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Wladimir I. Lenin 19170128 Der Narr als Richter

Wladimir I. Lenin: Der Narr als Richter

(aus den Notizen eines sozialdemokratischen Publizisten)1

[Geschrieben am 28. (15.) Januar 1907. Veröffentlicht im Januar 1907 als Broschüre im Verlag „Nowaja Duma". Nach Sämtliche Werke, Band 10, Wien-Berlin 1930, S. 365-386]

Der bürgerlichen Presse gibt der Beschluss der Petersburger sozialdemokratischen Konferenz Anlass zu allen möglichen Urteilen und Betrachtungen. Der ganze Chor der Liberalen von der steifoffiziellen „Rjetsch" bis zum Boulevard-Blättchen „Sewodnja" frohlockt über die Spaltung, die die Menschewiki ins Werk setzen, triumphiert über die Rückkehr dieser verlorenen Söhne der „Gesellschaft" in den Schoss des „oppositionellen Blocks", triumphiert darüber, dass sie sich von dem Einfluss der „revolutionären Illusionen" befreit haben.

Die Sozialdemokraten, die wirklich auf der Seite des revolutionären Proletariats stehen, täten gut daran, die Frage zu stellen:

Wer sind die Richter?

Nehmen wir einmal einen der besten Richter, die Zeitung „Rodnaja Semlja" vom 28. (5.) Januar2. Diese Zeitung vertritt zweifellos eine radikalere Richtung als die Kadetten. Nach allem kann man diese Richtung als die der Trudowiki bezeichnen. Zum Beweis für die Richtigkeit einer solchen politischen Charakteristik kann man darauf verweisen, dass Herr Tan an dieser Zeitung mitarbeitet. Der Name des Herrn Tan steht in der veröffentlichten Liste der Mitglieder des Organisationskomitees der „Trudowiki-(volkssozialistischen) Partei".

Die Richter sind also Trudowiki.

Sie verurteilen die Bolschewiki und billigen ebenso wie die Kadetten den Plan der Menschewiki. Nur wollen sie zum Unterschied von den Kadetten, dass in dem gemeinsamen Block aller linken Parteien den Kadetten nicht mehr als zwei oder drei Parlamentssitze zur Verfügung gestellt werden.

So lautet das Urteil. Schauen wir uns seine Begründung an.

Im Mittelpunkt des Streites steht unzweifelhaft die Frage, ob in Petersburg eine Schwarzhundert-Gefahr besteht oder nicht."

Das ist nicht wahr. Wenn ihr es unternehmt, in dem Leitartikel einer politischen Zeitung über die bolschewistische Sozialdemokratie zu Gericht zu sitzen, seid ihr verpflichtet zu wissen, worüber ihr richtet. Ihr selbst erklärt in demselben Leitartikel:

Der Streit, der gegenwärtig über die Resolutionen der (sozialdemokratischen) Konferenz entbrannt ist, erweckt zweifellos allgemeines politisches Interesse."

Wer den Wunsch ausdrückt, sich öffentlich an einem Streit zu beteiligen, der jedermann interessiert, und von vornherein verrät, dass er den „Mittelpunkt" des Streites nicht kennt, der läuft Gefahr, dass man ihm eine nicht gerade schmeichelhafte Wahrheit ins Gesicht sagt…

Die revolutionäre Sozialdemokratie hat schon sehr oft, in allen ihren politischen Erklärungen, auseinandergesetzt und betont, dass man als „Mittelpunkt" der Streitfragen der Wahltaktik nicht die Frage der sogenannten Schwarzhundert-Gefahr betrachten darf.

Warum nicht? Weil die Wahltaktik der Arbeiterpartei nur darin bestehen darf, dass die allgemeinen Grundsätze der sozialistischen Taktik des Proletariats auf einen besonderen Fall angewendet werden. Die Wahlen sind nur ein Kampfgebiet, und zwar (besonders in einer revolutionären Epoche) bei weitem nicht das wichtigste, durchaus nicht das wesentlichste Gebiet des Kampfes, den das sozialistische Proletariat für Freiheit und Beseitigung jeder Ausbeutung führt. Außer dem Kampf mit Wahlzetteln gibt es noch einen Kampf anderer Art – und er entbrennt unweigerlich in revolutionären Epochen. Leute, die sich einbilden, gebildete Intellektuelle zu sein, bei denen aber die Freiheitsliebe nicht weiter geht als die Zungenspitze, sind geneigt, diesen anderen Kampf zu vergessen. Ihn zu vergessen, sind kleine Eigentümer geneigt, die abseits vom schärfsten Tageskampfe gegen das Kapital und seine Helfershelfer stehen. Der Proletarier aber vergisst diesen Kampf nicht.

Deshalb kann für den klassenbewussten Proletarier die Taktik während der Wahlen nur darin bestehen, seine allgemeine Taktik einem besonderen Kampfe, dem Wahlkampfe, anzupassen, keinesfalls aber darin, die Grundsätze seiner Taktik zu ändern, den „Mittelpunkt" dieser Taktik zu verschieben.

Die Grundlagen der sozialistischen Taktik während der Revolution bestehen darin, dass die führende Klasse, das Proletariat, an der Spitze der Volksrevolution marschieren muss (die Revolution, die sich gegenwärtig in Russland vollzieht, ist insofern eine bürgerliche Revolution, als die Eroberung der ganzen Freiheit und des ganzen Bodens für das Volk uns durchaus nicht von der Herrschaft der Bourgeoisie erlöst; es ist aber klar, dass die Revolution trotz dieses ihres sozial-ökonomischen Charakters eine Volksrevolution ist). Die führende Klasse muss daher vor den breiten Massen aufdecken, wie trügerisch die Hoffnungen sind, die auf Verhandlungen und Abkommen mit der alten Staatsgewalt im Allgemeinen und insbesondere auf ein Abkommen in der Bodenfrage zwischen Großgrundbesitzern und Bauern gesetzt werden. Die führende Klasse muss selbständig eine Linie des hartnäckigen Kampfes innehalten und nur diejenigen unterstützen, die wirklich kämpfen, und zwar nur in dem Maße, wie sie kämpfen.

Das sind die Grundlagen der sozialistischen Taktik, die der Arbeiterpartei selbständige Klassenpolitik als Regel vorschreiben, Zusammenarbeit aber und Abkommen – und zwar nur mit der revolutionären Bourgeoisie – nur als Ausnahme gestatten.

Die Liberalen begreifen diese Grundlagen der sozialdemokratischen Taktik nicht. Der Gedanke des Klassenkampfes ist ihnen fremd, es stößt sie ab, wenn man Kompromisse und Verhandlungen der Volksrevolution gegenüberstellt. Alle Sozialdemokraten aber, sowohl die Bolschewiki als auch sogar die Menschewiki, erkennen grundsätzlich die Grundlagen dieser Taktik an. Die Herren Trudowiki, die es unternehmen, eine politische Zeitschrift herauszugeben, ohne das Abc der gegenwärtigen taktischen Fragen des Sozialismus zu kennen, könnten sich z. B. sogar in der Wahlplattform der sozialdemokratischen Partei – der Plattform der Menschewiki, die die Mehrheit im ZK haben – darüber unterrichten.

