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Wladimir I. Lenin 19180820 Brief an die amerikanischen Arbeiter

Wladimir I. Lenin: Brief an die amerikanischen Arbeiter

[Geschrieben am 20. August 1918. Veröffentlicht in der „Prawda" Nr. 178. 22. August 1918. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 224-240]

Genossen! Ein russischer Bolschewik, der an der Revolution im Jahre 1905 teilgenommen hatte und dann viele Jahre in Eurem Lande verbrachte, hat mir angeboten, Euch einen Brief von mir zu übermitteln. Ich habe mit um so größerem Vergnügen seinen Vorschlag angenommen, als gerade jetzt die amerikanischen revolutionären Proletarier berufen sind, eine besonders wichtige Rolle zu spielen als die unversöhnlichen Feinde des amerikanischen Imperialismus, der von allen der frischeste und mächtigste ist und der als letzter in das Weltvölkergemetzel wegen der Teilung der kapitalistischen Profite eingetreten ist. Gerade jetzt haben die amerikanischen Milliardäre, diese modernen Sklavenhalter, eine besonders tragische Seite in der blutgetränkten Geschichte des blutrünstigen Imperialismus aufgeschlagen, indem sie – einerlei, ob direkt oder indirekt, offen oder heuchlerisch maskiert – zu dem bewaffneten Kriegszug der englisch-japanischen Raubtiere zwecks Erdrosselung der ersten sozialistischen Republik ihre Einwilligung gaben.

Die Geschichte des modernen, zivilisierten Amerika wird durch einen jener großen, wirklichen Befreiungskriege, wirklich revolutionären Kriege eröffnet, deren es so wenige gegeben hat neben der ungeheuren Anzahl von Raubkriegen, die, ähnlich wie der jetzige imperialistische Krieg, hervorgerufen wurden durch Raufereien unter den Königen, Gutsbesitzern und Kapitalisten wegen der Teilung der erbeuteten Länder oder der zusammengeraubten Profite. Das war der Krieg des amerikanischen Volkes gegen die englischen Räuber, die Amerika unterdrückten und in kolonialer Sklaverei hielten, genau so wie diese „zivilisierten" Blutsäufer noch heute Hunderte von Millionen Menschen in Indien, in Ägypten und an allen Ecken und Enden der Welt unterdrücken und in kolonialer Sklaverei halten.

Seit jener Zeit sind etwa 150 Jahre verflossen. Die bürgerliche Zivilisation hat all ihre herrlichen Früchte gezeitigt. Nach der Entwicklungshöhe der Produktivkräfte der kombinierten menschlichen Arbeit, nach der Anwendung der Maschinen und aller Wunder der modernen Technik hat Amerika den ersten Platz unter den freien und zivilisierten Ländern eingenommen. Aber zugleich wurde Amerika auch eines der ersten Länder nach der Tiefe des Abgrundes zwischen einer Handvoll skrupellosester, in Unrat und Luxus erstickender Milliardäre einerseits und den Millionen der ewig an der Grenze des Elends lebenden Werktätigen andrerseits. Das amerikanische Volk, das der Welt das Vorbild eines revolutionären Krieges gegen die feudale Sklaverei gegeben hatte, geriet in die moderne, kapitalistische Lohnsklaverei unter einer Handvoll Milliardäre und kam so dazu, die Rolle des gedungenen Henkers zu spielen, der dem reichen Gesindel zuliebe im Jahre 1898 unter dem Vorwand der „Befreiung" die Philippinen abgewürgt hat und der 1918 die russische sozialistische Republik würgt, unter dem Vorwand, sie vor den Deutschen zu „schützen".

Aber vier Jahre des imperialistischen Völkergemetzels1 sind nicht umsonst dahingegangen. Der Betrug des Volkes durch die Schurken beider Räubergruppen, sowohl der englischen als der deutschen, wurde durch unbestreitbare, augenscheinliche Tatsachen restlos entlarvt. Vier Kriegsjahre zeigten an ihren Resultaten das allgemeine Gesetz des Kapitalismus in seiner Anwendung auf den Krieg um die Teilung der Beute zwischen den Räubern: wer am reichsten und stärksten war, der bereicherte sich und raubte am meisten, wer am schwächsten war, der wurde bis aufs Letzte beraubt, gemartert, ausgepresst und erwürgt.

Die englischen imperialistischen Räuber waren durch die Menge ihrer „Kolonialsklaven" am stärksten. Die englischen Kapitalisten haben nicht einen Fußbreit ihres „eigenen" (d. h. des von ihnen im Verlauf von Jahrhunderten zusammengeraubten) Landes verloren, sie haben dagegen alle deutschen Kolonien in Afrika geraubt, Mesopotamien und Palästina an sich gerissen, Griechenland erdrosselt, und haben begonnen, Russland auszuplündern.

Die deutschen imperialistischen Räuber waren stärker als alle anderen durch die Organisiertheit und Diszipliniertheit „ihrer" Heere, aber schwächer in Bezug auf Kolonien. Sie haben alle Kolonien verloren, haben aber halb Europa ausgeplündert und eine große Anzahl kleiner Länder und schwacher Völker erdrosselt. Welch ein erhabener „Befreiungs"krieg hüben und drüben! Wie gut „verteidigten das Vaterland" die Räuber beider Gruppen2, die englisch-französischen und die deutschen Kapitalisten, zusammen mit ihren Lakaien, den Sozialchauvinisten, d. h. den Sozialisten, die auf die Seite ihrer „eigenen" Bourgeoisie übergegangen sind!

