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Grigori Sinowjew 19200729 Bericht über die Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale

Grigori Sinowjew: Bericht über die Bedingungen

der Aufnahme in die Kommunistische Internationale

8. Sitzung des zweiten Weltkongresses der Komintern, 29. Juli, morgens

[Der zweite Kongress der Kommunistischen Internationale. Hamburg 1921, S. 234-255]

Wir kommen zu einer der wichtigsten Fragen unserer Tagesordnung, zu der Frage, die bestimmen soll, was wir als Kommunistische Internationale eigentlich sind und was wir sein wollen.

Zunächst einen kurzen formalen Bericht über die Arbeit der Kommission. Die Kommission war, wie Ihr wisst, erweitert durch die Vertreter der USPD und der Sozialistischen Partei Frankreichs. Beide Delegationen haben den Sitzungen beigewohnt und rege an den Diskussionen teilgenommen. Manches ist in den Leitsätzen geändert, aber der ganze Inhalt bleibt der alte. Wir werden sie Euch selbstverständlich mit den neuen Änderungen vorlegen, und Ihr werdet die Möglichkeit haben, darüber zu urteilen. In den Fällen, wo wir die Ratschläge der betreffenden Genossen berücksichtigen konnten, sind wir ihnen selbstverständlich entgegenkommen und haben sie angenommen. In der deutschen Ausgabe fehlt der § 2, der in der französischen Ausgabe enthalten ist. Er lautet:

Jede Organisation, die sich der Kommunistischen Internationale anschließen will, muss regelrecht und planmäßig von allen mehr oder weniger verantwortlichen Posten der Arbeiterbewegung (Parteiorganisationen, Redaktionen, Gewerkschaften, Parlamentsfraktionen, Genossenschaften, Kommunalverwaltungen) die Reformisten und Zentrumsleute entfernen und sie durch bewährte Kommunisten ersetzen, ohne sich daran zu stoßen, dass besonders am Anfang an die Stelle von „erfahrenen“ Opportunisten einfache Arbeiter aus der Masse gelangen.“

Dann ist eine wichtige Änderung in der These 7 vorgenommen worden, in der es früher hieß:

Die Kommunistische Internationale vermag sich nicht damit abzufinden, dass notorische Reformisten, wie Turati, Modigliani u. a. das Recht haben sollen, als Angehörige der Kommunistischen Internationale zu gelten."

Die Kommission hat es für richtig befunden, dass wir nicht nur italienische Opportunisten nennen, denn wir sind eben eine Kommunistische Internationale und müssen darum auch die Reformisten der anderen Länder brandmarken. Sie hat deshalb beschlossen, aus jedem Lande wenigstens einen dieser Leute zu nennen. Es heißt also statt Turati, Modigliani u. a. „Turati, Modigliani, Kautsky, Hilferding, Longuet, MacDonald, Hillquit, u. a. (Zuruf: Grimm.) Die Liste ist unvollständig, das muss ich anerkennen. Der Kongress kann sie vielleicht vervollständigen. Dann sind noch § 18 und § 19 hinzugekommen. Sie lauten: § 18. Alle führenden Presseorgane der Parteien aller Länder sind verpflichtet, alle wichtigen offiziellen Dokumente des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale abzudrucken.

§ 19. Alle Parteien, die der Kommunistischen Internationale angehören oder einen Antrag auf Beitritt gestellt haben, sind verpflichtet, möglichst schnell, aber spätestens 4 Monate nach dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale, einen außerordentlichen Kongress einzuberufen, um alle diese Bedingungen zu prüfen. Dabei müssen die Zentralen dafür sorgen, dass allen Lokalorganisationen die Beschlüsse des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale bekannt werden.“

Dann ist ein persönlicher Antrag des Genossen Lenin eingegangen.

Dieser Antrag wurde in der Kommission besprochen und mit 5 gegen 3 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen angenommen. Ich muss aber im Namen der russischen Delegation erklären, dass wir geneigt sind, ihn in der früheren Form zurückzuziehen und nur als Wunsch zu äußern, nicht als Bedingung und Direktive. Wir sind der Meinung, dass es genügt, wenn der Kongress einen solchen Wunsch äußert.

Dann sind noch einige Abänderungen stilistischer Art vorgenommen worden, besonders in dem Punkte, wo wir von legaler und illegaler Arbeit sprechen. Sie werden Euch noch endgültig vorgelegt werden.

Ich komme jetzt zur Begründung dieser Leitsätze. Früher lautete es auf Seite 79: „Unter gewissen Umständen kann der Kommunistischen Internationale die Gefahr drohen, durch wankelmütige und sich durch Halbheit auszeichnende Elemente, welche die Ideologie der II. Internationale noch nicht endgültig abgestreift haben, verwässert zu werden.”

