Ortskomitee berichtigt werden müsse. Schließlich mussten Sie selber in Ihrem Brief an mich zugeben, der Sitzung der drei Zentralkomitee-Mitglieder sei davon Mitteilung gemacht worden, dass der Rücktritt des Genossen Ossipow eine umstrittene Frage sei. Die Entscheidung dieser Streitfrage durch drei Mitglieder des Zentralkomitees in Abwesenheit von Ossipow und sogar ohne die Meinung Ossipows gehört zu haben, war eine offensichtliche und empörende Statutenwidrigkeit. Natürlich konnten die drei Mitglieder des Zentralkomitees darauf rechnen, dass der in den Händen der Redaktion befindliche Parteirat sich auf ihre Seite stellen würde; natürlich konnten sich die drei Mitglieder des Zentralkomitees auf die von ihnen formell getroffene oder stillschweigend anerkannte Abmachung mit den Anhängern der Minderheit im Parteirat stützen. Aber ein solcher Umstand würde die Willkür nicht beseitigen, sondern sie im Gegenteil noch stärken durch Elemente der politischen Unanständigkeit. Genau so rechtswidrig war es, dass die drei Mitglieder des Zentralkomitees den Rücktritt des Genossen Trawinski akzeptierten, von dem nicht alle Mitglieder des Zentralkomitees vor der Sitzung benachrichtigt worden waren. Sie haben mir auch bis jetzt nicht genau angeben können, wem und wann von diesem Rücktritt Mitteilung gemacht worden ist. Sie haben die Sache mit einer Antwort abgetan, die auf eine Verspottung hinauslief: „Erkundigen Sie sich bei dem Kollegium in Russland", bei dem „Kollegium" (dasselbe Kollegium der drei!), von dem Sie eben gekommen waren und mit dem ich mich nur durch Sie in Verbindung setzen kann!!

Infolgedessen bestreite ich die Rechtmäßigkeit der Zusammensetzung des Zentralkomitees und seiner letzten Sitzung (in der die „Deklaration" beschlossen wurde). Ich wäre darum vollständig berechtigt, Ihre Aufforderung, in die Redaktion des Zentralorgans einzutreten, unbeantwortet zu lassen. Aber ich betrachte diesen Vorschlag, als ginge er nicht vom Zentralkomitee, sondern von drei Mitgliedern der Partei aus, und ich halte es für meine Pflicht, ihn motiviert zu beantworten, um so mehr als Sie sich auf den Ihnen schriftlich zum Ausdruck gebrachten Wunsch der Redaktion des Zentralorgans berufen, mich unter den Redakteuren zu sehen.

Sie sind der Meinung, dass mein Eintritt in die Redaktion des Zentralorgans „den fast vollständigen Frieden in der Partei, den ich so sehr wünsche, gewährleisten würde". Dieses Ihr „fast" ist sehr bezeichnend! Ja, ich will den Frieden in der Partei, ich habe in meinem Brief an die Redaktion der „Iskra" („Warum ich aus der Redaktion der ,Iskra' ausgetreten bin") öffentlich den Frieden vorgeschlagen. Ich habe noch einmal im Parteirat im Januar 1904 den Frieden offiziell vorgeschlagen: der Frieden ist zu den Bedingungen, die ich damals im Namen der Mehrheit gestellt hatte, nicht angenommen worden. Ich muss bemerken, dass ich entgegen der jetzigen Mode, heuchlerische Phrasen über den „Frieden" zu machen, wobei man unter Frieden die völlige Unterwerfung unter die Minderheit, die völlige Ignorierung der Mehrheit und das vollständige Vergessen des Parteitags versteht, im Parteirat vollkommen klar auseinandergesetzt habe, was ich mir unter dem Frieden in der Partei vorstelle. Ich habe zusammen mit meinem damaligen Kollegen vom Zentralkomitee im Parteirat offen erklärt, dass ich unter Frieden die Säuberung des ideologischen Kampfes von Rangstreitigkeiten, von Gezänk und unehrlichen Kampfmethoden verstehe. Mag das Zentralorgan in den Händen der Minderheit, das Zentralkomitee in den Händen der Mehrheit bleiben – hatte ich damals vorgeschlagen, – lasst uns alle auffordern, jeden Boykott, jede Rang- und Kooptationsstreitigkeit einzustellen, und lasst uns kameradschaftlich über unsere Meinungsverschiedenheiten und über die Ursachen unseres Auseinandergehens auf dem Parteitag diskutieren, lasst uns die Partei lehren, ihre inneren Streitfragen in ehrlicher und würdiger Weise zu untersuchen. Plechanow und Martow haben meinen Vorschlag verlacht. Es wundert mich nicht, dass sie den schändlichen Beschluss fassten, die Protokolle der Parteiratssitzungen nicht zu veröffentlichen (entgegen dem Drängen der Minderheit des Parteirats, und zwar der beiden Vertreter des Zentralkomitees) und dass sich diesem Beschluss jetzt drei Mitglieder des Zentralkomitees (im Geheimen) angeschlossen haben. Wer einen heuchlerischen Frieden schließen will, dabei die im Leben der russischen Revolutionäre unvermeidlichen Zufälligkeiten ausnutzt und aus dem Zentralkomitee die Andersdenkenden verjagt*, der muss notgedrungen danach streben, die Versuche, rechtzeitig einen ehrlichen Frieden zu schließen, vor den Parteimitgliedern zu verbergen. Glücklicherweise habe ich Grund, anzunehmen, dass dieser erbärmliche Winkelzug, der die Partei betrügen soll, nicht gelingen wird und dass die Protokolle der Parteiratssitzungen schließlich doch das Licht der Welt erblicken werden.2