Die amerikanischen Milliardäre waren vielleicht reicher als alle und befanden sich in der sichersten geographischen Lage. Sie hatten sich am meisten bereichert. Sie hatten alle, selbst die reichsten Länder, tributpflichtig gemacht. Sie hatten hunderte Milliarden Dollar zusammengerafft. Und an jedem Dollar haften die Schmutzspuren der schmutzigen Geheimverträge zwischen England und seinen „Verbündeten", zwischen Deutschland und seinen Vasallen, der Verträge über die Verteilung der geraubten Beute; der Verträge über gegenseitige „Hilfe" bei der Unterdrückung der Arbeiter und der Verfolgung der Sozialisten-Internationalisten. An jedem Dollar klebt ein Klumpen Schmutz von den „einträglichen" Kriegslieferungen, an denen in jedem Lande die Reichen sich bereicherten und durch welche die Armen ruiniert wurden. Jeder Dollar trägt Blutspuren – aus jenem Meer von Blut, das 10 Millionen Ermordete und 20 Millionen Verstümmelte vergossen haben in dem hehren, edlen, heiligen Befreiungskampf, in dem es darum geht, ob dem englischen oder dem deutschen Räuber die größere Beute zukommen wird, ob sich die englischen oder die deutschen Henker als die ersten im Erwürgen der schwachen Völker der Erde erweisen werden.

Wenn die deutschen Räuber in der Bestialität ihrer militärischen Repressalien den Rekord geschlagen haben, so schlugen die Engländer den Rekord nicht nur in Bezug auf die Menge der zusammengeraubten Kolonien, sondern auch durch die Raffiniertheit ihrer widerwärtigen Heuchelei. Gerade jetzt verbreitet die englisch-französische und die amerikanische bürgerliche Presse in Millionen und aber Millionen Exemplaren Lügen und Verleumdungen über Russland, rechtfertigt sie heuchlerisch ihren räuberischen Feldzug gegen Russland damit, dass man bestrebt sei, es gegen die Deutschen angeblich zu „schützen".

Man braucht nicht viel Worte zu verlieren, um diese gemeine und schamlose Lüge zu widerlegen: es genügt, auf eine allgemein bekannte Tatsache hinzuweisen. Als im Oktober 1917 die Arbeiter Russlands ihre imperialistische Regierung gestürzt hatten, schlug die Sowjetmacht, die Macht der revolutionären Arbeiter und Bauern, offen einen gerechten Frieden vor, einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen, einen Frieden unter voller Beachtung der Gleichberechtigung aller Nationen, – einen solchen Frieden schlug sie allen kriegführenden Ländern vor.

Aber gerade die englisch-französische und die amerikanische Bourgeoisie nahm unseren Vorschlag nicht an; gerade sie weigerte sich, mit uns über den allgemeinen Frieden auch nur zu reden! Gerade sie übte an den Interessen aller Völker Verrat, gerade sie zog das imperialistische Gemetzel in die Länge!

Gerade sie, die darauf spekulierte, Russland von neuem in den imperialistischen Krieg hineinzuziehen, hielt sich von den Friedensverhandlungen fern und gab dadurch den ebenso räuberischen deutschen Kapitalisten volle Handlungsfreiheit, die Russland den annexionistischen Gewaltfrieden von Brest-Litowsk aufgezwungen haben!

Es ist schwer, sich eine ekelhaftere Heuchelei vorzustellen, als die Heuchelei, mit der die englisch-französische und die amerikanische Bourgeoisie die „Schuld" am Brester Frieden auf uns abwälzt. Ausgerechnet die Kapitalisten jener Länder, von denen es abhing, die Brester Verhandlungen in allgemeine Verhandlungen über einen allgemeinen Frieden zu verwandeln, gerade sie treten jetzt als „Ankläger" gegen uns auf! Die Aasgeier des englisch-französischen Imperialismus, die sich am Raub der Kolonien und am Völkergemetzel gütlich getan, haben nun schon fast ein ganzes Jahr nach Brest den Krieg hingezogen und dann „beschuldigen" sie uns, die Bolschewiki, die wir allen Ländern einen gerechten Frieden vorgeschlagen, uns, die wir die verbrecherischen Geheimverträge zwischen dem ehemaligen Zaren und den englisch-französischen Kapitalisten zerrissen, publiziert und der allgemeinen Schande preisgegeben haben.

Die Arbeiter der ganzen Welt, in welchem Lande sie auch leben mögen, begrüßen uns, sympathisieren mit uns, zollen uns Beifall dafür, dass wir den eisernen Ring der imperialistischen Bindungen, der schmutzigen imperialistischen Verträge, der imperialistischen Ketten gesprengt haben, – dafür, dass wir uns die Freiheit erzwungen und dessentwillen die schwersten Opfer auf uns genommen haben, – dafür, dass wir, als sozialistische Republik, wenn auch bis aufs Blut gepeinigt und ausgeplündert durch die Imperialisten, uns doch außerhalb des imperialistischen Krieges gestellt und vor der ganzen Welt das Banner des Friedens, das Banner des Sozialismus entfaltet haben.