Bürger", erklärt diese Plattform, „in die Duma müssen Leute gewählt werden, die nicht nur Freiheit für Russland wollen, sondem auch bestrebt sind, der Volksrevolution zu helfen, diese Freiheit zu erringen… Die Mehrheit der ersten Duma, die von der Partei der ,Volksfreiheit' geführt wurde, hoffte, Freiheit und Land durch friedliche Verhandlungen mit der Regierung zu erhalten … Bürger, wählt also Kämpfer der Revolution, die zusammen mit euch das große Werk fortsetzen werden, das im Januar, Oktober und Dezember des vorigen Jahres (1905) begonnen wurde."

Der Mittelpunkt des Streites", von dem unsere Trudowiki nichts begriffen haben, besteht darin, ob von diesem Gesichtspunkt aus Abkommen mit den Kadetten grundsätzlich zulässig sind. Auf diese Frage hat die Petersburger sozialdemokratische Konferenz, genau wie vorher die vierzehn Delegierten der Allrussischen Konferenz (der SDAPR), eine verneinende Antwort gegeben. Abkommen mit der Partei des Kuhhandels und der Verhandlungen mit der alten Staatsgewalt sind unzulässig. Die Kadetten können keine Bundesgenossen in der „Volksrevolution" sein. Ihr Anschluss an die „Kämpfer der Revolution" stärkt die Kämpfer nicht, sondern schwächt sie, denn die Kadetten, die jetzt offen gegen den Kampf, gegen alle revolutionären Losungen auftreten, hemmen die Arbeit der „Kämpfer der Revolution".

Unsere Richter haben die grundsätzliche Einstellung der bolschewistischen Sozialdemokratie zu den Kadetten nicht bemerkt, sie haben damit eine ganze Kleinigkeit übersehen – den „Elefanten".

Diese Trudowiki befinden sich ganz unter dem geistigen Einfluss der liberalen Bourgeoisie. Für sie haben die Wahlen alles überschattet. Die Wahlergebnisse sind für sie wichtiger als die Aufklärung der Massen während der Wahlkampagne. Sie haben keinen Begriff davon, dass völlige Klarheit, Bestimmtheit und Unzweideutigkeit der Wahlagitation für einen Sozialdemokraten ungeheure Bedeutung haben, der seinen Grundsätzen, der seiner revolutionären Stellung auch dann treu bleibt, wenn man ihn durch die Aussicht auf einen Dumasitz zu verlocken versucht, auch dann, wenn man ihm mit der Aussicht bange zu machen versucht, in der Hauptstadt ohne Dumasitz zu bleiben. Die Trudowiki haben alle Grundsätze vergessen, haben alle Grundaufgaben der Revolution vergessen und sind auf das liberale Wortgefecht hereingefallen: sie sehen nichts, begreifen nichts, sorgen sich um nichts und murmeln nur – „ein Sitz, zwei Sitze, drei Sitze!".

„… Der Mittelpunkt der Frage ob in Petersburg eine Schwarzhundert-Gefahr besteht …"

Die Schwarzhundert-Gefahr seht ihr also in der Gefahr eines Schwarzhundert-Sieges bei den von der Regierung gefälschten Wahlen! So begreift doch, ihr Herren, wenn ihr die Frage so stellt, erkennt ihr an, dass die Regierung bereits endgültig gesiegt hat, und dass die Sache der Freiheit, über die ihr schwatzt, schon endgültig verloren ist! Ihr selbst seht nicht jene wirkliche Schwarzhundert-Gefahr und hindert die Volksmassen, sie zu sehen, die zum Ausdruck kommt nicht in Abstimmungen, sondern in der Bestimmung der Bedingungen für die Abstimmung (Senatserläuterungen und bevorstehende Abschaffung des Wahlgesetzes vom 24. [11.] Dezember), in der Vernichtung der Ergebnisse der Abstimmung (Auflösung der Duma). Ihr stellt euch vorbehaltlos auf den faden, liberalen Standpunkt, wenn ihr eure Absichten – und die Absichten der Volksmassen, denen ihr den Kopf verwirrt – darauf beschränkt, den Kampf auf der Grundlage des Gesetzes zu führen, das gefälscht ist und weiter gefälscht wird. Die Schwarzhundert-Gefahr, d. h. die Gefahr, dass vielleicht sämtliche Wahlmänner verhaftet werden, seht ihr nicht. Das, was von euch, und zwar ganz von euch abhängt, – das, was jedenfalls eine feste und wesentliche Errungenschaft der Revolution wäre: die Stärkung des revolutionären Bewusstseins der Massen durch eine wirklich grundsatzfeste Agitation, – das verliert ihr. Die Erfolge aber, denen ihr nachjagt, hängen ab von den Stolypinschen Machenschaften, von einer neuen Senatserläuterung, von einer neuen polizeilichen Verletzung des Wahlgesetzes. Folglich kämpft ihr gegen die „Schwarzhundert-Gefahr" genau so, wie die französischen bürgerlichen Republikaner die monarchistische Gefahr bekämpfen: durch Festigung der monarchischen Einrichtungen und der monarchischen Verfassung in der Republik. Denn, wenn ihr dem Volke den Gedanken eingebt, die Schwarzhundert-Gefahr bestehe in der Gefahr einer Schwarzhundert-Abstimmung, bestärkt ihr die rückständigsten Massen, die die wirkliche Quelle und das wirkliche Wesen der Schwarzhundert-Gefahr nicht kennen, in ihrer Unaufgeklärtheit.

Gehen wir aber weiter. Nehmen wir an, dass weitere Senatserläuterungen über die Wahlen und die Wahlmänner nicht erfolgen werden. Gehen wir zu der Frage über, welche Parteien unter der gegenwärtigen Wahlordnung bei der Abstimmung in Petersburg siegen werden.

Die Trudowiki können nicht leugnen, dass die rechten Parteien stark kompromittiert sind, dass der Bund vom 17. Oktober Niederlagen erleidet, von denen eine schmachvoller ist als die andere, dass „in der letzten Zeit die Oktobristen, verdattert durch die schweren Schläge, die sie von links erhalten haben, ganz kleinlaut geworden sind", dass „die Gesellschaft eine Linksentwicklung durchgemacht hat".

Aber … Schtschedrin hat schon längst dies liberale russische „aber" in eine gemeinverständliche Sprache übersetzt – die Ohren wachsen nicht über die Stirn hinaus, sie wachsen eben nicht weiter! – aber „technische Schwierigkeiten", „man sendet keine Literatur", „gibt keine Wahlzettel", „polizeiliche Schikanen" …

Hier hat man sie, die Psychologie des russischen Intellektuellen. In Worten ist er ein tapferer Radikaler, in Taten ein kleines Schufterle von Tschinownik.

Gegen polizeiliche Schikanen sollen Blocks mit den Kadetten helfen! Weshalb nicht auch mit den Oktobristen, die eine Verfassung „wollen" und die gegen „Schikanen" gefeit sind? In der Tat, eine russische politische Logik: Wahlabkommen als Kampfmittel gegen die Weigerung der Post, die Literatur zu befördern, gegen die Nichtausfolgung der Wahlzettel … Wogegen kämpft ihr, Herrschaften?

