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Karl Liebknecht 19120425 Die preußische Staatsgewalt – „brutale Exekutive der herrschenden Klassen"

Karl Liebknecht: Die preußische Staatsgewalt – „brutale Exekutive der herrschenden Klassen"

Rede im preußischen Abgeordnetenhaus in der zweiten Lesung des Etats des Ministeriums des Innern1

[Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, V. Session 1912/13, 4. Bd., Berlin 1912, Sp. 4545-4576 und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, S. 238-291]

Meine Herren, wenn nicht die letzten Worte des Herrn Ministers an die Rede des Abgeordneten Pachnicke angeknüpft hätten, dann hätte man meinen dürfen, es handle sich um eine Rede gegen den Abgeordneten Korfanty, die durch Zufall aus dem Reichstag in den Landtag geraten ist. Die Ausführungen des Herrn Ministers über die Missbräuche in seinem Ressort waren ja so ungemein sanftmütig; es fehlt uns beinahe das Verständnis dafür, dass das derselbe Minister ist, der vor wenigen Wochen die heftigsten Worte gegen gewisse Beamte gebraucht hat, Schimpfworte in diesem Saale hat fallen lassen, derselbe Minister, der heute den mildesten Regen der christlichen Barmherzigkeit, des christlichen Verständnisses auf alle Beamten, gerechte und ungerechte, hat herabrieseln lassen, auf alle Beamten, gleichviel, ob sie irgendwo einmal gegen die Verfassung, gegen das Reichsvereinsgesetz oder sonst was verstoßen haben sollten.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, diese unendliche christliche Sanftmut des Ministers des Innern ist so charakteristisch für seine Haltung, wie sie ja alljährlich wiederkehrt. Wir haben bei den Debatten über das Gehalt des Ministers des Innern noch niemals erlebt, wenigstes solange ich in diesem Hause bin, dass er auch nur im Allergeringsten bereit war zuzugeben, dass in seinem Ressort etwas in Unordnung war, und wenn er heute schließlich zugegeben hat, dass Missgriffe vorgekommen sind, so sind diese Missgriffe von ihm gewissermaßen beurteilt worden als eine gottgewollte Abhängigkeit von der menschlichen Schwäche und der unvermeidlichen Verständnislosigkeit der Beamten für die Gesetze, an die sie sich noch nicht haben gewöhnen können.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Er ist nicht ein einziges Mal dem Gedanken auch nur näher getreten, ob die Beamten vielleicht auch einmal fahrlässig, vielleicht sogar dolös gehandelt haben können, obwohl gerade dafür ein bergehohes Material vorliegt.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Nun, ich will mich aber durch die speziell gegen den Abgeordneten Korfanty, der hier nicht anwesend ist und hier nicht gesprochen hat, gerichteten Ausführungen des Herrn Ministers nicht aus meinem Konzept bringen lassen, sondern zunächst einmal meine Befriedigung darüber ausdrücken, wie sehr auch bei der kurzen bisherigen Debatte über das Gehalt des Ministers des Innern wiederum zum Ausdruck gekommen ist, dass die Sozialdemokratie die Achse der ganzen deutschen inneren Politik geworden ist. Es ist sehr interessant zu beobachten, wie die Verhandlungen, die vor einiger Zeit im Hause bei der Generaldebatte über den Etat gepflogen worden sind, ebenso wie die bei der Interpellation über den Bergarbeiterstreik eigentlich immer und immer wieder das Thema der Bekämpfung der Sozialdemokratie variiert haben. Es ist interessant zu sehen, wie auch bei den einzelnen anderen Ressorts, bei dem Ressort des Arbeitsministers, des Handelsministers usw., immer und immer der Refrain vom Ministertisch, das Ceterum censeo, in den Saal hineingerufen worden ist: Die Bekämpfung der Sozialdemokratie ist unsere wichtigste und erste Aufgabe. Es ist ja erinnerlich, dass sogar der Verkehrsminister dies als seine erste und wichtigste Aufgabe bezeichnet hat, obwohl nach unserer unmaßgeblichen Meinung seine erste und wichtigste Aufgabe die Verwaltung und Förderung des Verkehrswesens sein sollte.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Von großem Interesse ist es auch zu sehen, wie durch die Verschiebung der Parteiverhältnisse die Sozialdemokratie mehr als je in die glückliche Lage gekommen ist, sich als lachender Dritter über die Verlegenheiten der bürgerlichen Parteien dieses Hauses freuen zu dürfen. Sie entsinnen sich jener vor einigen Wochen gepflogenen Debatten, wo die liberalen Parteien gegenüber der Sozialdemokratie von den Herren von der Rechten geradezu als das bösartigste Übel bezeichnet wurden, während wir auf der anderen Seite wiederum von den liberalen Parteien hören mussten, dass wir im Verhältnis zu den Konservativen und dem Zentrum doch die besseren Menschen seien. Sie sehen, wie wir Sozialdemokraten, sei es, dass die Kritik von rechts kommt, sei es, dass sie von links kommt, immer ausgezeichnet abschneiden.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten und Heiterkeit.)

Wir müssen uns in der Tat die größte Mühe geben, um nicht in einen gewissen Hochmut zu verfallen.

(Heiterkeit.)

Es ist uns von dem Herrn Abgeordneten Dr. Pachnicke, der ja recht lebhafte Angriffe gegen den Minister des Innern gerichtet hat, ein Wort des Herrn Geheimrats Schmoller zu bedenken gegeben. Geheimrat Schmoller hat von der Sozialdemokratie gefordert und erwartet – und dasselbe fordert und erwartet auch Herr Pachnicke –, dass wir lernen, die Elemente unseres Staatswesens zu begreifen und zu würdigen. Ja, es ist eine kleine Verwechslung, die hier sowohl Herrn Schmoller wie Herrn Pachnicke unterlaufen ist. Die Aufforderung, die Elemente unseres Staatswesens kennenzulernen, müsste an andere Parteien gerichtet werden.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Denn es gibt keine Partei, die das Wesen unseres Staates so deutlich und klar bis in den Grund hinein erkennt und seit jeher erkannt hätte wie gerade die Sozialdemokratie.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten. – Lachen rechts.)

Ihr Lachen beweist, dass ich recht habe, es ist ein Lachen der Verlegenheit. Die ganze Rede des Abgeordneten Pachnicke, da sie eine Oppositionsrede, eine Rede der Kritik war, beweist, wie recht ich habe mit dieser Behauptung, denn alles, was er zur Kritik des Ministeriums des Innern vorgebracht hat, beweist, dass das Wesen unserer preußischen Staatsgewalt nichts anderes ist als das einer brutalen Exekutive für die Interessen der herrschenden Klassen,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

und die ganze Art, wie die Staatsgewalt bei uns in Preußen Partei ergreift für die Parteien der Rechten und sich nur zuweilen, unter gewissen Voraussetzungen des Zwanges, veranlasst sieht, ihre Haltung ein klein bisschen zu dämpfen oder, je nachdem, energischer zu gestalten – alles das zeigt, dass diese Regierung im Schlepptau einer einzigen großen Partei ist und der ihr unmittelbar nahestehenden Personen, wie sie geradezu nur als deren Beauftragte angesehen werden kann und wie alle übrigen Parteien, auch die Parteien der bürgerlichen Linken, im Grunde genommen die Rolle des Aschenbrödels haben. Allerdings müssen wir hier Einschränkungen machen, und zwar, soweit es sich um das industrielle Scharfmachertum handelt, sehr erhebliche; aber diese Männer des industriellen Scharfmachertums, die hier und da in der Nationalliberalen und in der Freikonservativen Partei recht vielfach zu finden sind, sind im Grunde ein Herz und eine Seele mit den Herren der Rechten, und sie haben das im jüngsten Wahlkampf in denkbar eindeutigster Weise zum Ausdruck gebracht.

Nun die Elemente unseres preußischen Staatswesens! Man soll das „moderne Preußen" begreifen können! Ist denn das moderne Preußen etwas anderes als das Preußen vor 50 und 60 Jahren? Ist das moderne Preußen etwas anderes, als es das Preußen vor hundert Jahren gewesen ist? Es gibt ja kein modernes Preußen, das ist ein Widerspruch in sich selbst. Man darf auf den preußischen Staat jenes schöne französische Sprichwort anwenden: Plus ça change plus c'est la même chose! Je mehr er sich ändert, um so mehr bleibt er der alte.

[Wahlterror]

Nun möchte ich den Herrn Minister, der die beabsichtigte Unparteilichkeit der Verwaltungsbehörden ins hellste Licht zu rücken gesucht hat, der alle Abweichungen von dieser Unparteilichkeit auf die menschlichen Schwächen zurückzuführen versucht hat, auf ein Vorkommnis aus dem letzten Reichstagswahlkampf hinweisen, das er besser täte, mit einiger Energie zu studieren, als hier in solcher Weise das Sprüchlein zu wiederholen: Dies Kind, kein Engel ist so rein! Ich denke an den Vorgang, der sich in Gatow, in meinem Wahlkreis, am Stichwahltag abgespielt hat. Da ist von einem Gendarmen in Gemeinschaft mit dem Wahlvorsteher, dem dortigen Amtsvorsteher, eine unerhörte turbulente Szene bei Feststellung des Wahlergebnisses willkürlich herbeigeführt worden. Es ist von dem Gendarmen auf Anweisung des Wahlvorstehers mit blanker Waffe gegen die im Wahllokal anwesenden sogenannten Kontrolleure vorgegangen worden, und es sind einem Freund von mir, einem gewissen Hornig, einem der ruhigsten Männer, die ich kenne, von dem Gendarmen, als er auf Veranlassung des Wahlvorstehers bereits aus dem Wahllokal gegangen war, außerhalb des Wahllokals auf der Treppe von rückwärts eine Anzahl heftiger Säbelhiebe versetzt worden.1

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Dieser Vorgang, der hoffentlich auch ein gerichtliches Nachspiel haben wird, hat den Eindruck bei den Beteiligten erweckt, dass es sich um eine abgekartete, vorbereitete Sache handelte. Denn der Gendarm ist bereits längere Zeit vor Schluss des Wahlaktes im Wahllokal anwesend gewesen, auch ein Vorgang, der auf das äußerste zu missbilligen ist. Was hat der Gendarm in dem Wahllokal zu suchen?

(Heiterkeit rechts.)

Ja, meine Herren, Sie wünschen natürlich, dass der Gendarm allüberall sei, und Sie wünschten, dass neben jedem Wähler ein Gendarm stehe, damit ja nur in Ihrem Sinne gewählt werden könne, „frei, ohne jeden Terrorismus". Jener Gatower Gewaltakt gehört mit zu dem Skandalösesten, was ich bisher bei der Verwaltung erlebt habe. Aber, wenn Sie meinen, das sei ein einzelner Vorgang, so kann ich Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung von der letzten Wahl noch manche Einzelheit berichten, wo sich Wahlvorsteher geradezu unglaublich betragen haben, und zwar auch gegen mich, der ihnen doch genügend legitimiert war. Aber ich will nicht zu sehr in die Einzelheiten hinein steigen

Der Herr Minister hat im vergangenen Jahre gegenüber den Angriffen meines Freundes Hirsch wegen seiner Stellung zur Freien Volksbühne2 die Entschuldigung gefunden, dass es sich gar nicht um einen Akt der Unfreundlichkeit, sondern gewissermaßen um einen Akt der Ordnungsliebe handele; es sei nun einmal so, dass dieser Verein als keine geschlossene Organisation betrachtet werden könne, und infolgedessen müsse er den Zensurschwierigkeiten usw. unterworfen werden.

Der Herr Minister hat an und für sich schon keinen Anspruch darauf, dass wir ihm so etwas glauben, weil wir ja diese Ordnungsliebe von ihm stets in einer so einseitigen Weise betätigt finden, stets nur, wenn es sich darum handelt, die Gesetze in der penibelsten und engherzigsten Weise gegen die Sozialdemokratie und andere missliebige politische Parteien anzuwenden, während diese Ordnungsliebe nicht vorhanden ist, wenn es sich darum handelt, die Gesetze in gleicher Weise – ich erinnere nur an das preußische Pressegesetz und an das Vereinsgesetz – gegen die bei der Regierung politisch beliebten Parteien anzuwenden. Schon allein diese Tatsache der täglichen Erfahrung beweist uns zur Genüge, dass es sich damals um etwas ganz anderes gehandelt hat, dass es nicht ein Samtpfötchen war, mit dem der Herr Minister da gekommen ist, sondern dass das Samtpfötchen mit den nötigen Krallen versehen war.

Die wahren Motive des Herrn Ministers und des Berliner Polizeipräsidiums in dieser Beziehung sind in Erscheinung getreten bei einer Parallelaktion, die inzwischen von dem Herrn Kultusminister gegen den Berliner Volkschor unternommen worden ist, eine Parallelaktion, über die ich beim Kultusetat schon gesprochen habe. Da ist in der einfachsten und klarsten Weise zutage getreten, dass die Königliche Staatsregierung alle auf der Selbsttätigkeit der arbeitenden Bevölkerung beruhenden Bildungsbestrebungen in der tiefsten Seele hasst und zu unterdrücken sucht, koste es, was es wolle. Wir sind also nicht in der Lage, der Regierung hier die geringsten mildernden Umstände zubilligen zu können. Die Regierung hat sich durch ihr Vorgehen gegen die Freie Volksbühne als das Gegenteil eines kulturellen Faktors erwiesen, nämlich als dasjenige, was sie leider der Regel nach ist, als ein Hemmnis des freien, aus der Initiative des Volkes hervorgehenden Fortschritts.

Ich komme auf eine andere Angelegenheit, die sich in Breslau und anderwärts abgespielt hat und sich immer wieder erneuert, auf den Polizeikampf gegen die roten Kranzschleifen. Was in diesem kleinlichen Kampfe speziell von der Breslauer Polizei geleistet wird, überschreitet in der Tat alles. Ich habe mir gestattet, im vorvergangenen Jahre Einzelheiten darüber anzuführen. Die Mitteilungen in diesem Hause und die Brandmarkung vor der Öffentlichkeit haben nicht dazu beitragen können, irgendwie Remedur zu schaffen; es ist alles beim Alten. Dieser blamable Kleinkrieg wird in Breslau und anderwärts fortgesetzt.

[Der „unpolitische" Reichsverband gegen die Sozialdemokratie]

Nun aber zu einer Angelegenheit von prinzipaler politischer Bedeutung! Meine Herren, Sie wissen, dass unser Bürgerliches Gesetzbuch unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit gibt, dass Vereine ins Vereinsregister eingetragen werden. Diese Eintragung ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unter der Voraussetzung ausgeschlossen, dass es sich um einen Verein mit politischen und sozialpolitischen Bestrebungen handelt. Darüber, inwieweit diese Hemmungsvoraussetzung vorliegt, ist die Polizeibehörde insofern zu urteilen berufen, als von ihr Einspruch erhoben werden kann oder jeweils erhoben werden muss. Nun, meine Herren, ist es vor kurzem möglich gewesen festzustellen, dass der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie3 im Vereinsregister des Berliner Amtsgerichts Mitte eingetragen ist,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

der Reichsverband, dieser Verein von so ausgeprägtem politischen Charakter wie irgendeiner.

Meine Herren, ich meine, dass das tatsächlich doch auf die Bäume steigt! Man weiß wirklich keinen parlamentarischen Ausdruck zu finden für eine solche Tatsache, die um deswillen so besonders eklatant als eine gröbliche Gesetzwidrigkeit ins Auge springt, weil jeder Versuch, etwa Arbeiterorganisationen, die wirklich keine politischen oder sozialpolitischen Bestrebungen verfolgen, zum Beispiel Vergnügungs-, Turn-, Sportvereine usw., in das Vereinsregister einzutragen, stets misslungen ist, so dass diese Vereine in der Verfolgung ihrer Rechte sehr beschränkt sind.