Was Wunder, dass die Bande der internationalen Imperialisten uns deswegen hasst; dass sie uns „beschuldigt"; dass alle Lakaien der Imperialisten, darunter auch unsere rechten Sozialrevolutionäre und Menschewiki, uns ebenfalls „beschuldigen"! Aus diesem Hass der Kettenhunde des Imperialismus den Bolschewiki gegenüber sowie aus der Sympathie der klassenbewussten Arbeiter aller Länder schöpfen wir neue Zuversicht in die Gerechtigkeit unserer Sache.

Der ist kein Sozialist, der nicht begreift, dass man im Interesse des Sieges über die Bourgeoisie, im Interesse des Übergangs der Macht an die Arbeiter, im Interesse des Beginns der internationalen proletarischen Revolution, vor keinerlei Opfern haltmachen darf und soll, selbst nicht vor dem Opfer eines Teils des Territoriums, vor dem Opfer schwerer Niederlagen seitens des Kapitalismus anderer Länder, vor dem Opfer eines Tributs an die Kapitalisten3. Der ist kein Sozialist, der nicht durch Taten bewiesen hat, dass er bereit ist zu schwersten Opfern seitens „seines" Vaterlandes, damit nur die Sache der sozialistischen Revolution tatsächlich vorwärtskomme.

Um „ihrer" Sache willen, d. h. um der Eroberung der Weltherrschaft willen, machten die Imperialisten Englands und Deutschlands nicht Halt vor der völligen Ruinierung und Erdrosselung einer ganzen Reihe von Ländern, die anfängt mit Belgien und Serbien und mit Palästina und Mesopotamien sich fortsetzt. Nun, und die Sozialisten, sie sollen um „ihrer" Sache willen, um der Befreiung der Werktätigen der ganzen Welt vom Joche des Kapitals willen, um der Erkämpfung eines dauerhaften allgemeinen Friedens willen, etwa abwarten, bis sich ein Weg ohne Opfer finden wird? Sie sollen sich fürchten, den Kampf zu beginnen, bevor ein leichter Erfolg „garantiert" sein wird? Sie sollen die Sicherheit, die Unversehrtheit „ihres" von der Bourgeoisie geschaffenen „Vaterlandes" höher stellen als die Interessen der sozialistischen Weltrevolution? Dreifache Verachtung verdient dieses Gesindel aus den Reihen des internationalen Sozialismus, verdienen diese Lakaien, der bürgerlichen Moral, die so denken.

Die Raubtiere des englisch-französischen und amerikanischen Imperialismus „beschuldigen" uns des „Übereinkommens" mit dem deutschen Imperialismus.

Oh, diese Heuchler! Oh, diese Schufte, die die Arbeiterregierung verleumden, während sie selber aus Angst zittern vor den Sympathien, welche uns die Arbeiter „ihrer" eigenen Länder entgegenbringen! Aber ihre Heuchelei wird entlarvt werden. Sie tun so, als ob sie den Unterschied nicht begriffen zwischen dem Übereinkommen von „Sozialisten" mit der Bourgeoisie (der einheimischen wie der fremden) gegen die Arbeiter, gegen die Werktätigen, und einem Übereinkommen zum Schutz der Arbeiter, die ihre Bourgeoisie besiegt haben, mit der Bourgeoisie einer Farbe gegen die Bourgeoisie einer anderen nationalen Farbe zwecks Ausnutzung der Gegensätze unter den verschiedenen Gruppen der Bourgeoisie durch das Proletariat.

In Wirklichkeit aber kennt jeder Europäer diesen Unterschied ausgezeichnet, und das amerikanische Volk hat ihn – wie ich gleich zeigen werde – besonders anschaulich in seiner eigenen Geschichte „erlebt". Es gibt Übereinkommen und Übereinkommen, es gibt fagots et fagots4, wie der Franzose sagt.

Als die Räuber des deutschen Imperialismus im Februar 1918 ihre Armeen gegen das wehrlose Russland warfen, das seine Armee demobilisiert, das sich der internationalen Solidarität des Proletariats anvertraut hatte, bevor die internationale Revolution ganz ausgereift war, da schwankte ich nicht im Geringsten, mit den französischen Monarchisten ein gewisses „Übereinkommen" einzugehen. Der französische Hauptmann Sadoul, der in Worten mit den Bolschewiki sympathisierte, in der Tat aber dem französischen Imperialismus auf Treu und Glauben diente, brachte den französischen Offizier de Lubersac zu mir. „Ich bin Monarchist, mein einziges Ziel ist die Niederlage Deutschlands", erklärte mir de Lubersac. „Das ist selbstverständlich (cela va sans dire)", erwiderte ich. Das hinderte mich nicht im Geringsten an einem „Übereinkommen" mit de Lubersac in Bezug auf Dienste, die uns französische Offiziere, Fachleute im Sprengwesen, erweisen wollten bei der Sprengung der Eisenbahnlinien zwecks Verhinderung der deutschen Offensive.5 Das war das Muster eines „Übereinkommens", das jeder klassenbewusste Arbeiter billigen wird, eines Übereinkommens im Interesse des Sozialismus. Der französische Monarchist und ich, wir drückten einander die Hände, obwohl wir wussten, dass jeder von uns seinen „Partner" gerne gehängt hätte. Aber unsere Interessen fielen vorübergehend zusammen. Gegen die angreifenden deutschen Räuber nutzten wir im Interesse der russischen und der internationalen sozialistischen Revolution die ebenso räuberischen entgegengesetzten Interessen der anderen Imperialisten aus. Auf diese Weise dienten wir den Interessen der Arbeiterklasse Russlands und der anderen Länder; wir stärkten das Proletariat und schwächten die Bourgeoisie der ganzen Welt; wir machten von der in jedem Kriege absolut gesetzmäßigen und obligatorischen Methode Gebrauch, zu manövrieren, zu lavieren, sich zurückzuziehen in Erwartung des Augenblicks, da die schnell heranreifende proletarische Revolution in einer Reihe fortgeschrittener Länder ausgereift sein würde.

