Erwin Ackerknecht 19320301 Der Zentrismus der SAP

Erwin Ackerknecht: Der Zentrismus der SAP

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 5 und 6 (Anfang und Mitte März 1932), S. 8 f. und 9 f.]

Die SAP-Arbeiter die sich ehrlich zum Kommunismus entwickeln, sind oft sehr empört, wenn wir ihnen (z. B. auch in Thesen) sagen, dass ihre Partei als solche und insbesondere die Führung derselben, zentristisch ist. Wir sind diesen Arbeitern den sachlichen Beweis schuldig. dass ihre Partei tatsächlich zwischen Reformismus und Kommunismus schwankt, dass hier nicht selten Opportunismus und Ultralinkstum sich zu kombinieren versuchen. Wir stellen diese Untersuchungen nicht aus perversem Vergnügen an der «Kritik an sich» an, sondern weil nur durch eine Überwindung ihrer Irrtümer und Illusionen eine Entwicklung der SAP-Arbeiter zum Kommunismus stattfinden kann. Und gerade diese Arbeiter können als erfreuliche Vorboten einer neuen Welle von Proletariern, die sich unter dem Eindruck der Krise vom Reformismus zum Kommunismus entwickeln, für die Entwicklung des deutschen Kommunismus selbst von großer Bedeutung werden.

Von Lenin wurden die strategischen und taktischen Grundsätze für unsere Epoche niedergelegt. Die Einstellung zur Lehre Lenins bildet einen gewissen Prüfstein für die revolutionäre Reife von Leuten. Rein quantitativ müsste es demnach sehr gut stehen um die SAP, denn es gibt wohl keinen ihrer Redner, der sich nicht im Kampf gegen die KPD auf durchaus richtige Grundsätze Lenins über Gewerkschaftsarbeit aus «Radikalismus» beruft. Das Unglück ist aber, dass sich die Kenntnis und Verwertung Lenins nur auf diesen Teil seiner Lehre stützt, die man den «genialen Opportunismus» Lenins genannt hat, dass alles, was die Fritz Lewys bei ihm lernen wollen «Wendigkeit und Elastizität» ist. Wenn man aber Lenin nur in Teilen verstehen will, so heißt das ihn überhaupt nicht verstehen. Von Lenin die «Elastizität» übernehmen, aber seine Unerschütterlichkeit in den grundlegenden Auffassungen in der Frage der Rolle der Partei, des Stellung zum Kriege und zur Kolonialfrage unbeachtet lassen oder gar ablehnen. das heißt einen schlimmen Missbrauch mit dem Namen eines großen Revolutionärs treiben.

Wenn die letzten 14 Jahre der Arbeiterklasse überhaupt etwas gelehrt haben, dann dass ein Sieg der Revolution nur vermittels einer straff organisierten und zielklaren kommunistischen Partei möglich ist. Mit Recht bezeichnet Lenin in seinem «Radikalismus» «las ja auch als Hauptbedingung für den Erfolg der Bolschewiki.

«Ich wiederhole, die Erfahrung der siegreichen Diktatur des Proletariats in Russland hat denen, die nicht zu denken verstehen oder keine Gelegenheit hatten, über diese Frage nachzudenken. anschaulich gezeigt, dass bedingungslose Zentralisation und strengste Disziplin in den Reihen des Proletariats eine der Hauptbedingungen für den Sieg des Proletariats sind.»

Unter dem irreführenden Eindruck des bürokratischen Regimes in der KPD, das nichts zu tun hat mit Lenins demokratischem Zentralismus, hat die SAP leider «las Kind mit dem Bade ausgeschüttet und den Kommunismus Lenins durch den Opportunismus Paul Levis ersetzt. Eine breite Propaganda in diesem Sinne (oder Unsinn) füllt gegenwärtig die Spalten der SAZ und ausgerechnet der «linke» Zweiling stellt der Auffassung Lenins die «poetischen» Phrasen Levis gegenüber, der seinen Übergang ins reformistische Lager so begründete:

«Und so kann in Westeuropa die Organisationsform keine andere sein als die der nicht geschlossenen Massenpartei, die also niemals bewegt werden können auf Befehl eines Zentralkomitees, auf Befehl einer Zentrale, die bewegt werden können einzig und allein in dem unsichtbaren Fluidum, in dem sie stehen in der psychologischen Wechselwirkung mit der gesamten, übrigen proletarischen Masse.» (SÄZ vom 7. 2.)

Hier liegt eine der Wurzeln des «SAP-Zentrismus».

