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Wladimir I. Lenin 19061206 Über Blocks mit den Kadetten

Wladimir I. Lenin: Über Blocks mit den Kadetten

[Proletarij" Nr. 8, 6. Dezember (23. November) 1906. Nach Sämtliche Werke, Band 10, Wien-Berlin 1930, S. 214-228]

Die Menschewiki haben auf der allrussischen Konferenz der SDAPR mit. Hilfe der Bundisten einen Beschluss zur Annahme gebracht, der Blocks mit den Kadetten für zulässig erklärt. Die Kadettenpresse jubelt und geht mit der Siegesbotschaft hausieren. Hierbei stößt sie die Menschewiki sanft noch eine Stufe hinunter, noch einen Schritt weiter nach rechts. Der Leser wird an einer anderen Stelle die Konferenzbeschlüsse, die besondere Meinung der revolutionären Sozialdemokraten und ihren Entwurf eines Aufrufes an die Wähler finden. Hier wollen wir nur versuchen, die allgemeine und grundlegende politische Bedeutung der Blocks mit den Kadetten zu skizzieren.

Guten Stoff für eine solche Skizze liefert Nr. 6 des „Sozialdemokrat" und insbesondere der redaktionelle Artikel „Der Block der äußersten Linken".1 Beginnen wir mit einer der bezeichnendsten Stellen dieses Artikels.

Man sagt uns – schreibt der „Sozialdemokrat" –, „dass die Menschewiki, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die ganze Duma auf den revolutionären Weg zu bringen, nach der gewaltsamen Auflösung der Duma ihren Standpunkt aufgegeben und einen Block mit den revolutionären Parteien und Gruppen geschlossen haben, der erstens in der Herausgabe von zwei gemeinsamen Aufrufen – an die Armee und an die Bauernschaft – und zweitens in der Gründung des Komitees zur Koordinierung der Aktionen des bevorstehenden Streiks zum Ausdruck gekommen ist. Diese Berufung auf einen Präzedenzfall beruht auf einem großen Missverständnis. In dem erwähnten Falle ist unsere Partei mit anderen revolutionären Parteien und Gruppen nicht einen politischen Block, sondern ein Kampfabkommen eingegangen, das wir stets für zweckmäßig und notwendig gehalten haben" (gesperrt vom „Sozialdemokrat").

Nicht einen politischen Block, sondern ein Kampf abkommen Um Gotteswillen, Genossen Menschewiki! Das ist doch fürwahr nicht nur sinnlos, sondern analphabetisch. Eins von beiden: entweder versteht ihr unter dem Wort Block nur parlamentarische Abkommen oder nicht nur parlamentarische Abkommen. Im ersten Falle ist der Block ein Kampfabkommen für einen parlamentarischen Kampf. Im zweiten Falle ist das Kampfabkommen ein politischer Block, denn ein „Kampf", der keine politische Bedeutung hat, ist kein Kampf, sondern einfach eine Schlägerei.

Genossen vom ZK! Gebt acht auf eure Redakteure, es tut wirklich Not, sonst muss man sich ja der Sozialdemokratie schämen.

Rührt der Unsinn, der dem Leser im Organ des ZK vorgesetzt wird, vielleicht von einem falschen Zungenschlag her? Von einer ungeschickten Formulierung?

Durchaus nicht. Der Fehler des „Sozialdemokrat" besteht nicht darin, dass bei ihm eine merkwürdige Geschichte herausgekommen ist, sondern umgekehrt, die merkwürdige Geschichte rührt daher, dass seine ganzen Erwägungen und seine ganze Stellung auf einem grundlegenden Fehler beruhen. Die sinnlose Verbindung der Worte „nicht politischer Block, sondern Kampfabkommen"* ist kein Zufall, sondern hat sich notwendiger- und unvermeidlicherweise aus dem grundlegenden „Unsinn" des Menschewismus, aus dem Nichtverstehen der Tatsache ergeben, dass in Russland jetzt der parlamentarische Kampf völlig, und zwar aufs Unmittelbarste den Bedingungen und dem Charakter des außerparlamentarischen Kampfes untergeordnet ist. Mit anderen Worten: der einzelne logische Schnitzer ist ein Ausdruck des allgemeinen Unverständnisses, das die Menschewiki für die ganze Rolle und die ganze Bedeutung der Duma in der gegenwärtigen Situation bekunden.

Wir werden natürlich die Methoden, die die Menschewiki und ihr Führer Plechanow in ihrer Polemik gegen uns in der Frage des „Kampfes" und der „Politik" anwenden, nicht nachahmen. Wir werden ihnen nicht vorwerfen, dass sie, die Führer des sozialdemokratischen Proletariats, fähig sind, ein nicht polisches Kampfabkommen zu schließen.