Und wie sehr auch die Haie des englisch-französischen und amerikanischen Imperialismus vor Wut rasen mögen, wie sehr sie uns verleumden, wie viel Millionen sie auch zur Bestechung der rechts-sozialrevolutionären, der menschewistischen und der übrigen sozialpatriotischen Zeitungen ausgeben mögen, ich werde keine Sekunde schwanken, ein ebensolches „Übereinkommen" auch mit den deutschen imperialistischen Räubern zu schließen, wenn ein Angriff englisch-französischer Truppen auf Russland das erforderte. Und ich weiß sehr wohl, dass das klassenbewusste Proletariat Russlands, Deutschlands, Frankreichs, Englands, Amerikas, mit einem Wort, der ganzen zivilisierten Welt, meine Taktik billigen wird. Eine solche Taktik wird das Werk der sozialistischen Revolution erleichtern, ihren Vormarsch beschleunigen, die internationale Bourgeoisie schwächen und die Position der Arbeiterklasse befestigen, die jene besiegt.

Das amerikanische Volk hat schon längst, und zum Vorteil der Revolution, diese Taktik angewandt. Als das amerikanische Volk seinen großen Befreiungskrieg gegen seine Unterdrücker, die Engländer, führte, standen ihm auch die Franzosen und Spanier, denen ein Teil der jetzigen Vereinigten Staaten von Nordamerika gehörte, als Unterdrücker gegenüber. In seinem schweren Befreiungskrieg schloss das amerikanische Volk ebenfalls „Übereinkommen" mit den einen Unterdrückern gegen die anderen, um die Unterdrücker zu schwächen und diejenigen zu stärken, die gegen die Unterdrückung revolutionär kämpfen im Interesse der Massen der Unterdrückten. Das amerikanische Volk nutzte die Zwietracht zwischen Franzosen, Spaniern6 und Engländern aus, kämpfte zuweilen sogar gemeinsam mit den Armeen der einen Unterdrücker, der Franzosen und Spanier, gegen die anderen Unterdrücker, die Engländer; es besiegte zuerst die Engländer und machte sich dann (zum Teil durch Loskauf) von den Franzosen und Spaniern frei.

Das historische Handeln ist nicht das Trottoir des Newski-Prospekt", sagte der große russische Revolutionär Tschernyschewski. Wer die Revolution des Proletariats nur „unter der Bedingung" „erlaubt", dass sie leicht und glatt vonstatten gehe, dass sofort die vereinigte Aktion der Proletarier der verschiedenen Länder einsetze, dass im Vorhinein eine Garantie gegen Niederlagen gegeben werde, dass der Weg der Revolution breit, frei und gerade sei, dass auf dem Wege zum Siege nicht zeitweise schwerste Opfer getragen werden müssten, dass nicht „in einer belagerten Festung ausgeharrt", dass nicht die engsten, ungangbarsten, gewundensten und gefährlichsten Gebirgspfade erklommen werden müssten, – der ist kein Revolutionär, der hat sich von der Pedanterie der bürgerlichen Intelligenz nicht befreit, der wird in Wirklichkeit immer wieder in das Lager der konterrevolutionären Bourgeoisie hinab gleiten, wie unsere rechten Sozialrevolutionäre, wie die Menschewiki und sogar (wenn auch seltener) die linken Sozialrevolutionäre.

Im unmittelbaren Gefolge der Bourgeoisie lieben es diese Herren, uns wegen des „Chaos" der Revolution, wegen der „Zerstörung" der Industrie, wegen der Arbeitslosigkeit und des Brotmangels anzuklagen. Wie heuchlerisch sind doch diese Anklagen von Seiten der Leute, die den imperialistischen Krieg begrüßt und unterstützt haben oder ein „Übereinkommen" mit Kerenski trafen, der diesen Krieg fortsetzte! Gerade der imperialistische Krieg ist an all diesem Unheil schuld. Die Revolution, die aus dem Kriege geboren ist, muss notgedrungen durch unglaubliche Schwierigkeiten und Qualen hindurchgehen, die das mehrjährige, zerstörerische, reaktionäre Völkergemetzel uns als Erbe hinterlassen hat. Uns der „Zerstörung" der Industrie oder des „Terrors" anzuklagen, bedeutet Heuchelei oder offenbart plumpe Pedanterie, bedeutet unfähig zu sein, die Grundbedingungen des wütenden, aufs Äußerste verschärften Klassenkampfes zu begreifen, der Revolution heißt.