Meine Herren, dass auch der Bund der Landwirte4 als ein angeblich unpolitischer Verein im Vereinsregister eingetragen ist, das ist eine Tatsache, die Ihnen allen wohl auch bekannt sein dürfte. Es ist unter diesen Umständen nicht erstaunlich, wenn wir von den „Münchener Neuesten Nachrichten" hören, dass eine Absicht, den Deutschen Wehrverein5 und andere vaterländische Vereine als politisch zu erklären, amtlicherseits nicht besteht.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, die Kriegervereine sind nicht politisch, das haben wir immer gehört; der Flottenverein6 ist nicht politisch, das haben wir immer gehört; der Bund der Landwirte ist nicht politisch, das haben Sie uns ja auch tausendmal erzählt. Nun wissen wir auch, dass der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie nicht politisch ist. Nächstens werden die Konservative Partei und alle bürgerlichen Parteien mit Ausnahme der Sozialdemokratie und der Polen für nicht politisch erklärt, und nur die Sozialdemokratie und vielleicht ebendiese nationalen Minderheiten werden überhaupt noch als politisch betrachtet.

Meine Herren, das ist ja ein karikaturistisches Zukunftsbild, das ich zu zeichnen versucht habe; aber dieser Zustand ist eigentlich schon heute Tatsache; denn wir finden, dass die Art, wie die Behörden ihres Amtes walten, so ist, als ob in der Tat Politik nur von Seiten der Sozialdemokratie getrieben werde. Wir brauchen uns doch nur jener bekannten amtlichen Redensart zu erinnern, die aus allen möglichen bürgerlichen Parteien heraus tönt, wonach die Parteien, die den Kampf gegen die Sozialdemokratie führen, den Kampf für die Königstreue, so, wie Sie sie meinen, für die Vaterlandsliebe, wie Sie sie meinen, kurzum für die Geschäfte der großen Parteien – wonach alles das keinerlei politische Bestrebungen sind; nur die Sozialdemokratie ist politisch.

[Politische Gesinnungsschnüffelei]

Ich komme jetzt auf eine andere Angelegenheit, das Thema: Heer und Sozialdemokratie. Gestützt auf einen Erlass des Ministers des Innern haben die Landräte Ende März 1912 an die Polizeibehörden ein Rundschreiben erlassen, das folgendermaßen lautet:

Vertraulich!

Nach einem Erlass des Herrn Ministers des Innern sind den Militärbehörden diejenigen ausgehobenen Militärpflichtigen namhaft zu machen, welche erstens bereits eine gewisse Führerrolle in der Sozialdemokratischen Partei eingenommen, zweitens eine agitatorische Tätigkeit zur Verbreitung sozialdemokratischer Lehren entfaltet oder durch sonstige Handlungen sich als zielbewusste Vertreter der sozialdemokratischen Lehren betätigt haben."

Meine Herren, dabei soll unterschieden werden zwischen überzeugten Anhängern der Sozialdemokratie und sogenannten Mitläufern. Dieser Erlass, der in der Presse vielfache Angriffe erfahren hat, wird in der Nummer vom 28. März 1912 der „Deutschen Tageszeitung" mit aller Energie verteidigt. Es wird auf die Pflicht und das Recht der Polizei hingewiesen, mit den militärischen Behörden Hand in Hand zu arbeiten, und gesagt, dass diese Maßnahmen nicht nur dem Interesse des Heeres und des Landes, sondern auch „dem Interesse der von der Sozialdemokratie verführten Elemente selber" dienen. Es handele sich keineswegs um einen Skandal, sondern um die Erfüllung einer ganz selbstverständlichen Pflicht.

Meine Herren, wir Sozialdemokraten verführen die Leute wahrhaftig nicht. Das wissen Sie auch ganz genau; Sie sind bloß wütend darüber, dass wir die Fesseln zerschneiden, durch die Sie die Masse der Bevölkerung gewalttätig an sich und Ihre Staatsauffassung und Ihre Art der politischen Betätigung zu ketten suchen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Sie nennen es Verführung, wenn wir die Massen politisch befreien, zur Selbständigkeit, zum eigenen Denken anspornen; das nennen Sie Verführung, während es in der Tat geistige und moralische Befreiung ist.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Im Übrigen habe ich nicht notwendig, mich mit diesen Erlassen näher zu beschäftigen. Sie im Abgeordnetenhause stehen geschlossen hinter diesen Erlassen. Es brauchte Ihres Beifalls von vorhin absolut nicht; den konnten Sie sich wahrhaftig sparen. Ich habe es auch nicht vorgebracht, um in diesem Hause ein Echo für meine Angriffe und Rekriminationen zu finden. Das finden wir in diesem Hause niemals und wollen wir auch gar nicht haben. Wenn wir ein solches Echo fänden, würden wir unsere Pflicht und Schuldigkeit in diesem Hause nicht tun; wir müssen das Echo anderwärts finden, und daher richten wir die Angriffe gegen Sie. Wenn sich hier aber die politische Stigmatisierung auf das Militär bezieht, so bin ich in der Lage zu zeigen, dass die Polizei nicht nur zu militärischen Zwecken solche politische Gesinnungsschnüffelei treibt und dazu beiträgt, dass etwaige politische Denunziationen an die richtige Stelle gebracht werden.

Meine Herren, es liegen mir vor einige polizeiliche Führungsatteste, eines Danzig und eines Wormditt, also beide aus den gesegneten Gefilden Ostelbiens. In dem ersten Attest heißt es am Schluss:

„… dass der Genannte, soviel hier bekannt, sich an sozialdemokratischen Bestrebungen nicht beteiligt hat."

Dieses ist geschrieben, aber das andere, aus Wormditt, ist ein gedrucktes Formular, also ein sehr charakteristischer Beweis dafür, dass eine allgemeine Praxis der Behörde vorliegt. Da steht am Schluss:

Über seine Person und Führung ist Nachteiliges hier nicht zur Kenntnis gelangt; auch hat er nicht an sozialdemokratischen Bestrebungen teilgenommen. Bestraft ist er, soweit hier bekannt wurde, nicht."

Meine Herren, das ist im Allgemeinen nicht das Formular, das einem gewöhnlichen Staatsbürger von der Polizei in die Hand gegeben wird; in dem dafür üblichen Atteste findet sich dieser Passus nicht. Es ist aber das Formular, das im Verkehr der Behörden untereinander angewandt wird, das Formular, das dazu beiträgt, das manch einem, der zum Beispiel um die Staatsangehörigkeit nachsucht, der irgendwelche Anträge gestellt hat, in Bezug auf deren Genehmigung er von polizeilichen Führungsattesten abhängig ist, zum Beispiel wenn man Konzessionen erwerben will usw., das Genick bricht, ohne dass es doch je zur Kenntnis dessen kommt, der doch der Leidtragende ist. Es sind das geheime Konduitenlisten mit ausgeprägt politischem Charakter, die von unseren Behörden geführt werden über nahezu alle Staatsbürger, so dass –

(Zuruf rechts.)

ja, über alle diejenigen, die einmal irgend etwas mit den Behörden zu tun gehabt haben, und ich möchte wissen, wer bei unserem wohlgeordneten preußischen Staatswesen in seinem Leben nicht einmal irgend etwas mit den Behörden zu tun hat. Kein Zweifel: Wenn schon die Klage berechtigt ist gegen die geheimen Konduitenlisten, die geheimen Personalakten unserer Beamtenschaft, die geradezu als ungesetzlich bezeichnet werden können, dann kann doppelt berechtigte Klage erhoben werden darüber, dass sich die Polizei herausnimmt, nicht beamteten Staatsbürgern hinter ihrem Rücken derartige politische Stigmata aufzudrücken, ohne dass auch nur die geringste Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird. Es ist aber prinzipiell ein Skandal, dass unsere Behörden sich überhaupt herausnehmen, sich um das politische Glaubensbekenntnis des Staatsbürgers zu kümmern. Das geht die Polizei ganz und gar nichts an; davon soll sie die Finger lassen. Das ist Sache jedes einzelnen Staatsbürgers, wie er sich politisch betätigt. Wenn unsere Behörde ihre Pflicht im Sinne der Verfassung, sogar der preußischen Verfassung, erfüllen wollte, so würde sie jedes Ansinnen, Auskunft über die politische Betätigung eines Staatsbürgers zu geben, mit Entrüstung zurückweisen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Aber dergleichen wird in Preußen nimmer geschehen. Ich habe schon öfter Charakteristiken über das Verhältnis Preußens zur Gesetzlichkeit gegeben, die ich nicht wiederholen möchte, um mir nicht vorzeitig einen Ordnungsruf zuzuziehen.

(Heiterkeit.)

[In die Arme der zaristischen Schergen geliefert]

Meine Herren, dann ein Weiteres. Immer wieder müssen wir das Augenmerk auf die traurigen Zustände an der östlichen Grenze lenken.

(Zurufe rechts.)

Ich habe dabei etwas anderes im Auge als Sie; ich spreche von dem außerordentlich traurigen Zustande, der dort gegenüber Russland besteht, von dem Zustande, dass sich die russischen Beamten, die Beamten „Väterchens", unausgesetzt Übergriffe grober Art an unseren deutschen Grenzen, auch gegen deutsche Behörden herausnehmen dürfen, ohne dass unsere deutschen Behörden einmal Anlass nehmen, dagegen mit demjenigen Aplomb und dem Stolz aufzutreten, mit dem unsere Behörden aufzutreten gewöhnt sind, wenn es sich zum Beispiel um einen sozialdemokratischen Turnverein oder dergleichen handelt. Meine Herren, wenn unsere Reichsregierung und natürlich auch die preußische Staatsregierung mit so ungeheurem Selbstbewusstsein auftreten, falls es sich um die Verletzung der Interessen irgendeines Deutschen in China oder sonst irgendwo in der Welt handelt, wenn dann sofort zu großen Expeditionen und wo möglich zur Ausdehnung unserer kolonialen Abenteuerlust Anlass genommen wird – meine Herren, wenn da das Nationalgefühl so ungeheuer mimosenhaft empfindlich ist, ja, meine Herren, warum sehen wir denn gar nichts von dieser mimosenhaften Empfindlichkeit Ihres Nationalgefühls und des staatlichen Ehrgefühls, wenn es sich um das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland handelt, das heißt um das Verhältnis zwischen Deutschland und dem barbarischsten und verächtlichsten aller Staatswesen, die wir in Europa haben?

(Abgeordneter Ströbel: „Außer Preußen!")

Es ist sehr interessant, in welcher Weise dort mit den unglückseligen russischen Staatsangehörigen verfahren wird, die aus irgendwelchen Gründen von den preußischen Behörden nicht in Preußen geduldet werden. Meine Herren, mir liegt eine Angelegenheit vor, die ich nicht eingehend erörtern möchte, weil ich die Hoffnung haben darf, dass Herr Kollege Dr. Seyda, der mit dieser Sache befasst gewesen ist – ich bin allerdings auch mit ihr befasst worden –, sich eingehender mit ihr beschäftigen wird. Es handelt sich um einen Fall, der sich erst vor wenigen Wochen abgespielt hat: Für nichts und wieder nichts wurde eine 62jährige Frau in Myslowitz verhaftet und nach Russland hinüber geschleppt, obwohl sich rechtzeitig ein Rechtsvertreter dieser Frau annahm, der den Behörden klarmachte, dass gerade die Auslieferung, die Ausweisung nach Russland in diesem Falle eine ganz besonders große Härte bedeute. Meine Herren, das ist wieder einer der Fälle jener berüchtigten Ausweisungsauslieferung. Es wird ja ein außerordentlich feiner Unterschied zwischen Ausweisung und Auslieferung gemacht. Tatsächlich besteht ein Unterschied insofern, als die Auslieferung durch irgendwelche Staatsverträge geordnet ist. Aber, meine Herren, auch die Formen der Ausweisung sind ja einmal vielfach durch Staatsverträge geregelt. Die Ausweisung vollzieht sich allerdings in formloserer Weise als die Auslieferung, und sie ist ein ganz besonders trauriges Kapitel in unserer inneren Verwaltung. Hier muss das Augenmerk besonders darauf gerichtet werden, dass keine Exzesse der Behörden stattfinden. Durch die Ausweisung, die oft nichts ist als eine formlose Gestalt der Auslieferung, wird den Ausländern ein schweres Unrecht zugefügt, das man geradezu als völkerrechtswidrig bezeichnen kann. Tatsache ist, dass sich die Ausweisung häufig genug nur dadurch von der Auslieferung unterscheidet, dass die formellen Voraussetzungen der Auslieferung nicht innegehalten werden, dass also der Betreffende einfach auf Grund eines gewöhnlichen Verwaltungsaktes per Schub über die Grenze in die Arme der Schergen des Zaren geliefert wird. Ich kann mich mit dieser Frage heute nicht eingehender befassen, denn es ist ein weitschichtiges Kapitel, über das wieder einmal ex professo gesprochen werden müsste. Es sei aber noch darauf hingewiesen, dass vor kurzem das preußische Oberverwaltungsgericht sich mit dem rechtlichen Wesen auch des Auslieferungsverfahrens in Preußen befasst hat. Es hat dabei das Auslieferungsverfahren als ein gleichfalls rein zur Verwaltung gehöriges Verfahren charakterisiert, so dass wir für Preußen ungefähr sagen können: ob Auslieferung oder Ausweisung – es ist gehüpft wie gesprungen. Auch die Auslieferung ist ein reiner Verwaltungsakt, der der Willkür der Verwaltungsbehörden unterworfen ist. In dem Fall aus Myslowitz, von dem ich sprach, war die Frau angeblich angeklagt wegen „Schmuggelns von verbotenen Schriften". Meine Herren, sie wurde freigesprochen: Es handelte sich offenbar um eine Übertretung der Gewerbeordnung. Das Urteil in diesem Falle liegt mir nicht vor. Wohl aber liegen mir andere Dokumente zu diesem Falle vor. Danach wurde die Frau trotz des Freispruches nicht freigelassen, sondern in die Hände der Polizei gegeben und von der Polizei im Handumdrehen per Schub über die russische Grenze gebracht. Meine Herren, besonders charakteristisch ist eine Wendung in einem Bescheid, der in dieser Angelegenheit gegeben worden ist. Da wird erklärt, dass diese Frau, weil sie angeblich russische Staatsangehörige sei, in der üblichen Weise über die Grenze „ausgewechselt" worden sei. Dieses Wort „auswechseln" passt in der Tat mehr auf Sachen als auf Menschen.

(Abgeordneter Hoffmann: „Sehr wahr!")