Wir lenken die Aufmerksamkeit auf folgende Fragen: Weshalb mussten unsere Menschewiki nach der Auflösung der Duma einen Block nur mit revolutionären Parteien und Gruppen eingehen? Natürlich nicht deswegen, weil das seit langem irgendein Anarchoblanquist namens Lenin (aus purem Hass gegen die Menschewiki) propagiert hat. Die objektiven Bedingungen haben die Menschewiki gezwungen, trotz aller ihrer Theorien gerade solch einen revolutionären, gegen die Kadetten gerichteten Block einzugehen. Die objektiven Bedingungen haben unabhängig vom Willen und unabhängig vom Bewusstsein der Menschewiki dazu geführt, dass die dialektische Entwicklung den friedlichen parlamentarischen Kampf in der ersten Duma in einigen wenigen Tagen in einen ganz unfriedlichen und unparlamentarischen Kampf verwandelt hat. Der den Menschewiki (dank der kadettischen Streitereien, die sich vor ihren Augen abgespielt haben) nicht bewusst gewordene, formell nicht geschlossene politische Block, der seinen Ausdruck gefunden hat in der Gemeinsamkeit der Wünsche und nächsten politischen Bestrebungen, in der Gemeinsamkeit der Kampfmittel für die nächsten politischen Ziele, – dieser „politische Block" hat sich kraft der Logik der Dinge in ein „Kampfabkommen" verwandelt. Und unsere Neunmalweisen sind durch das von Plechanow in seinen Briefen aus der Zeit der ersten Duma2 nicht vorausgesehene Unerwartete so in Verwirrung geraten, dass sie in den Ruf ausbrechen: „Das ist kein politischer Block, sondern ein Kampfabkommen!"

Deswegen eben ist ja eure Politik, werte Genossen, keinen Pfifferling wert, weil ihr für einen solchen „Kampf", den es in der Wirklichkeit nicht gibt, der fiktiv ist und jeder entscheidenden Bedeutung entbehrt, Abkommen vorseht und die Bedingungen eines solchen „Kampfes" verpasst, der durch den ganzen Gang der russischen Revolution mit unwiderstehlicher Kraft in den Mittelpunkt des geschichtlichen Geschehens gestellt wird, der sogar aus Bedingungen hervorgeht, die auf den ersten Blick als ganz friedlich, parlamentarisch, konstitutionell erscheinen mögen, – sogar aus solchen Bedingungen, die die parlamentarischen Roditschew in ihren Reden über den vergötterten, unverantwortlichen Monarchen besungen haben.

Ihr begeht gerade den Fehler, den ihr ganz zu unrecht den Bolschewiki vorwerft. Eure Politik ist keine Kampfpolitik. Euer Kampf ist nicht ein wirklicher politischer Kampf, sondern eine konstitutionelle Spielerei, ist parlamentarischer Kretinismus. Für den Kampf, den die Verhältnisse schon morgen erfordern können, habt ihr die eine Linie der Abkommen, für die „Politik" gibt es bei euch eine andere Linie der Abkommen. Deshalb taugt ihr weder für den „Kampf" noch für die „Politik", sondern nur für die Rolle von Nachbetern der Kadetten.

In unserer Partei streitet man jetzt viel über die Bedeutung des Wortes „Block". Die einen sagen: Der Block ist eine gemeinsame Liste. Die anderen sagen: Nein, der Block ist eine gemeinsame Plattform. Alle diese Streitereien sind dumm, sind scholastisch. Am Wesen der Sache ändert sich nicht das geringste, ob man mehr oder weniger enge Abkommen als Block bezeichnet. Es handelt sich gar nicht darum, ob enge oder nicht enge Abkommen zulässig sind. Wer das annimmt, der bleibt im Sumpf der kleinen und kleinlichen parlamentarischen Technik stecken und vergisst den politischen Inhalt dieser Technik. Es handelt sich darum, auf welcher Linie das sozialistische Proletariat Abkommen mit der Bourgeoisie treffen muss, die in der bürgerlichen Revolution überhaupt unvermeidlich sind. In Teilfragen kann es bei den Bolschewiki Meinungsverschiedenheiten geben: ob bei den Wahlen mit der einen oder der anderen Partei der revolutionären Bourgeoisie Abkommen nötig sind. Bei dem Streit zwischen den Bolschewiki und den Menschewiki aber handelt es sich gar nicht darum. Es handelt sich immer wieder darum: Soll das sozialistische Proletariat in der bürgerlichen Revolution der liberal-monarchistischen Bourgeoisie Gefolgschaft leisten oder soll es an der Spitze der revolutionär-demokratischen Bourgeoisie marschieren.

Der Artikel „Der Block der äußersten Linken" enthält eine Menge Musterbeispiele dafür, wie der Gedanke der Menschewiki von dem politischen Inhalt der Meinungsverschiedenheiten auf belanglose Kleinigkeiten abschweift. Der Verfasser des Artikels bezeichnet (Seite 2, Spalte 3) sowohl eine gemeinsame Plattform als auch eine gemeinsame Liste als Blocktaktik. Gleichzeitig behauptet er aber, dass wir einen „Block“ mit den Trudowiki und den Sozialrevolutionären verteidigen, während die Menschewiki nicht einen Block, sondern nur ein „Teilabkommen“ mit den Kadetten verteidigen. Teure Genossen, das ist doch geradezu Kinderei und keine Argumentation.