Dem Wesen der Sache nach beschränken sich „die Ankläger" dieser Art, wenn sie den Klassenkampf „anerkennen", auf Anerkennung in Worten; in der Tat jedoch verfallen sie immer wieder in die kleinbürgerliche Utopie der „Harmonie" und der „Zusammenarbeit" der Klassen. Denn in der Epoche der Revolutionen hat der Klassenkampf immer und in allen Ländern unvermeidlich und unausweichlich die Form des Bürgerkrieges angenommen! der Bürgerkrieg jedoch ist ohne Zerstörungen schlimmster Art, ohne Terror und ohne Einschränkung der formalen Demokratie im Interesse dieses Krieges undenkbar. Nur honigsüße Pfaffen – einerlei, ob christliche oder „weltliche" in Gestalt der Salon- und Parlamentssozialisten – können diese Notwendigkeit nicht einsehen, nicht begreifen, nicht fassen. Nur der unlebendige „Mann im Futteral" ist fähig, deswegen von der Revolution abzurücken, anstatt sich mit aller Leidenschaft und Entschlossenheit in den Kampf zu stürzen, wenn die Geschichte die Lösung der höchsten Fragen der Menschheit durch Kampf und Krieg fordert.

Im amerikanischen Volk lebt eine revolutionäre Tradition, welche die besten Vertreter des amerikanischen Proletariats übernommen haben, die uns Bolschewiki wiederholt ihre volle Sympathie ausdrückten. Diese Tradition, das ist der Befreiungskrieg gegen die Engländer im 18. Jahrhundert, sodann der Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert. Im Jahre 1870 stand Amerika in gewisser Hinsicht, berücksichtigt man bloß die „Zerstörung" einiger Zweige der Industrie und der Volkswirtschaft, hinter dem Jahre 1860 zurück. Aber was für ein Pedant, was für ein Idiot wäre der Mensch, der aus solchem Grund die so große weltgeschichtliche progressive und revolutionäre Bedeutung des amerikanischen Bürgerkrieges von 1863–1865 verneinen wollte.

Die Vertreter der Bourgeoisie begreifen, dass die Abschaffung der Negersklaverei, der Sturz der Sklavenhalterherrschaft es wert war, dass das ganze Land lange Jahre des Bürgerkrieges, eine Unmenge von Zerstörung, Verwüstung und Terror, die mit jedem Krieg verbunden sind, durchmachte. Jetzt aber, da es sich um die unermesslich größere Aufgabe handelt, die kapitalistische Lohnsklaverei abzuschaffen, die Herrschaft der Bourgeoisie zu stürzen jetzt können und wollen die Vertreter und Verteidiger der Bourgeoisie, ebenso wie die Reformisten unter den Sozialisten, die von der Bourgeoisie ins Bockshorn gejagt sind und die Revolution fürchten, die Notwendigkeit und Gesetzmäßigkeit des Bürgerkrieges nicht begreifen.

Die amerikanischen Arbeiter werden nicht mit der Bourgeoisie gehen. Sie werden mit uns sein, für den Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie. Die ganze Geschichte der internationalen wie der amerikanischen Arbeiterbewegung bestärkt mich in dieser Überzeugung. Ich erinnere mich auch der Worte eines der beliebtesten Führer des amerikanischen Proletariats, Eugen Debs, der – es scheint Ende 1915 in dem „Appeal to Reason"7 (Aufruf zur Vernunft) in dem Artikel „What shall I fight for" (Wofür werde ich kämpfen?) schrieb – (ich zitierte diesen Artikel Anfang 1916 in einer öffentlichen Arbeiterversammlung in Bern) –, dass er, Debs, sich eher erschießen lassen würde, als dass er für die Kredite für den gegenwärtigen verbrecherischen und reaktionären Krieg stimmen würde; dass er, Debs, nur einen vom Standpunkt der Proletarier heiligen und berechtigten Krieg kenne: eben den Krieg gegen die Kapitalisten, den Krieg zur Befreiung der Menschheit von der Lohnsklaverei!

Es wundert mich keineswegs, dass Wilson, das Haupt der amerikanischen Milliardäre, der Handlanger der kapitalistischen Haie, Debs ins Gefängnis sperrte. Mag die Bourgeoisie gegen die wahren Internationalisten, die wahren Vertreter des revolutionären Proletariats wüten! Je größer ihre Wut und ihre Brutalität, desto näher ist der Tag der siegreichen proletarischen Revolution.

Man klagt uns der Zerstörung an, die unsere Revolution erzeugt haben soll… Und wer sind denn die Ankläger? Die Schleppenträger der Bourgeoisie, – derselben Bourgeoisie, die in vier Jahren des imperialistischen Krieges fast die ganze europäische Kultur zerstört und Europa in Barbarei, Verwilderung und Hunger geführt hat. Diese Bourgeoisie fordert jetzt von uns, dass wir die Revolution nicht auf dem Boden dieser Zerstörungen, nicht auf den Trümmern der Kultur, Trümmern und Ruinen, die vom Krieg erzeugt, nicht mit den vom Krieg verwilderten Menschen durchführen. Oh, wie human und gerecht ist doch diese Bourgeoisie!