Die Kommission hat das geändert und beschlossen, hier viel kategorischer zu sein. Es ist beschlossen, nicht „unter gewissen Umständen” zu sagen, sondern „dass jetzt dem Kommunismus Gefahr droht, verwässert zu werden", und daran hat sie gut getan. Es ist wirklich richtig, dass der Kommunistischen Internationale schon jetzt Gefahr droht, verwässert zu werden durch Parteien, die noch unlängst der II. Internationale angehört haben und die jetzt unter dem Drucke der Massen zu uns. kommen – aus Not zu uns kommen. Sie können ihren kleinbürgerlichen und bürgerlichen Adam, wenn sie es auch wollten, nicht so leicht abstreifen. Als wir unseren Gründungskongress hatten, drohten uns ebenfalls eine Anzahl von Gefahren. Die Gefahr, verwässert zu werden und zu viel verschiedenartige Elemente aufnehmen zu müssen, bestand aber damals nicht. Vor 15 Monaten waren wir noch eine kleine Gruppe, die man auszulachen versuchte, indem man sagte: Eure ganze Kommunistische Internationale kann sich auf 10 Sessel setzen, sie hat keinen Einfluss. Die alten großen Parteien bleiben in der II. Internationale. Nun ist es anders gekommen. Die alten Parteien wollen jetzt in die Kommunistische Internationale. Sofern sich die Arbeitermassen zum Kommunismus entwickelt haben, müssen wir sie aufnehmen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass sie mit der gesamten alten Bagage zu uns kommen, d. h. mit der alten Führerschaft, die während des Krieges und auch nach dem Kriege einen hartnäckigen Kampf gegen den Kommunismus geführt hat.

Was war die Kommunistische Internationale, als sie im März 1919 gegründet wurde? Sie war damals noch nichts als eine Propagandagesellschaft. Das blieb sie auch während des ganzen Jahres ihrer Existenz. Das ist nicht wenig, eine Propagandagesellschaft im internationalen Maßstabe zu sein in dem Moment, in dem die Arbeiterschaft nach einem Wege sucht nach dem schrecklichen, verheerenden Kriege, den Europa durchgemacht hat. Aber ich muss es offen aussprechen, dass sie damals nur eine großzügig organisierte Propagandagesellschaft war, welche den Massen die Ideen des Kommunismus zutragen wollte. Jetzt wollen wir etwas Größeres und etwas anderes werden. Jetzt wollen wir nicht eine Propagandagesellschaft sein, jetzt wollen wir eine Kampforganisation des internationalen Proletariats werden. Der II. Kongress muss in dieser Beziehung ein neues Kapitel anfangen. Wir wollen uns organisieren als eine Kampforganisation, die nicht nur den Kommunismus propagieren, sondern auch zur Tat machen und sich dazu eine internationale Organisation schaffen will.

Ich habe gerade einen Artikel von Paul Louis gelesen, in dem er erklärt, die I. Internationale sei zusammengebrochen, weil sie dem Krieg von 1870-71 nicht vorbeugen konnte. Dasselbe soll auch mit der II. Internationale geschehen sein. Der Weltkrieg brach aus, man konnte ihn nicht verhindern, darum sei auch sie zusammengebrochen. Die I. Internationale habe sich seinerzeit in derselben Lage befunden wie jetzt die II. Internationale.

Das ist eine vielleicht nur halbbewusste, aber deshalb eine nicht weniger sozialpatriotische Lüge. Die I. Internationale hat den Krieg verhindern wollen. Sie hat gekämpft, und sie ist im Kampf gefallen. Die II. Internationale wollte diesen Kampf vermeiden und hat ihn vermieden. Die I. Internationale ist heldenmütig gefallen; ihre besten Kämpfer sind während der Pariser Kommune im Kampfe gegen die Bourgeoisie hingemordet worden. Die II. Internationale ist auf schändliche Weise zusammengebrochen. Das sollen wir der Arbeiterschaft klipp und klar sagen; darum müssen wir diese Parallele brandmarken; denn sie ist dazu geeignet, den Sozialpatriotismus und Kautskyanismus zu stützen.

Die I. Internationale war eine stark zentralisierte Institution. Sie wollte sogar jeden großen ökonomischen Streik von einer zentralen Stelle aus leiten. Und das ist ihr gewissermaßen auch gelungen, weil die Bewegung noch jung, noch schwach war. Wir können heute nicht eine solche Zentrale haben, die jeden großen ökonomischen Streik unmittelbar leiten kann. Wir haben jetzt jeden Tag, jede Stunde ökonomische Streiks, von denen wir sogar nicht einmal wissen, dass sie stattgefunden haben. Von einer solchen Zentrale kann für uns keine Rede sein, eben weil die Bewegung so riesig gewachsen ist.