[Messen mit zweierlei Maß]

Meine Herren, nun zu dem Vereinsgesetz. Ich lasse dabei eine ganze Menge Material unter den Tisch fallen, insbesondere auch den Missbrauch unserer preußischen Gendarmerie im Dienste der Berufsgenossenschaften, einen Missbrauch, der in den östlichen Provinzen besonders zu Hause zu sein scheint. Das ist wiederholt in der Presse erörtert worden. Sie wissen, meine Herren, dass die Berufsgenossenschaften die Hilfe, die ihnen von der Polizei und der Gendarmerie geleistet wird, dadurch entgelten, dass sie aus ihren Taschen größere Beträge für die Gendarmen und Polizeibeamten auswerfen, ein Zustand, der aufs äußerste zu missbilligen ist. Meine Herren, es sollte ganz generell der Grundsatz unserer Verwaltung sein, dass sie keinem Beamten, insbesondere auch keinem Polizeibeamten, jemals gestattet, sei es vorher oder sei es nachher, für eine Dienstleistung irgendein Entgelt oder eine Belohnung zu nehmen. Wir sind allerdings der Ansicht, dass der preußische Staat, die preußische Regierung so wenig wie möglich geeignet sind, einen günstigen, erziehlichen Einfluss auf die Beamten zur Gesetzlichkeit auszuüben;

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

aber, meine Herren, trotz alledem muss es als ein Missbrauch betrachtet werden, den selbst Sie (nach rechts) von Ihrem Standpunkt als einen Missbrauch empfinden müssten, wenn den Polizeibeamten immer und immer wieder bei besonderen Gelegenheiten aus privaten Mitteln Unterstützungen, Belohnungen gegeben werden. Da sollten doch gerade Sie (nach rechts), die Sie die Rolle des Beamten in das Übermenschliche hinaus steigern möchten, in allererster Linie strikt darauf halten, dass solche privaten Unterstützungen oder Belohnungen auf das Entschiedenste zurückgewiesen werden. Wir müssen aber nicht nur erleben, dass in derartigen Fällen die Unternehmerorganisation der Berufsgenossenschaften sich nun als privater Arbeitgeber der Beamten hinstellen und ihre Hilfe in Anspruch nehmen darf; wir sehen ja auch, wie bei Gelegenheit von irgendwelchen sogenannten Unruhen, bei größeren Streikbewegungen oder dergleichen, die Staatsgewalt es keineswegs ablehnt, wenn die Polizeibehörden, die Polizeiorgane Gelder aus privaten Händen bekommen. Meine Herren, der Polizeibeamte hat nach unserer deutschen und nach unserer preußischen Verwaltungart ein so ungemein weites Gebiet für sein freies Ermessen, er ist so schwer kontrollierbar in den Einzelheiten seiner Tätigkeit –das ist Ihnen allen ja bekannt–, dass auch die geringste Spur eines Anscheins vermieden werden müsste, als ob auf diese Beamten eine Einwirkung noch gar von privater, privatkapitalistischer Seite unternommen würde. Es fehlt Ihnen aber, glaube ich, das Empfinden dafür, und zwar schon um deswillen, weil ja in Preußen bisher noch in mancher Beziehung die alten feudalen, partriarchalischen Zustände herrschen, wonach die Polizeigewalt ein persönliches Privilegium gewisser privilegierter Kreise ist. In den Gutsbezirken sehen wir ja noch die eigentümliche Erscheinung, dass die Polizeigewalt in den Händen der Gutsvorsteher liegt, die ganz nach feudaler Art den privaten und den staatlichen Arbeitgeber in ihrer Person vereinigen.

Meine Herren, in Bezug auf das Vereinsrecht hat ja der Herr Minister eine sehr ausführliche Darlegung gegeben; sie hat sich aber leider mehr auf das bezogen, was vor längerer Zeit der Herr Abgeordnete Korfanty, der gegenwärtig gar nicht mehr im Reichstage ist, dort gesagt hat als auf dasjenige, was der Herr Abgeordnete Dr. Pachnicke im preußischen Abgeordnetenhause heute gesagt hat.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Es scheint also ein vorbereitetes Konzept vorzuliegen.

(Zuruf bei den Sozialdemokraten: „Verwechslung!")

Fast habe ich den Herrn Minister im Verdacht, dass er diese Rede nach dem Herrn Abgeordneten Pachnicke gehalten hat, um ein Versehen dieses Hauses gut zu machen. Wenn ich unmittelbar nach dem Abgeordneten Pachnicke zu sprechen gehabt hätte, so wäre ja allzu offensichtlich in Erscheinung getreten die Abneigung dieses Hauses, mit den Rednern pro und contra zu wechseln, dann wäre allzu deutlich die Absicht in Erscheinung getreten, uns beide, den Herrn Abgeordneten Dr. Pachnicke – er mag mir verzeihen, wenn ich ihn in diesem Falle vielleicht etwas zu nahe an meine Seite ziehe –

(Heiterkeit.)

den Herrn Abgeordneten Pachnicke und mich gemeinsam von dem nachfolgenden Redner, dem Herrn Freiherrn von Zedlitz, in die Pfanne hauen zu lassen. Es soll das ein Reinmachen sein, wir beide sollen auf einmal erledigt werden, es sollen frisch, froh, fröhlich die späteren Redner, nachdem der Feind durch Freiherrn von Zedlitz bereits vernichtet ist, ihre Attacke als echte Don Quixotes weiter reiten dürfen; denn dass Sie uns Sozialdemokraten nachher noch einmal das Wort geben, glauben Sie ja selbst nicht.

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Herr Abgeordneter Liebknecht, es ist unstatthaft, dass sie einen nachfolgenden Redner mit Don Quixote bezeichnen.

Liebknecht: Das habe ich nicht gesagt. Das bezog sich auf etwas anderes. –

Meine Herren, in Bezug auf das Vereinsrecht könnte ich dem Herrn Minister doch nach verschiedenen Richtungen hin wohl dienen. Wir haben in unserer Registratur eins der dicksten Aktenstücke, das sich nur mit dem Vereinsrecht befasst. Diese Akte ist so umfangreich, dass, wenn ich sie hier mit heraufgebracht hätte, Sie wahrscheinlich alle in einen Taumel des Schreckens geraten wären.

Meine Herren, der Herr Minister des Innern hat es sich ja in der Tat sehr bequem gemacht. Man mag anerkennen, dass er sich immerhin gegen die bisher vielfach übliche Praxis der Polizeibehörden gegen das Vereinsrecht gewandt hat; es soll nicht verkannt werden, dass das mehr ist, als wir vom Herrn Minister erwartet hatten. Aber, meine Herren, die Art, wie der Herr Minister die Haltung der Polizeiorgane behandelt hat, zeigt nicht diejenige Energie, die wünschenswert wäre; denn der Herr Minister hat seinen nachgeordneten Beamten bereits im Voraus einen Freibrief ausgestellt auch für künftige Missgriffe, insofern er erklärt hat, dass ja die Rechtslage so kompliziert, so neu sei, dass, insbesondere bei der Genehmigung von Umzügen und von Versammlungen unter freiem Himmel, ein so weiter Spielraum gegeben sei – mit der Möglichkeit zahlreichster, verschiedenartigster Erwägungen –, dass Missgriffe allerdings nach wie vor vorkommen würden.

Ja, meine Herren, ich glaube, dass der Herr Minister, wenn es sich darum handeln würde, über Ausschreitungen streikender Arbeiter zu sprechen, wahrscheinlich heftigere Töne gefunden und gesagt hätte: Wir, die Staatsgewalt, die mächtige preußische Staatsgewalt, halten uns für stark und Mannes genug, um die Gesetzwidrigkeiten der unbotmäßigen Bevölkerung auszurotten. Meine Herren, weshalb hat der Herr Minister nicht die Macht, um die Gesetzwidrigkeiten, selbst wenn sie nur objektive sein sollten, seiner eigenen ihm so nahestehenden Verwaltungsorgane auszurotten? Warum wird gerade ihnen der mildernde Umstand zugebilligt, dass sie mit einer schwierigen Materie zu tun haben? Ja, meine Herren, wie steht es denn mit den Staatsbürgern? Diese haben doch nicht nur mit dieser Materie zu tun, sondern mit all den tausend gesetzlich oder durch Verwaltungsverfügungen geregelten Materien, die so unendlich kompliziert sind in dem engmaschigen, verworrenen Netz unseres preußischen Polizeistaates, dass sich wahrhaftig selbst die juristisch geschulten Leute nicht darin zurechtfinden. Aber da wird diese Rücksicht nicht genommen;

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

da wird mit Energie und mit Feuer und Schwert eingegriffen. Es ist das alte Lied: Wenn die Beamten einen Fehlgriff tun, dann heißt es einfach, es sei zu kompliziert gewesen, man könne von den Beamten nicht verlangen, dass sie die Gesetze so genau kennen, um sie verständig und korrekt auszulegen. Das ist ein Messen mit zweierlei Maß,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

das ist ein Messen mit zweierlei Maß speziell in Bezug auf das Verhältnis zwischen Bürokratie und Staatsbürger. Ja, meine Herren, das ist charakteristisch insofern, als eben durch ein solches Verhalten des Herrn Ministers der Verwaltungsabsolutismus, der Absolutismus unserer Bürokratie gegenüber dem Staatsbürger in der denkbar klarsten Weise zum Ausdruck gebracht wird.

Meine Herren, was die Einzelheiten in Bezug auf das Vereinsrecht anlangt, so hat der Herr Minister sich gegenüber den Angriffen des nicht anwesenden Abgeordneten Korfanty in einem anderen Hause, dem er gar nicht mehr angehört, zu einem Teil darauf zurückgezogen, dass die polizeilichen Missgriffe, die dort gerügt worden sind, bereits Jahre zurückliegen. Meine Herren, das trifft zu einem guten Teile zu. Das trifft zu einem Teile auch von den Missgriffen zu, die ich hier zur Sprache bringen könnte. Aber der Herr Minister hat eins vergessen: nämlich, dass die ihm nachgeordneten Instanzen, insbesondere die Regierungspräsidenten und die Oberpräsidenten, in diesen Fällen gewöhnlich die Haltung der unteren Organe gebilligt haben in einer viel späteren Zeit, im vergangenen Jahre, selbst bis in dieses Jahr hinein, und dass dann erst durch das Oberverwaltungsgericht Remedur geschaffen werden konnte. Mir liegt hier einer von den oberschlesischen Fällen vor; da ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts am 5. Dezember 1911 gefällt worden. Ich will mir versagen, die Einzelheiten dieses Urteils vorzutragen; es ergibt, dass die Polizei sich in Oberschlesien das Recht herausgenommen hat, aus nichtssagenden, allgemeinen Erwägungen heraus, die deutlich den Charakter parteipolitischer Voreingenommenheit tragen, Versammlungen unter freiem Himmel geradezu prinzipiell zu verbieten. Das ist sogar dem Oberverwaltungsgericht zu weit gegangen, und es hat erklärt,

„… dass sich bei freier Beurteilung der Versagungsgrund als unzutreffend erweist, und zwar auch dann, wenn der Inhalt der – an die Polizei gerichteten – Beschwerde als richtig unterstellt wird."

Es wird also vom Oberverwaltungsgericht angenommen, dass selbst bei Richtigkeit der Tatsachen, die von den Vorinstanzen vorausgesetzt worden sind, diese Instanzen keinerlei Recht hatten, die Versammlungen unter freiem Himmel zu verbieten. Alles was vorliegt, wird vom Oberverwaltungsgericht als allgemeine, unsubstantiierte Erwägungen ohne hinreichende tatsächliche Unterlagen charakterisiert

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und demgemäß als ungeeignet zur Illusorischmachung des Vereinsrechtes erklärt.

Meine Herren, Im Übrigen brauche ich nur an die Art zu erinnern, wie gegenwärtig unsere Verwaltung gegen die Arbeiterturn-, Arbeitergesang-, Arbeiterradfahrvereine einschreitet. Es ist auch für die Herren Liberalen interessant, die ja das Reichsvereinsgesetz als eine angeblich liberale Errungenschaft feiern, wie das Reichsvereinsgesetz noch über den Sprachenparagraphen, den Jugendlichenparagraphen7 hinaus Handhaben zur Beeinträchtigung des Vereinsrechtes bietet. Nach dem preußischen Recht konnte nur derjenige Verein als politisch im engeren Sinnes des Wortes erklärt werden, der bezweckt, in Versammlungen politische Angelegenheiten zu erörtern. Das preußische Vereinsgesetz kannte außerdem noch andere politische Vereine, nämlich solche zur Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten. In Bezug auf die letztgenannten bestanden nur geringfügigere Einschränkungen. Das Reichsvereinsgesetz hat diesen Unterschied aufgehoben, den Begriff des politischen Vereins kolossal erweitert und dadurch der preußischen Regierung, der preußischen Polizei eine Handhabe gegeben, diejenigen Arbeiterorganisationen, die ihr ein Dorn im Auge waren und die man bisher nur dem Paragraphen 2 des preußischen Vereinsgesetzes zu unterstellen bemüht war, nunmehr zu politischen Vereinen im Sinne des Reichsvereinsgesetzes zu stempeln, mit der Rechtswirkung, die Ihnen allen bekannt ist, dass insbesondere Jugendliche an diesen Organisationen nicht teilnehmen dürfen. Das ist auch der Zweck der ganzen politischen Übung.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Die Art, wie von der Polizei gerade gegen die Jugendbewegung gehaust worden ist, ist in der Tat eines der betrübendsten Kapitel, das wir beim Ministerium des Innern zu erörtern hätten. Meine Herren, allerdings ist bei anderen Gelegenheiten darüber bereits mancherlei gesagt; insbesondere hat uns das Kapitel Jugendpflege bereits Gelegenheit gegeben, die Hauptsachen vorzutragen. Infolgedessen will ich es mir hier versagen, noch einmal darauf einzugehen.

Meine Herren, ich versage es mir Im Übrigen auch, für die Handhabung des Reichsvereinsgesetzes hier näheres Material beizubringen, möchte aber doch noch an eine lustige Geschichte erinnern.

Ging da vor einiger Zeit durch verschiedene bürgerliche Zeitungen, sogar durch die „Kreuz-Zeitung", eine Nachricht, die die Breslauer „Volkswacht" gebracht hatte, wonach ein Runderlass des Ministers des Innern vorliege, nach dem bei sozialdemokratischen Parteiversammlungen Ordner eingesetzt werden könnten, die gewissermaßen polizeiliche Funktionen hätten; sie hätten das Recht, innerhalb der Versammlungsstätten die Ordnung aufrechtzuerhalten, müssten sich aber außerhalb des Versammlungsbereichs des Eingreifens enthalten. Meine Herren, dieser Erlass, der natürlich sofort von der Presse der Rechten mit Hallo und mit der sofortigen Forderung nach Remedur begrüßt worden ist, hat sich als ein wohl gelungener Scherz herausgestellt. Es ist wohl kaum einem von uns Sozialdemokraten eingefallen anzunehmen, dass der Herr Minister einen solchen verständigen, weitherzigen Erlass herausgeben könnte; aber es beweist doch die Nervosität der reaktionären Parteien, dass sie mit einer solchen Möglichkeit gerechnet haben.

Meine Herren, Im Übrigen ist es interessant, hierbei an die Haltung des Ministers in Bezug auf die Ordner zu erinnern, die er bei früheren Gelegenheiten, insbesondere bei den Wahlrechtsdemonstrationen und den Friedensdemonstrationen, eingenommen hatte. Damals hatten der Herr Minister des Innern und der Berliner Polizeipräsident in der Tat, ebenso wie bei den großen Leichenbegängnissen, unserer Partei in weitem Umfange die Befugnis eingeräumt, sich selbst freiwillig zu ordnen, und der Herr Minister und der Herr Polizeipräsident, und wo immer solche Fälle vorgekommen sind, haben gesehen, dass die Sozialdemokratie eine wirkliche Ordnungspartei ist,

(Große Heiterkeit und Zurufe rechts.)

die in glänzendster Weise auf Ordnung gehalten hat, viel mehr, als es möglich gewesen wäre, wenn die Polizei à la Moabit8 dazwischengefahren wäre.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, es ist ja von Ihrer Seite, im Herrenhause wie in diesem Hause, ein gewaltiges Geschrei gegen das Koalitionsrecht erhoben worden. Ein Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit gegen Übergriffe der Behörden ist uns nötig, nicht aber ein Gesetz zur Unterdrückung der persönlichen Freiheit, ein Zuchthausgesetz, wie Sie es wünschen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wir setzen jenem Geschrei nach einem Zuchthausgesetz die Forderung nach einer Reform der Bestimmungen unseres Gesetzes über die persönliche Freiheit entgegen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, in dieser Beziehung ist bei uns in der Tat vieles faul. Wir haben ja in Preußen ein Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, ein Gesetz, das sogar in der konterrevolutionären Periode, im Jahre 1850, erlassen worden ist. Aber dieses gegenrevolutionäre Gesetz ist, gemessen an den heutigen preußischen Zuständen, so freiheitlich, dass man es eigentlich gar nicht mehr anwendet. Dann und wann fällt irgendeinem Gerichtshof dieses Gesetz ein, aber im Allgemeinen ist dieses wichtige Gesetz eines der vergessensten und unbekanntesten Gesetze in unseren Gerichtssälen, obwohl es immer und immer herangezogen werden müsste, wenn es sich um das Verhältnis zwischen Behörden und Staatsbürgern handelt. Denn dieses Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit ist, abgesehen von denjenigen Bestimmungen, die inzwischen durch die Strafprozessordnung, durch unsere Prozessgesetze aufgehoben sind, noch in voller Geltung, und es umfasst deshalb auch insbesondere das Verhältnis zwischen der Verwaltung im Allgemeinen und dem einzelnen Staatsbürger. Dass Sie aber gerade in diese Dunkelkammer des preußischen Wesens nicht gern hineinleuchten lassen, dass Sie es unangenehm empfinden, dass da noch eine gewisse gesetzliche Regelung vorliegt, ist wohl mit die Ursache dafür, dass dieses Gesetz zu den vergessensten in Preußen gehört.