Man vergleiche die Resolution der Menschewiki, die auf der allrussischen Konferenz angenommen worden ist, mit der Resolution der Bolschewiki. Die letztere stellt für das Abkommen mit den Sozialrevolutionären schärfere Bedingungen als die erstere für Abkommen mit den Kadetten. Das ist unbestreitbar. Denn erstens haben die Bolschewiki Abkommen nur mit solchen Parteien zugelassen, die für die Republik kämpfen und die Notwendigkeit des bewaffneten Aufstands anerkennen, während die Menschewiki Abkommen mit „oppositionellen demokratischen Parteien“ überhaupt zuließen. Die Bolschewiki haben also den Begriff revolutionäre Bourgeoisie durch klare politische Merkmale bestimmt, während die Menschewiki an Stelle einer politischen Definition nur ein technisch-parlamentarisches Wörtlein gegeben haben. Republik und bewaffneter Aufstand sind bestimmte politische Kategorien, Opposition ist nur ein parlamentarischer Ausdruck. Dieser parlamentarische Ausdruck ist so unklar, dass er sowohl Oktobristen wie Friedliche Erneuerer und alle mit der Regierung Unzufriedenen umfasst Zwar trägt das Beiwort „demokratisch“ ein politisches Moment hinein, aber es ist unbestimmt. Man versteht darunter die Kadetten. Und gerade das ist unrichtig. Als „demokratisch“ eine monarchistische Partei bezeichnen, eine Partei, die ein Oberhaus für zulässig erachtet, eine Partei, die Zuchthausparagraphen für die Versammlungs- und Pressegesetze vorgeschlagen hat, eine Partei, die aus der Antwortadresse das direkte, gleiche und geheime Wahlrecht hinausgeworfen hat, eine Partei, die die Bodenkomitees abgelehnt hat, die von dem ganzen Volk gewählt werden, – eine solche Partei als demokratisch bezeichnen, heißt das Volk betrügen. Das ist ein sehr schroffes Wort, aber es ist gerecht.

Die Menschewiki betrügen das Volk, wenn sie die Kadetten als demokratisch bezeichnen.

Zweitens lassen die Bolschewiki Abkommen mit bürgerlichen Republikanern nur als „Ausnahme" zu. Die Menschewiki verlangen nicht, dass Blocks mit den Kadetten nur eine Ausnahme sind.

Drittens verbieten die Bolschewiki unbedingt alle wie immer gearteten Abkommen in der Arbeiterkurie („mit jeder anderen Partei"). Die Menschewiki lassen auch Blocks in der Arbeiterkurie zu, denn sie verbieten hier nur Abkommen mit Gruppen und Parteien, „die nicht auf dem Standpunkt des Klassenkampfes des Proletariats stehen". Das ist kein Zufall, denn auf der Konferenz waren Menschewiki mit proletarischem Klassengefühl, die sich gegen diese unsinnige Formulierung wandten, sie wurden aber von der überwiegenden Mehrheit der Menschewiki überstimmt. Es kam etwas ganz Unbestimmtes und Nebelhaftes heraus, das allem möglichen Abenteurertum Tür und Tor öffnet. Und überdies ist dabei der für einen Marxisten ganz unmögliche Gedanke herausgekommen, dass neben der Sozialdemokratischen Partei eine andere als „auf dem Standpunkt des Klassenkampfes des Proletariats stehend" anerkannt werden könne.

Wie soll man es danach nicht zumindest als Kinderei bezeichnen, wenn zu beweisen versucht wird, dass der von den Bolschewiki mit der republikanischen Bourgeoisie, den Sozialrevolutionären anerkannte Block enger sei als der Block der Menschewiki mit der monarchistischen Bourgeoisie, den Kadetten??

Die vollkommen verlogene Betrachtung über die engeren oder weniger engen Blocks dient nur zur Vertuschung der politischen Frage, mit wem und zu welchem Zweck Blocks zulässig sind. Man denke an den „Entwurf der Wahlplattform", der in Nr. 6 des „Sozialdemokrat"3 veröffentlicht ist. Dieser Entwurf ist eines jener zahllosen Dokumente menschewistischer Politik, die das Vorhandensein eines ideologischen Blocks der Menschewiki mit den Kadetten beweisen. Die Resolution der Konferenz über notwendige „Korrekturen" an diesem Entwurf einer Wahlplattform zeigt dies augenscheinlich.4 Man bedenke nur: die Konferenz der Sozialdemokraten musste ihr ZK daran erinnern, dass man in einem illegalen Dokument nicht die Losung der Republik fortlassen darf, dass man sich nicht auf allgemeine nebelhafte Worte über Fürsprache und Kampf beschränken darf, sondern dass es notwendig ist, die verschiedenen Parteien bei ihren richtigen Namen zu nennen und vom proletarischen Standpunkt zu charakterisieren, dass es erforderlich ist, auf die Notwendigkeit des Aufstandes hinzuweisen, den Klassencharakter der Sozialdemokratie zu betonen. Dass das ZK der Sozialdemokratischen Partei an die Notwendigkeit erinnert werden musste, in dem ersten Wahlaufruf der Partei ihren Klassencharakter zu betonen, – nur ein absolut anormaler Zustand, ein fundamentaler Fehler in den Anschauungen des ZK konnten etwas Derartiges möglich machen.

Es ist noch ungewiss, ob praktische Abkommen mit den Kadetten bei uns geschlossen und welchen Umfang sie haben werden. Ein ideologisches Abkommen aber, ein ideologischer Block liegt schon vor: in dem Entwurf der Wahlplattform wird der Unterschied zwischen dem Standpunkt des Proletariats und dem Standpunkt der liberalen Bourgeoisie vertuscht.** In dem bolschewistischen Entwurf des Aufrufs an die Wähler hingegen sehen wir nicht nur einen Hinweis auf diesen Unterschied, sondern auch einen Hinweis auf den Unterschied zwischen dem Standpunkt des Proletariats und dem Standpunkt der Klasse der kleinen Besitzer.