Die II. Internationale war kein Zentralkörper, höchstens eine Konzentrationsstelle. Die I. und II. Internationale waren eine Art These und Antithese. Jetzt, wo wir Bedingungen für neue Verhältnisse aufstellen sollen, kommen wir zur Synthese in sozialem Sinne. Das müssen wir klar erkennen, wenn wir die Bedingungen zur Aufnahme diskutieren wollen.

Eine große Anzahl von führenden Genossen, die unlängst noch der II. Internationale angehörten, sind der Meinung, dass die Zugehörigkeit zur Kommunistischen Internationale ihnen gar keine großen Pflichten auferlegen wird. Aus der „Berner Tagwacht" (Organ Robert Grimms) habe ich einen Ausschnitt, in dem ein Artikel von Grimm enthalten ist. Er erklärt: die II. Internationale und ihre Exekutive – das war nur ein Briefkasten. Ganz richtig. Was aber schlägt der Verfasser dieses Artikels der Kommunistischen Internationale vor? Ja, die Kommunistische Internationale muss etwas anderes werden, und zwar muss sie „große Aktionen" für verschiedene Länder organisieren, nämlich sie muss dafür sorgen, eine Informationsstelle herauszubilden, sie muss dafür sorgen, dass „ein gleichzeitiges Auftreten in den Parlamenten“ organisiert werden kann. Nun, Ihr seht: es kommt auf dasselbe heraus. Ein Briefkasten, der etwas tiefer und umfangreicher sein wird, aber doch nur ein Briefkasten.

Eine Informationsstelle brauchen wir; ich bin nicht dagegen. Unsere Informationsstelle ist sehr schlecht, wir müssen sie besser organisieren. Auch in Bezug auf die parlamentarische Aktion wird es gut sein, wenn man in den verschiedenen Ländern gleichzeitig auftritt und z. B. den Völkerbund als Räubergesellschaft stempelt oder gegen die Reformisten gleichzeitig einen Antrag formuliert. Aber das ist bei weitem noch keine Kampforganisation in internationalem Maßstabe. Auch die Geldunterstützung ist jetzt nicht das Wichtigste. Die Auffassung Grimms und seiner Gesinnungsgenossen von der Kommunistischen Internationale ist eigentlich im Grunde genommen dieselbe wie die von der II. Internationale: also ein umfangreicherer und besser ausgestatteter, mit roter Farbe lackierter Briefkasten. Das darf die Kommunistische Internationale nicht werden!

Ich habe weiter einige Äußerungen verschiedener „linker” Reformisten in der „Revue" der französischen Genossen gelesen, wie z. B. von Claude Treves. Treves ist dafür, dass man sofort in die Kommunistische Internationale eintritt, aber unter der Bedingung, dass man sich nicht binden braucht und keine politischen Losungen für die einzelnen Länder gibt. Der Sinn ist der, dass sie sofort eintreten wollen, aber ohne sich zu binden und mit einer solchen „Autonomie“, dass die Leute weiter machen können, was sie bisher gemacht haben. Am krassesten hat dies Herr Modigliani, ein italienischer „Auch-Sozialist", ausgedrückt. Er ist jetzt formell Mitglied der Kommunistischen Internationale; aber er ist kein Genosse für uns. Er war unlängst in Paris und wollte Longuet bestimmen, in die Kommunistische Internationale einzutreten, und hat das folgendermaßen motiviert: Warum nicht in die Kommunistische Internationale eintreten? Das verpflichtet uns ja zu nichts. Man braucht nur alle zwei Wochen der Exekutive eine Postkarte zu senden. Das ist alles. Warum sollen wir dies nicht tun?

Wer Modigliani mit seinem opportunistischen Zynismus kennt, wird in diesen Worten den ganzen Modigliani erkennen. Sie sind der Meinung, diese Herrschaften aus dem Lager der Reformisten, sie kommen in die Kommunistische Internationale, wie man in ein Gasthaus kommt. Unsere ganze Vergangenheit, unsere kurze, doch bedeutsame fünfzehnmonatige Vergangenheit, hat jedem ernsten Politiker gezeigt, dass in der Kommunistischen Internationale kein Platz ist für Leute, die kommen und weiter machen, was sie wollen. Wir wollen eine Internationale aer Tat aufbauen. Wir sind nicht der Meinung wie Kautsky, dass die Internationale nur ein „Friedensinstrument“ ist. Nein, sie soll ein Kampfinstrument sein während des Friedens, während des Aufstandes, vor und nach dem Aufstande, ein Sammelpunkt, eine Kampforganisation des Teiles des internationalen Proletariats, der sich seines Ziels bewusst ist und für sein Ziel kämpfen will.