Natürlich muss dieses Gesetz, ganz wesentlich abgeändert und ergänzt, nicht nur unseren Behörden ins Gedächtnis geschärft werden. Die Einzelheiten darüber auszuführen, wird gegenwärtig nicht meines Amtes sein können. Meine Herren, Sie haben aus unseren immer wiederholten Klagen über die Verwaltung deutlich genug entnommen, in welcher Richtung die Reform der Gesetzgebung zum Schutze der persönlichen Freiheit liegen müsste. Und, meine Herren, vielleicht überweisen Sie diesen Antrag einer Kommission; dann würde dort Gelegenheit sein, auf die Einzelheiten einzugehen.

Meine Herren, wenn ich mich nun zu einer anderen Materie wende, so kann ich jenen höchst bedauerlichen Fall des Gewerkschaftskassierers Schabel in Friedrichsberg nicht vorübergehen lassen,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

der auf Grund eines geradezu ungeheuerlichen Missgriffs der Lichtenberger Polizei als des Mordes verdächtig festgenommen wurde. Es ist von großem Interesse, mit welcher Geschwindigkeit die Polizei zur Hand war, um sich dieses gefundene Fressen zu verschaffen, einen „sozialdemokratischen Gewerkschaftsbeamten" als Mörder der Öffentlichkeit preiszugeben. Die Polizeibehörde hat in diesem Falle jegliche hinreichende Sorgfalt vermissen lassen

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und doch ist Schabel lange Zeit in Untersuchungshaft festgehalten worden. Bis zum heutigen Tage ist es noch nicht gelungen, die Polizeiverwaltung zum Sprechen zu bringen, woher sie das Recht genommen hat, einen dringenden Verdacht gegen Schabel zu behaupten.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Es ist allerdings richtig, dass diese Verhaftung, nachdem sie einmal von dem Polizeipräsidenten in Lichtenberg vollzogen worden war, von dem Untersuchungsrichter bestätigt worden ist, aber das will gar nichts bedeuten. Wie sehr das Eingreifen der Polizei in der Regel autoritativ maßgebend ist für den Untersuchungsrichter, ist Ihnen allen bekannt. Aber was in diesem Falle besonders charakteristisch ist: Alsbald nach der Verhaftung ging eine Notiz durch die bürgerliche Presse mit der Stichmarke: „Sozialdemokratischer Mörder".

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich behaupte, dass diese Notiz mit dieser Spitzmarke von der Lichtenberger Polizei zum Zweck der politischen Ausnutzung inspiriert worden ist. Zu dieser Seite der Frage hat sich die Regierung weder im Reichstag, als dieser Fall vorgebracht wurde, noch bisher in der Presse geäußert. Vielleicht nimmt der Herr Minister noch Gelegenheit, diese Anklage von sich abzuwälzen. Es ist ja doch eine Unmöglichkeit, dass man der Polizei, deren Methode der Fütterung der Presse mit Sensationsnachrichten wiederholt Gegenstand der Erörterung war, das Recht gibt, ehe noch eine gehörige Nachprüfung erfolgt ist, eine derartige Notiz in die Zeitungen zu lancieren. Entsinnen sich die Herren noch jenes Vorganges bei Beratung des Etats des Justizministeriums, als ich von dem Mörder des Herrmann sprach und mir der Vertreter der Königlichen Staatsregierung den Vorwurf machte, dass ich von einem Mörder spräche, ehe er rechtskräftig als Mörder verurteilt sei? Und hier sehen wir, dass die Polizei einen gänzlich unbescholtenen Mann, der eine Ehrenstellung einnimmt, rein aus politischer Ranküne heraus als Mörder bezeichnen lässt.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Es bedarf eines Maßes von Ruhe und Kaltblütigkeit gegenüber einem solchen Verhalten der Behörden, das ich mich fast rühmen möchte nicht zu besitzen.

[Die Schießerlasse des Berliner Polizeipräsidenten von Jagow]

Ich komme nun auf den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin zu sprechen und auf die bekannten Erlasse9, über die sich der Herr Minister sowohl in der Kommission als auch heute hier im Wesentlichen übereinstimmend in seiner Rede ausgelassen hat. Ich muss aber, bevor ich auf das Vorgehen des Polizeipräsidenten in Berlin eingehe, eine kurze Vorbemerkung machen. Sie wissen, dass der Polizeipräsident in Berlin, ähnlich wie einige andere Polizeiverwaltungen, sich nicht damit begnügt hat, die Damen zu entwaffnen, indem er ihnen die Spitzen ihrer Hutnadeln zu bedecken anbefahl, sondern dass er auch darangeht und bereits einen energischen Schritt in der Richtung unternommen hat, die Zivilbevölkerung im Allgemeinen zu entwaffnen, ein Verbot des Waffentragens durchzuführen. Das ist ja auch Gegenstand der Erörterung in der Kommission gewesen. Sie wissen, dass ich im vergangenen Jahre auf den merkwürdigen zeitlichen Zusammenhang dieses Verbots des Waffentragens in Berlin mit den Moabiter Krawallen hingewiesen habe, dass dieser Erlass bereits vor den Moabiter Krawallen gelegen hatte, was uns zu dem kleinen Verdacht Veranlassung gab, als ob die Polizei in einem gewissen Sinne Vorkommnisse wie die in Moabit nicht so ganz ungern gesehen habe, und als ob ihr diese Vorkommnisse nicht so überraschend gekommen seien. Jetzt sehen wir, wie der Polizeipräsident von Berlin die Wehrlosmachung der Zivilbevölkerung auch von der anderen Seite her betreibt. Die Polizei ist in einen Zustand der Mobilisation gebracht, dass man fast von einem allgemeinen Belagerungszustand in Berlin sprechen kann. Wenn man durch gewisse Gebiete von Berlin geht und da die Polizeibeamten sieht mit ihren umgeschnallten Revolvern, ja, dann kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass das fast provozierender wirkt als selbst die polizeiliche Überflutung des Ruhrreviers zur Zeit des Streiks. Da wurde den Polizeibeamten wenigstens der Revolver untergeschnallt; aber hier müssen sie ihn recht offen tragen – eine unerhörte Provokation der Bevölkerung, eine stetige Bedrohung der Bevölkerung.

(Zuruf.)

Ja, natürlich, ganz abgesehen von den Polizeiknüppeln, die auch getragen werden. Der Herr Minister hat sich zunächst einmal heftig gegen die Kritik dieses Erlasses gewandt, weil er ja gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Ja, das kann ich dem Herrn Minister nachfühlen, dass es ihm sehr unangenehm ist, dass dieser Erlass das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Es ist das auch eine partie honteuse unserer preußischen Verwaltung, und dem Herrn Minister würde es sicherlich die größte Freude machen, wenn er die Bevölkerung mit einer Unmasse derartiger Erlasse bedenken könnte, ohne dass die Bevölkerung eine Ahnung davon hätte. Denken Sie nur einmal, der Herr Minister sagt: Dieser Erlass ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern es ist eine interne Dienstanordnung! Ja, betrifft denn dieser Erlass nicht das Interesse der ganzen Staatsbürgerschaft, ist das nicht ein Erlass, der, wenn er geheimgehalten worden wäre, von uns an das Licht der Öffentlichkeit gefordert werden müsste? Wie kann denn eine Verwaltung wie die preußische Polizeiverwaltung derartige Erlasse von so weittragender Bedeutung verfügen, ohne dass die Öffentlichkeit irgendeine Kenntnis davon bekommt? Es ist sehr bezeichnend, dass der Herr Minister das Klagelied, dass dieser Erlass veröffentlicht ist, so häufig gesungen hat. Auch heute hat er es immer wieder variiert, ebenso in der Kommission zu verschiedenen Malen – einmal gleich auf Seite 3 des Kommissionsberichtes und dann auf Seite 5 –, dass der Erlass gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Der Herr Minister ist ja nicht anwesend. Ich rufe seinen Räten und seinen Vertretern zu: Das wissen wir, dass er für die Öffentlichkeit nicht bestimmt gewesen ist, aber gerade deshalb erheben wir die schwere Anklage, und gerade deshalb können wir nicht nur die Anklage erheben, dass ein solcher Erlass überhaupt ergangen ist, sondern auf diese die wohl noch schwerere Anklage häufen, dass der Herr Minister einen solchen Erlass herausgegeben hat hinter dem Rücken der Öffentlichkeit, ohne dem Publikum Kenntnis davon zu geben. Das verdoppelt und verschärft die Anklage, die wir zu erheben haben, während der Herr Minister meint, sich damit exkulpieren zu können. Es ist das ein echt preußischer Standpunkt.

Wenn der Herr Minister des Weiteren sagt, dass dieser Erlass im Grunde genommen nur einen sehr nützlichen Zweck verfolge, nämlich das Apachentum, das immer gefährlicher werde, abzuschrecken, so schlägt sich doch damit der Herr Minister selbst. Wenn eine solche abschreckende Wirkung auf das Apachentum geübt werden soll, dann ist doch Voraussetzung, dass das Apachentum von diesem Erlass Kenntnis bekommt. Wenn der Herr Minister des Innern wirklich nur um des Apachentums willen einen solchen Erlass hat herausgehen lassen, hätte er ihn vor allen Dingen publizieren müssen.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Es sind also offenbar ganz andere Motive, die den Polizeipräsidenten zu seinem Vorgehen bestimmt haben.

Dann will der Herr Minister uns glauben machen, dass dieser Erlass durchaus objektiv sei, denn er knüpfe an die bestehenden Dienstvorschriften an und setze sie keineswegs außer Kraft. Ja, meine Herren, hat man jemals gehört, dass der Polizeipräsident einen Erlass herausgegeben hat, wonach der Polizeibeamte, der zu früh schießt, bestraft wird? Weshalb gibt er nur einen Erlass heraus, in dem betont wird: Wer zu spät schießt, wird disziplinarisch bestraft? Diese einseitige Betonung der disziplinarischen Straffälligkeit wegen zu späten Schießens ist es, was diesem Erlass sein Kennzeichen aufdrückt, und was ihn trotz alledem zur allgemeinen Gefahr gemacht hat.

Wenn der Herr Minister gemeint hat, sich gegen die Berliner Stadtverwaltung, gegen die Stadtverordnetenversammlung wenden zu können, ja dann möchte ich sagen: Es waren sehr gemäßigte Politiker, die sich da auf den Standpunkt der Kritiker und auf den Standpunkt gestellt haben, den ich eben eingenommen habe. Der Herr Oberbürgermeister Kirschner hat es für seine Pflicht gehalten, die Kritik im Wesentlichen als berechtigt anzuerkennen. Man sollte also unter solchen Umständen wahrlich nicht die Behauptung aufstellen wollen, als handle es sich um eine einseitig verzerrte Darlegung, um eine demagogische Hetzerei zu dem Zweck, dem Herrn Polizeipräsidenten eins am Zeuge zu flicken. Keine Spur! Es handelt sich hier um eine Kritik, die durch das Vorgehen der Polizei geradezu aufgedrängt wird, um die man gar nicht herumkommen kann, wenn man seine Pflicht und Schuldigkeit gegenüber seinen Mitbürgern nach seinen besten Kräften zu erfüllen bereit ist.

Der Schießerlass besteht – das haben die Worte des Herrn Ministers deutlich genug ergeben – bis zum heutigen Tage noch; die Polizeiverwaltung hat sich nicht bewogen gefühlt, ihn wenigstens in dem oben bezeichneten Sinne zu korrigieren.

Wenn wir in Berlin nun vielleicht ein im Anwachsen begriffenes Verbrechertum haben, so meine ich: Wenn unsere Polizei, speziell auch die Zentralstelle, der Herr Minister des Innern, sich etwas mehr mit den Sicherheitsaufgaben unserer Polizei befassen würde und wenn dafür die politischen Kleinlichkeiten, die jenem echt preußischen Polizeigeist entspringen, etwas beiseite gestellt würden, dann würden Kräfte genug vorhanden sein, um mit diesem Verbrechertum aufzuräumen, von dem auch wir wünschten, dass unsere Staatsregierung mit ihm besser fertig würde. Aber so sehen wir immer und immer wieder die alte Erscheinung, dass Unmassen von schweren Verbrechen bei uns unaufgeklärt bleiben. Und da soll sich der Herr Minister des Innern ja nicht etwa in die Brust werfen gegenüber der Polizei von Paris! Denn im Entdecken von Mördern und schweren Verbrechern ist die Pariser Polizei der Berliner immer noch um einige Nasenlängen voraus.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Es ist ja eine bekannte Sache, dass die Pariser Polizei in dieser Beziehung geradezu vorbildlich ist.

[Zum Streik der Ruhrbergarbeiter]

Nun will ich dieses Thema und damit den Polizeipräsidenten von Berlin verlassen und mich mit einigen Ausführungen zu dem Bergarbeiterstreik wenden, der ja heute auch schon hier erwähnt worden ist. Dieser Bergarbeiterstreik gehört in vollem Umfange insoweit zum Ministerium des Innern, als das polizeiliche und militärische Eingreifen in Betracht kommt. Auch das Militär ist von den Verwaltungsbehörden mobilisiert, heran gerufen worden, und der Feldzugsplan, der in Bezug auf die Überschwemmung des Streikgebiets mit Gendarmen und Polizeibeamten von dem Herrn Minister des Innern bei der Beratung der Interpellation über den Bergarbeiterstreik enthüllt worden ist, zeigt auf das Deutlichste, wie planmäßig die Regierung auch hier von vornherein Vorsorge getroffen hat.

Die Vorgänge bei dem Streik im Einzelnen zu erörtern, liegt mir natürlich fern. Es ist gelungen, mit Hilfe der Militärgewalt, der Gendarmen und der Polizei den Streik zu Boden zu werfen, vor allen Dingen auch mit Hilfe jener Streikbrecher, die sich den Namen einer Organisation zu Unrecht gegeben haben oder ihn wenigstens gegenwärtig zu Unrecht führen10. Meine Herren, über diese Judasorganisation hier näher zu sprechen, will ich mir gleichfalls versagen; es ist ihr bereits das nötige Traktament verabreicht. Ich brauche nur an einen Artikel der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" vom 17. März zu erinnern, in dem unter anderem folgendes ausgeführt wird:

Was man im Allgemeinen sonst verlangen muss, das ist der Schutz für Arbeitswillige."

(„Sehr richtig!" bei den Nationalliberalen,.)

Nun hören Sie bitte weiter und rufen Sie dann auch sehr richtig! Ich hoffe es.