In der Frage der Wahlblocks muss gerade diese grundsätzliche, ideologische Seite in den Vordergrund gerückt werden. Vergebens sind alle Versuche der Menschewiki, sich zu rechtfertigen: Wir werden in unserer Wahlagitation schon selbständig sein, wir werden sie in nichts beschneiden, und erst in der letzten Minute werden wir unsere Kandidaten auf die Wahlliste der Kadetten setzen!

Das ist eine Unwahrheit. Wir sind natürlich davon überzeugt, dass die Besten unter den Menschewiki dies aufrichtig wünschen. Aber es handelt sich nicht um ihre Wünsche, sondern um die objektiven Bedingungen des gegenwärtigen politischen Kampfes. Diese Bedingungen führen dazu, dass jeder Schritt der Menschewiki in ihrer Wahlkampagne schon durch Kadettengeist verunreinigt ist, schon dadurch gekennzeichnet ist, dass der Standpunkt der Sozialdemokraten verdunkelt ist. Wir haben das am Beispiel des Entwurfs der Wahlplattform gezeigt und werden es sofort an einer ganzen Reihe anderer Dokumente und Betrachtungen zeigen.

Das Hauptargument der Menschewiki ist die Schwarzhundert-Gefahr. Dieses Argument ist in erster Linie und hauptsächlich deshalb verlogen, weil man die Schwarzhundert-Gefahr nicht mit Kadettentaktik und Kadettenpolitik bekämpfen kann. Das Wesen dieser Politik ist die Aussöhnung mit dem Zarismus, das heißt mit der Schwarzhundert-Gefahr. Die erste Duma hat zur Genüge gezeigt, dass die Kadetten die Schwarzhundert-Gefahr nicht bekämpfen, sondern unglaublich niederträchtige Reden halten über die Unschuld und Unverantwortlichkeit des Monarchen, des notorischen Führers der Schwarzhunderter. Wenn daher die Menschewiki Kadetten in die Duma bringen, so bekämpfen sie nicht nur nicht die Schwarzhundert-Gefahr, sondern streuen im Gegenteil dem Volk Sand in die Augen, verdunkeln die wirkliche Bedeutung der Schwarzhundert-Gefahr. Die Schwarzhundert-Gefahr dadurch zu bekämpfen, dass man Kadetten in die Duma bringt, ist gleichbedeutend mit der Bekämpfung der Pogrome nach dem Rezept des Lakaien Roditschew: „Es ist eine Frechheit, den Monarchen für den Pogrom verantwortlich zu machen."5

Die zweite Sünde des landläufigen Arguments besteht darin, dass die Sozialdemokraten die Vorherrschaft im Kampf für die Demokratie stillschweigend den Kadetten überlassen. Warum sollen an einer Stimmenzersplitterung, die den Schwarzhundertern den Sieg sichert, wir die Schuld tragen, weil wir nicht für den Kadetten gestimmt haben, und nicht der Kadett, weil er nicht für uns gestimmt hat?

Wir sind in der Minderheit – antworten die Menschewiki, erfüllt von christlicher Demut. Die Kadetten sind in der Mehrzahl. Die Kadetten können sich doch nicht für Revolutionäre erklären.

Ja! Aber das ist kein Grund für die Sozialdemokraten, sich für Kadetten zu erklären. Nirgends in der Welt ist es bei einer auf halbem Wege stehengebliebenen bürgerlichen Revolution vorgekommen und konnte es vorkommen, dass die Sozialdemokraten gegenüber den bürgerlichen Demokraten die Mehrheit hatten. Und überall, in allen Ländern, stieß das erste selbständige Auftreten der Sozialdemokraten in der Wahlkampagne auf das Geschrei und Gebelfer der Liberalen, die den Sozialisten Helfershelferdienste für die Schwarzhunderter vorwarfen.

Wir nehmen daher den üblichen Ausruf der Menschewiki: Die Bolschewiki verhelfen den Schwarzhundertern zum Siege, mit größter Ruhe hin. Das haben alle Liberalen allen Sozialisten vorgeworfen. Wenn ihr auf den Kampf gegen die Kadetten verzichtet, überlasst ihr die Massen der proletarischen und halb proletarischen Elemente, die fähig sind, mit den Sozialdemokraten zu gehen, dem ideologischen Einfluss der Kadetten.*** Heute oder morgen werdet ihr, wenn ihr nicht aufhört, Sozialisten zu sein, ungeachtet der Schwarzhundert-Gefahr den selbständigen Kampf aufnehmen müssen. Es ist aber heute notwendiger und leichter, den richtigen Schritt zu tun, als morgen. In der dritten Duma (wenn eine solche nach der zweiten Duma einberufen werden wird) wird es für euch noch schwieriger sein, den Block mit den Kadetten zu brechen, ihr werdet euch noch mehr in euren widernatürlichen Beziehungen zu den Revolutionsverrätern verstricken. Die wirkliche Schwarzhundert-Gefahr aber, wiederholen wir, sind gar nicht die schwarzen Dumamandate, sondern die Pogrome, die Feldgerichte. Ihr erschwert dem Volke den Kampf gegen diese wirkliche Gefahr, indem ihr ihm kadettische Scheuklappen umbindet.