Gegen jene „Gesetze", auf Grund deren polizeiliche Gemeinheiten verübt und gewisse Parteien für „ungesetzlich" erklärt werden und keine Wahlzettel erhalten. – Wie aber kämpft ihr?

Nun, selbstverständlich mit Hilfe eines Abkommens mit der Partei, die entweder Wahlzettel von den friedlichen Erneuerern erhalten oder noch vor Zusammentritt der Duma mit Stolypin handelseinig werden, oder ebenfalls ohne Wahlzettel bleiben wird!

Der russische Tschinownik (der mit zwanzig Jahren Radikaler, mit dreißig Jahren Liberaler und mit vierzig Jahren einfach Tschinownik ist) ist gewohnt, in den vier Wänden seines Zimmers den Liberalen zu spielen und die Faust in der Tasche zu ballen. Die Wahlkampagne betrachtet er ebenfalls vom Standpunkt der Faust in der Tasche. Ist es notwendig, die Massen zu beeinflussen? Gut gesagt, wo die Post unsere Literatur nicht ausliefert.

Wäre es nicht angebracht, Literatur herauszubringen und zu verbreiten, unabhängig von der „Post" und ähnlichen Einrichtungen?

Dummes Zeug! Das sind alte revolutionäre Illusionen, die mit einer „breiten" verfassungsmäßigen Arbeit nicht in Einklang stehen. Die breite verfassungsmäßige Arbeit besteht darin, die vorgesetzte Behörde hinters Licht zu führen: „sie" werden mich bei den Sozialdemokraten oder bei den Sozialrevolutionären suchen, ich werde mich aber in der Kadettenliste so verstecken, dass man mich nicht findet! Die Regierung wird mich als Revolutionär suchen, ich aber werde die Regierung und die Revolutionäre hinters Licht führen, ich werde zum „oppositionellen Block" überlaufen. So schlau bin ich!

Wird sich dabei aber, verehrter Politiker, nicht ergeben, dass ihr auch die Massen hinters Licht führt, die aufhören werden, irgend jemand von der „Opposition" der kniefälligen Liberalen zu unterscheiden?

Dummes Zeug! Was heißt da: Massen … Nun wir werden der Arbeiterkurie ein Dumaplätzchen geben … Und dann, von einem gewissen Standpunkt aus sind wir alle für die Freiheit die Revolution ist eine Angelegenheit der gesamten Nation geworden Die Kadetten sind auch bereit, in ihrer Art und Weise zu kämpfen …

Es fragt sich, gibt es bei den Trudowiki außer den polizeilichen auch noch irgendwelche politische Erwägungen? Ja. Sie bestehen darin, dass man sich nicht dem energischen und beweglichen, sondern dem verschüchterten und verschlafenen Wähler anpassen muss, der hinter dem Ofen sitzt. Hört, wie eine „linke" Zeitung urteilt:

Nach der Stimmung, die in den Versammlungen herrscht, darf man noch nicht über die Stimmung der gesamten Wählermasse urteilen Zu den Versammlungen kommen nicht mehr als ein Zehntel aller Wähler – natürlich die energischsten, lebendigsten und beweglichsten Leute."

Das ist wirklich ein ausreichender Grund, im Schlepptau der am wenigsten energischen, passivsten, unbeweglichsten Kadettenwähler zu schwimmen! Das ist die Tragödie des russischen Radikalen: Jahrzehnte hindurch hat er nach Versammlungen, nach Freiheit geseufzt, in ihm loderte eine (in Worten) wilde Leidenschaft für die Freiheit, – nun kommt er in eine Versammlung, sieht, dass die Stimmung radikaler ist als seine eigene und erklärt traurig: „Es ist schwer zu urteilen", „nicht mehr als ein Zehntel", „man müsste vorsichtiger handeln, Herrschaften!" Ganz wie der feurige Turgenjewsche Held, der vor Assja davonläuft, – und über den Tschernyschewski die Novelle: „Der Russe beim Rendezvous" geschrieben hat.

Ach, die ihr euch Anhänger der werktätigen Massen nennt! Ihr wollt doch nicht etwa zu einem Rendezvous mit der Revolution gehen, – sitzt lieber zu Hause; es ist dort wirklich ruhiger; und ihr werdet nicht mit diesen gefährlichen „energischsten und lebendigsten, beweglichsten Leuten" zu tun haben. Zu euch passen unbewegliche Spießbürger!

Vielleicht aber werdet ihr jetzt an einem ganz einfachen Beispiel begreifen, welches der „Mittelpunkt des Streites" um das Abkommen mit den Kadetten ist?

Der Mittelpunkt des Streites, Verehrtester, besteht darin, dass wir den Spießbürger aufrütteln und zu einem Bürger machen wollen. Zu diesem Zweck aber muss man ihn zwingen, die Wahl zu treffen zwischen der spießbürgerlichen Politik des Kadetten, der vor der (pfui! pfui!) „Verfassung" auf dem Bauche kriecht, und der revolutionären Politik des sozialistischen Proletariats.

Block aller linken Parteien" – das bedeutet: „ein Zehntel der energischsten und lebendigsten, beweglichsten Leute" in der Masse der Gleichgültigen, Ruhigen und Verschlafenen zu ertränken, das bedeutet: alle diejenigen, die kämpfen wollen (und die im entscheidenden Augenblick die Massen mit sich fortzureißen vermögen), denjenigen unterzuordnen, die den Wunsch hegen, ebenso unanständig ihre Untertanentreue zu bekunden, wie die Kadetten in der ersten Duma, die wünschen, ebenso mit Stolypin zu kuhhandeln und schuftig auf seine Seite überzulaufen, wie der Kadett Lwow3.

Die Reaktion greift uns an, sie hat uns bereits ein gutes Drittel der Oktobererrungenschaften entrissen, sie droht uns auch die restlichen zwei Drittel zu entreißen. Ihr aber gebärdet euch als Leute der Ordnung, ihr verteidigt euch, indem ihr euch an die Spießbürgerseele wendet: keine Angriffshandlungen, keine Revolution, wir gehen in die Duma, um Gesetze zu geben, wir beschränken uns auf die Verteidigung, wir stehen auf dem Boden des Gesetzes!

Wann werdet ihr begreifen, dass man sich schon als moralisch geschlagen betrachtet, wenn man sich auf die Verteidigung beschränkt? In der Tat seid ihr ja auch moralisch geschlagene Leute. Ihr taugt nur dazu, eure Stimmen den Kadetten zu geben.

Den Spießbürger zwingen, die Wahl zu treffen", sagten wir. Ja, es handelt sich eben darum, ihn zu zwingen. Keine sozialistische Partei der Welt vermochte die Massen dem Einfluss der liberalen und radikalen Parteien, die sich auf die Gemütsverfassung des Spießbürgers stützen, zu entreißen, ohne den Massen einen derben Stoß zu versetzen, ohne einen gewissen Widerstand zu überwinden, ohne das Wagnis des ersten Versuchs: wer verteidigt wirklich die Freiheit, die Kadetten oder wir?