Es wird oft so hingestellt, als ob ein gewisser Gegensatz zwischen dem „Westen“ und „Osten“ bestände. Man hat den Arbeitern einzupauken versucht, als sei die Kommunistische Internationale eine Organisation der Arbeiterklasse des Ostens, und die des Westens stehe beiseite. Die französischen Führer und die Literaten aus der USPD haben versucht, die Sache so darzustellen: Wir (d. h. die Zentrumsleute) wollen nicht sofort allein in die Kommunistische Internationale eintreten, sondern erst müssen wir die ganze Arbeiterschaft des Westens in die Kommunistische Internationale mit hineinziehen. Dieser Gegensatz zwischen „Ost" und „West“ besteht in der Wirklichkeit gar nicht. Es besteht ein anderer Gegensatz, der Gegensatz zwischen Kommunismus und Reformismus, zwischen Sozialpazifismus und Kommunismus; aber der Gegensatz zwischen Ost und West ist aus den Fingern gesogen. Wir haben die gleiche Dreiteilung der Bewegung in jedem Lande: 1. eine ausgesprochen opportunistische Rechte, die jetzt die wichtigste Stütze der Bourgeoisie ist, 2. eine mehr oder weniger ausgesprochene Mitte, der Sumpf, das Zentrum, das auch die Stütze des Bürgertums ist, 3. eine Linke, die mehr oder weniger klar kommunistisch ist oder doch zum Kommunismus neigt. Es ist klar, dass die Arbeiterklasse im Westen, sagen wir z. B. in England, ganz gut weiß, was in Moskau vorgeht. Sie weiß, was die Sowjetregierung bedeutet. Jede Demonstration zeigt, dass sich die englische Arbeiterklasse darüber klar ist. Es ist die höchste Zeit, dass die Legende von der Kluft zwischen „Ost“ und „West“ einmal aus der Welt geschafft wird und dass man der deutschen Arbeiterklasse nicht mehr predigt, sie solle warten, bis der „Westen“ kommt.

Wir wollen vor allem die Lehren der ungarischen Sowjetrepublik nicht vergessen. Der ungarische Genosse hat schon zur Rolle der Partei davon gesprochen. Es ist eine Frage von großer historischer Bedeutung. Erinnert Euch, wie die Sache lag. Die Kommunistische Partei Ungarns machte den Sozialdemokraten die Aufnahme sehr leicht, es ging wie im Handumdrehen. Als wir in der Kommission über die Aufnahme tagten, sagten einige ungarische Genossen: Wir haben das Gefühl, dass manche Parteien aus der II. Internationale unsere Bedingungen jetzt eben so leicht annehmen, wie es in der ungarischen Sowjetrepublik der Fall war.

Die ungarische Partei nannte sich „sozialistisch-kommunistisch“. Es schien zunächst nur ein Streit über den Namen zu sein. – Die Ungarn befanden sich im Kampfe; wir wollten ihnen nicht in den Rücken fallen. Unsere Exekutive beging die Schwäche und hat der Verschmelzung der Parteien beigestimmt. Es ist ja nicht wichtig, wie sie sich nennen wird, sagte sie sich. Es hat sich aber später gezeigt, dass das eine Frage von historischer Bedeutung war, und es hat vielleicht zu 50 Prozent die Entwicklung der Sowjetrepublik in Ungarn bestimmt, dass die Kommunisten leider den größten Teil der alten Sozialdemokraten in das eigene Haus aufnahmen und dass diese Herrschaften in entscheidender Stunde zur Bourgeoisie übergelaufen sind. Einige unserer italienischen Parteifreunde sagten, dem nächsten Kongress würden sie vorschlagen, ihre Partei, die sich jetzt sozialistisch nennt, auch sozialistisch-kommunistisch zu nennen. Da wollen wir das ungarische Exempel nicht vergessen. Es handelt sich hier nicht um eine Wortklauberei, sondern darum, ob wir Vertrauen zu diesen alten Herren Sozialisten haben können, die nicht mit der alten Ideologie brechen wollen und das gerne verkleistern möchten. Die Lehre hat die Arbeiterklasse Ungarns und der ganzen Welt Opfer genug gekostet, um zu wissen, dass, wenn man dem Reformismus einen kleinen Finger gibt, er dann die ganze Hand nimmt und später den ganzen Kopf, und schließlich wird man von ihm zugrunde gerichtet.