Die dritte Lüge des landläufigen Argumentes lautet: unrichtige Einschätzung der Duma und ihrer Rolle. In dem vortrefflichen Artikel „Der Block der äußersten Linken" mussten die Menschewiki widerrufen, was sie immer wieder beteuert hatten, und mussten eingestehen, das es sich nicht um technische Abkommen, sondern um einen fundamentalen politischen Unterschied zweier Taktiken handelt.

In diesem Artikel lesen wir:

Die Taktik des ,Blocks' ist, bewusst oder unbewusst, darauf berechnet, dass in der nächsten Duma eine festgefügte revolutionäre Minderheit verwaschen sozialdemokratischer Färbung zustande komme, die den Kampf gegen die Dumamehrheit ebenso systematisch führen würde wie gegen die Regierung und die in einem bestimmten Augenblick die Duma stürzen und sich zur provisorischen Regierung proklamieren würde. Die Taktik der Teilabkommen zielt darauf ab, nach Möglichkeit die Duma als Ganzes, d. h. die Dumamehrheit für den Kampf gegen das absolutistische Regime auszunützen und hierbei in der Duma stets den radikalen Standpunkt der selbständigen sozialdemokratischen Fraktion aufrechtzuerhalten."

Hinsichtlich der „verwaschenen Färbung" haben wir bereits gezeigt, dass gerade die Menschewiki sowohl bei den Wahlen in der Arbeiterkurie als auch durch weitergehende Zulassung von Blocks und durch die ideologische Ersetzung des Sozialdemokratismus durch den Kadettismus diesen Vorwurf verschuldet haben. Der Hinweis der Menschewiki auf die „Proklamierung" der provisorischen Regierung ist genau so lächerlich, denn sie vergessen, dass es nicht auf die Proklamierung, sondern auf den ganzen Verlauf und den Erfolg des Aufstandes ankommt. Eine provisorische Regierung, die kein Organ des Aufstandes ist, ist ein leeres Wort oder ein leeres Abenteuer.

An und für sich aber haben die Menschewiki in dem angeführten Zitat aus Versehen ein wahres Wort ausgesprochen. Es läuft wirklich alles eben darauf hinaus, ob wir wegen einer „durch und durch" liberalen Duma („die Duma als Ganzes") die Selbständigkeit der Sozialdemokraten in der Wahlkampagne opfern oder nicht. Für die Bolschewiki ist die volle Selbständigkeit der Wahlkampagne, der volle (und nicht etwa halb kadettische) sozialdemokratische Geist unserer Politik und unserer Fraktion wirklich wichtiger. Für die Menschewiki aber ist eine durch und durch kadettische Duma mit einer großen Anzahl von Sozialdemokraten, die als Halbkadetten in die Duma gekommen sind, wichtiger. Es sind zwei Dumatypen: 200 Schwarze, 280 Kadetten, 20 Sozialdemokraten, oder 400 Kadetten und 100 Sozialdemokraten. Wir ziehen den ersten Typus vor und halten es für eine Kinderei, die Beseitigung der Schwarzen aus der Duma als Beseitigung der schwarzen Gefahr zu betrachten.

Für uns gibt es überall nur eine Linie: sowohl im Wahlkampf als auch im parlamentarischen Kampf und im Straßenkampf, der mit der Waffe in der Hand ausgefochten wird. Überall kämpft die Sozialdemokratie zusammen mit der revolutionären Bourgeoisie gegen die verräterischen Kadetten. Die Menschewiki aber führen den „Duma“kampf zusammen mit den Kadetten (Unterstützung der Duma als Ganzes und des Kadettenkabinetts). Für den Fall des Aufstandes aber ändern sie ihre Politik und schließen „nicht einen politischen Block, sondern ein Kampfabkommen". Deshalb hatte der Bolschewik recht, der auf der Konferenz sagte: „Die Bundisten, die für Blocks mit den Kadetten eingetreten sind, haben dadurch die Losung der Unterstützung des Kadettenkabinetts eingeschmuggelt."

Das oben angeführte Zitat bestätigt vortrefflich, dass die Blocks mit den Kadetten die schönen Worte in eine hohle Phrase verwandeln, die in der menschewistischen Resolution über die Wahlparolen enthalten sind: „… die Kräfte der Revolution innerhalb der Duma organisieren" (also nicht etwa ein Kadettenanhängsel organisieren, indem man die wirklichen Kräfte desorganisiert?), „die Ohnmacht der Duma aufdecken" (also nicht etwa die Ohnmacht der Kadetten vor den Massen verbergen?), „den Massen klarmachen, dass die Hoffnungen auf einen friedlichen Ausgang des Kampfes illusorisch sind" (also nicht etwa den Einfluss der Kadettenpartei, die solche Illusionen züchtet, in den Massen stärken?).

Die Kadettenpresse hat die politische Bedeutung der menschewistischen Blocks mit den Kadetten vorzüglich erkannt. Wir haben oben gesagt: im Gefolge der Liberalen oder an der Spitze der Revolutionäre. Um dies zu bekräftigen, berufen wir uns auf unsere politische Presse.

Gibt es auch nur einen einzigen ernsten Beweis dafür, dass sich die Bolschewiki im Gefolge von bürgerlichen Revolutionären, in Abhängigkeit von ihnen befinden? Es ist lächerlich, davon zu reden. Die ganze russische Presse zeigt anschaulich und alle Feinde der Revolutionäre geben es zu, dass gerade die Bolschewiki eine selbständige politische Linie verfolgen und einzelne Gruppen und die besten Elemente der bürgerlichen Revolutionäre mit sich reißen.