Wenn ein Abkommen mit den Kadetten besteht, braucht der Spießbürger nicht darüber nachzudenken. Das haben schon die Politikanten aus den Reihen der radikalen Schwätzer und der sozialdemokratischen Opportunisten für ihn besorgt, sie haben darüber nachgedacht bei dem Rendezvous mit den Kadetten. Der Spießbürger ist radikaler geworden (nicht dank uns, nicht kraft der Propaganda unserer Partei, sondern kraft der eifrigen Tätigkeit Stolypins), der Spießbürger ist radikaler geworden, – was will man noch mehr von uns? Er ist radikaler geworden, d. h. er wird für einen „Block aller Linken" eintreten! Die ganze Spießbürgermasse, und nicht etwa irgend ein Zehntel der unruhigen … Verzeihung, beweglichen … Leute, wird dafür eintreten. Sowohl die Versammlungen als auch die gesamte Politik muss auf den Spießbürger abgestimmt werden, der es mit der Angst bekommen hat, das ist der wahre Sinn des Blocks mit den Kadetten.

Wir aber sagten: nicht nur die Flugblätter und die Plattformen, nicht nur die Resolutionen und Reden, sondern auch die gesamte Politik und die Wahlkampagne müssen darauf gerichtet sein, dem Spießbürger, der es mit der Angst bekommen hat, den entschlossenen Kämpfer entgegenzustellen. Das kann nur dadurch geschehen, dass zwei verschiedene Wahllisten einander gegenübergestellt werden: die Liste der Kadetten und die Liste der Sozialdemokraten. In der Hauptstadt, deren Presse über ganz Russland verbreitet ist, in der Hauptstadt, wo sich die Zentralen aller Parteien befinden, in der Hauptstadt, die die geistige und politische Führung des ganzen Landes innehat, ist es tausendmal wichtiger, anstatt eines Musters von Politik spießbürgerlicher Wohlanständigkeit das Musterbeispiel einer Politik zu geben, die eines Oktoberkämpfers würdig ist, der ein Stückchen Freiheit errungen hat, – einer Politik, die des Proletariats würdig ist.

Unsere Sätze über die Notwendigkeit, die Fehler der „friedliebenden" Kadettenduma zu erkennen, über die Notwendigkeit, einen Schritt weiter zu tun, werden leere Redensarten bleiben, wenn wir nicht selbst einen Schritt weiter gehen als der spießbürgerliche Oblomowsche Gedanke: „Block aller linken Parteien". Alle unsere Aufforderungen, vorwärts zu schreiten, werden falsch klingen und die Herzen der Volkskämpfer nicht entzünden, wenn wir selbst, die „Leiter", die „Führer", in der Hauptstadt vor den Augen aller Völker Russlands auf der Stelle treten: Arm in Arm mit denselben Kadetten, auf Grund einer „gütlichen" Verteilung der Dumasitze – alles wird in Güte geregelt, alle halten zusammen, alle sind für ein und dasselbe, alle sind für Freiheit. Was braucht man da noch klarzustellen? Und was ist das schon für ein Unglück, wenn der Menschewik Iwan Iwanytsch irgendeinmal dem Kadetten Iwan Nikiforitsch eine Grobheit gesagt hat?

„… Zu den Versammlungen kommen nicht mehr als ein Zehntel aller Wähler…" Nun wohl, Herr Radikaler. Glauben wir Ihnen einmal ausnahmsweise aufs Wort, machen wir Ihnen dies Zugeständnis, weil Sie so ungeschickt argumentieren.

Ein Zehntel der Wähler, das macht für ganz Petersburg 13.000 von 130.000 Wählern. Diese 13.000 energischsten und lebendigsten, beweglichsten Wähler sind radikaler gestimmt als die Kadetten. Es fragt sich, ob ein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, bestreiten kann, dass die energischen Versammlungsbesucher eine gewisse Anzahl weniger energischer Wähler, die Stubenhocker sind, mit sich reißen? Jedermann versteht, dass sich das nicht bestreiten lässt, jedermann versteht, dass in einer Stadt von einer halben Million Einwohner außer Zeitungen und Versammlungen Tausende von Wegen und Kanälen vorhanden sind, durch die die Stimmung der Vorhut in die breiten Massen dringt. Jedermann begreift – und die Wahlen in allen Ländern bestätigen es –, dass hinter jedem energischen Wähler, der die Versammlungen besucht, nicht ein, sondern mehrere Wähler stehen, die Stubenhocker sind.

Bei den vorigen Wahlen haben von 150.000 Petersburger Wählern 60.000 ihre Stimme abgegeben. Davon haben ungefähr 40.000 für die Kadetten, ungefähr 20.000 von ganz Petersburg für die Rechten gestimmt. Wir hörten von unserm Herrn Radikalen selbst, der kein „Optimist" sein will … (Gott bewahre! Unsere Radikalen wollen „solide Leute" sein, … von der Art der deutschen Radikalen der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts.) … wir hörten von ihm, dass die Oktobristen ganz kleinlaut geworden sind, und wir schließen aus Tatsachen auf ihre völlige Niederlage.4 Wir hören jetzt von 13.000 energischen Wählern, die radikaler gestimmt sind als die Kadetten. Man vergegenwärtige sich, dass sich in einzelnen Bezirken das Verhältnis zwischen diesen Zahlen stark verändert. Man vergegenwärtige sich, wie viel Stimmen gewöhnlich auf einen Wähler entfallen, der die Versammlungen besucht.

Man wird klar erkennen, dass das Gerede von der Gefahr einer Schwarzhundert-Abstimmung in Petersburg, der Gefahr, dass infolge der Zersplitterung der Stimmen der Kadetten und der Sozialisten Rechte in die Duma gewählt werden, ein albernes Märchen ist. Die Voraussetzung dafür, dass in Petersburg Rechte in die Duma gewählt werden, wäre doch, dass in der Mehrzahl der Wahlbezirke sich die Stimmen nicht nur überhaupt zersplittern, sondern dass sie sich ausgerechnet so zersplittern, dass sowohl die Kadetten als auch die Sozialisten, getrennt genommen, weniger Stimmen erhalten als die Liste der Schwarzen. Das ist offenbarer Unsinn.

Deshalb erklären wir auch offen heraus: wenn die Schwarzhundert-Gefahr nicht von außer-„konstitutioneller" Seite kommt (in der Bewertung dieser Seite liegt eben der Schwerpunkt des Unterschiedes in der Taktik der Kadetten und Sozialisten), dann kann die Zersplitterung der Stimmen der Kadetten und der Sozialisten den Rechten in Petersburg nicht zum Siege verhelfen.

Das Gerede von der Gefahr eines Wahlerfolges der Schwarzhunderter in Petersburg ist ein Volksbetrug, den die Kadetten, die „Radikalen" und alle möglichen Opportunisten begehen und der den politischen Bedürfnissen des Spießbürgertums dient. Das Märchen von dieser Schwarzhundert-Gefahr dient in Wirklichkeit den Bedürfnissen der Kadetten – es hilft, sie gegen die Gefahr von links zu schützen – und dient zur Verdummung der Massen, die man nicht dazu zwingt, bei der Abstimmung selbst den „gesetzgeberischen" Kadetten-Bourgeois zu unterscheiden von dem Sozialisten, der das Volk zum Kampfe führt.