Es handelt sich darum, dass wir eine eindeutige Kommunistische Internationale haben müssen. Für den Kommunismus müssen wir kämpfen; er wird nicht in einem Monat gewonnen, sondern nach vielen Kämpfen durch eine Organisation, die so zentralisiert wie möglich ist und eine klare und bestimmte Taktik bat. Die Herren, die uns mit einer Postkarte abspeisen wollen, werden wir schon vor die Tür setzen, bevor sie kommen können.

Es besteht wirklich die Gefahr, dass die Kommunistische Internationale Mode wird, nachdem die II. Internationale schmählich zusammengebrochen ist. Die II. Internationale ist heute nur ein stinkender Sumpf, ein Leichnam, der verwest. Es ist selbstverständlich, dass sich Teile absplittern und versuchen, dasselbe nur mit ein bisschen anderen Worten aus der Kommunistischen Internationale zu machen. Mancher tut es nur halbbewusst, aber objektiv ist es so.

Diese Gefahr besteht, und wir müssen ihr ganz entschieden entgegentreten. Heute habe ich einen Artikel aus der „Freiheit" vom 13. Juli bekommen. Er ist betitelt: „Das Problem der Internationale". Die „Freiheit" meint, dass, falls wir auf unserem offenen Schreiben an die USPD vom 5. Februar 1920 (von mir gezeichnet) bestehen, eine Verständigung unmöglich sei.

Nun erkläre ich ganz entschieden und ganz offiziell, und das wird hoffentlich auch die Meinung des Kongresses sein, dass wir im Großen und Ganzen dieselben Bedingungen, wie wir sie im Schreiben vom 5. Februar aufgestellt haben, auch heute aufstellen werden, und ich sage ganz kategorisch, dass wir jede Zusammenarbeit mit den Führern des rechten Flügels wie Kautsky, Hilferding und Longuet zurückweisen. Man sagt uns von französischer Seite: Longuet wird jetzt vielleicht anderer Meinung sein, er wird seine Auffassung ändern. Sollte er jetzt unserer Auffassung sein, desto besser; wir werden ihn begrüßen, wenn er es aufrichtig und ernst meint. Dasselbe sage ich den deutschen Genossen, die vielleicht umkehren werden. Wir erklären aber ganz offiziell, dass wir mit diesem rechten Flügel und seinen Führern nicht zusammenarbeiten wollen. Nicht als Berichterstatter der Kommission, sondern als Vertreter der russischen Delegation möchte ich noch offiziell erklären: In unserem Zentralkomitee hatten wir eine Besprechung, in der wir zu folgendem Entschluss gelangten: Sollte der Fall eintreten, dass unsere italienischen oder anderen Genossen sagen, sie forderten die Verbindung mit diesen rechten Elementen, dann ist unsere Partei eher bereit, ganz allein zu bleiben, als mit solchen Elementen in Verbindung zu kommen, die wir als bürgerliche Elemente betrachten. Diese Erklärung möchte ich für unsere Partei abgeben.

Ich möchte jetzt konkret die Lage in den Parteien betrachten, die in die Kommunistische Internationale eintreten wollen und sie umwerben, sowie die Lage in den Parteien, die schon zu ihr gehören. Ich werde versuchen, das gesondert Land für Land zu machen.

Also zunächst die Parteien, die bisher nicht zu uns gehörten, aber jetzt zu uns gehören wollen. Ich habe ein umfangreiches Material gesammelt über die französische Partei. Ich kann Euch nicht alles vorlegen; ich werde nur das Wichtigste aufzeigen. Im Voraus möchte ich Euch erklären, dass wir keinem aus seinen früheren Äußerungen einen Strick um den Hals drehen wollen. Es ist klar, dass jeder sich irren und später bereuen kann. Nur Prinzipielles wollen wir zitieren und uns nur auf das Wichtigste beschränken.