Und die bürgerlichen Opportunisten? Sie besitzen zehnmal mehr Zeitungen als alle sozialdemokratischen und sozialrevolutionären Zeitungen zusammengenommen. Und gerade sie verfolgen selbständig eine politische Linie, indem sie die Menschewiki und Volkssozialisten in einfache Nachbeter verwandeln.

Aus den Resolutionen der Menschewiki führt die gesamte Kadettenpresse nur die Stellen über die Blocks an und lässt die ..Ohnmacht der Duma", die „Organisation der Kräfte der Revolution innerhalb der Duma" und sonstige Dinge fort. Die Kadetten lassen diese Dinge nicht nur fort, sondern schmähen sie auch direkt, indem sie bald von „Phrasen", bald von „Inkonsequenz" der Menschewiki, bald von „Kraftlosigkeit der Losungen des Menschewismus", bald von dem „verderblichen Einfluss der Bolschewiki" auf die Menschewiki sprechen.

Was bedeutet das? Es bedeutet, dass sich im politischen Leben unabhängig von unserem Willen und den Wünschen der Besten unter den Menschewiki zum Trotz ihre kadettische Handlungsweise auswirkt, während ihre revolutionären Phrasen beiseite geschoben werden.

Der Kadett steckt die Hilfe der Menschewiki in die Tasche, klopft Plechanow für die Blockpropaganda auf die Schulter und ruft zur gleichen Zeit verächtlich grob wie ein Kaufmann, der sich am errafften Profit vollgefressen hat: Zu wenig, meine Herren Menschewiki! Es ist noch eine ideologische Annäherung nötig! (siehe die Artikel des „Towarischtsch" anlässlich des Briefes Plechanows6), zu wenig, ihr Herren Menschewiki, ihr müsst noch die Polemik einstellen oder jedenfalls ändern! (Siehe im linkskadettischen „Wjek"7 den Leitartikel über die Resolutionen unserer Konferenz). Ich spreche schon gar nicht von der „Rjetsch", die den sich nach den Kadetten sehnenden Menschewiki kurz und bündig erklärt: „Wir gehen in die Duma, um Gesetze zu geben", und nicht, um die Revolution zu machen!8

Arme Menschewiki, armer Plechanow! Ihre Liebesbotschaften an die Kadetten wurden mit Vergnügen gelesen, aber man lässt sie noch nicht weiter als bis ins Vorzimmer.

Schaut euch Plechanows Stellungnahme in der bürgerlichen kadettischen Zeitung „Towarischtsch" an. Mit was für einem Triumph haben ihn Herr Prokopowitsch und Frau Kuskowa aufgenommen9, dieselben, die Plechanow im Jahre 1900 aus der Sozialdemokratischen Partei hinausgeworfen hat, weil sie sie im bürgerlichen Sinne zu korrumpieren versucht hatten. Jetzt hat Plechanow die Taktik des berühmten Prokopowitschschen und Kuskowschen „Credo"10 angenommen, – und die Bernsteinianer werfen ihm frech Kusshände zu und rufen dabei: Wir bürgerlichen Demokraten haben das stets gesagt!

Plechanow aber musste vor aller Welt seine gestrigen Erklärungen widerrufen, um ins Vorzimmer der Kadetten zu gelangen.

Hier die Tatsachen.

In Nr. 6 des „Dnjewnik", im Juli 1906, nach der gewaltsamen Auflösung der Duma, schrieb Plechanow11, dass die Parteien, die an der Bewegung teilnehmen, sich miteinander verständigen müssen. Wenn man vereint vorgehen wolle, müsse man sich vorher verständigen.

Die Parteien, die unserem alten Regime feindlich sind, müssen sich… über den Grundgedanken dieser Propaganda miteinander verständigen. Nach der Auflösung der Duma aber kann als solcher Gedanke nur der Gedanke der konstituierenden Versammlung dienen" …

Nur" der Gedanke der Konstituierenden Versammlung, das war der Plan des politischen Blocks und des Kampfabkommens, den Plechanow im Juli 1906 vertrat.

Fünf Monate später, im November 1906, ändert Plechanow die Linie des Abkommens. Weshalb? Hatten sich etwa seit dieser Zeit die Beziehungen zwischen den Parteien, die die Konstituante forderten, und denen, die sie nicht forderten, geändert?

Die Kadetten sind seit dieser Zeit, wie allgemein zugegeben wird, noch weiter nach rechts gegangen. Und Plechanow geht in die Kadettenpresse und schweigt von der Konstituante, von der man in liberalen Vorzimmern nicht sprechen darf.

Ist es nicht offensichtlich, dass dieser Sozialdemokrat ausgerutscht ist?

Nicht genug damit. In derselben Nr. 6 des „Dnjewnik" spricht Plechanow direkt von den Kadetten. Plechanow hat damals (lang, lang ist's her!) auseinandergesetzt, dass das Misstrauen der Kadetten gegenüber dem Gedanken der Konstituante selbstsüchtigen Klasseninteressen entspringe. Plechanow schrieb damals über die Kadetten buchstäblich folgendes:

Wer unter dem einen oder anderen Vorwand auf die Propaganda dieses Gedankens (der Konstituante) verzichtet, der gibt klar zu verstehen, dass er wesentlich gar keine würdige Antwort auf die Taten der Herren Stolypin u. Co. sucht, dass er sich, wenn auch zähneknirschend, mit diesen Taten aussöhnt, dass er sich nur in Worten, nur zum Schein gegen sie wendet." (Von uns gesperrt.)