Wenn daher der allgemeine Chor der Liberalen, Trudowiki und sozialdemokratischen Opportunisten uns verkündet: ihr seid isoliert! – so antworten wir ruhig: wir sind sehr froh, dass wir uns vom Betrug isoliert haben. Wir sind sehr froh, dass wir uns von einer schmutzigen Sache isoliert haben. Denn es ist unbestreitbar eine schmutzige Sache, wenn man in Petersburg nach dem 22. (9.) Januar 1905, nach dem Oktober 1905, vor der Masse von 130.000 Wählern die Kutler, Nabokow, Struve und Konsorten in die Duma zu bringen trachtet.

Den Trudowiki und den sozialdemokratischen Opportunisten, die schon im Voraus darüber jubeln, dass die Kadetten sie und nicht die Bolschewik! in die Duma bringen werden, sagen wir voraus, dass sich die Trudowiki und die sozialdemokratischen Opportunisten – falls die zweite Duma eine Kadetten-Mehrheit haben wird – schämen werden, Kadetten in die Duma gebracht zu haben. Jetzt werden sie unmittelbar die Verantwortung dafür tragen. Die Kadetten aber werden in der zweiten Duma so weit nach rechts abschwenken (das ist während des letzten Jahres aus ihrer ganzen Haltung und aus ihrer ganzen politischen Literatur ersichtlich geworden), dass sogar die extremen Opportunisten gezwungen sein werden, die Kadetten zu entlarven. In der ersten Duma schlug sich der Kadett Lwow zu den Friedlichen Erneuerern und rechtfertigte die Auflösung der Duma durch das Schwarze Hundert. In der zweiten Duma werden die kadettischen Lwows (wenn die Geschichte nicht eine jähe Wendung herbeiführt, die allen kleinen Geschäften mit den Kadetten und den Kadetten selbst den Garaus macht) nicht am Ende, sondern am Anfang ihr wahres Gesicht zeigen.

Herrschaften! Nehmt ruhig eure Dumasitze von den Kadetten in Empfang! Wir beneiden euch nicht. Wir übernehmen es, die Arbeitermassen und die kleinbürgerlichen Massen der Hauptstadt zu warnen. Wir übernehmen es, in diesen Massen – nicht nur durch Reden, sondern auch durch die Wahlen selbst – das Bewusstsein zu entwickeln, dass zwischen den Kadetten und den Sozialisten ein Abgrund klafft.

Jedem das Seine, aber „es gibt eine Unmenge von Leuten, die diese beiden Berufe gerne miteinander verbinden, wir gehören nicht zu ihnen".5

Sie – sagt der Leitartikler der ,Rodnaja Semlja' von den Bolschewiki – werden jetzt sogar noch mehr isoliert sein als früher, weil die früheren Boykottisten, die Sozialrevolutionäre, jetzt nicht nur zu den Wahlen gehen werden, sondern auch für einen Block mit den Kadetten eintreten."

Das ist neu und interessant. Wir haben schon gelegentlich darauf hingewiesen, dass sich die Sozialrevolutionäre in der ganzen Frage der Wahlabkommen nicht wie eine politische Partei, sondern wie eine Clique von Intellektuellen benehmen, denn ein offenes politisches Vorgehen ihrer Organisationen in dieser Frage haben wir bisher nicht gesehen. Wenn die Zeitung, in der Herr Tan schreibt, nicht einfach die Unwahrheit spricht und nicht ein unkontrolliertes Gerücht wiederholt, so werden wir jetzt einen weiteren Schluss ziehen, – und zwar: die Sozialrevolutionäre handeln in der Frage der Wahlabkommen politisch unehrlich oder zumindest so wankelmütig, dass es einer politischen Gefahr gleichkommt.

Jedermann weiß, dass die Konferenz der Petersburger sozialdemokratischen Organisation einen Block mit den Kadetten abgelehnt hat und den Trudowiki und den Sozialrevolutionären ein Wahlabkommen gegen die Kadetten vorgeschlagen hat. Unsere Resolution wurde in allen Zeitungen veröffentlicht.

Es haben bereits Verhandlungen stattgefunden zwischen dem Petersburger Komitee der SDAPR und den entsprechenden Körperschaften der Sozialrevolutionäre und des Komitees der Trudowiki-Gruppe. Meinungsverschiedenheiten bestanden nur über unsere Forderung nach Ausschließung der „Volkssozialisten" und über die Verteilung der Sitze. Wenn ungeachtet dessen die Sozialrevolutionäre, nachdem sie Verhandlungen mit uns aufgenommen haben – nach unserer Erklärung, dass wir unbedingt entschlossen sind, den Kadetten in Petersburg eine Schlacht zu liefern –, mit den Kadetten Verhandlungen über einen Block aufgenommen oder fortgesetzt haben, dann ist es augenscheinlich, dass die Sozialrevolutionäre politisch unehrlich gehandelt haben.

Wir sagen offen: Auf in den Kampf gegen die Kadetten! Wer ist für uns?

Und die Sozialrevolutionäre führen sowohl mit uns als auch mit den Kadetten Verhandlungen.

Wir wiederholen: ob der Leitartikler der „Rodnaja Semlja" die Wahrheit gesprochen hat, wissen wir nicht. Aber wir können die bestimmte Behauptung eines Blattes, in dem ein Mitglied des Organisationskomitees der Partei der Volkssozialisten, Herr Tan, schreibt, nicht völlig unbeachtet lassen. Von dem Block der Sozialrevolutionäre und Volkssozialisten wissen wir sowohl aus den Zeitungen als auch aus den Mitteilungen, die uns die Sozialrevolutionäre bei den Verhandlungen mit uns gemacht haben (obwohl uns die Bedingungen dieses Blocks und sein wirkliches Wesen unbekannt sind: auch da wird etwas hinter den Kulissen gespielt).

Infolgedessen haben wir die Pflicht, diese Frage offen und vor aller Augen aufzurollen, damit jedermann die Haltung einer solchen politischen Partei kenne. Bisher wurde bei uns das Verhältnis der Parteien zueinander nur auf Grund der Programme und der Literatur festgestellt, – doch sind das letzten Endes nur Worte. Die erste Duma hat gewisse Parteien in ihrer Tätigkeit gezeigt. Jetzt müssen und werden wir auch die Wahlen unbedingt dazu benützen, die Massen über das wirkliche Wesen der Parteien gründlich aufzuklären.

Dass die Sozialrevolutionäre irgend etwas von ihren Beziehungen zu den Volkssozialisten verheimlichen, ist jetzt eine politische Tatsache. Dass die Sozialrevolutionäre sich tatsächlich im Schlepptau der opportunistischen Partei befinden, die sich von ihnen abgespalten hat, ist ebenfalls Tatsache. In Wirklichkeit sind also die Sozialrevolutionäre, was ihre revolutionäre Selbständigkeit und Entschlossenheit betrifft, viel schlimmer, als sie zu sein scheinen. Und wenn sie sich auf einen Block mit den Kadetten einlassen – und nicht einmal wegen eines kleinen Dumasitzes für sich selbst, sondern für die Volkssozialisten –, dann werden wir einen vorzüglichen Agitationsstoff haben, mit dem wir den Petersburger Arbeitern den marxistischen Satz von der ganzen Unbeständigkeit und dem trügerischen Äußeren der kleinbürgerlichen Parteien (mögen es auch revolutionäre Parteien sein) erläutern werden.