Cachin, an dessen persönlicher Aufrichtigkeit gar kein Zweifel sein kann – jedermann, der seine Vergangenheit kennt, weiß, dass er sich geirrt hat, dass er aber ein aufrichtiger Kämpfer ist. Ich habe seinen Artikel über den Völkerbund vom 7. Januar 1920. Noch im Januar nannte er Herrn Wilson „den letzten großen Bourgeois" unserer Zeit. Er erklärte weiter, dass die „amerikanische Demokratie" alles getan hat, um dem, was eingetreten ist, vorzubeugen. Das ist für einen Kommunisten ganz selbstverständlich eine ausgesprochen sozialpazifistische Äußerung. Und Sozialpazifismus ist nicht Sozialismus. Das ist der Geist des verstorbenen Führers Jaurès, der leider auch nur Sozialpazifist war. Das müssen wir sagen bei aller Ehrfurcht, die wir vor seinen großen Verdiensten haben. Seine Traditionen leben in Frankreich und anderen Ländern. Dieser Pazifismus und Wilsonismus ist eine sehr hartnäckige Erscheinung, die sogar manchen Kommunisten nicht verschont. Auf dem vorigen Kongress hatten wir folgendes Beispiel: Fritz Platten, ein linker schweizerischer Genosse, brachte einen gedruckten stenographischen Bericht über seine Rede, die er im Parlament gehalten hatte, in der er erklärte, dass Wilson doch ein ehrlicher Mann sei, der die Probleme des Krieges friedlich lösen möchte. Also sogar unsere Leute, die sich zum Kommunismus bekennen, werden noch manchmal durch diesen Sozialpazifismus in Versuchung geführt, weil große Meister uns jahrzehntelang darin geübt haben. Wir haben nicht genug dagegen gekämpft. Wir müssen dem ein Ende machen und unseren französischen Freunden ganz klar sagen: Es ist sehr viel leichter, die formalen Bedingungen zum Eintritt in die Kommunistische Internationale anzunehmen, als dass man den Sozialpazifismus an den Kragen fasst. Der Sozialpazifismus ist eine gefährliche bürgerliche Ideologie, die uns in unserem Kampf beeinträchtigt. Man kann 18 und sogar 18.000 Bedingungen annehmen, aber wenn man Sozialpazifist bleibt, ist man eben kein Kommunist und gehört nicht in die Kommunistische Internationale. Man muss darum aufrichtig erklären, ob man damit endgültig aufzuräumen gewillt ist oder nicht.

Dann habe ich noch einiges über die französischen Genossen zu sagen. Da ist ein Artikel von Frossard über die Beziehungen zur Kommunistischen Internationale, der am 13. Februar 1920 geschrieben worden ist. Frossard erklärt darin: Was die Politik unserer Partei anbetrifft, so ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auch nach dem Eintritt in die Kommunistische Internationale die alte bleiben wird. Es kommen die Wahlen, und die Kommunistische Internationale kann uns absolut nicht daran hindern, Bündnisse mit anderen Parteien zu schließen.

Also Ihr seht, man hat eben die Auffassung, dass die Kommunistische Internationale ein gutes Gasthaus ist, wo Vertreter verschiedener Länder die „Internationale" absingen und sich gegenseitig Komplimente machen. Dann geht man auseinander und übt die alte Praxis weiter. Diese verfluchte Praxis der II. Internationale werden wir niemals zulassen.

Ich will mich mit diesen Zitaten über die Praxis der französischen Genossen begnügen, wenngleich ich auch eine große Anzahl anderer Zitate anführen könnte. Es gibt in Bezug auf die Leitartikel der „Humanité" eine Art von Proportionalsystem, wie mir Cachin und Frossard erklärt haben. Den Zentrumsleuten sind acht Leitartikel in der Woche erlaubt, der Linken vier und zwei oder drei Renaudel und Konsorten. Sie verstehen, dass eine solche Ordnung ganz unmöglich ist. Es ist eine.Art Provotion: acht Tropfen Aqua destillata, drei Tropfen Gift und dann als Gegengift vier Tropfen Milch. (Beifall.) So kann es nicht weiter gehen. Diese Praxis kann vielleicht aus der Geschichte der französischen Bewegung erklärt werden; aber diese alte Tradition muss eben aufgehoben werden. Frossard hat vor seiner Abreise aus Paris erklärt: Ich möchte gerne ohne Renaudel nach Moskau gehen. Wir werden eine schwierige Aussprache mit den russischen Genossen haben; es ist besser, wenn er zu Hause bleibt. Aber in dem betreffenden Brief wird Herr Renaudel von Frossard „unser Freund" genannt. Diese französische Manier sollen wir abschaffen. Sie ist auch nicht ganz französisch. Auch Modigliani schreibt an Serrati und Serrati an Prampolini: Mein Freund. Diese französische und italienische Methode kann nicht unsere Methode sein. Ich hoffe, dass Ihr der Exekutive den Auftrag geben werdet, jeden Monat von jeder Partei Bericht zu verlangen, damit sie einen Spiegel hat und sehen kann, was passiert.

Ich komme jetzt zu den deutschen Unabhängigen.