Nachdem sich Plechanow nunmehr in die Kadettenzeitung begeben hat, hat er die Propaganda des Wahlblocks mit der Verwirklichung des ideologischen Blocks begonnen. In der Kadettenzeitung wollte Plechanow dem Volke nicht sagen, dass sich die Kadetten mit dem Stolypingesindel aussöhnen , dass sie sich nur zum Schein auflehnen.

Warum wollte Plechanow im November 1906 nicht wiederholen, was er im Juli 1906 gesagt hatte?

Das ist die Bedeutung der „technischen Blocks" mit den Kadetten, und deshalb führen wir einen rücksichtslosen Kampf gegen jene Sozialdemokraten, die diese Blocks zulassen.

Jubelt ihr nicht zu früh, ihr Herren Kadetten? Ohne Blocks werden die Sozialdemokraten im Kaukasus und im Ural, in Polen und in Lettland, im Zentralen Moskauer Gebiet und wahrscheinlich auch in Petersburg wählen.

Keine Blocks mit den Kadetten! Keine Aussöhnung mit jenen, die sich mit dem Stolypinschen Gesindel aussöhnen!

1 Das Datum der Nummer 6 des „Sozialdemokrat" (16. [3.] Oktober 1906) dürfte nicht stimmen, denn die Nummer 5 erschien am 9. November (27. Oktober). Anscheinend ist die Nummer 6 am 16. (3.) November erschienen.

* Den Menschewiki, die uns immer vorgeworfen haben, dass wir den .Kampf" der „Politik" entgegenstellen, muss das Unglück passieren, dass sie selbst alle ihre Erwägungen auf diese sinnlose Gegenüberstellung aufgebaut haben!

2 Es handelt sich um die „Briefe über Taktik und Taktlosigkeit" G. V. Plechanows.

3 Der vom Zentralkomitee vorgeschlagene Entwurf einer Wahlplattform zur zweiten Reichsduma

4 Die Resolution der Allrussischen Novemberkonferenz (1906) über die notwendigen „Abänderungsanträge" zum menschewistischen Entwurf einer Wahlplattform.

** Das ist nicht der erste Fehler der Menschewiki. In der berühmten Dumadeklaration der SDAPR haben sie denselben Fehler begangen. Sie haben die Bolschewiki des Sozialrevolutionarismus beschuldigt, selbst aber haben sie den Unterschied zwischen den Auffassungen der Sozialdemokraten und der Trudowiki verwischt, so dass die sozialrevolutionären Zeitungen in der Epoche der Duma die Dumadeklaration der Sozialdemokraten als ein Plagiat sozial-revolutionärer Gedanken bezeichnet haben! Dagegen war in unserem Gegenentwurf zur Dumadeklaration klar aufgezeigt, was uns von den Kleinbürgern unterscheidet. [Die Dumadeklaration der SDAPR war von P. B. Axelrod verfasst. Nachdem die Menschewiki unter dem Einfluss der Kritik Lenins eine Reihe von Abänderungen zum Text der Deklaration eingebracht hatten, wurde diese durch den Abgeordneten der ersten Reichsduma Dshaparidse im Namen der sozialdemokratischen Fraktion in der 28. Sitzung der Duma vom 29. (16.) Juni 1906 verlesen. Aber auch in der abgeänderten Deklaration ließen die Menschewiki folgende Stelle stehen: „Wir anerkennen, dass die Reichsduma im gegenwärtigen Moment das Zentrum einer allgemeinen Volksbewegung gegen den polizeilichen Absolutismus darstellen und dass ihr Sieg über die das Land folternden unverantwortlichen Henker und Gewalthaber zu einer Etappe werden kann im Kampfe des Volkes um die Konstituierende Versammlung und um den Übergang der Macht in die Hände des Volkes."

Der von Lenin ausgearbeitete bolschewistische Gegenentwurf stellte gerade diese Stelle der menschewistischen Deklaration in den Mittelpunkt seiner Kritik. Nachdem der Gegenentwurf die Tätigkeit aller Parteien in der ersten Reichsduma gründlich zerpflückt hatte, gelangte er zu einer der Deklaration der Menschewiki direkt entgegengesetzten Schlussfolgerung. „Im Bündnis des Proletariats mit den breiten Massen der städtischen und Dorfarmut – lautete einer der Punkte des bolschewistischen Gegenentwurfs – sehen wir die Garantie für den neuen Sieg der Revolution. Die Reichsduma ist eine zur Verwirklichung und Verankerung dieses Sieges untaugliche Einrichtung. Nur eine auf revolutionärem Wege einberufene Allrussische Nationalversammlung wird imstande sein, die volle Freiheit zu verwirklichen… Diesem Zweck muss auch die Reichsduma dienen… Sie muss das Volk aufklären über die ganze Ohnmacht und die jämmerliche Rolle der .Volksvertretung' als einer neuen Schirmwand des alten Absolutismus …" Der Gegenentwurf ist in dem Artikel Lenins: „Zur Erklärung unserer Dumafraktion“ in Band IX der Werke – auf deutsch nicht erschienen – abgedruckt.]