Dieselbe Verschwommenheit, wie in der Organisationsfrage ist bei der SAP-Führung in Bezug auf Grundsätze, Programmfragen überhaupt zu beobachten. Das muss umso mehr Wunder nehmen, als diese Leute doch im Namen marxistischer Grundsätze die SPD verlassen haben. Man lese solche Äußerungen prominenter SAP-Führer (die durchaus nicht vereinzelt dastehen) «Zwischen uns und den breiten Massen, mögen sie in der SPD oder in der KPD oder überhaupt nicht organisiert sein, gibt es überhaupt keine grundsätzlichen Gegensätze» Man soll nicht zu viel mit den Grundsätzen herumwerfen. Es gibt für eine politische Partei überhaupt nur einen Grundsatz: das ist die Eroberung der Macht» (Fritz Lewy Klassenkampf Jgg. Nr. 1) «Klares Ziel und klare Sicht des Weges zu diesem Ziele aber keine unnützen Streitereien über nebensächliche Punkte und keine ängstliche Sorge, dass eine Punktverletzung oder falsche Bewertung eines Dogmas uns die ewige Seligkeit verscherzen könnte.» (Seydewitz, Kampfsignal Nr. 3). Man vermeint wirklich den beinahe seligen Ede Bernstein zu hören, der nicht umsonst auch in der USP, der Vorgängerin der SAP, seinen Platz fand. Man hat den Eindruck, dass diese heute die SAP beherrschende Richtung überhaupt keine prinzipielle Abgrenzung gegen den Reformismus will, um ja niemand abzustoßen. In der marxistischen Sprache nennt man das Opportunismus. Wenn man bedenkt, dass es sich bei den Grundsätzen, von denen man hier mit so verblüffender Unbekümmertheit spricht, um die Frage Diktatur oder Demokratie handelt, so kann man versichern, dass trotz guten Willens diese Leute zu Führern des Proletariats taugen, wie das Nashorn zum Zither-Spiel.

Weder in Ihrem Aktionsprogramm noch sonst hat die heutige Führung der SAP eine klare Stellung in der grundliegenden Frage, auf der sich die Trennung zwischen Reformismus und Marxismus vollzogen hat, nämlich in der Frage Diktatur oder Demokratie (Von Versammlungsphrasen dürfen wir hier wohl mit Recht absehen). Und es sieht auch gar nicht so aus, als ob sie gewillt ist eine solche Position zu beziehen, wenn Fritz Lewy die «Linie» der offiziellen Führung gegen den linken» Zweiling verteidigend, schreibt: «Diese historische Erfahrung schließt aber nicht aus, dass auch in den Formen der politischen Demokratie die Klassenherrschaft des Proletariats ausgeübt werden kann.» «Der Grad der politischen Diktatur oder auch der politischen Demokratie ist nur allein eine Frage der Taktik auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse, und nicht eine Frage des Glaubensbekenntnisses» (Klassenkampf Jgg. 6 Nr. 1). Der Weg aber zur Revolution, zum Kommunismus führt nur über die erbarmungslose austromarxistische Konfusion hinweg die sich in der Praxis der Otto Bauer usw. entlarvt hat.

(Fortsetzung folgt)

(Schluss)

Die zweite Frage, an der sich die Geister geschieden haben, war die Frage der Stellung zum Kriege, wobei sich der Pazifismus der Kautsky und Konsorten «als nicht weniger infames Werkzeug des Imperialismus gezeigt hat, als der offene Chauvinismus der Ebert, Scheidemann. Hier nimmt die SAP, der Tradition der USP getreu, in ihrem Organ nicht nur eine zweideutige, sondern eine ganz eindeutige, offen pazifistische, unmarxistische, unrevolutionäre Stellung ein. Ströbel in Person ist zwar gegangen, aber sein Geist lebt weiter in der SAP. Man braucht nur die SAZ vom 7. Februar zur Hand zu nehmen (aber man kann fast alle Tage derartiges dort finden) Kleineibst behandelt dort den französischen Vorschlag auf der Abrüstungskonferenz, der wenn überhaupt, dann nur im Sinne der Kriegsvorbereitung gegen die Sowjetunion ernst genommen werden kann, den Vorschlag der französischen Imperialisten, die ihre wahre Gesinnung durch ihre Stellung im mandschurischen Konflikt als Helfershelfer der japanischen Räuber täglich zeigen, unter dem Motto «Ein Werkzeug des Friedens?» Schon dieses schüchterne Fragezeichen, dem wir in den Spalten der SAZ so häufig und so unangebracht begegnen ist eben so empörend wie lächerlich. (Das Fragezeichen ist überhaupt das Symbol dieser Sorte von Zentrismus und ich zweifle nicht, dass die SAZ doppelt so viel Fragezeichen verbraucht als andere Organe. Aber die Partei der Fragezeichen wird nie das Proletariat zum Siege führen. Aber Kleineibst belässt es nicht einmal bei der Frage, sondern er wagt es, in einer proletarischen Zeitung, den Vorschlag der französischen Militaristen, der in der SAZ sage und und schreibe unter dem Motto «Organisierung des Friedens» veröffentlicht wird, als «einzigen konstruktiven Plan einer bürgerlichen Regierung» zu bezeichnen und man soll die Kapitalisten damit «beim Wort nehmen». Also wenn schon Plan, dann nicht Litwinow sondern Tardieu. Das ist eine klare Fragestellung bei Kleineibst. Aber man kann nicht verstehen, wie die SAP-Arbeiter auch nur einen Tag länger so etwas in ihrer Zeitung dulden können. Ist das etwa die Demokratie? Nein, das ist eine Karikatur auf die proletarische Demokratie, wenn man die revolutionäre Idee einer «Demokratie» opfert.