Sich von solchen Parteien zu „isolieren", ist nach unserer Ansicht nicht nur Ehrensache für einen Sozialdemokraten, sondern auch die einzige richtig berechnete Politik. Nur dass bei uns die Berechnung nicht ausgeht von der Zahl der Dumasitze, sondern von der gesamten Arbeiterbewegung als Ganzem, von den grundlegenden Interessen des Sozialismus.

Kehren wir aber zur „Rodnaja Semlja" zurück. Wie weit diese Zeitung in ihrem Leichtsinn geht, zeigt folgender Satz:

Überhaupt sind die Beschlüsse der Konferenz der Bolschewiki offenbar voreilig und unvorsichtig gefasst worden. Inwiefern sind eigentlich die Trudowiki besser als die Volkssozialisten?"

Dies „eigentlich" ist geradezu unvergleichlich. Der Verfasser ist ein solcher Neuling in der Politik, dass er nicht einmal bemerkt, wie er selbst nackt einhergeht, ganz wie ein australischer Wilder. Und das sind die gebildeten Politiker des Kleinbürgertums!

Nun, da bleibt uns nichts anderes übrig, als die „verdammte Pflicht und Schuldigkeit" eines Publizisten zu tun: den Brei nochmals durchzukauen und das Abc zu lehren.

Die Trudowiki, d. h. das Komitee der Trudowiki-Gruppe, an das sich die St. Petersburger sozialdemokratische Konferenz gewandt hat, sowie die Volkssozialisten, sind aus der Trudowiki-Gruppe der ersten Duma hervorgegangen. Diese Trudowiki-Gruppe hatte zwei Flügel, einen opportunistischen und einen revolutionären. Der Unterschied zwischen ihnen kam am schlagendsten zum Ausdruck in dem Unterschied der beiden Agrarentwürfe der Trudowiki-Gruppe: des Entwurfs der 104 und des Entwurfs der 33.

Gemeinsam haben beide Entwürfe 1., dass sie für den Übergang des Gutsbesitzerbodens an die Bauern eintreten, 2., dass sie ganz und gar vom Geiste der kleinbürgerlichen Utopie durchdrungen sind, nämlich der Utopie der „Gleichstellung" der kleinen Eigentümer (zumindest in gewisser Beziehung) in einer Gesellschaft der Warenproduktion.

Der Unterschied zwischen den beiden Entwürfen besteht in folgendem. Der erste Entwurf ist eingegeben von der Furcht des kleinen Eigentümers, einen zu jähen Umsturz durchzuführen, zu große und zu arme Massen des Volkes in die Bewegung zu ziehen. Vortrefflich wurde dieser „Geist" des Entwurfs der 104 von einem seiner Verfasser und Führer der Volkssozialisten, Herrn Pjeschechonow, zum Ausdruck gebracht, der sich auf die Erklärung berief, die die „praktischen Muschiks" in der Duma abgaben: „man hat uns geschickt, Boden zu erhalten, nicht aber, ihn abzugeben". Das bedeutet, dass bei diesem Flügel der Trudowiki neben der Utopie der kleinbürgerlichen Gleichstellung der Eigennutz des wohlhabenderen Teiles der Bauernschaft klar zum Ausdruck kommt, der fürchtet, unter Umständen „abgeben" zu müssen (im Falle einer allgemeinen „Gleichstellung" – wie sich der Kleinbürger den Sozialismus vorstellt). Beim Gutsbesitzer nehmen, dem Proletarier aber nichts geben,– das ist die Losung der Partei der „praktischen Muschiks".

Der Entwurf der 33 aber schlägt sofortige und völlige Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden vor. Die „Gleichstellungs"-Utopie ist hier auch vorhanden, und zwar in dem gleichen Maße; aber die Furcht, „abzugeben", fehlt. Es ist nicht die Utopie des opportunistischen, sondern die des revolutionären Kleinbürgers, nicht des praktischen Muschiks, sondern des zugrunde gerichteten Bauern, es ist nicht der Traum, sich am Besitz des Gutsbesitzers, auf Kosten des Proletariers zu bereichern, sondern der Traum, durch die Gleichstellung alle Menschen, einschließlich der Proletarier, glücklich zu machen. Hier besteht nicht die Furcht, die ärmsten und breitesten Massen in die Bewegung zu ziehen, sondern der Wunsch, sie in den Kampf hineinzuziehen (ein Wunsch, dem keine entsprechende Fähigkeit und Sachkenntnis zur Seite steht)*.

Nach der Auflösung der Duma führte dieser Unterschied zwischen den beiden Richtungen der Trudowiki zur Bildung von zwei verschiedenen politischen Organisationen: des Komitees der Trudowiki-Gruppe und der Partei der Volkssozialisten. Die erste Organisation hat sich durch ihre Juli-Aufrufe einen Ehrenplatz in der Geschichte der russischen Revolution erworben. Soweit es der Öffentlichkeit bekannt ist, hat sie diesen guten Ruf bis jetzt noch nicht verscherzt. Sie ist nirgends von ihren Aufrufen abgerückt und hat sich nicht an dem Chor der Heulmeier, Miesmacher und Renegaten beteiligt.

Die zweite Organisation aber hat gerade die Zeit der Duma-Auflösung dazu benützt, sich unter dem Stolypinschen Regime zu legalisieren, um in der legalen Presse, d. h. geschützt vor der Kritik von links, die oben erwähnten Aufrufe „herunterzumachen", dem Volke zu empfehlen, „einstweilen" gewisse Einrichtungen der alten Regierungsgewalt nicht anzutasten usw. Die Konferenz der St. Petersburger sozialdemokratischen Organisation hat sich daher über diese Partei noch zu sanft ausgedrückt, als sie von dem „ausweichenden Verhalten zu den Grundproblemen des außerparlamentarischen Kampfes" sprach.

Die politischen Tatsachen haben also bisher die Wirkung gehabt, dass die kleinbürgerlichen oder Trudowiki-Parteien sich deutlich in die Parteien des revolutionären Kleinbürgers (die Sozialrevolutionäre und das Komitee der Trudowikigruppe) und die Partei des opportunistischen Kleinbürgers (die Volkssozialisten) gespalten haben. Da für die Sozialdemokraten die Wahlkampagne nur eins von den Mitteln der politischen Aufklärung der Massen ist, so haben wir auch hier durch unsere verschiedene Behandlung der drei Trudowiki-Parteien die Indifferenten gezwungen, sich darüber Gedanken zu machen, weshalb wir die zwei Trudowiki-Parteien von der dritten getrennt haben. Nachdem sie sich dann darüber Gedanken gemacht und erkannt haben, worum es sich handelt, werden sie bewusst ihre Wahl treffen.

Schließlich darf nicht unvermerkt bleiben, dass der naive und ungebildete Leitartikler der „Rodnaja Semlja" sich zugleich zu ergötzlichen Sophismen versteigt, um seine Haltung zu rechtfertigen. Es dürfte nicht unnütz sein, einen dieser Sophismen, der so aussieht, als ob er gerade die Philister zufriedenstellen müsste, zu zerpflücken.

Unrecht haben die Bolschewiki auch dann, wenn es keine Schwarzhundert-Gefahr gibt. In diesem Falle ist nämlich die Notwendigkeit eines Blocks mit den Sozialrevolutionären und den Trudowiki nicht gegeben und die sozialdemokratische Partei kann mit großem Nutzen für die Reinheit ihres Klassengepräges ganz selbständig bei den Wahlen auftreten."