5 Lenin bezieht sich wahrscheinlich auf die Rede von F. I. Roditschew vom 26. (13.) Juni 1906 in der 26. Sitzung der Reichsduma, gehalten aus Anlass der Anfrage wegen Einberufung der Kosakenregimenter des 2. und 3. Aufgebots zum Militärdienst innerhalb des Reiches, in der er unter anderem ausführte: „… Man fordert von uns, anzuerkennen, dass dieses ganze in Russland vergossene Blut, das die Kosakenfahnen besudelte, auf allerhöchsten Befehl vergossen worden sei, – niemals! Es ist eine Frechheit, anzunehmen, dass der Zar nicht imstande sei, die gerechten Forderungen des Volkes zu verstehen!" Andere Reden mit Erklärungen dieser Art hat F. I. Roditschew in der Duma nicht gehalten.

*** Die Kadetten selbst beginnen zuzugeben, dass ihnen bei den Wahlen eine Gefahr von links droht (die buchstäblichen Worte der „Rjetsch" in dem Bericht über das Petersburger Gouvernement). Mit ihrem Geschrei über die Schwarzhundert-Gefahr führen die Kadetten die Menschewiki an der Nase herum, um die Gefahr, die ihnen von links droht, von sich abzulenken!! [In der Zeitung „Rjetsch" Nr. 216 vom 27. (14.) November 1906 wurde in der Rubrik: „Zu den Reichsdumawahlen" eine Mitteilung über eine Sitzung des Petersburger Komitees der „Partei der Volksfreiheit" vom 25. (12.) November 1906 abgedruckt. „Die allgemeine Stimmung in der Provinz -– berichtete ein Mitglied des Komitees – ist oppositionell, der Spießer ist eingeschüchtert und duckt sich, wird aber bei den Wahlen nicht verfehlen, seine Unzufriedenheit durch die Stimmenabgabe für die oppositionellen Kandidaten zum Ausdruck zu bringen. Wenn schon irgendwelche Gefahr an einigen Orten besteht, so eher von links und auch dann nur dort, wo sich die Linken imstande erweisen, ihre eigene Kandidatenliste aufzustellen. An allen übrigen Orten aber steht der Erfolg der Partei außer Zweifel."]

6 Eine Wertung des in Nummer 101 des „Towarischtsch" („Genosse") vom 13. November (31. Oktober) 1906 erschienenen Plechanow-Briefes enthält der Leitartikel der Zeitung und auch der Artikel von E. Kuskowa: „Zu dem Brief G. Plechanows" („Towarischtsch" Nr. 102 vom 14. (1.) November 1906), die neben ihren anderen an die SDAPR gestellten Forderungen darauf besteht, dass „die Unversöhnlichkeit nunmehr unverzüglich ihren gebührenden Platz erhalten und die Unaufschiebbarkeit des demokratischen Kampfes um die politische Freiheit des ganzen Landes, ohne Unterschied der Parteien und der Nationalitäten" erkannt werden müsse.

7 Der Leitartikel des „Wjek" („Jahrhundert") Nr. 46, vom 28. (15.) November 1906, der der Untersuchung der Arbeiten und der Resolutionen der Allrussischen Konferenz der SDAPR gewidmet ist, beginnt mit folgender Bemerkung: „Anderseits aber ist es begreiflich, dass die sozialdemokratische Partei in ihrer Agitation und Kritik der anderen Linksparteien die Grenzen einer gewissenhaften Polemik wahren muss und nicht Beschuldigungen des Volksverrats usw. gegen sie erheben darf, die im Grunde genommen jeder späteren Verständigung den Weg versperren."

8 In dem Artikel „Die bürgerliche Demokratie und die Sozialdemokratie" („Rjetsch", Nr. 217 vom 28. [15.] November 1906), gezeichnet L. N., schrieb der Verfasser des Artikels in Beantwortung des Artikels: „Die zweite Duma" („Sozialdemokrat" Nr. 4, vom 2. November [20. Oktober] 1906) folgendes: „Es ist notwendig, auszusprechen, was ist, und aufzuhören, sich mit Illusionen zu trösten. Es muss ein für allemal festgestellt werden, dass es der Sozialdemokratie nicht gelingen wird, die ,bürgerliche Demokratie' und die Duma irgendwohin zu treiben. Die ,bürgerliche Demokratie' geht in die Duma, um eine gesetzgeberische Tätigkeit auszuüben, um den Versuch zu machen, auf parlamentarischem Wege die notwendigen Voraussetzungen eines staatsbürgerlichen Lebens zu schaffen, nicht aber, um in der Duma Revolution zu machen."

9 Lenin meint den bereits zitierten Artikel von E. Kuskowa, in dem diese schrieb: „Wir brauchen wohl nicht erst zu sagen, mit welcher Freude wir diesen (G. Plechanows. – Red.) Brief gelesen haben. Fordert er uns doch dazu auf, wozu wir, die ,bürgerlichen Demokraten', die Sozialdemokratie von allem Anfang der Bewegung an aufgefordert haben."

10 Glaubensbekenntnis. Die Red.

11 Zitate aus dem Artikel „Gemeinsamer Kummer" in Nr. 6 des Plechanowschen „Tagebuchs des Sozialdemokraten" von August 1906, S 6.

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