Nachdem die Redaktion, die vom Parteirat Besitz ergriffen hat, meinen Friedensvorschlag lachend abgelehnt hatte, erklärte ich damals sofort, dass ich als einzigen ehrlichen Ausweg einen Parteitag betrachte. Die Taktik der Minderheit (in der sich auch Plechanow befand), die Redaktion des Zentralorgans und den Parteirat in Händen zu halten, in diesen zentralen Körperschaften mit Worten die Interessen der gesamten Partei zu vertreten, gleichzeitig aber in Wirklichkeit danach zu streben, ohne Parteitag das Zentralkomitee im Interesse der Minderheit umzumodeln, – diese Taktik kann ich nicht als ehrlichen Kampf betrachten. Mit den Anhängern einer solchen Taktik habe ich nie Abmachungen getroffen, und ich halte es auch nicht für möglich, das zu tun. Außerdem ist seit Januar das Antlitz der neuen „Iskra" klar hervorgetreten – dieses Zentralorgans des Klatsches und Gezänks, der Konfusion und des Liebäugelns mit den Opportunisten, des persönlichen Abrechnens, des Ausklügelns von Meinungsverschiedenheiten. Dass die neue „Iskra" das Organ eines Zirkels, das Organ einer neuen „Richtung" ist, das sehen jetzt alle und sogar die Redaktion selber, die zunächst die „Kontinuität" zu verteidigen beabsichtigte und jetzt die alte „Iskra" systematisch bespeit. Es fragt sich nun, in welchem Sinne man jetzt von Frieden sprechen kann? Wenn man unter Frieden die Säuberung des ideologischen Kampfes vom Kooptationsgezänk versteht, so bin ich auch jetzt vollkommen bereit, auf den Frieden einzugehen und meinen im Parteirat gemachten Vorschlag zu erneuern. Wenn aber der Friede die Einstellung des ideologischen Kampfes bedeutet, die Aussöhnung mit der Richtung oder vielmehr mit dem jeder Richtung baren Antlitz der neuen „Iskra", so können nur grundsatzlose und heuchlerische Leute einen solchen „Frieden" vorschlagen – oder Leute, die die Parteiblätter als bedrucktes Papier betrachten (als Druckerschwärze3) – wie einer der „Versöhnler" die Literatur der neuen „Iskra" nannte). Wenn die Redakteure der neuen „Iskra", deren „prinzipielle" Stellung fast ganz auf persönliche Angriffe gegen mich, auf die Verfolgung dessen, was sie „Leninismus" genannt haben und auf die Austüftelung von Meinungsverschiedenheiten mit mir hinausliefen, jetzt den Wunsch aussprechen, mich in der Redaktion zu sehen, so geben sie damit selber zu, dass sie das, was sie schreiben, nicht ernst nehmen, dass sie ihre Polemik nur zu „Kooptationszwecken" erfunden haben und dass sie bereit sind, auf alle ihre neuen „Prinzipien" zu verzichten, nachdem die Kooptation erfolgreich durchgeführt sein wird. Was mich anbelangt, so lehne ich allein schon den Vorschlag, die Mehrheit solle auf den Parteikampf für ihren Standpunkt, auf den Kampf für die konsequente Richtung, gegen das Zirkelwesen verzichten, als unwürdig ab. Diesen Kampf zu führen betrachte ich als mein unantastbares Recht und als meine Pflicht, und diese Ansicht teile ich mit allen prinzipienfesten Anhängern der Mehrheit, deren Zahl in Russland wächst. Dieser Kampf muss meines Erachtens offen geführt werden, denn neun Zehntel der Geschichte des Konflikts sind der Öffentlichkeit bereits bekannt und jede weitere Verhüllung dieser Geschichte vor den Augen der Welt würde heißen, die Krise in kleinlicher und sinnloser Weise in die Länge zu ziehen.