Ich werde mich begnügen, Euch einige Stellen des letzten offiziellen Antwortschreibens der Zentrale der USPD, das uns von den Vertretern der USPD mitgebracht worden ist, zu zitieren. Der erste Vorwurf lautet:

Es berührt eigentümlich, dass das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale, das schon in Anbetracht seiner Stellung sich der Pflicht bewusst sein sollte, den mit ihm in Verhandlungen tretenden revolutionären Arbeiterorganisationen des Auslandes mit aller gebotenen Loyalität entgegenzukommen, sein Antwortschreiben an uns auf der These aufbaut, dass „die Arbeiter, die der USP angehören, ganz anders gestimmt sind, als der „rechte Flügel ihrer Führer“. Ein Satz, der sich wie ein roter Faden durch das ganze Antwortschreiben zieht.“

Es ist wahr, dieser Satz zieht sich wirklich wie ein roter Faden durch unsere Prinzipienerklärung. Wenn sich zum gegebenen Moment der verhältnismäßigen politischen Ruhe etwa 10.000 Mitglieder der USP in den Gefängnissen befinden, so habe ich vollständige Ehrfurcht vor diesen Genossen. Ich sage: Es sind ernste Kämpfer, ernste Arbeiter dabei. Wir müssen versuchen, mit den Arbeitern zusammenzukommen. Das widerspricht aber nicht meiner Erklärung, dass ein rechter Flügel besteht mit Kautsky, Hilferding, Strobel an der Spitze. Crispien war mit Hilferding in Luzern und wollte nicht aus der II. Internationale austreten. Es gibt einen rechten Flügel.

Man sagt uns: Ja, wer beschäftigt sich jetzt mit Kautsky? Niemand. Darauf antworte ich: das ist nicht wahr. Der Kautskyanismus ist eine internationale Erscheinung, und manche Führer der Zentrale der USPD, die sich von Kautsky emanzipiert zu haben glauben, wiederholen in der Tat die Politik, die Kautsky führt. Das Beste, was wir tun konnten, ist, dass wir in Betracht gezogen haben, dass in den Reihen der USPD Arbeiter sind, die ernstlich kämpfen und im Gegensatz stehen zu der rechten Führerschaft, die den revolutionären Kampf sabotiert und bisher der Bourgeoisie die besten Dienste geleistet hat. Es gibt keine rechten Führer in Deutschland, wird gesagt. Es ist illoyal von Seiten der Exekutive, sagt man uns, eine solche Teilung – in rechte und linke Führer – vorzunehmen. Die größte Loyalität sollen wir haben gegen die Brüder, die in anderen Ländern wirklich gegen die Bourgeoisie kämpfen, aber Loyalität gegenüber Leuten wie Kautsky, Hilferding, Strobel wäre gleichbedeutend mit Verrat gegen die Arbeiterklasse, und eine solche „Loyalität" werden wir nicht pflegen. Zwischen Hilferding, der es verstanden hat, mit hohen englischen Offizieren kameradschaftlich zu verhandeln, und uns liegt ein Abgrund. Der rote Faden, der sich durch unser Schreiben zieht, besteht eben in diesem Unterschied zwischen den Arbeitern, die mit uns kämpfen, und den rechten Führern, die den Kampf sabotieren. Die Zentrale schreibt weiter: „Völlig rätselhaft ist es uns, worauf sich der Vorwurf der „Ententeorientierung“ der „rechten Führer“ der USP stützen soll. Bisher ist dieser Vorwurf meist von rechtsstehenden Parteien gegen uns erhoben worden. Namentlich als wir im vorigen Jahr den Kampf um die Unterzeichnung des Friedens entgegen allen nationalistischen Wühlereien und militaristischen Treibereien zu führen hatten, wurde besonders von bürgerlichen reaktionären Parteien der Vorwurf gegen uns erhoben, dass wir die „Agenten der Ententeregierungen" seien. Der weitere Gang der Ereignisse hat unserer Haltung Recht gegeben, ebenso wie er seinerzeit die Haltung der russischen Kommunisten in der Friedensfrage als von harter Notwendigkeit diktiert erwiesen hat, gegen die bekanntlich wegen dieser Haltung der Vorwurf erhoben wurde, dass sie sich mit dem kaiserlich-deutschen Militarismus verbündet hätten."