Die Unruhen waren diesmal nicht größer als bei jedem anderen Streik.“

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Man bedenke, dass bei dem kleinen Herner Streik an einem Nachmittag acht Tote auf dem Pflaster lagen." Man habe der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" heftig vorgeworfen“

schreibt sie selbst –,

dass sie früher mehrmals die Entsendung von Militär verlangte. Besonders hätten die ultramontanen Blätter dagegen in fanatischer Weise gewettert. Ihr Standpunkt sei lediglich immer der gewesen, dass sie Schutz für Eigentum und Schutz für Arbeitswillige verlangte. Wenn dazu die Polizeikräfte ausreichen, so liege gar kein Anlass vor, Militär zu rufen.“

Nun heißt es weiter: Wenn gesagt werde, dass in einem früheren Streik der Verleger der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" von der Polizeiverwaltung Militär gefordert habe, so sei das eine einfache Ente, die zunächst von ultramontanen Blättern erfunden worden sei. Tatsache sei allerdings, dass Militär in den früheren Streiks nicht herangezogen worden sei, selbst dann nicht, als die „Rheinisch-Westfälische Zeitung" den Rückhalt durch Militär verlangt habe, weil die Polizei offenbar machtlos gewesen sei; weitaus die meisten Toten und Verwundeten seien von Polizeiorganen angeschossen worden. Die Zeitung fährt weiter fort:

Und da ist es nun eine wirkliche Festfreude zu sehen, wie die Sache anders wird, wenn die ultramontane Partei andere Interessen hat. Jetzt, wo diesmal die ultramontanen Bergarbeiter von ihrer Organisation bearbeitet wurden nicht mit zu streiken, wo der Kampf in erster Linie nicht ein Kampf des alten Verbandes gegen die Zechen ist, sondern ein Kampf zwischen den beiden Organisationen, wo also die ultramontanen Bergarbeiter nicht mithelfen, andere zu bedrängen, sondern selbst vergewaltigt werden, da geht in der ganzen ultramontanen Presse und Partei die Klage über Sperrung von Straßen, Beschwerden über das Anschreien von Arbeitswilligen, Entrüstung über das Anspucken der zur Arbeit Gehenden und ein Notschrei der Misshandlungen, und alles klingt dann aus in den Ruf: Militär muss kommen, Militär, Militär! … Der Ruf um Militär, von den christlich-sozialen Arbeiterorganisationen ausgestoßen, musste in Berlin ganz anders wirken, als wenn die Zechen ihn ausstoßen… Diesmal genügten drei Tage und ein drei Tage langes Rufen der christlich Organisierten um Militär, und Berlin gab nach."

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Liebknecht, Sie können uns doch ganz unmöglich diese ganze Zeitungsnummer vorlesen wollen.

(Heiterkeit.)

Liebknecht: Meine Herren, es würde Ihnen unangenehm sein, wenn ich sie Ihnen ganz vorlesen würde; aber ich habe gar nicht die Absicht, sie weiter vorzulesen; ich habe die Hauptsache bereits hervorgehoben, nämlich wie hier durch die „Rheinisch-Westfälische Zeitung", ein Organ, das dem Zechenverbande sehr nahe steht, die christliche Organisation als diejenige festgenagelt worden ist, die im Gegensatz zu ihrer eigenen früheren Haltung hier den Schrei nach Militär ausgestoßen hat, und wie die Regierung auf diesen Ruf so rasch zur Stelle war. Das lässt nur eine Erklärung zu. Die Herren machen uns Vorwürfe, wenn wir sie als Streikbrecher bezeichnen; aber, meine Herren, ich weiß bisher noch keinen Staatsbürger, der solchen energischen Schutz durch die Staatsgewalt gefunden hätte, wie er auch hier zum Ausdruck gekommen ist, wie die Streikbrecher. Mehr noch als durch ihr Verhalten selbst haben diese Herren von der christlichen Organisation durch die Art, wie sie von der Staatsregierung unterstützt und gehalten worden sind, den Beweis dafür erbracht, dass sie wirklich nichts anderes sind als ganz gewöhnliche Streikbrecher und Schleppenträger der Unternehmer.

(Heiterkeit rechts. – „Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, das sei nur in aller Kürze vorausgeschickt, um noch einmal das Verhalten der christlichen Organisationen vor aller Welt zu kennzeichnen.

Wenn ich nun die Haltung des Militärs im Speziellen betrachte, kann ich das eine betonen, dass im Allgemeinen da, wo Militär gewesen ist, größere Ruhe und Ordnung geherrscht hat als da, wo die Polizei und die Gendarmerie ihres Amtes waltete, und dass wiederum da, wo die Gendarmerie tätig war, die Gendarmen, die aus der Gegend selbst stammten, nach den Berichten, die mir zugegangen sind, zumeist ruhigeres Blut bewahrt haben als die geflissentlich aus ländlichen Kreisen herbeigerufenen Gendarmen, die noch keine Menschenansammlungen gesehen hatten und von vornherein mit der Überzeugung herüberkamen: ihr seid dazu berufen, mit eurer Plempe den Staat und das Unternehmerkapital zu retten. Das ist bezeichnend für die ganze Art, wie unsere Polizei verschieden wirken kann, und es ist von großem Interesse zu sehen, wie die zentralisierte militärische Kommandogewalt, die nicht den Einzelnen ad libitum, je nach seiner Stimmung und Nervosität eingreifen lässt, dazu beigetragen hat, in mancher Beziehung Missstände aus dem Wege zu räumen, die geradezu erst von der Polizei hervorgerufen waren.

Das ist natürlich nur die eine Seite der Sache, die dazu dient, das Verhalten unserer Polizei in besonders ungünstigem Lichte erscheinen zu lassen, aber nicht im Mindesten dazu dienen kann, unserem Militär Lorbeeren zu winden. Wie unser Militär bereit war, und zwar entsprechend der Anweisung des Herrn Ministers des Innern, mit Waffengewalt einzugreifen und Blutvergießen zu inszenieren, das haben deutlich die aufgefahrenen Maschinengewehre bewiesen, die ich mit meinen eigenen Augen in Castrop gesehen habe, das haben deutlich bewiesen die militärischen Patrouillen, die durch das Land geritten sind, als ob man sich in Feindesland befände, und die Posten, die überall aufgestellt waren.

Das interessanteste Dokument in der Beziehung ist aber folgendes. Am 14. März kam Militär in Unna an. Es handelt sich um die „Dreizehner", die aus Münster in Unna eintrafen. Als dort die Kompanie ausgestiegen war, ließ der Hauptmann sie antreten, verwarnte sie, mit Zivilisten zu sprechen,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und fügte ferner hinzu:

Wenn Zusammenrottungen stattfinden, sind die Leute dreimal aufzufordern auseinanderzugehen; gehen sie nicht auseinander, so ist von der Schusswaffe Gebrauch zu machen; auf keinen Fall darf in die Luft geschossen werden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. Unruhe.)

Meine Herren, diese Ansprache wurde angeblich – so wurde mir berichtet – von einem der Soldaten mit einem scheinbaren Murren aufgenommen. Sofort wurde er gepackt und nach der Garnison zurück geschafft Ich weiß nicht, was mit dem Unglücklichen, der einem Missverständnis zum Opfer gefallen sein mag, weiter geschehen ist.

Meine Herren, die Zahl der Fälle, in denen auch das Militär dort exzediert hat, ist keineswegs gering. Ich bin nicht in der Lage, mich damit zu befassen. Es wäre überhaupt sehr verführerisch, auf die Einzelheiten der Polizei-, Gendarmen- und Militärexzesse einzugehen, auf die Art, wie Kinder und Frauen in die Felder hinaus verfolgt und gehetzt wurden, als wenn es in heftigen, tapferen Attacken gegen den inneren Feind ginge. Ich könnte in dieser Beziehung eine Unmasse auspacken, denn ich bin an Ort und Stelle unmittelbar gewesen und habe auch andere Augenzeugen. Ich habe eine große Fülle von Material gesammelt; aber ich will mich heute in diesem Zusammenhange einschränken.

Meine Herren, wichtig ist aber etwas anderes. Der Herr Minister hat von einer großen Anzahl von Exzessen der Streikenden gesprochen. Wenn man die Art beobachtet, wie die Schnelljustiz jetzt im Ruhrrevier arbeitet, so könnte das allerdings den Glauben erwecken, als ob eine größere Anzahl von Exzessen wirklich stattgefunden habe; aber es wird bei der dritten Beratung des Etats noch weiter auf die außerordentlich bedauerlichen Justizzustände im Ruhrrevier einzugehen sein, die im Reichstage bereits ein Echo gefunden haben. Daraus wird sich ergeben, dass die gerichtlichen Feststellungen nicht im Entferntesten geeignet sind, ein klares, wahrheitsgemäßes Licht auf die Vorgänge im Ruhrrevier zu werfen. Im Übrigen liegt die Sache so, dass in diesem Fall ein ganzes Heer von Denunzianten losgelassen ist; das ist das Heer der in den Gewerkvereinen organisierten Arbeiter, die geradezu systematisch auf Denunziation aller Kleinigkeiten ausgegangen sind und die natürlich bei unserer Staatsanwaltschaft ein ebenso williges Ohr gefunden haben, wie der christliche Verband der Gewerkvereine bei dem Herrn Oberpräsidenten und in Berlin ein williges Ohr gefunden hat, als es sich um die Heranziehung von Militär handelte. Sie sind die lieben Kinder der Staatsgewalt gewesen; das ist die schlimmste Sottise und Beleidigung, die man ihnen ins Gesicht sagen kann. Sie sind damit gebrandmarkt auf alle Zeiten in den Augen derjenigen, die es ehrlich mit dem Kampf um die Interessen der Arbeiterklasse meinen. Meine Herren, wenn aber der Herr Minister eine Bulle von einzelnen Exzessen seinen Hammerstein-ähnlichen Polizeiakten11 entnommen hat, wenn er daraus Folgerungen gegen die Streikenden hat ziehen wollen, so sind diese vom Herrn Minister vorgetragenen Einzelheiten, soweit sie erheblich waren, zweifellos zu einem guten Teile bereits jetzt als falsch erwiesen. Der Herr Minister hat von den verschiedenen Getöteten gesprochen. Meine Herren, die Getöteten sind fast ausnahmslos Streikende; nur ein Arbeitswilliger kommt, glaube ich, in Betracht, und auch dieser eine getötete Arbeitswillige ist nach meiner Orientierung von einem Beamten getötet worden, nicht von einem streikenden Arbeiter.

Eine gewisse Rolle hat ja bei den Debatten über den Bergarbeiterstreik der Vorgang gespielt, bei dem ein angeblich reitender Gendarm im Dunkeln Revolverschüsse auf ein ihm unbekanntes Individuum abgefeuert hat. Der Herr Minister hat geglaubt, diesen Fall unter dem Beifallsgedröhn dieses Hauses damit abtun zu können, dass er nachwies, dass dieser Gendarm nicht beritten, sondern zu Fuß war. Meine Herren, wenn er zu diesem Fall nichts Besseres zu sagen wusste, muss man ihn beklagen. Worauf es ankam, war die Art, in der von der Waffe Gebrauch gemacht worden ist, und noch mehr darauf, dass der dort von dem Gendarmen Beschossene kein streikender Arbeiter, sondern ein Arbeitswilliger war.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Darüber hätte der Herr Minister sprechen sollen; darüber hat er geschwiegen.

Noch etwas Weiteres. Der Herr Minister hat über die Bombenattentate gesprochen. Er hat damit in diesem Hause eine Stimmung erzeugt, die die Begierde verstärkt hat: Wahrlich, wir müssen ein Zuchthausgesetz haben, wir müssen gegen den gefährlichen inneren Feind mit immer größerer Rücksichtslosigkeit vorgehen. Meine Herren, diese „Bombenattentate", die so Ihre Befriedigung erweckt haben mögen, haben sich zu einem großen Teil durchaus anders herausgestellt. Es hat sich herausgestellt, dass sie – ursprünglich wurde behauptet: ganz allgemein – ausgeführt worden sind gegen streikende Arbeiter, in einem Falle sogar gegen einen Funktionär des Bergarbeiterverbandes.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Für einen Fall ist das neuestens, wie ich gehört habe, bestritten worden. Vor wenigen Tagen hat – ich glaube, es war der Regierungspräsident von Arnsberg; ich kann es nicht genau sagen – jedenfalls irgendein Verwaltungsbeamter berichtigt, dass es sich in einem Falle entgegen den Zeitungsnachrichten, die nicht etwa nur die sozialdemokratische Presse gebracht hatte, tatsächlich um einen Arbeitswilligen handle, bei dem eine Dynamitpatrone niedergelegt worden war. Ich will nicht nachprüfen, ob das richtig ist; es mag sein. Ich habe von vornherein ein geringes Gewicht darauf gelegt. Ich möchte jedenfalls darauf hinweisen, dass Dynamitpatronen auch bei den Wohnungen Streikender gefunden wurden. Dass wir derartige Dinge missbilligen, dass der Bergarbeiterverband mit großer Schärfe präventiv aufgetreten ist, darüber sind Sie sich wohl klar. Sie wissen auch, dass unter Umständen einmal in Zeiten der Erregung schließlich einzelne Elemente über die Stränge schlagen. Bei den vielen Arbeitswilligenexzessen schlimmster Art – Sie brauchen nur an den Ruhrstreik und an Moabit zu denken – ist es schließlich nicht verwunderlich, wenn hier und da einmal ein streikender Arbeiter gesündigt haben sollte. Wir würden es beklagen; es würde energisch auf Abhilfe gedrungen werden, um derartige Vorkommnisse zu verhindern. Aber, meine Herren, niemals wäre es am Platze, eine solche Folgerung zu ziehen, wie Sie sie gezogen haben. Der Herr Minister speziell konnte wahrlich in solchen Fällen ein klein bisschen mehr Milde des Urteils walten lassen, so wie er sie hat walten lassen gegenüber den ausschreitenden Polizeibeamten bei den Moabiter Krawallen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Im Übrigen wissen wir ja absolut gar nicht, wie diese Dynamitpatronen dahin gekommen sind. Den Bergarbeitern sind Dynamitpatronen rasch in der Hand, das wissen Sie alle. Es liegt ihnen unter Umständen nahe, in so außerordentlich gefährlicher Weise vorzugehen. Aber wer weiß denn: Es können unorganisierte Leute gewesen sein; es können Motive obgewaltet haben, die man absolut nicht nachprüfen kann. Es ist vor allen Dingen auch möglich, dass es sich um Spitzelmache handelt. Meine Herren, wollen Sie uns denn etwa weismachen, dass derartige Dinge nicht wiederholt von Spitzeln unternommen worden sind? Sollen wir Sie an die Zeiten des Sozialistengesetzes erinnern, an jenes Register unserer geheimpolizeilichen Schandtaten, die mein Freund Hoffmann im vergangenen Jahre in einer Nachtsitzung aufgerollt hat? Meine Herren, denken Sie auch, um ein französisches Beispiel in Erinnerung zu bringen, an jenes französische Ministerwort: Bénie soit la bombe; das heißt: Gesegnet sei die Bombe, weil sie den Interessen der herrschenden Klassen und der Regierung so nützlich sein kann. Also, mit all diesen Angriffen gegen die Streikenden ist kein Staat zu machen. Ich will Sie mit den Einzelheiten nicht weiter behelligen, obwohl ich in der Lage wäre, über die Art, wie diese Bombengeschichte zu beurteilen ist, noch mehr Einzelheiten vorzutragen.

(Lachen rechts.)