Sie schreiben, meinen Eintritt in die jetzige Redaktion der „Iskra" „wünschen zweifellos auch viele Komitees". Mit Bedauern muss ich feststellen, dass Sie auch diesmal eine bewusste Unwahrheit sagen. Kein einziges Komitee hat unter den jetzigen Kampfbedingungen bisher einen solchen Wunsch ausgesprochen. Nur der Zirkel der Redakteure des Zentralorgans hat diesen Wunsch geäußert, ferner drei Mitglieder des Zentralkomitees, die den Gipfel der politischen Weisheit darin sehen, mit der Minderheit auf die Mehrheit und mit der Mehrheit auf die Minderheit zu schimpfen. Ich erlaube mir, der Meinung zu sein, dass ich nicht dem Willen dieser oder jener Politikaster, sondern dem Willen der Gesamtpartei Rechnung zu tragen habe, die für sich selber auch die Methode festgelegt hat, ihrem Willen formellen Ausdruck zu verleihen: den Parteitag. Ich erlaube mir, der Meinung zu sein, dass ein Führer, der auf dem Parteitag eine bestimmte Linie verfolgt und der einen Teil der Partei dieser Linie entsprechend geführt hat, jedes Recht auf Achtung und sogar auf ein ernstes Verhalten zu seinen Worten verliert, wenn er auf die Seite seiner Gegner hinüber wechselt.

Ihr Hinweis auf „viele Komitees" ist äußerst lehrreich und bedeutsam, obgleich er … der Wahrheit nicht entspricht. Dieser Hinweis zeugt von einem Restchen Parteigewissen, von dem Vorhandensein eines gewissen Bewusstseins dessen, dass die von der Partei ernannten Funktionärkörperschaften dem Willen der Partei Rechnung tragen müssen, wenn sie an eine Ummodelung der Zusammensetzung und der Richtung der zentralen Stellen gehen. Wäre dieses Bewusstsein bei Ihnen nicht verdunkelt durch die verworrene Stellung, die Sie eingenommen haben, so würden Sie leicht einsehen, dass es keinen anderen Weg gibt, um den wirklichen Wunsch wirklich vieler Komitees wirklich kennen zu lernen, als den Parteitag. Wenn aber Ihr Hinweis auf „viele Komitees" ein Restchen Parteigewissens verrät, so zeugt er gleichzeitig sonnenklar von einem unruhigen Gewissen. Sie fürchten gerade darum den Parteitag wie das Feuer, weil Sie den schreienden Gegensatz zwischen Ihrer Politik der Abenteuer und dem Willen der Partei fühlen.