Ihre Diener klagen uns des Terrors an … Die englischen Bourgeois haben ihr Jahr 1649, die Franzosen ihr 1793 vergessen. Der Terror war gerecht und gesetzlich, als er von der Bourgeoisie zu ihren Gunsten gegen die Feudalherren angewandt wurde. Der Terror wurde aber ungeheuerlich und verbrecherisch, als ihn die Arbeiter und armen Bauern gegen die Bourgeoisie anzuwenden wagten! Der Terror war gerecht und gesetzlich, als er im Interesse der Ablösung der einen ausbeutenden Minderheit durch eine andere ausbeutende Minderheit angewandt wurde. Der Terror wurde ungeheuerlich und verbrecherisch, als er angewandt Wurde im Interesse des Sturzes jeder ausbeutenden Minderheit, im Interesse der wirklich gewaltigen Mehrheit, im Interesse des Proletariats und des Halbproletariats, der Arbeiterklasse und der armen Bauernschaft!

Die Bourgeoisie des internationalen Imperialismus hat in „ihrem" Krieg 10 Millionen Menschen gemordet und 20 Millionen zu Krüppeln gemacht, in dem Krieg, der darum geführt wird, ob die englischen oder die deutschen Räuber die ganze Welt beherrschen sollen.

Sollte unser Krieg, der Krieg der Unterdrückten und Ausgebeuteten gegen die Unterdrücker und Ausbeuter, in allen Ländern eine halbe oder eine ganze Million Opfer kosten, so wird die Bourgeoisie sagen, die Opfer des Weltkrieges seien berechtigt, die des Bürgerkrieges aber verbrecherisch.

Das Proletariat wird etwas ganz anderes sagen.

Das Proletariat macht sich jetzt inmitten der Gräuel des imperialistischen Krieges vollkommen und anschaulich jene große Wahrheit zu eigen, die alle Revolutionen lehren, die Wahrheit, die den Arbeitern ihre besten Lehrer, die Begründer des modernen Sozialismus, als Vermächtnis hinterlassen haben. Diese Wahrheit besteht darin, dass eine Revolution nicht erfolgreich sein kann, wenn nicht der Widerstand der Ausbeuter niedergehalten wird. Als wir Arbeiter und werktätige Bauern uns der Staatsmacht bemächtigt hatten, war es unsere Pflicht, den Widerstand der Ausbeuter niederzuhalten. Wir sind stolz darauf, dass wir es taten und dass wir es tun. Wir bedauern, dass wir es nicht genügend fest und entschlossen tun.

Wir wissen, dass in allen Ländern der wütende Widerstand der Bourgeoisie gegen die sozialistische Revolution unvermeidlich ist und dass er mit dem Wachstum dieser Revolution wachsen wird. Das Proletariat wird diesen Widerstand brechen, und im Verlaufe des Kampfes gegen die sich wehrende Bourgeoisie wird es endgültig für den Sieg und die Macht reif werden.

Mag die käufliche bürgerliche Presse jeden Fehler, den unsere Revolution begeht, in die Welt hinausposaunen. Wir fürchten unsere Fehler nicht. Dadurch, dass die Revolution begonnen hat, sind die Menschen nicht zu Heiligen geworden. Die werktätigen Klassen, die jahrhundertelang unterdrückt und durch Misshandlungen eingeschüchtert wurden, die man in den Schraubstock der Not, der Unwissenheit und der Verwilderung gezwängt hatte, sie vermögen nicht, eine Revolution fehlerlos durchzuführen. Und den Leichnam der bürgerlichen Gesellschaft kann man nicht, wie ich schon einmal Gelegenheit hatte aufzuzeigen, einfach in den Sarg legen und begraben. Der niedergeschlagene Kapitalismus stirbt8 und verwest mitten unter uns, verpestet unsere Luft, vergiftet unser Leben und umstrickt das Neue, Frische, Junge, Lebendige mit tausend Fäden und Banden des Alten, Morschen, Toten.

Auf je hundert unserer Fehler, die die Bourgeoisie und ihre Lakaien (darunter unsere Menschewiki und die rechten Sozialrevolutionäre) in die Welt hinausschreien, kommen 10.000 große Heldentaten, die um so größer und um so heroischer sind, als sie einfach und unscheinbar sind, sich im Alltag des Fabrikviertels oder des weltverlorenen Dorfes verbergen, und von Menschen ausgeführt werden, die nicht gewohnt sind (und auch keine Möglichkeit dazu haben), jeden ihrer Erfolge in die Welt hinauszuposaunen.

Aber wenn auch das Gegenteil der Fall wäre – ich weiß wohl, dass eine solche Annahme nicht richtig ist –, wenn selbst auf 100 unserer richtigen Handlungen 10.000 Fehler entfielen, ja, auch dann noch wäre unsere Revolution groß und unbesiegbar; und sie wird auch vor der Weltgeschichte groß und unbesiegt dastehen, denn zum ersten Mal geschieht es, dass nicht die Minderheit, nicht allein die Reichen und Gebildeten, sondern die wirklichen Massen, die ungeheure Mehrheit der Werktätigen, selbst ein neues Leben aufbauen, aus eigener Erfahrung die schwierigsten Fragen sozialistischer Organisation entscheiden.