[Die Haltung des Zentrums im Bergarbeiterstreik]

Meine Herren, dass die Herren vom Zentrum

(Rufe: „Aha!")

diesem Bergarbeiterstreik und auch dem Eingreifen des Ministeriums des Innern, der Polizei, der Gendarmerie, des Militärs so ganz anders gegenübergestanden haben, das hat ja seine bekannten politischen Gründe. Wenn die Herren vom Zentrum versucht haben, in der Öffentlichkeit den Anschein zu erwecken, als ob der Bergarbeiterstreik aus politischen Motiven von dem sogenannten alten Verbände inszeniert worden sei, so können wir das mit Ruhe zurückweisen. Aber wir können mit aller Deutlichkeit den Beweis führen, dass die Zurückhaltung der Zentrumsgewerkschaft im Bergarbeiterstreik, der Arbeiterverrat des Zentrums, aus politischen Motiven unternommen worden ist.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Das können wir beweisen,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

und den Lohn, die Silberlinge, haben diese Judas Ischariots – ich meine in diesem Falle nicht die Herren in diesem Hause – inzwischen eingeheimst.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten. – Lachen im Zentrum.)

Sie haben den Lohn ja inzwischen eingeheimst: Die Erbschaftssteuer und Herr Wermuth sind dem Zentrum als Dankopfer gefallen.12

(Lachen im Zentrum.)

Ja, ja!

(Zurufe.)

Nun, meine Herren, Sie sollen uns eines Besseren belehren. Wir kennen die politischen Motive Ihrer Haltung, die sich aus der ganzen politischen Situation, aus Ihrer Stellung im schwarzblauen Block, aus Ihrer Stellung als regierende Partei und auch speziell aus Ihrer Stellung gegenüber der Erbschaftssteuerfrage ergibt; wir wissen, dass seit je von keiner Partei so wie von der Ihrigen nach dem Rezept gehandelt worden ist und jetzt gehandelt wird: Eine Hand wäscht die andere. So wird getechtelmechtelt mit dem Unternehmertum, so werden alle Ideale, die einstens die Partei gehabt hat, verraten und verkauft.

Meine Herren, es wäre mir ein dringendes Bedürfnis, mich näher mit dem Prozess der Witwe Herrmann, mit der Ermordung des Herrmann13 zu beschäftigen. Dass es bis zum heutigen Tage nicht gelungen ist, für diese unglückliche Frau die nötige Unterstützung zu erwirken, die ihr nach dem Gesetze zusteht, das ist in der Tat ein schlagender Beweis, wie verschieden gerade in derartigen Angelegenheiten, je nachdem sie das Ministerium des Innern und die Polizei interessieren, die Justiz bald rasch, bald langsam arbeitet.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, denken wir an die Schnellfeuerjustiz im Ruhrrevier und damit im Vergleich an den Verlauf des Prozesses der Witwe Herrmann.

(„Sehr richtig!")

Dass natürlich die Mörder des Herrmann noch nicht gefunden sind – worüber wir ja den Herrn Minister des Innern befragen dürfen, wie wir den Herrn Justizminister danach befragt haben –, das ist ja selbstverständlich. Nach den ausführlichen Erörterungen, die wir nach der Richtung im Reichstage vor wenigen Tagen gehabt haben, erübrigt es sich, hier nochmals darauf näher einzugehen.

Meine Herren, wir lesen in der Presse, dass vor wenigen Wochen, also im Februar, eine Zusammenkunft der Polizeipräsidenten Preußens im Charlottenburger Polizeipräsidium stattgefunden hat. Meine Herren, die Zusammenkunft der preußischen Polizeipräsidenten wird doch sicherlich wichtige Dinge zu erörtern gehabt haben; sollte uns nicht am Ende darüber auch eine kleine Mitteilung gemacht werden?

(Lachen rechts.)

Beabsichtigen die Herren etwa, eine Gewerkschaft zu gründen zur Wahrung ihrer Standesinteressen? Oder sollten sie die Absicht haben, den Jagowschen Schießerlass und die verschärften Maßnahmen in Bezug auf den Waffengebrauch der Beamten, die anderwärts getroffen worden sind, über ganz Preußen hinaus auszudehnen? Wir glauben an nichts Gutes, wenn sich die Polizeipräsidenten zusammensetzen! Besonders glauben wir an nichts Gutes, nachdem doch die Polizeipräsidenten in Preußen dem Minister des Innern unterstehen, dem gegenwärtig amtierenden Minister des Innern, der durch seine Amtsführung durchaus nicht den Beweis geführt hat, dass er ein wahres Verständnis für die Interessen der Selbstverwaltung und der freien Selbstbetätigung der Bevölkerung besitzt, sondern der immer, mit jedem Worte, das er spricht, beweist, dass er die Inkarnation des beschränkten preußischen Polizeigeistes darstellt.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, interessant in dieser Beziehung ist die Tatsache, von der ich jetzt sprechen will. Der Herr Minister des Innern hat bei der Generaldebatte über den Etat jene bekannten heftigen Worte über die Beamten gesprochen, die für einen Sozialdemokraten eintreten, einen Sozialdemokraten wählen: Lügner, Eidbrecher, Heuchler – es rasselte nur so herunter auf die Beamten.

(„Sehr richtig!" rechts.)

Wir wissen ja, dass das Ihre Ansicht ist: Sie brauchen das gar nicht zu betonen; bis da hinüber (auf die Nationalliberalen zeigend) ist das Ihre Ansicht; das brauchen Sie gar nicht zu sagen.

So schießt der Herr Minister des Innern gegen die Beamtenschaft. Dass die Beamtenschaft dabei vielfach, wie er ganz genau weiß, auf einem anderen Standpunkt steht, und er also die Beamten durchaus ohne Berechtigung mit diesen schwersten Beleidigungen belegt hat, das sollte der Herr Minister schon aus gewissen Vorkommnissen der letzten Zeit entnehmen. Zum Beispiel erinnern wir uns, dass vor einiger Zeit die Strafkammer Beuthen ausgesprochen hat, dass das Gericht nicht auf dem Standpunkt steht, dass ein Beamter niemals einen Sozialdemokraten wählen dürfe, weil ein Beamter durchaus der Ansicht sein könne, dass der Sozialdemokrat das kleinere Übel sei. Ich erinnere weiter daran, dass in Elsass-Lothringen vor kurzem gewisse Äußerungen des Herrn Zorn von Bulach gefallen sind – eines Staatssekretärs, meine Herren! –, die über die Stellung der Beamten zur Sozialdemokratie eine in mancher Beziehung ganz anders nuancierte Ansicht zum Ausdruck gebracht haben. Vor allen Dingen wissen Sie genau, dass wir einige Staaten in Deutschland haben, in denen es anders bestellt ist. Sowohl in Hessen, in Baden, wie in Württemberg, wie selbst in Bayern existiert eine solche engherzige Stellungnahme der Regierung nicht, und Sie wissen genau, wie in Bayern gerade die Haltung der Regierung in einer ähnlichen Frage zu dem heftigen Konflikt mit dem Zentrum und zur Auflösung des Landtags geführt hat.

Meine Herren, wenn nun der Herr Minister des Innern jene schweren Beschimpfungen gegen die Beamten vom Stapel lässt, so trifft er damit eine große Zahl von Beamten, die der ehrlichsten Überzeugung gewesen sind und das Recht für sich in Anspruch nehmen, sozialdemokratisch zu wählen. Er greift damit in ein Recht ein, das die Beamten haben und das dem Minister als einem Hüter der Gesetzlichkeit vor allen Dingen einmal heilig sein sollte.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Er greift damit in einer ganz gesetz- und verfassungswidrigen Weise in die Verfassungsbestimmungen des Reiches ein, die da das geheime Wahlrecht garantieren.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Reichsrecht geht vor Landesrecht, und wenn das geheime Wahlrecht gegeben ist, dann zu dem Zweck, damit jeder wählen könne, wie es seiner inneren Herzensmeinung entspricht, unbeengt von allen gottgewollten Abhängigkeiten.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Wenn nun der Herr Minister des Innern so sehr auf den Eid schwört, den die Beamten geleistet haben – ja, meine Herren, allerdings, in dem in Preußen üblichen Beamteneid schwört der Beamte zunächst Treue dem Könige, aber er schwört hinterher und gleichwertig auch treue Innehaltung der Verfassung, und der Herr Minister mutet den Beamten eine Ungesetzlichkeit zu, sucht sie zu einer Ungesetzlichkeit und Verfassungswidrigkeit zu zwingen, indem er sie zwingen will, entgegen dem Geiste des Reichsgesetzes und der Reichsverfassung ihre Meinung –

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Liebknecht, Sie haben dem Minister vorgeworfen, dass er sowohl in gesetz- wie in verfassungswidriger Weise sein Amt führe. Ich rufe Sie dafür zur Ordnung.

(„Bravo!" rechts. – Zurufe bei den Sozialdemokraten: „Ist aber sehr richtig!" „Hat er ja getan!")

Liebknecht: Meine Herren, Lügner, Eidbrecher und Heuchler sollen diese Beamten sein. Mir ist nach diesen Worten des Herrn Ministers von zahlreichen Beamten geschrieben worden, und sie haben sich mit einer Empörung über den Herrn Minister ausgelassen, über seine Angriffe, seine Insinuationen, dass man wohl sagen darf: Der Herr Minister hat durch diese seine Rede, mit der er gedacht hat, durch Feuer und Schwert etwa sozialdemokratische Neigungen auszurotten – er hat durch diese seine Rede das Gegenteil bewirkt, nämlich die Missstimmung in der Beamtenschaft und ihre Bereitwilligkeit, sich der Sozialdemokratie anzuschließen, verstärkt. Meine Herren, das ist das Unglück des Herrn Ministers; solche Mittel können niemals ziehen.

(Zuruf bei den Nationalliberalen: „Da können Sie ja lachen!")

Ja, meine Herren, natürlich, im Schlussresultat sind wir sehr zufrieden damit. Aber wir können doch nur deshalb damit zufrieden sein, weil wir wissen und erfahren, dass dieselbe Empörung, die uns bei einem solchen Verhalten des Ministers ergreift, auch die breite Masse der Bevölkerung ergreift. Das ist das erwünschte und wertvolle Resultat. Nicht etwa, dass wir sagen können: „Danke schön, Herr Minister von Dallwitz, bitte sprechen und handeln Sie immer so!" Nein, so nicht! Aber die Wirkungen seines Auftretens sind so, wie er sie sich nicht wünschen sollte, wie sie uns aber nur willkommen sein können.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Nun aber, meine Herren, etwas anderes! Wenn ich ein Homer wäre, dann würde ich jetzt singen

(Große Heiterkeit.)

von dem Zorn des Herrn Ministers von Dallwitz: Singe, o Göttin, den Zorn des Herrn von Dallwitz!

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten. Große Heiterkeit.)

Ja, meine Herren, Herr von Dallwitz hat eine gewaltige Schlacht geschlagen14; der Herr Minister hat in einer Schlacht gesiegt, und wenn wir keinen Lorbeerkranz auf seinem Haupte sehen, so empfinden wir das als eine Ungerechtigkeit.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Minister von Dallwitz, der von „Lügnern", „Eidbrechern", „Heuchlern" gesprochen hat und dem es aus dem Walde ein bisschen derb entgegen geschallt ist in Breslau, er ist zum Kadi gelaufen,

(Große Heiterkeit.)

und, meine Herren, der Herr Minister des Innern hat nicht etwa dort nun, mit gleichen Waffen kämpfend, um wichtige politische Dinge gestritten,, sondern um eine formelle Beleidigung.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. – Heiterkeit.)

Meine Herren, wir machen ja solche Geschichten nicht. Wenn wir, die wir in der Politik stehen und breite Angriffsflächen bieten, einmal den Kadi anrufen – verzeihen Sie, es soll keine Beleidigung, nur ein burschikoser Ausdruck sein –, wenn wir einmal die Gerichte anrufen, dann geschieht es, um Tatsachen festzustellen, deren Feststellung nötig ist und die nicht anders festgestellt werden können.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Aber hin zu laufen und sich zu beklagen, man sei beschimpft worden, nachdem man selbst beschimpft hat! Gott, die Glorie der preußischen Regierung strahlt dreimal heller seit diesem Siege des Herrn von Dallwitz in Breslau.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten. „Sehr richtig!" rechts.)

Köstlich! Das sind so Geschichten, die nur in Preußen vorkommen. Nirgend sonst in der ganzen Welt, nicht einmal in Russland, kommt so etwas vor, und die Herren wissen gar nicht, was sie tun: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!

Natürlich arbeiten Sie damit nur in unsere Hände.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

[Zur Wahlrechtsreform]

Meine Herren, die große Heldentat des Herrn Ministers des Innern in allen Ehren. Wir meinen trotz alledem, dass die preußische Regierung wohl auch noch andere Dinge zu tun hätte, als mit solchen Mitteln ihre Reputation aufzubügeln, wie das der Herr Minister getan hat.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Sie könnten zu dem Effekt besser beitragen, wenn Sie eine gründliche Reform der Verwaltung endlich energisch fördern wollten; denn die preußische Verwaltung bedarf nur allzu sehr der gründlichen Umgestaltung.

Ja, meine Herren, nun haben wir ja zwar eine Verwaltungsreformkommission, die so ganz insgeheim tagt, wie eben in Preußen gar vieles geheim ist, weil es das Licht der Öffentlichkeit scheut. Was wir aber bisher haben verlauten hören, spricht dafür, dass die preußische Verwaltungsreform nur eine ganz oberflächliche Reform am Schreibwerk und an bürokratischen Schnörkeleien sein wird, dass sie sich aber hüten wird, in das Grundwesen, die Wurzeln der preußischen Verwaltung einzugreifen im Sinne einer Demokratisierung unseres Staatswesens, wie wir es für notwendig halten. Es bedarf hier einer Reform an Haupt und Gliedern. Aber Sie denken kaum daran, auch nur die Frisur des preußischen Staates aufzubessern. Wenn wir die Anträge, die zur Verwaltungsreform gestellt worden sind – es sind ja eine Anzahl Anträge zum Beispiel über die Regelung des Beamtenrechts, die Verantwortlichkeit der Minister, über die Kreistage und Provinziallandtage und dergleichen eingebracht –, allenthalben unterstützen, so geschieht es, weil wir ja so bescheiden sind,

(Lachen.)

dass wir alles entgegennehmen, was wir bekommen können; das brauche ich nicht besonders zu betonen. Aber der Kern des Übels liegt im Wahlrecht.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. – „Aha!" rechts und im Zentrum.)

Ja, ja, der Kern des Übels liegt im Wahlrecht, und hier gilt es in allererster Linie einzugreifen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Mit Hilfe dieses Hebels werden wir auch die Verwaltung umzugestalten haben.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, der Herr Minister des Innern hat sich auf die lebhaften Anzapfungen des Herrn Abgeordneten Pachnicke15 in sehr diplomatischer Weise aus der Affäre gezogen. Wie kann der Herr Minister des Innern die kühne Behauptung aufstellen, dass der Wahlrechtsentwurf vom Jahre 1910 der Thronrede entsprochen habe?

(„Sehr richtig!" rechts. – Abgeordneter Freiherr von Zedlitz und Neukirch: „Zweifellos!")

Meine Herren, wir können ja das einfache Exempel machen: Als die Thronrede gehalten wurde, war die Bemerkung über das Wahlrecht einer der Gründe, die besonders die Herren von der Rechten veranlassten, gegen den verantwortlichen Kanzler von Bülow in schärfster Weise Sturm zu laufen,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

und einer der Spaten, die an seinem Grabe geschaufelt haben, ist sicher von den Händen derer geführt worden, die es ihm vergällen wollten, dass er es hier gewagt hatte, in das Allerheiligste des preußischen Junkertums eingreifen zu wollen.

(Lachen rechts.)