Seydewitz fühlt selbst, dass man jetzt den Arbeitern ganz klar den Weg zeigen muss. Aber unglücklicherweise auf Grund seiner ganzen Konfusion ist er nicht im Stande dazu. Wenn er tausend Mal recht hat mit der Proklamierung der Einheitsfront, so trifft er doch in seiner Ablehnung der Teilkämpfe überhaupt (nicht nur der schlecht organisierten und fundierten der RGO) in seinem Artikel «Guerillakrieg» ganz daneben. Allein mit der Proklamierung des Generalstreiks wird man die Einheitsfront nie bilden können. Das war die Politik Kautskys, die in der elendesten Tatenlosigkeit mündete.

Wenn wir die Gewerkschaftstaktik der KPD kritisieren, dann nicht darum, weil sie Teilkämpfe führt, sondern weil sie sie schlecht führt. Durch solche Auffassungen kommt Seydewitz, der es vielleicht anders will und bestimmt anders sollte, dahin, viel häufiger das Feuer auf die KPD als auf die Reformisten zu lenken. Das ist das Schicksal aller, die sich nicht grundsätzlich vom Reformismus abgrenzen wollen, das heißt aller Zentristen. Davor gibt es nur eine Rettung: Kommunist zu werden. Zwischen Reformismus und Kommunismus ist kein Platz, weder für Auffassungen noch für Parteien.

Wie alle Zentristen, so tragen die SAP-Führer aber nicht nur die reformistische, sondern auch die ultralinke Seele in ihrer Brust. Wir können aus Raumgründen heute auf diese Frage nicht breiter eingehen, der wir einen besonderen Artikel widmen werden, aber wir geben auch hierfür einige Hinweise, die den Genossen von der SAP ein weiteres Durchdenken und Nachprüfen unserer Behauptungen gestatten soll. Zum Beispiel spielt in der SAP heute eine große Rolle die Anschauung von der Todeskrise, von der Unmöglichkeit des Kapitalismus aus dieser Krise herauszukommen und infolgedessen vom mechanischen Sturz des Faschismus. Man hört diese Anschauungen, die in der «3. Periode» unrühmlichen Angedenkens die KPD verwirrten, sehr häufig in den Referaten der SAP-Führer, mit Seydewitz angefangen. Auch in der Frage der Natur des heutigen Regimes, das wir als Übergang zum Faschismus bezeichnen, unterliegt die SAP häufig dem Druck der ultralinken Ideologie der heutigen KPD-Führung (schade dass sie nur das Schlechte von ihr übernimmt) Man hört auch von SAP-Referenten häufig, dass Gröner usw. der Faschismus ist. Von hier bis zum «Sozialfaschismus» ist nur ein Schritt. Die praktische Auswirkung dieser Unklarheiten sehen wir in der Beteiligung am sächsischen «roten Volksentscheid», der zwar von der KP eingeleitet war, aber sich in seiner Mechanik (Störung der Einheitsfront, parlamentarischer Kretinismus, Förderung der Nazis) in nichts vom preußischen unterschied.

Wir sehen in der SAP nicht nur Ultralinkes dieser Art, sondern auch der alte KAPismus feiert dort nicht nur persönlich, sondern auch politisch fröhliche Wiederauferstehung. Da ist einmal jene Rätemystik, die mit dem Wort Räte jedes politische Problem «löst» und die Räte an Stelle der Partei zu setzen sucht. Da ist ferner jene, ja auch von Urbahns mindestens halb geteilte, Ansicht vom vollzogenen Thermidor, vom roten Imperialismus, vom Nichtmehrvorhandensein der proletarischen Diktatur in Russland. Eine solche Anschauung hat mit Marxismus nichts zu tun. kann allerdings nicht mit der blinden Kritiklosigkeit der Brandlerianer in und außerhalb der SAP überwunden werden, sondern nur durch eine marxistische Analyse der russischen Lage, die die Klassennatur des Sowjetstaates ebenso wenig verkennt, wie die Schwächen und Fehler.

Die unglückselige Politik der KPD hat es überhaupt dazu gebracht, dass revolutionäre Arbeiter sich mit Gründung einer neuen Partei aufhielten. Doch kann man jetzt weder vor der einen noch vor der andern Schwierigkeit Halt machen. Alle ehrlichen SAP-Arbeiter müssen für den Kommunismus gegen zentristische Verwirrung kämpfen. Die Reichspräsidentenwahl, die die SAP nötigt für den Kandidaten der KPD zu stimmen, hat es erneut bewiesen, dass es kein Mittelding zwischen Kommunismus und Reformismus geben kann. Es gibt nur eine kommunistische Partei in Deutschland. Die SAP-Genossen müssen uns helfen im Kampf um die Reform derselben. Das ist das dringendste Problem. Nur so kann die Frage der Einheitsfront, die Frage der schnellen Entwicklung der Massen zur Revolution gelöst werden.

Bauer.

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