Ein jeder Fehler in dieser Arbeit, in dieser gewissenhaftesten und aufrichtigsten Arbeit von Dutzenden Millionen einfacher Arbeiter und Bauern an der Umgestaltung ihres ganzen Lebens – ein jeder solcher Fehler wiegt Tausende und Millionen „fehlerloser" Erfolge der ausbeutenden Minderheit auf, alle die Erfolge bei der Übervorteilung und Überlistung der Werktätigen. Denn nur durch solche Fehler werden die Arbeiter und Bauern lernen, das neue Leben aufzubauen, werden sie lernen, ohne Kapitalisten auszukommen; nur so werden sie sich den Weg – durch tausend Hindernisse hindurch – zum siegreichen Sozialismus bahnen.

Fehler begehen in ihrer revolutionären Arbeit unsere Bauern, die mit einem Schlage in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober (alten Stils) 1917 jedes Privateigentum an Grund und Boden abgeschafft haben und die jetzt von Monat zu Monat, indem sie unermessliche Schwierigkeiten überwinden und sich selbst korrigieren, praktisch die schwierigste Aufgabe der Organisation der neuen Wirtschaftsordnung lösen, die Aufgabe, die Kulaken zu bekämpfen, den Werktätigen (und nicht den Reichen) den Boden zu sichern und zum kommunistischen Großbetrieb in der Landwirtschaft überzugehen.

Fehler begehen in ihrer revolutionären Arbeit unsere Arbeiter, die jetzt, im Verlauf weniger Monate, fast alle größeren Fabriken und Werke nationalisiert haben und durch schwere tägliche Arbeit das neue Werk der Verwaltung ganzer Industriezweige erlernen, die die nationalisierten Betriebe in Gang bringen, den gigantischen Widerstand der Trägheit, der Kleinbürgerlichkeit und des Egoismus überwinden, die Stein auf Stein das Fundament der neuen gesellschaftlichen Bindungen, der neuen Arbeitsdisziplin und der neuen Macht der Arbeitergewerkschaften über ihre Mitglieder errichten.

Fehler begehen in ihrer revolutionären Arbeit unsere Sowjets, die schon 1905 durch den machtvollen Aufschwung der Massen ins Leben gerufen worden sind. Die Sowjets der Arbeiter und Bauern, das ist ein neuer Staatstypus, ein neuer, höherer Typus der Demokratie, das ist die Form der Diktatur des Proletariats, die Art und Weise, den Staat ohne die Bourgeoisie und gegen die Bourgeoisie zu lenken. Zum ersten Mal dient hier die Demokratie den Massen, den Werktätigen, weil sie aufgehört hat, eine Demokratie für die Reichen zu sein, wie das die Demokratie in allen bürgerlichen, selbst den demokratischsten Republiken bleibt. Zum ersten Mal lösen die Volksmassen in einem Maßstab von hundert Millionen Menschen die Aufgabe, die Diktatur der Proletarier und Halbproletarier zu verwirklichen, –- eine Aufgabe, ohne deren Lösung von Sozialismus nicht einmal die Rede sein kann.

Mögen Pedanten oder Leute, die unheilbar mit bürgerlich-demokratischen oder parlamentarischen Vorurteilen vollgestopft sind, über unsere Sowjets voller Bedenken den Kopf schütteln und sich z. B. darüber aufhalten, dass es keine direkten Wahlen gibt. Diese Leute haben während der großen Umwälzungen von 1914–1918 nichts gelernt und nichts vergessen. Die Vereinigung der Diktatur des Proletariats mit der neuen Demokratie für die Werktätigen – des Bürgerkrieges mit der breitesten Hineinziehung der Massen in die Politik i, eine solche Vereinigung ergibt sich nicht auf einmal und lässt sich nicht in die ausgeleierten Formen des routinierten parlamentarischen Demokratismus hineinzwängen. Die neue Welt, die Welt des Sozialismus – sie erhebt sich in ihren Umrissen vor uns als Sowjetrepublik. Kein Wunder, dass diese Welt nicht fix und fertig geboren wird, nicht auf einmal hervorbricht, wie Minerva aus dem Kopfe Jupiters.

Wenn die alten bürgerlich-demokratischen Verfassungen zum Beispiel die formale Gleichheit und Versammlungsfreiheit in allen Farben ausmalten, so lehnt unsere proletarische und bäuerliche Sowjetverfassung die Heuchelei der formalen Gleichberechtigung vollkommen ab. Als die bürgerlichen Republikaner Throne stürzten, scherte man sich nicht um die formale Gleichberechtigung der Monarchisten mit den Republikanern. Wenn es sich nun um den Sturz der Bourgeoisie handelt, so können nur Verräter oder Idioten sich für die formale Gleichberechtigung der Bourgeoisie einsetzen. Nicht einen Pfifferling ist die „Versammlungsfreiheit" für die Arbeiter und Bauern wert, wenn alle besseren Gebäude von der Bourgeoisie besetzt sind. Unsere Sowjets nahmen den Reichen alle guten Gebäude in den Städten wie in den Dörfern und übergaben alle diese Gebäude den Arbeitern und Bauern für ihre Verbände und Versammlungen. Das ist unsere Versammlungsfreiheit – für die Werktätigen! Darin besteht Sinn und Inhalt unserer Sowjetverfassung, unserer sozialistischen Konstitution!