Meine Herren, so war damals die Stellung. Als aber der Wahlrechtsreformentwurf im Jahre 1910 kam, wie sah es da aus? Wo war da die Entrüstung? Haben nicht die Herren von der Rechten alle diesen Wahlrechtsentwurf geradezu mit einem, ich will sagen – erleichterten Aufatmen entgegengenommen?

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten. – Lachen rechts.)

Meine Herren, waren die Herren der Rechten dieses Hauses – gegen die sich die Worte der Thronrede richten mussten, wenn sie überhaupt einen Sinn haben sollten, und die auch von den Herren auf der Rechten so verstanden worden sind – nicht drauf und dran, die Wahlrechtsreform zu machen? Ein Beweis dafür, dass sie diesen Reformentwurf nicht mehr als den Angriff gegen sich auffassten, als den sie die Ankündigung in der Thronrede aufgefasst hatten.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Man braucht doch Im Übrigen nur den Wortlaut der Thronrede ins Auge zu fassen, der von einer der dringendsten Aufgaben der Gegenwart spricht, von einer organischen Fortentwicklung des Wahlrechts, entsprechend der höheren Bildung, entsprechend dem gesteigerten Verantwortlichkeitsgefühl, kurzum, lauter Wendungen, die, wenn sie richtig verstanden werden, auf das gleiche, allgemeine, direkte und geheime Wahlrecht hindeuteten im Sinne unseres sozialdemokratischen Programms, höchstens noch mit der Wirkung, dass gewisse höherstehende Kreise des Wahlrechts verlustig gehen müssten,

(Heiterkeit und „Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

weil ihnen das nötige staatliche Verantwortlichkeitsgefühl fehlt.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Aber Im Übrigen heißt es in der Tat die Quadratur des Zirkels versuchen, wenn man uns heute weismachen will, dass dieser Wahlrechtsreformentwurf von 1910 die Erfüllung der Versprechungen der Thronrede war. Das Gegenteil ist der Fall. Und die Ursache war der ganz veränderte politische Kurs, und auch hier sitzen die Schuldigen da – vor mir –16

(Heiterkeit im Zentrum und rechts.)

Ja, ja, meine Herren, gewiss. Indem Sie sich auf die Seite der Feinde des Volkes geschlagen haben, sowohl bei der Wahlrechtsfrage wie beim Streik, haben Sie sich zwar überall bei den Volksfeinden lieb Kind gemacht, und die Regierungssonne scheint Ihnen,

(Lachen im Zentrum.)

aber, meine Herren, Sie haben damit die Arbeiterinteressen, die Interessen der minderbemittelten Schichten und im Grunde Ihr eigenes Programm preisgegeben. Meine Herren, der Herr Minister des Innern hat davon gesprochen, dass die Parteiverhältnisse sich seit 1908 umgestaltet hätten und hat mit einer nicht zu verkennenden Handbewegung auf die Änderung der Parteibeziehungen zwischen den Fortschrittlern und unserer Partei hingewiesen. Meine Herren, ich hätte den Herrn Minister beinahe gefragt, ob er nicht etwa die veränderte Haltung des Zentrums zur Sozialdemokratie gemeint hat.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Die dürfte doch in noch viel höherem Maße der politischen Situation den Stempel aufgedrückt haben als die etwaige veränderte Haltung der Fortschrittlichen Volkspartei.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Das wissen Sie auch ganz genau.

Meine Herren, wenn der Herr Minister in Bezug auf das Wahlrecht weiter davon gesprochen hat, dass er nicht vorgehen könne, weil er nicht einen neuen Erisapfel unter die bürgerlichen Parteien werfen wolle – ja, natürlich, wenn man so als Sammlungsnachtwächter gewissermaßen an der Seite des Herrn Reichskanzlers unausgesetzt darauf bedacht ist, dass die bürgerlichen Parteien ja nicht auseinander laufen, dann kann man keine anständige Reform durchführen.

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, Sie dürfen den Herrn Minister nicht mit einem Nachtwächter vergleichen.

(Große Heiterkeit und lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich bitte, doch die Zwischenrufe zu unterlassen.

Liebknecht: Tatsache ist, meine Herren, dass wir in Bezug auf das Wahlrecht allerdings von einem Minister erwarten, dass er bereit ist, auch bürgerlichen Parteien die Fehde anzusagen. Wenn eine Wahlrechtsreform hier durchgeführt werden soll, dann kann es nur geschehen in Opposition gegen große bürgerliche Parteien. Wie stellt sich denn der Herr Minister des Innern eine Wahlrechtsreform vor, zu der die Herren von der Rechten, die Herren Freikonservativen und die Herren vom Zentrum ihre Zustimmung geben, und mit der irgend etwas Nennenswertes anzufangen wäre, eine Wahlrechtsreform, die sie freiwillig präsentieren werden? Da muss von der Regierung gegen diese Parteien gekämpft werden, um sie zu nötigen, den Willen der Regierung zu tun, während sonst freilich umgekehrt die Regierung stets ad nutum der großen Parteien dieses Hauses zu sein pflegt. Hier wäre Gelegenheit zu zeigen, dass die Regierung über den Parteien steht. Aber solche Gelegenheiten werden in Preußen immer verpasst. Ich hätte noch so manches sehr pikante Material

(„Aha!" und Unruhe im Zentrum und rechts.)

in Bezug auf das Wahlrecht und Ihre Haltung dazu. Aber ich werde mir vorbehalten, das vielleicht bei anderer Gelegenheit zu bringen.

Meine Herren, wenn die Herren von der Fortschrittlichen Volkspartei eine vorläufige Abschlagszahlung auf die Wahlreform fordern, so sind wir selbstverständlich bereit, diesen Antrag zu unterstützen. Da sieht der Herr Minister des Innern auf das deutlichste, dass für gewisse Reformen bereits eine Mehrheit im Hause vorhanden ist. Von Rechts wegen müsste der Antrag der Herren von der Fortschrittlichen Volkspartei mindestens in seinem einen Teile, abgesehen von der Wahlkreiseinteilung, von einer Mehrheit dieses Hauses angenommen werden, das hat Herr Pachnicke bewiesen. Nun wollen wir abwarten, ob nicht irgendwelche taktische Erwägungen, ob nicht irgendwelche Gründe der politischen Vetternschaft doch die Herren vom Zentrum veranlassen werden, gegen diesen Antrag der Fortschrittler zu stimmen.17

Welche Konsequenzen wird der Herr Minister ziehen? Er will kein Wahlrecht mit der Sozialdemokratie machen, also er will kein Wahlrecht haben mit der großen Menge des Volkes, er will kein Wahlrecht haben mit denen, zu deren Gunsten in erster Linie das Wahlrecht bestimmt sein soll. Das ist der alte trotzige Standpunkt, der vom Herrn Minister noch mehr verschärft ist und der auch an anderen Stellen der Regierung gerade nach dem Ausgang der Reichstagswahlen eingenommen wird, der Standpunkt des „Nun gerade nicht!" Weil die Masse des Volkes sich der Opposition angeschlossen hat, weil die Sozialdemokratie sich als überwältigende Macht herausgestellt hat, um deswillen gerade wollen Sie der Masse, die durch ihre Unzufriedenheit in politischer Beziehung zum großen Teil auf die Seite der Sozialdemokratie getrieben ist, nicht nachgeben. Wenn Sie weitsichtig wären, würden Sie sagen: Wir graben die Wurzeln der Unzufriedenheit der Bevölkerung zu einem großen Teile aus und hemmen den Zulauf zur Sozialdemokratie, wenn wir das Wahlrecht geben. Aber Sie wollen eben den Tatsachen nicht offen ins Gesicht hineinschauen. Sie fürchten nicht nur, dass die Sozialdemokratie zu stark werde, sondern große Parteien dieses Hauses fürchten für ihre speziellen Privilegien,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

so dass sie kein irgendwie nennenswert reformiertes Wahlrecht geben wollen. So erklärt sich diese geradezu unglaublich rückständige Haltung, die wir allenthalben in der Wahlrechtsfrage sehen.

[Wer Wind sät, wird Sturm ernten!]

Es wäre sehr verführerisch, des Näheren auf die Art einzugehen, wie die Reichstagswahlen auf diejenigen gewirkt haben, die seit jeher nichts gelernt und alles vergessen haben, namentlich auf die Herren der Rechten, aber auch auf den Minister des Innern. Jene Debatten, die wir gepflogen haben über die Reichstagswahlen, sowohl bei der ersten Lesung des Etats wie bei dem Bergarbeiterstreik, haben gezeigt, dass die Parteien der Rechten in Bezug auf eine Bereitwilligkeit zu Reformen nicht einmal den Standpunkt vertreten, den Herr von Heydebrand und der Lasa vertrat, als er vor nicht allzu langer Zeit in einer Rede eine Reform des politischen Wesens im Sinne einer freiheitlichen Entwicklung forderte. Wenigstens glaube ich, dass seine Worte nur so verstanden werden können. Sie lauten:

Wir wünschen ein freies Volk. Wir wissen, dass auch in Freiheit sich eine starke Autorität bewähren kann. In der Tat kann die Liebe eines freien Mannes auch den Thron viel stärker stützen als andere Mächte.

(„Sehr richtig!" rechts.)

Aus diesem Munde solche Worte! Wenn Sie den Zustand schaffen wollen, dass jeder Herrscher ruhig sein Haupt jedem „Untertanen" in den Schoß legen kann, auch Herr von Heydebrand jedem seiner „Untertanen", dann müssen Sie politische Freiheit geben für das Volk. Aber Sie sprechen hier von Freiheit und meinen etwas ganz anderes als Freiheit;

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

ebenso wie Sie in Breslau gesprochen haben von wahren Patrioten und ganz etwas anderes als wahre Patrioten damit gemeint haben.

Wenn wir aber sahen, wie sich nach den Reichstagswahlen geradezu ein Scharfmachergebrüll erhob, wie man versucht hat, dem Reichstag ein Bein nach dem andern zu stellen, nur um deswillen, weil er eine starke Sozialdemokratie zählt, wie gerade hier im Hause all dies immer wieder ein lautes Echo fand, so müssen wir an die Worte des Herrn von Oertzen denken, wonach ein Konflikt, eine Krisis künstlich geschaffen werden soll, eine innere Krisis, damit der Regierung die Gelegenheit gegeben werde, die Sozialdemokratie mit Gewalt zu Boden zu werfen, ebenso an die bekannten Worte des Grafen Bantzau und an die Worte des Herrn Elard von Oldenburg, der neuestens bekannte: „Ich bin ein guter Deutscher; ich stelle mir das Deutsche Reich vor wie ein großes Orchester, das einen Preußenmarsch spielt und in das der Herr Reichskanzler als Kapellmeister die Melodie hineinbringt." Vor einiger Zeit sprach der Herr Kultusminister von einer Melodie, einem Orchester und einem Taktstock; er scheint dazu inspiriert worden zu sein durch Herrn Oldenburg.

Und dann die Worte des Herrn Diederich Hahn auf der am 8. März dieses Jahres in Stade abgehaltenen Vertrauensmännerversammlung der rechtsstehenden Parteien, die genau in dieselbe Richtung zielen. Schließlich die ungeheuerlichen Auslassungen, die die „Deutsche Tageszeitung" am 28. Februar 1912 gebracht hat, wo sogar der Staatsregierung und dem Kaiser die heftigsten Vorwürfe gemacht werden, weil sie gewagt haben, 1890 die wahrlich so geringfügige Sozialreform zu unternehmen, und wo am Schluss gesagt wird:

Das eine ist gewiss, dass die Entwicklung der Dinge rapide ihren Lauf nimmt, dass es vielleicht Ströme von Blut und Tränen unserem deutschen Volke kosten wird, das wiedergutzumachen, was unsere Generation in Humanitätsduselei, aus Mangel an Mut und Verantwortungsgefühl versäumt hat.

Gott gebe dem deutschen Volke bald einen Führer, einen Mann mit eisernem Rückgrat, wie York und Bismarck es waren, der sich plus royaliste que le roi neben seinen Allerhöchsten Herrn hinstellt, der den Mut hat, Partei zu nehmen, ein Panier aufzupflanzen, um das sich die Treuen sammeln können zum Kampf gegen den Umsturz. Hier gibt es kein Paktieren, kein Hoffen auf den Revisionismus, hier gilt es, den offenen Republikanern wie den verkappten ein donnerndes ,Halt' zuzurufen, ehe uns die Sturmglocken des Aufruhrs das ,Zu spät' in die tauben Ohren läuten!"

Ein Herr von Platen, der diesen in der deutschen Kultur so rühmlich bekannten Namen trägt, hat dieses die deutsche Kultur so beschämende Dokument in der „Deutschen Tageszeitung" produziert. Als Kunktatorenpolitik18 wird in einer anderen Zeitung, der „Post", die Politik bezeichnet, die nicht bereit ist, blutig aufs Ganze zu gehen, international und innerpolitisch.

Und schließlich der Abgeordnete Heydebrand! Der Tag des Abgeordneten von Heydebrand und der Lasa, auf den er wartet: „Dann wird unser Tag kommen!"

(Lachen rechts.)

Hier können Sie noch viel Staat machen, Herr von Heydebrand, mit Ihren Mannen. Drüben sind Sie geschmolzen wie Butter an der Sonne, und deshalb rufen Sie nun, indem Sie sich etwas in den Schmollwinkel setzen, nach dem Tage, wo Sie auf den Plan treten können, um zu richten Gerechte und Ungerechte. Dann wird's lustig hergehen – ich glaube, Sie gehören zur Kavallerie –, Kavallerieattacken gegen das Volk, damit das Junkertum weiter in seinen Raubritterburgen – denen, die ihm

(Lachen rechts.)

in der Verfassung, Verwaltung errichtet sind – hausen kann.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Vor allem in jener Raubritterburg des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Es ist eine Raubritterburg, denn geraubt worden ist vor 60 Jahren das freie Wahlrecht dem Volke. Wir sind uns darüber klar, dass Sie sich danach sehnen, dass ein solcher Tag des Herrn von Heydebrand komme. Wir sind uns auch darüber klar, dass Leute, wie zum Beispiel Herr Rohrbach, Prediger in der Wüste bleiben werden, Herr Rohrbach, der ja vor kurzem den herrschenden Klassen sehr energisch die Leviten wegen ihrer unverantwortlichen Wirtschaft gelesen hat, wohlgemerkt, als ein Feind der Sozialdemokratie.

(„Na! Na!" rechts.)

Es ist nicht zu erwarten, dass das Eindruck auf sie macht. Er sagt:

Die Wirkung solcher Ungesetzlichkeiten muss verhängnisvoll werden, wo der Stand der öffentlichen Moral Im Übrigen ein hoher ist und wo sich der besondere Begriff der staatserhaltenden Parteien in Verbindung mit dem Anspruch auf eine besondere Hüterstellung für diese Moral herausgebildet hat.“

Er spricht von einem Manko an staatlich-sittlichem Pflichtbewusstsein, speziell bei den rechten Parteien.

Tatsache ist, dass wir in der Kriminalpolitik und in der Pädagogik die Abschreckungs- und Gewalttheorie längst zum alten Eisen geworfen haben, bis vielleicht auf Herrn Oertel, der noch ein begeisterter Prügelpädagoge ist.

(Abgeordneter Hoffmann: „Herr Strosser auch!")

Ja, Herr Strosser auch. Nachdem aber die Abschreckungstheorie, diese Gewalttheorie innerhalb der Kriminalpolitik und der Pädagogik, verlassen ist, wollen Sie in der allgemeinen Politik diese Abschreckungstheorie immer noch nach wie vor praktizieren, und dazu ist Ihnen der Herr Minister des Innern die geeignete Instanz. Deshalb ist der Herr Minister des Innern neben dem Herrn Kultusminister Ihr lieber Sohn, an dem Sie Wohlgefallen haben.

