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Wladimir I. Lenin 19150214 Deklaration des Zentral-Komitees der SDAPR

Wladimir I. Lenin: Deklaration des Zentralkomitees der SDAPR

[Sozialdemokrat Nr. 40, 29. März 1915. Nach Sämtliche Werke, Band 18, Wien-Berlin 1929, S. 156-158]

Bürger! Eure Konferenz nennt sich Konferenz der sozialistischen Parteien der verbündeten kriegführenden Länder Belgien, England, Frankreich und Russland. Gestattet mir vor allem, eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass die Sozialdemokratie Russlands als organisiertes Ganzes, das vom Zentral-Komitee vertreten wird und dem Internationalen Sozialistischen Büro angeschlossen ist (ihm offiziell angehört), von euch keine Einladung erhalten hat. Die russische Sozialdemokratie, deren Auffassungen von den Mitgliedern der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiter-Fraktion in der Duma zum Ausdruck gebracht wurden – sie werden zur Zeit von der zaristischen Regierung in Haft gehalten (Petrowski, Muranow, Samoilow, Badajew, Schagow – die Vertreter der Arbeiterschaft der Gouvernements Petersburg, Jekaterinoslaw, Charkow, Kostroma und Wladimir) –, hat mit eurer Konferenz nichts gemein. Wir hoffen, dass ihr dies öffentlich erklären werdet, um euch nicht der Beschuldigung auszusetzen, dass ihr die Wahrheit entstellt.

Gestattet mir nun einige Worte über die Ziele eurer Konferenz, d. h. lasst mich sagen, was die klassenbewussten sozialdemokratischen Arbeiter Russlands von euch erwarten würden.

Wir glauben, dass vor jedweder Behandlung der Frage der Wiederherstellung der Internationale, vor jedem Versuch zur Wiederherstellung der internationalen Verbindung zwischen den sozialistischen Arbeitern unsere sozialistische Pflicht uns das folgende zu fordern gebietet:

1. dass Vandervelde, Guesde und Sembat unverzüglich aus den bürgerlichen Ministerien Belgiens und Frankreichs austreten;

2. dass die belgische und die französische sozialistische Partei den sogenannten „nationalen Block“ sprengen, der als Lossagung von der sozialistischen Fahne anzusehen ist und nur zur Verhüllung der von der Bourgeoisie veranstalteten Orgien des Chauvinismus dient;

3. dass alle sozialistischen Parteien ihre Politik der Ignorierung der vom russischen Zarismus begangenen Verbrechen aufgeben und die Unterstützung des von den russischen Arbeitern geführten Kampfes gegen den Zarismus wieder aufnehmen, ohne vor irgendwelchen Opfern haltzumachen;

4. dass in Ausführung der Baseler Kongress-Resolutionen die Erklärung abgegeben wird: dass wir die Hand reichen all den revolutionären Sozialdemokraten Deutschlands und Österreichs, die die Kriegserklärung mit der Vorbereitung der Propaganda für die revolutionäre Aktion beantwortet haben. Die Bewilligung der Kriegskredite ist unbedingt zu verurteilen.

Die Sozialdemokraten Deutschlands und Österreichs haben am Sozialismus und an der Internationale ein ungeheuerliches Verbrechen begangen, als sie die Kriegskredite votierten und mit den Junkern, den Pfaffen und der Bourgeoisie den „Burgfrieden schlossen, allein die belgischen und französischen Sozialisten haben keineswegs besser gehandelt. Wir verstehen vollkommen, dass Umstände eintreten können, unter denen die Sozialisten, wenn sie in der Minderheit sind, sich der bürgerlichen Mehrheit zu fügen gezwungen sind, unter keinen Umständen aber dürfen Sozialisten aufhören, Sozialisten zu sein, unter keinen Umständen dürfen sie sich in den Chor der bürgerlichen Chauvinisten einreihen, die Arbeitersache vergessen und in bürgerliche Ministerien eintreten.

Die deutschen und österreichischen Sozialisten machen sich eines großen Verbrechens am Sozialismus schuldig, wenn sie dem Beispiel der Bourgeoisie folgend, heuchlerisch behaupten, die Hohenzollern und Habsburger führten den Krieg um die Befreiung „vom Zarismus“.

Aber nicht geringer ist das Verbrechen derer, die die zunehmende Demokratisierung und Zivilisierung des Zarismus behaupten, die mit Stillschweigen sich über die Tatsache hinwegsetzen, dass der Zarismus das unglückliche Galizien ganz genau so unterdrückt und dem Ruin ausliefert, wie der deutsche Kaiser Belgien, – und derer, die den Mund nicht auftun darüber, dass die zaristische Bande die Parlamentsvertreter der Arbeiterklasse Russlands ins Gefängnis geworfen und vor ganz kurzem einige Moskauer Arbeiter wegen bloßer Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei zu 6 Jahren Zwangsarbeit verurteilt hat; dass der Zarismus Finnland noch schlimmer als früher unterdrückt, dass die Arbeiterzeitungen und die Arbeiterorganisationen in Russland geschlossen worden sind, dass die Milliarden, die der Krieg erfordert, von der zaristischen Clique aus den hungernden Bauern und den besitzlosen Arbeitern herausgepresst werden.

Die Arbeiter Russlands strecken den Sozialisten als Genossen die Hand entgegen, die wie Karl Liebknecht, wie die Sozialisten Serbiens und Italiens handeln, wie die britischen Genossen aus der „Unabhängigen Arbeiter-Partei“ und manche Mitglieder der „Britischen Sozialistischen Partei“, wie unsere verhafteten Genossen aus der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands.

Auf diesen Weg rufen wir euch, auf den Weg des Sozialismus. Nieder mit dem Chauvinismus, der die proletarische Sache zugrunde richtet! Es lebe der internationale Sozialismus!

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