Und deshalb sind wir alle auch so fest davon überzeugt, dass die Sowjetrepublik, welches Unheil sich auch noch über sie entladen sollte, unbesiegbar ist.

Sie ist unbesiegbar, denn jeder Schlag des rasenden Imperialismus, jede neue Niederlage, die wir durch die internationale Bourgeoisie erleiden, lässt neue und immer neue Schichten der Arbeiter und Bauern sich zum Kampf erheben, erzieht sie um den Preis größter Opfer, stählt sie und erzeugt neuen Massenheroismus.

Wir wissen, Genossen amerikanische Arbeiter, dass Hilfe von Eurer Seite vielleicht noch nicht so bald kommen wird, denn die Entwicklung der Revolution in den verschiedenen Ländern vollzieht sich in verschiedenen Formen und in verschiedenem Tempo (und kann sich nicht anders vollziehen). Wir wissen, dass die europäische proletarische Revolution vielleicht noch nicht in den nächsten Wochen aufflammen wird, wie schnell sie auch in der letzten Zeit heranreift. Wir setzen auf die Unvermeidlichkeit der internationalen Revolution; das bedeutet aber keineswegs, dass wir törichterweise auf die Unvermeidlichkeit der Revolution innerhalb einer bestimmten kurzen Frist setzen. Wir haben in unserem Lande zwei große Revolutionen erlebt, 1905 und 1917, und wir wissen, dass Revolutionen weder auf Bestellung noch auf Verabredung gemacht werden. Wir wissen, dass die Umstände unsere, Russlands, Abteilung des sozialistischen Proletariats haben vormarschieren lassen, nicht dank unserer Verdienste, sondern infolge der besonderen Rückständigkeit Russlands; dass vor dem Ausbruch der internationalen Revolution eine Reihe von Niederlagen einzelner Revolutionen möglich sind.

Und dennoch wissen wir bestimmt, dass wir unbesiegbar sind, denn die Menschheit wird durch das imperialistische Gemetzel nicht zerbrochen werden, sondern wird es überwinden. Und das erste Land, das die Zuchthausketten des imperialistischen Krieges zerrissen hat, war unser Land. Wir haben die schwersten Opfer gebracht im Kampf für die Zerreißung dieser Ketten, aber wir haben sie zerrissen. Wir stehen außerhalb der imperialistischen Abhängigkeiten, wir haben vor der ganzen Welt das Banner des Kampfes für den völligen Sturz des Imperialismus entfaltet.

Wir befinden uns gleichsam in einer belagerten Festung, solange uns die anderen Abteilungen der sozialistischen Weltrevolution nicht zu Hilfe kommen. Aber diese Abteilungen sind vorhanden, sie sind zahlreicher als die unsrigen; sie wachsen, reifen, erstarken, je länger die Brutalitäten des Imperialismus fortgesetzt werden. Die Arbeiter brechen mit ihren Sozialverrätern, den Gompers, Henderson, Renaudel, Scheidemann9, Renner. Langsam, aber unentwegt, kommen die Arbeiter zur kommunistischen, bolschewistischen Taktik, zur proletarischen Revolution, die allein imstande ist, Kultur und Menschheit vor dem Untergang zu retten..

Mit einem Wort, wir sind unbesiegbar, denn unbesiegbar ist die proletarische Weltrevolution.

N. Lenin

20. August 1918.

1 In der Ausgabe von 1918 ist das Wort „Völker" ausgelassen. Die Red.

2 In der Ausgabe von 1918: „Länder". Die Red.

3 In der Ausgabe von 1918 steht an Stelle der Worte: „Kapitalismus“, „Kapitalisten" das Wort: „Imperialismus". Die Red.

4 Es gibt solche und solche. Die Red.

5 In der Ausgabe von 1918: „Invasion". Die Red.

6 In der Ausgabe von 1918 fehlt das Wort „Spaniern". Die Red.

7 In dieser Zeitung erschien am 11. September 1915 ein Artikel von E. Debs „In whose war I will fight" („In welchem Krieg werde ich kämpfen"). Lenin meint die folgende Stelle aus diesem Artikel: „…Wäre ich Kongressmitglied, würde man mich eher erschießen müssen, als dass ich auch nur für einen einzigen Dollar für diesen Krieg stimmen würde……Ich bin gegen jeden Krieg, mit Ausnahme eines einzigen: für diesen einen stehe ich mit meiner ganzen Seele, und das ist der Weltkrieg für die soziale Revolution. In diesem Krieg hin ich bereit, mit allen Mitteln zu kämpfen, zu denen die herrschende Klasse uns zwingen wird, einschließlich der Barrikaden."

8In der Ausgabe von 1918 „verfault". Die Red.

9 In der Ausgabe von 1918 fehlen die Worte „Henderson, Renaudel, Scheidemann". Die Red.

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