Da, schaut einmal her, was wir für Leute sind – denkt dieser Radikale –, wir können sogar über die Reinheit des Klassengepräges urteilen!

Ja, der Zeitungsschreiber von heutzutage „kann" über alles urteilen, von der Sache aber versteht er nichts, und Wissen besitzt er keins. Es ist unrichtig, dass die Notwendigkeit, die Reinheit der Klassenstellung zu wahren, jeden Kompromiss ausschließt. Dies annehmen, heißt die Anschauungen des Marxismus ad absurdum führen, sie in eine Karikatur verwandeln. Genau so unrichtig ist es, dass die Notwendigkeit des Blocks mit den Sozialrevolutionären nicht gegeben sei, wenn keine Schwarzhundert-Gefahr besteht.

Die völlige Selbständigkeit der Wahlkampagne der sozialdemokratischen Arbeiterpartei ist die allgemeine Regel. Ausnahmen jedoch muss jede lebendige und jede Massenpartei zulassen – natürlich nur in einem vernünftigen und streng begrenzten Rahmen. In der Epoche der bürgerlichen Revolution haben alle Sozialdemokraten politische Kompromisse mit der revolutionären Bourgeoisie für zulässig erachtet, sowohl, als sie zusammen in den Räten der Arbeiter-, Bauern-, Soldaten-, Eisenbahner- und sonstigen Deputierten arbeiteten, wie, als sie das bekannte Manifest des Rates der Arbeiterdeputierten (Dezember 1905) oder die Juliaufrufe (Juli 1906) unterzeichneten. Der Leitartikler der „Rodnaja Semlja" kennt offenbar nicht einmal die allerbekanntesten Tatsachen über die Rolle der verschiedenen Parteien in der russischen Revolution. Die revolutionäre Sozialdemokratie lehnt prinzipienlose Kompromisse ab, lehnt schädliche und unnötige Kompromisse ab, aber sie denkt gar nicht daran, sich die Hände ein für allemal zu binden. Das wäre kindisch. Die Plattform der 14 Delegierten der allrussischen sozialdemokratischen Konferenz hat das dokumentarisch bewiesen.

Nun weiter. Die „Notwendigkeit", in Petersburg ein Abkommen mit den Sozialrevolutionären und den Trudowiki zu treffen, ergibt sich aus der Kadettengefahr. Wenn dem Verfasser des Leitartikels in der „Rodnaja Semlja" der Gegenstand bekannt wäre, über den zu sprechen er unternommen hat, so würde er wissen, dass es sogar unter den Sozialdemokraten, die für ein Abkommen mit den Kadetten eintreten, sehr einflussreiche Organisationen (wie z. B. den „Bund") gibt, die einen Block mit der revolutionären Bourgeoisie für notwendig halten, auch dann, wenn keine Schwarzhundert-Gefahr, sondern nur eine Kadettengefahr besteht. In Petersburg wäre es nicht nur möglich, die Wahlkampagne im Geiste einer revolutionären und sozialistischen Erziehung der Massen zu führen (das werden wir Sozialdemokraten jedenfalls erreichen), sondern auch die Kadetten zu besiegen, wenn die Menschewiki nicht Verrat geübt hätten, wenn alle revolutionären Trudowiki mit allen Sozialisten zusammengingen. Da wir nun einmal eine Wahlkampagne führen, haben wir nicht das Recht, auch nur eine einzige Möglichkeit des Sieges unausgenutzt zu lassen, wenn dabei die Grundsätze der sozialistischen Taktik nicht verletzt werden.

Dass in Petersburg ein ernster Kampf nur zwischen Kadetten und Sozialdemokraten stattfindet, das ist durch die Wahlversammlungen bewiesen (dasselbe gilt von Moskau, wobei man hinzufügen kann, dass die Ergebnisse aller Einzelumfragen, wie sie z. B. von der Zeitung „Wjek" oder von der Angestelltengewerkschaft „Einigkeit macht stark“6 veranstaltet wurden, gleichfalls diese Tatsache bestätigt haben).

Dass das Abkommen mit den Kadetten die geistige und politische Hegemonie der Kadetten über ihre Bundesgenossen bedeutet, das beweist sowohl die gesamte politische Presse als auch der ganze Charakter der Verhandlungen. Die Kadetten diktieren die Bedingungen. Die Kadetten bestimmen laut und deutlich, welche Bedeutung den Wahlabkommen zukommt (man denke an ihre Äußerungen über die Menschewiki und die Volkssozialisten: „Gemäßigte Sozialistische Parteien", „Oppositioneller Block"). Als größtes Zugeständnis erbittet man von den Kadetten die gleiche Anzahl von Dumasitzen.

Ebenso unzweifelhaft ist es, dass das Abkommen der Sozialdemokraten mit den revolutionär-demokratischen Parteien die Hegemonie der Sozialdemokraten über das Kleinbürgertum bedeutet. Die Presse der Sozialdemokraten hat offen, deutlich, umfassend alle ihre Ansichten entwickelt, während die Sozialrevolutionäre und das Komitee der Trudowikigruppe zur Frage der Wahlabkommen überhaupt nicht selbständig Stellung genommen haben. Den Ton haben die Sozialdemokraten angegeben.

Von einer Verstümmelung ihrer sozialistischen Ansichten, ihres Klassenstandpunktes ist keine Rede und kann keine Rede sein. Was die Verteilung der Dumasitze anbelangt, so denkt auch niemand daran, ihnen eine geringere Anzahl von Sitzen anzubieten. Ihre Wahlagitation in der Arbeiterwählerschaft wird durchaus selbständig geführt und zeugt von ihrem Übergewicht.

Es wäre einfach lächerlich, wenn man sich unter solchen Bedingungen fürchtete, Bundesgenossen aus dem revolutionären Kleinbürgertum mit in den Kampf gegen die Kadetten zu führen. Unter solchen Bedingungen könnten wir sogar die Volkssozialisten ins Schlepptau nehmen, wenn es sich für die Sache als notwendig erwiese. Die Grundsatztreue unserer Partei würde dadurch nicht die kleinste Einbuße erleiden: die Linie bliebe dieselbe, der Kampf gegen die führende Partei der liberalen und bürgerlichen Kompromissler würde von uns nicht weniger entschieden geführt. Kein vernünftiger Mensch wird behaupten, dass wir uns in der Gefolgschaft der Volkssozialisten befinden (wenn wir ihnen zusammen mit den Sozialrevolutionären und dem Komitee der Trudowikigruppe zwei von sechs Sitzen abtreten). Im Gegenteil, es würde bedeuten, dass die Sozialdemokraten ihre Kampagne wirklich selbständig führen und von den Kadetten eins ihrer Anhängsel losreißen. Ist es denn nicht klar, dass die Mobilisierung der halben Kadetten gegen die Kadettenpartei, ihr Beitritt zu unserer Liste den Aufgaben des Kampfes gegen die Kadetten nicht nur nicht widerspricht, sondern sie im Gegenteil geradezu fördert?