Meine allgemeinen Erwägungen über das Heuchlerische der von Ihnen unternommenen Versöhnung werden durch eine Reihe ergänzender Tatsachen vollkommen bekräftigt. Drei Mitglieder des Zentralkomitees begeistern sich jetzt für das „hohe Niveau" des Zentralorgans, während dieselben drei Mitglieder des Zentralkomitees im März eine Erklärung verfasst haben, in der sie ihr Bedauern darüber zum Ausdruck brachten, dass verschiedene Parteischriftsteller (die Mehrheit der jetzigen Redaktion des Zentralorgans) in Opportunismus verfallen sind. Während sie von „Frieden" sprechen, lösen diese drei Mitglieder des Zentralkomitees das Süd-Büro (das Kollegium der Vertrauensleute des Zentralkomitees) auf, weil in ihm Anhänger der Mehrheit gearbeitet haben, die es wagten, für einen Parteitag zu agitieren. Während sie von der Versöhnung der beiden kämpfenden Parteien sprechen, veranstalten die drei Mitglieder des Zentralkomitees eine Konferenz mit den Vertretern der einen Partei und ignorieren die andere. Welche Zersetzung tragen diese privaten Abmachungen in die Partei hinein, die die Lebensinteressen der gesamten Partei betreffen und die vor ihr so sorgfältig geheim gehalten werden, obgleich jede Notwendigkeit eines konspirativen Geheimnisses fehlt! Welche Menge gegenseitigen Misstrauens, wie viel Argwohn wird durch diese Machenschaften hinter dem Rücken der Partei in das ganze Parteileben hineingetragen! Gerade heute schreibt mir ein Genosse aus Russland, welche Gerüchte über diese Machenschaften in Umlauf sind: in der Minderheit hätten sich drei Teile gebildet, heißt es in Parteikreisen; der eine verlange vor allem die Kooptation von Dan und Trotzki in das Zentralkomitee und wolle sonst nichts wissen; der zweite sei mit einer Konferenz einverstanden; der dritte begnüge sich mit einer Erklärung des Zentralkomitees, und diesem Teil gehören die „Juschny-Rabotschij"-Anhänger an (die mit vollkommenem Recht in der Gründung eines volkstümlichen Blattes nichts anderes sehen als die maskierte Wiederherstellung des vom Parteitag eingestellten „Juschny Rabotschij"). Ich weiß nicht, was in diesem Parteigerede der Wahrheit entspricht. Dass aber die Minderheit aus verschiedenartigen Gruppen besteht, dass zum Beispiel Genosse Bruker an den „Ultimata" der Minderheit und an dem ganzen Kooptationsgezänk wahrscheinlich gar nicht teilnimmt, dass die Gruppe „Juschny Rabotschij" eine ganz besondere Schattierung darstellt, das sind allgemein bekannte Tatsachen, die jeder kennt, der unsern Parteitag studiert hat. Sehen Sie denn nicht, wie erniedrigend dieser Kuhhandel einzelner Gruppen ist, der hinter dem Rücken der Partei vor sich geht! Kann man sich wundern, dass die Heuchelei der drei Mitglieder des Zentralkomitees das vollständige Misstrauen der Mehrheit ihnen gegenüber wecken muss, die all diesen Machenschaften fern steht? Kann man sich wundern, dass der „Frieden", der mit der Absetzung aller, die für den Parteitag agitieren, begonnen hat, als Vorläufer einer systematischen Fälschung der öffentlichen Meinung der Partei betrachtet wird? Dass die Mehrheit annimmt, es habe zwischen dem Zentralkomitee und dem Zentralorgan (und folglich auch dem Parteirat) eine Abmachung stattgefunden über die gewaltsame Besetzung der Komitees mit Anhängern der Minderheit, über die Nichtveröffentlichung der Resolutionen der Mehrheit (die Petersburger und die Jekaterinoslawer Resolutionen werden schon seit mehreren Monaten zurückgehalten) usw.?

Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, warum angesichts der heutigen Lage in der Partei von meinem Eintritt in die Redaktion des Zentralorgans keine Rede sein kann.

Ihre Behauptung, ich hätte mich bei der Abstimmung über die Kooptation von drei Mitgliedern in das Zentralkomitee der „Stimme enthalten", ist eine Unwahrheit. Ich protestiere entschieden gegen die Anerkennung der „Wahl als vollzogen". Das ist eine neue Statutenwidrigkeit. Alle drei Mitglieder des Zentralkomitees sind verpflichtet, meinen Einspruch zu prüfen und erst nachher die Frage der Kooptation zu stellen. Auf Grund des Statuts muss die Kooptation einstimmig beschlossen werden; ich habe meine Zustimmung nicht gegeben. Folglich kann ohne eine Prüfung der Angelegenheit durch den Parteirat von einer vollzogenen Kooptation nicht die Rede sein. Der Beschluss des Parteirats (wenn Ihr statutenwidrig die Frage der Kooptation im Parteirat stellen werdet, bevor alle Mitglieder des Zentralkomitees die Zusammensetzung des Zentralkomitees überprüft haben) muss mir zusammen mit den Protokollen des Parteirats übermittelt werden.