Aber merken Sie sich: Gewalt und Provokation, die in der Kriminalpolitik und in der Pädagogik nichts nutzen, nutzen auch nichts in der Staatspolitik und bewirken überall das genaue Gegenteil des Gewollten. Solange Sie sich nicht zu der Höhe staatsmännischer Auffassung emporgeschwungen haben, dass Sie das Volk als einen lebendigen, selbständigen, seiner selbst bewussten und zur Ordnung seiner eigenen Angelegenheiten fähigen Organismus verstehen, solange Sie von Ihrer mechanistischen Staatsauffassung aus den Staat als ein Werkzeug betrachten, das Sie für Ihre Interessen ausnutzen, damit Sie Ihre Privilegienherrschaft auf die Dauer stabilisieren können und die Vorteile aus der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung ziehen, solange Sie an einer solchen Staatsauffassung rückständigster Art festhalten, wird die Wirkung Ihrer ganzen Tätigkeit immer die alte sein, die schon in der Bibel prophezeiet ist: Wer Wind sät, wird Sturm ernten.

Im Übrigen aber können Sie darüber nicht im Zweifel sein, dass die Entwicklung über Sie hinweggehen wird. Wir haben ja sogar in der Thronrede das außerordentlich neue Wort gelesen, dass die Entwicklung nicht stillsteht. Ja, meine Herren, auch gegenüber Ihren Privilegien, gegenüber dem preußischen Dreiklassenwahlrecht, gegenüber der ganzen preußischen Verwaltung steht die Entwicklung nicht still, und sie wird ihren Weg über Sie alle hinausgehen, mögen Sie sich noch so sehr gewappnet wähnen unter dem Schutz der Bajonette und unter dem Schutz der Kanonen. Über Sie alle geht die naturnotwendige Entwicklung hinweg,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

früher oder später. Ob mit mehr oder weniger Blutvergießen,

(Rufe rechts: „Zur Sache!")

das ist etwas, was von Ihrem Verantwortlichkeitsgefühl abhängt;

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

denn wir haben noch nirgends nach Gewalt geschrien und setzen alle unsere Kraft dagegen, dass Ihr Schrei nach Gewalt verwirklicht werde.

(„Ah!" rechts.)

Wenn Sie nichts Besseres können, als unsere Anregungen immer und immer wieder zurückzuweisen, nun, meine Herren, wir können nichts dafür. Preußen ist Ihre Domäne, und Sie sind verantwortlich für Preußen, und Sie sind verantwortlich für das Prestige, das Preußen in der Welt hat.

(Abgeordneter Hammer: „Gott sei Dank!")

Ja, ja, sagen Sie: Gott sei Dank – Sie Vertreter Preußens, Herr Hammer! Meine Herren, wenn ich vor einigen Wochen in einer Geschäftsordnungsbemerkung scharfe Worte über Preußen und speziell über dieses Dreiklassenhaus gesprochen habe, die Sie mit starker Entrüstung aufgenommen haben: Ich bin nicht in der Lage, ein Wort davon zurückzunehmen. Ich muss dabei verbleiben, dass sich dieses Haus und das preußische Dreiklassenwahlrecht immer mehr und mehr entwickelt haben – –

(Glocke des Präsidenten.)

zu einem Spott für die ganze gesittete Welt und zur Schande Europas.

(Stürmische Ohorufe. – Stürmisches „Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. – Große Unruhe – Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Liebknecht, ich muss bitten, dass Sie schweigen, wenn ich klingele. Ich rufe Sie für diese Äußerung zur Ordnung, wie ich das früher schon getan habe, und mache Sie zugleich auf die Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam.

(Abgeordneter Hammer: „Sanatorium!" – Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Liebknecht: Meine Herren, wirtschaften Sie so weiter, wie Sie anscheinend die Absicht haben zu wirtschaften, indem Sie sich jeglicher wirklicher Reform widersetzen, starrköpfig und hartnäckig, trotzend auf Ihre Privilegien, und Sie werden sehen, dass Preußen mehr und mehr zu einem Kinderspott für die Welt wird.

(Lebhaftes „Bravo!" bei den Sozialdemokraten. – Große Unruhe rechts.)

1 Zum entsprechenden Titel (Ministergehalt) lagen auch folgende sozialdemokratische Anträge vor: Antrag 515 verlangte von der Regierung die Aufhebung der reaktionären Paragraphen 9, 10 und 41 des preußischen Pressegesetzes vom 12. Mai 1851. Die beiden weiteren forderten Gesetzentwürfe „zum Schutze der persönlichen Freiheit der Staatsbürger gegen behördliche Eingriffe" (Nr. 512) sowie „den Gebrauch fremder Sprachen in öffentlichen Versammlungen allgemein zu gestatten und sofort eine Anweisung an die Verwaltungsbehörden zu erlassen, wonach gemäß § 9 des Vereinsgesetzes für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge die Genehmigung durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt wird" (Nr. 514). Die Red.

2 Nach dem Fall des Sozialistengesetzes, 1890, gründeten bürgerlich-halbanarchistische Kräfte den Verein Freie Volksbühne. Im Oktober 1892 schüttelten die klassenbewussten Arbeiter diese Führungsgruppe ab, die mit einer kleinen Anhängerschar die Neue Freie Volksbühne gründete. Zum Vorsitzenden der Freien Volksbühne in Berlin wurde Franz Mehring gewählt. 1894 beschloss die Berliner Freie Volksbühne die Selbstauflösung. Sie wollte sich nicht dem Beschluss über die Zensur ihrer Stücke durch die preußische Polizei beugen. Zwei Jahre später wurde der Verein unter der Leitung des Revisionisten Conrad Schmidt und mit veränderten Satzungen wieder ins Leben gerufen. Mehring arbeitete im Vorstand mit, um vor allem mit historisch-materialistischen Analysen dramatischer Werke marxistisches Bildungsgut zu vermitteln, zugleich kämpfte er beharrlich gegen den opportunistischen Verfall der Volksbühnenbewegung, die einmal „die literarische Organisation der deutschen Arbeiterklasse" hatte werden sollen, die aber von Jahr zu Jahr immer stärker zu einer Stätte unverbindlichen bürgerlichen „Bildungsbetriebes" wurde.

3 Eine nach dem sozialdemokratischen Wahlerfolg bei den Reichstagswahlen im Jahre 1903 im Mai 1904 gegründete Spezialorganisation des deutschen Monopolkapitals für den Kampf gegen die Sozialdemokratische Partei. Nach dem Wortlaut des Gründungsaufrufs stellte sich diese von den Arbeitern „Reichslügenverband" genannte Organisation die Aufgabe, „alle nicht sozialdemokratisch gesinnten Staatsbürger in Stadt und Land ohne Unterschied der Partei und Religion zum Kampfe gegen die Sozialdemokratie zusammenzuschließen'' Finanziert wurde er vornehmlich durch die Monopolkapitalisten an Rhein und Ruhr. An der Spitze dieser militaristischen, chauvinistischen und antidemokratischen Propagandaorganisation stand General von Liebert, der gleichzeitig Mitglied der Hauptleitung des Alldeutschen Verbandes und Vorstandsmitglied der Deutschen Kolonialgesellschaft war und auch im Deutschen Flottenverein eine erhebliche Rolle spielte. Der Reichsverband bestand bis 1914.

4 Eine 1893 in Berlin gegründete Organisation zur wirtschaftlichen und politischen Interessenvertretung der preußischen Junker. Der preußische Junker Freiherr von Wangenheim enthüllte in einem Aufruf, der der Gründung des Bundes vorausging, dessen reaktionären Charakter: „Der deutsche Osten ist der Fels, auf welchem der Thron der Hohenzollern begründet ward und noch heute fest ruht, mit ihm stehen, mit ihm stürzen Thron und Altar. Fluch über uns, wenn wir es dulden, dass die von allen Seiten ihn umbrandenden Wogen ihn unterspülen." Der Bund gewann rasch erheblichen politischen Einfluss. Seit dem 1. September 1894 erschien die „Deutsche Tageszeitung" als Hauptorgan des Bundes der Landwirte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat besonders der Junker von Oldenburg-Januschau als führender Vertreter des Bundes auf. Ende 1920 verwandelte sich der Bund der Landwirte in den Reichslandbund.

5 Eine im Januar 1912 gegründete militaristische und chauvinistische Propagandaorganisation des deutschen Monopolkapitals. Es handelt sich wie beim Deutschen Flottenverein um eine Tochterorganisation des Alldeutschen Verbandes, der Haupt- und Dachorganisation des deutschen Imperialismus zur systematischen ideologischen Kriegsvorbereitung. Sein besonderes Ziel war es, für die Verstärkung des Landheeres und dessen Erfüllung mit aggressivem Geiste einzutreten. Die beiden Heeresvorlagen der Jahre 1912 und 1913 sind unmittelbar mit d.. Entstehung und der Tätigkeit des Deutschen Wehrvereins verknüpft. Die Leitung hatte der Militarist General Keim, der sich bereits als Propagandist und langjähriger Vorsitzender des Deutschen Flottenvereins und als führendes Mitglied im Alldeutschen Verband hervorgetan hatte. Weitere führende Mitglieder des Wehrvereins waren General Lietzmann, Otto Fürst zu Salm, General Liebert, der gleichzeitig Leiter des „Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie" war, der Historiker der Alldeutschen Schule Dietrich Schäfer, der 1912 zweiter Vorsitzender des Wehrvereins wurde, der sogenannte Kathedersozialist Prof. Dr. Adolf Wagner, der reaktionäre Germanist an der Berliner Universität Prof. Rötke, der Historiker Friedrich Meinecke, der Massenschreiber bei den Alldeutschen Prof. Schiemann, der Historiker Georg von Below und Graf von der Goltz, Generalmajor a. D. und Vorsitzender der Vereinigten Vaterländischen Verbände (denen sowohl der Alldeutsche Verband, der Ostmarken-Verein, der Flottenverein, der Wehrverein und zahlreiche andere Organisationen dieser Art angehörten).

6 Eine am 30. April 1898 im Interesse der imperialistischen deutschen Schwerindustrie gegründete Propagandaorganisation zur ideologischen und politischen Unterstützung des Aufbaus einer starken deutschen Kriegsflotte. Führende Finanziers waren die Monopolisten Krupp und Kirdorf. Ebenso wie der Deutsche Wehrverein unmittelbar mit den Wehrvorlagen von 1912 und 1913 verbunden war, ist auch die Entstehung des Flottenvereins untrennbar mit dem Beginn des deutschen Flottenbaus verknüpft. (Am 10. April 1898 hatte der Deutsche Reichstag das erste Gesetz über die Verstärkung der Kriegsflotte beschlossen.) Der Deutsche Flottenverein entwickelte sich zu der wohl größten Massenorganisation des Finanzkapitals in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. 1908 hatte er über eine Million Mitglieder. Eine führende Rolle spielte General Keim, der erste Präsident war Fürst zu Wied, sein Nachfolger Fürst Salm-Horstmar.

7 Die Paragraphen 12 und 17 des Reichsvereinsgesetzes vom 19. April 1908.

Paragraph 12, der Sprachenparagraph, legte für die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen den Gebrauch der deutschen Sprache fest und richtete sich besonders gegen die polnische Bevölkerung. Er wurde im April 1917 aufgehoben.

Paragraph 17, der sogenannte Jugendlichenparagraph, verbot Personen unter 18 Jahren, Mitglied politischer Vereine zu sein und an öffentlichen Versammlungen teilzunehmen. Das war ein bewusster Schlag gegen die Arbeiterjugend.

8 Als im September 1910 Streikbrecher des Streikbrechervermittlers Hintze unter dem Schutz der Polizei provokatorisch gegen die streikenden Arbeiter der Firma Kupfer und Co., eine dem Stinnes-Konzern angeschlossene Kohlengroßhandlung in Berlin-Moabit, auftraten, kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und der Polizei, deren brutales Vorgehen zwei Todesopfer und zahlreiche Verwundete forderte. In zwei großen Prozessen vom November 1910 bis Januar 1911 wurden vierzehn Angeklagte zu 67½ Monaten Gefängnis verurteilt.

9 Es handelt sich um zwei Erlasse des Berliner Polizeipräsidenten von Jagow, die den Paragraphen 8 der Dienstvorschriften für Polizeibeamte verschärften. Der erste (vom 20. Juni 1911) bestimmte, dass der Gebrauch der Schusswaffe „nicht an den vorhergegangenen fruchtlosen Gebrauch der Hiebwaffe gebunden" sei. Der etwas später ergangene zweite Erlass enthielt die Androhung, dass die Unterlassung des rechtzeitigen Gebrauchs der Schusswaffe Strafen nach sich ziehen könne, Die Red,

10 Gemeint ist der katholische Gewerkverein christlicher Bergarbeiter, der seine Mitglieder aufforderte, sich nicht am Streikkampf zu beteiligen. Die Red.

11 Zeitgenössische Bezeichnung für unglaubwürdige, gefälschte Polizei- und Gerichtsakten. Sie stammt aus den Jahren der Tätigkeit des preußischen Ministers des Innern Freiherr von Hammerstein-Loxten.

12 Am 16. März 1912 wurde der Rücktritt des Staatssekretärs des Reichsschatzamtes, Wermuth, bekanntgegeben. Wermuth hatte sich in einer Ministerkonferenz am 14. März, die sich mit den Deckungsvorlagen zur Wehrvorlage 1912 beschäftigte, für eine Erbschaftssteuer zur Deckung der Rüstungsausgaben eingesetzt. Diese direkte Besitzsteuer stieß auch in der katholischen Zentrumspartei, dem Koalitionspartner der konservativen Parteien im schwarzblauen Regierungsblock, erneut auf heftigen Widerstand, so dass die Erbschaftssteuer und Herr Wermuth fielen. Am 15. Mai wurde W. als Kandidat der Freisinnigen Volkspartei zum Oberbürgermeister von Berlin gewählt.

13 Als im September 1910 Streikbrecher des Streikbrechervermittlers Hintze unter dem Schutz der Polizei provokatorisch gegen die streikenden Arbeiter der Firma Kupfer und Co., eine dem Stinnes-Konzern angeschlossene Kohlengroßhandlung in Berlin-Moabit, auftraten, kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und der Polizei, deren brutales Vorgehen zwei Todesopfer und zahlreiche Verwundete forderte. Einer der beiden Ermordeten war der Arbeiter Herrmann. Karl Liebknecht vertrat die Klage der Witwe des Ermordeten auf Entschädigung in einem Prozess gegen das Berliner Polizeipräsidium. Die Arbeitermörder wurden vom Staatsapparat gedeckt und nicht zur Verantwortung gezogen.

14 Die sozialdemokratische Breslauer „Volkswacht" hatte sich in ihrem Leitartikel vom 2. Februar 1912 mit der Rede des preußischen Innenministers von Dallwitz beschäftigt und darin unter anderem energisch die Wahlfreiheit der Beamten verteidigt. Von Dallwitz hatte daraufhin den verantwortlichen Redakteur der „Volkswacht" wegen Beleidigung angezeigt, so dass es am 11. April 1912 vor dem Breslauer Landgericht zu einem Prozess kam. Die Red.

15 Der Sprecher der Fortschrittlichen Volkspartei Dr. Pachnicke begründete den Antrag seiner Partei, wenigstens das direkte und geheime Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus einzuführen. Die Red.

16 In der Mitte vor dem Rednerpult befanden sich die Plätze der Zentrumsfraktion. Die Red.

17 Mit dieser Vermutung behielt Liebknecht recht. Am 13. Februar 1913 stellte er am gleichen Ort fest, dass eine erhebliche Anzahl Abgeordneter des Zentrums der Abstimmung ausgewichen war. Die Red.

18 Ableitung von dem altrömischen Beinamen Cunctator, der Zauderer. Die Red.

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