Die Konferenz der Petersburger sozialdemokratischen Organisation hat recht daran getan, offen und öffentlich ihre ablehnende Haltung gegenüber den Volkssozialisten zum Ausdruck zu bringen. Wir hatten die Pflicht, die revolutionären Trudowiki vor einer solchen angeblichen Trudowikipartei zu warnen. Wenn die revolutionären Trudowiki in Abhängigkeit geraten sollten von der formell ganz selbständigen Partei der Volkssozialisten, so möge das öffentlich festgestellt werden. Für uns ist es sehr wichtig, diese Tatsache ans Tageslicht zu ziehen, die Trudowiki zu zwingen, diese Tatsache einzugestehen, damit wir in der breiten Agitation vor den Arbeitern, vor dem gesamten Volk alle erforderlichen Schlüsse ziehen können.

Dann die Frage, ob wir in dem Kampf, den wir in Petersburg gegen die Kadetten führen, bessere oder schlechtere Trudowiki als Bundesgenossen erhalten, diese Frage werden wir auf rein sachliche Art und Weise entscheiden. Unsere grundsätzliche Linie haben wir festgelegt. In den Kampf werden wir in jedem Falle selbständig gehen. Die Verantwortung für die am wenigsten zuverlässigen Trudowiki haben wir offen abgelehnt und andern überlassen.

Die linken Kadetten aus dem „Towarischtsch" haben versucht, sich über die Bolschewiki lustig zu machen, als diese bereits im November erklärten: In Petersburg kämpfen drei Hauptparteien – das Schwarze Hundert, die Kadetten und die Sozialdemokraten.

Rira bien qui rira le dernier (wer zuletzt lacht, lacht am besten).

Unsere Voraussage ist eingetroffen.

In Petersburg wird es drei Dumawahllisten geben: die Liste des Schwarzen Hunderts, die Liste der Kadetten und die der Sozialdemokraten.

Bürger, wählt!

1 Die Broschüre Lenins: „Der Narr als Richter" wurde der Zensur erst 1912 durch den Chef der Petersburger Gendarmerieverwaltung vorgelegt. Der Zensor fand, dass die Broschüre „außer rein politischem Material direkte Aufforderungen zur Begehung verbrecherischer Handlungen enthält". Eine solche Aufforderung erblickte der Zensor in folgender Stelle der Broschüre: „Die führende Klasse muss daher vor den breiten Massen aufdecken, wie trügerisch die Hoffnungen sind, die auf Verhandlungen und Abkommen mit der alten Staatsgewalt im Allgemeinen und insbesondere zwischen Großgrundbesitzern und Bauern in der Bodenfrage gesetzt werden" (S. 367 des vorliegenden Bandes). Der Zensurausschuss belegte die Broschüre mit Beschlag, die Beschlagnahme wurde von der Gouvernementskammer bestätigt, wobei letztere die Vernichtung der Broschüre beschloss.

2 Lenin zitiert den Artikel: „Die Schwarzhundert-Gefahr und die Abkommen" („Rodnaja Semlja" [„Heimatland"] Nr. 2 vom 28. [15.] Januar 1907).

3 Lenin meint N. N. Lwow, den bekannten Semstwoführer und Teilnehmer an den Semstwokongressen, einen der Gründer des „Bundes der Befreiung" (Sojus Oswoboshdenija). In der ersten Reichsduma trennte sich N. N. Lwow von der konstitutionell-demokratischen Partei, deren Zentralkomitee er 1906 als Mitglied angehört hatte, und trat zur Partei der friedlichen Erneuerung über. Er gehörte zu denjenigen, mit denen die Regierung Verhandlungen über den Eintritt in das Ministerium führte

4 Lenin zitiert den Artikel: „Die Schwarzhundert-Gefahr und die Abkommen" („Rodnaja Semlja" Nr. 2 vom 28. [15.] Januar 1907): „Leider ist die Frage der Schwarzhundert-Gefahr nicht so einfach zu entscheiden, wie das vielleicht einigen Optimisten scheinen mag… Der ,Verband des 17. Oktober' ist gleichfalls durch seine Sympathien für die Standgerichte kompromittiert In der letzten Zeit sind die Oktobristen, betäubt durch die schweren Schläge von links, gänzlich kleinlaut geworden…"

5 Zitat aus dem Monolog von Tschatzki, des Helden in Gribojedows Komödie: „Verstand schafft Leiden".

* Diesem – sowie auch anderen – kleinbürgerlichen Revolutionären könnten wir die Worte sagen, die ein anarchistischer Dichter an uns gerichtet hat: „,Zerstören' werden wir zusammen, aufbauen aber nicht."

6 vor den Wahlen zur zweiten Reichsduma hat eine Reihe öffentlicher Organisationen mit Hilfe aller möglichen Fragebogen versucht, die Aussichten der einzelnen Parteien bei den Wahlen zu errechnen bzw. die engere Frage zu beantworten: wie stehen die Wähler zu einem Block der „Linken" mit den konstitutionellen Demokraten?

Lenin meint hier den Versuch der Zeitung „Wjek" („Jahrhundert"), Material über die Stimmung der Wähler zu sammeln. Der Nr. 4 dieser Zeitung vom 19. (6.) Januar 1907 lag ein abtrennbarer Fragebogen bei mit der Aufschrift: „Bei den bevorstehenden Wahlen zur Reichsduma gebe ich meine Stimme…" Der Fragebogen enthielt eine Liste der an den Wahlen teilnehmenden Parteien, auf der der Leser die Partei, für die er zu stimmen beabsichtigte, unterstreichen konnte. Die Resultate der Abstimmung der Leser wurden in Nr. 5 der „Wjek" vom 22. (9.) Januar 1907 in dem Artikel: „Unser Fragebogen" veröffentlicht, wobei sich herausstellte, dass für die konstitutionellen Demokraten 765, für die Sozialdemokraten 407 abgegeben worden waren. Die übrigen Parteien erhielten eine unbedeutende Anzahl von Stimmen: die Sozialrevolutionäre 127, der Verband des russischen Volkes 10, die Oktobristen 12 usw.

Außerdem bedient sich Lenin in diesem Artikel der durch den Verband der Handels- und Industrieangestellten „Einigkeit macht stark" gesammelten Fragebogenangaben. Dieser Verband war bereits im Oktober 1905 in Moskau organisiert worden, zu einer Zeit, als alle Verbände ohne vorherige behördliche Genehmigung gegründet wurden. Am 23. (10.) Juli 1906 wurde der Verband amtlich eingetragen, nachdem aus seinen Statuten der Punkt über den Streik gestrichen worden war. Die ständigen Repressalien, die der Verband zu erdulden hatte, ließen seine Mitgliederzahl von 3000 im Oktober 1905 auf 900 im Oktober 1906 zurückgehen (nach den Angaben der Zeitschrift „Rabotschij Sojus" [„Arbeiterverein"] Nr. 4 vom 6. November [24. Oktober] 1906). Vor den Wahlen zur zweiten Reichsduma verbreitete der Verband „Einigkeit macht stark" einen Aufruf, in dem er die Handels- und Industrieangestellten aufforderte, bei den Wahlen „für die wirklichen Vertreter unserer Rechte" zu stimmen, die sich gegen die Stimmenabgabe für die bürgerlichen Parteien ausgesprochen haben. 1907 wurde der Verein verboten.

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