Ihr Bedauern darüber, dass wir keine Gelegenheit hatten, uns zu sehen, kann ich nicht teilen. Nach den Streichen, die Sie Genossen Ossipow gespielt haben, und nach Ihrem Verhalten zu dem gegebenen Wort (das Abkommen vom 26. V. 04) wünsche ich zu Ihnen keine anderen Beziehungen als rein offizielle und ausschließlich schriftliche.

N. Lenin,

Mitglied des Zentralkomitees

1 Der „Brief an Glebow (Noskow) vom 11. 9. 1904" war die Antwort auf folgenden Brief Glebows: „Werter Genosse! Auf den vom Zentralkomitee geäußerten Wunsch hinsichtlich Ihres Eintritts in die Redaktion des Zentralorgans hat die Redaktion zustimmend geantwortet. Diesen Wunsch bestätigen die Genossen in einem Brief, den ich erhalten habe. Zweifellos ist das auch der Wunsch vieler Komitees. Darum wende ich mich im Namen der Genossen vom Zentralkomitee an Sie mit dem Vorschlag, wieder in die Redaktion des Zentralorgans einzutreten, wo Sie unseres Erachtens ein sehr erwünschter Mitarbeiter sein werden. Das würde den fast vollständigen Frieden in der Partei sichern, den Sie so sehr wünschen. Da Sie gegen meine Einwände hinsichtlich der Kooptation neuer Mitglieder keinen Einspruch erhoben haben, so nehme ich an, dass Sie sich der Stimme enthalten haben und dass die Wahlen rechtskräftig sind. B. Glebow" (N. Schachow, „Der Kampf um den Parteitag", 1904). Dieser Brief, der das Ausscheiden Lenins aus dem Zentralkomitee bezweckte, war ein weiterer Schritt in der Entwicklung der „versöhnlerischen" Politik des Zentralkomitees, die das Zentralkomitee (genauer: drei seiner Mitglieder) in seiner Juli-Deklaration mit absoluter Klarheit verkündet hatte.

Im Moment der Annahme der Juli-Deklaration war die Lage im Zentralkomitee, das im ganzen aus 9 Mitgliedern bestand, folgende: Gussarow war zurückgetreten; die im Zentralkomitee vorherrschende Dreiergruppe der äußersten Versöhnler (Krassin, Galperin, Glebow) hatte unter Verletzung der üblichen Formalitäten den Rücktritt Krschischanowskis herbeigeführt, dessen Unterstützung sie nicht sicher waren; die festen Bolschewiki, Lengnik und Essen, saßen im Gefängnis; die Bolschewikin Semljatschka (Ossipow) wurde von der Dreiergruppe vollkommen willkürlich für aus dem Zentralkomitee ausgeschieden erklärt; Lenin befand sich in Genf. So lagen die Verhältnisse, als die in Russland befindlichen drei Mitglieder des Zentralkomitees die Juli-Deklaration annahmen.

Am Schluss des Briefes spricht Lenin von der von den Menschewiki geplanten Herausgabe eines „populären Organs". Im Oktober 1904 begann ein solches Organ tatsächlich zu erscheinen, und zwar die „populäre Arbeiterzeitung" „Sozialdemokrat".

Der letzte Absatz des Briefes ist in der Broschüre N. Schachows: „Der Kampf um den Parteitag" nicht veröffentlicht worden.

* Das bezieht sich vor allem auf Genossen Ossipow. Dann natürlich auch auf mich, denn der Vorschlag, in die Redaktion des Zentralorgans einzutreten ist gleichbedeutend mit dem Vorschlag, das Zentralkomitee zu verlassen.

2 Entgegen den Hoffnungen Lenins erblickte das Protokoll der Sitzung des Parteirats der SDAPR, die vom 28. bis 30. Januar 1904 stattfand, erst 25 Jahre später „das Licht der Welt": es wurde im Jahre 1929 vom Lenin-Institut im „Leninskij-Sbornik" X veröffentlicht.

3 „Druckerschwärze" bei Lenin deutsch. Die Red.

Kommentare