Als wir in Russland vor dem Brester Frieden standen, war die Lage klar. Die Arbeiterklasse hatte in unserem Lande die Macht in den Händen. Sie hungerte, kämpfte aber weiter. Der deutsche Imperialismus fasste uns beim Kragen, und die deutsche Arbeiterklasse war zu schwach, um uns sofort Hilfe zu leisten. Wir sagten uns: Mit diesen Räubern müssen wir, um eine kleine Atempause zu gewinnen – dieses Wort wurde damals geprägt – vorläufig paktieren, um Zeit zu gewinnen. – Wie aber war die Lage in Deutschland im Jahre 1918-1919? Die Macht war in den Händen der Bourgeoisie oder in den Händen der Scheidemänner, was dasselbe ist. In Deutschland ging es nicht wie in Russland. Der Schlaufuchs Scheidemann sagte: Ich werde meine Hände in Unschuld waschen, ich bin gegen die Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags. Er hat die heldenmütige deutsche Arbeiterklasse auf das Raffinierteste betrogen. Man hat es so hingestellt, als ob Scheidemann gegen den Versailler Frieden ist, Und da kam die USP und hat sich ins Zeug gelegt, um Scheidemann zu helfen. Und sie hat in allen Tonarten geschrien: Man muss Frieden schließen! Jetzt sagt Ihr: Die Lage in Deutschland war dieselbe, wie damals beim Brester Frieden die Lage in Russland! Ihr habt in Deutschland den kleinen Unterschied übersehen, dass bei uns die Arbeiterschaft an der Macht war und die Bourgeoisie am Boden lag und in Deutschland die Bourgeoisie an der Macht war und die Arbeiterschaft am Boden lag, die tausendmal verkauft wurde. Woher kam diese „kleine“ Verwechslung? Sie kam daher, dass mancher rechte Führer der USP sich im März 1919 die Lage so vorstellte: Scheidemann oder ich, das ist kein großer Unterschied. (Beifall.) Das sind ja Teile einer Arbeiterklasse, das ist ja die alte Sozialdemokratie. Dieser unbewusste Seelenzustand innerhalb der USP hat dazu geführt, dass man eine so schreiend ungerechte Behauptung aufstellen konnte und eine Lage, wo die Arbeiterschaft die Macht hatte, mit einer Lage, wo die Bourgeoisie die Macht hatte, wo die Hindenburg und Scheidemänner der Arbeiterschaft den Stiefel auf die Brust setzten und sie unterdrückten, verwechseln konnte. Man hat uns oft erklärt: Wir haben keine große Meinungsverschiedenheit mit euch. Kautsky hat keine große Bedeutung in unserer Partei. Ist es nicht der Geist Kautskys, der aus dem folgenden Schreiben spricht, das uns jetzt von den Delegierten der USP gebracht wurde?

Ebenso wie mit der Frage der Diktatur verhält es sich mit der Frage des Terrors und des Bürgerkrieges. Auch hier wird die spezifisch-russische Form der Diktatur des Proletariats zum Grundgesetz für das internationale Proletariat erhoben. Hierbei erdrückt die Form den Inhalt und erschwert den Gang der Revolution durch ungenügende Berücksichtigung der Umstände, die bei einem anderen soziologischen Inhalt auch eine andere Form der Revolution notwendig machen können. Bei der Prüfung des Gewaltproblems kommt in Betracht, dass zwischen Gewalt und Terror unterschieden werden muss. Wenn auch die Diktatur des Proletariats wie jede andere Diktatur, selbst wenn sie sich in ein demokratisches Gewand hüllt, der Anwendung von Gewaltmitteln nicht entbehren kann, so hängt ihr Ausmaß doch von den konterrevolutionären Widerständen ab. Terrorismus als politische Methode bedeutet die Errichtung einer Schreckensherrschaft, bedeutet die Anwendung von staatlichen Gewaltmitteln auch gegen Unschuldige, um durch Einschüchterung und Abschreckung alle Absichten auf Widerstand zu brechen. Dagegen ist zu sagen, dass die internationale Sozialdemokratie diesen Terror nicht nur aus Menschlichkeit und Gerechtigkeit, sondern auch aus Gründen der Zweckmäßigkeit abgelehnt hat. Kann von der Gewalt gesagt werden, dass sie nur die Geburtshelferin jeder alten Gesellschaft ist, die mit einer neuen schwanger geht und dass sie die neue Gesellschaft nicht zutage fördern kann, ehe diese nicht im Schoße der alten gereift ist, so muss vom Terror gesagt werden – und die Geschichte hat das hundertfache bewiesen –, dass seine Anwendung nicht die Stärke einer Bewegung, sondern vielmehr ihre innere Schwäche zum Ausdruck bringt. Unsere Partei handelt deshalb im Einklang mit der marxistischen Lehre und mit den Erfahrungen der Geschichte, wenn sie es ablehnt, den Terror zu verherrlichen. Das Festhalten an diesen Grundsätzen bedeutet nicht, wie uns im Antwortschreiben des Exekutivkomitees vorgeworfen wird, die „Demoralisierung des revolutionären Bewusstseins der Arbeiter". Es bedeutet vielmehr die Sicherung der dauernden Interessen des Sozialismus."

Das schreibt man nach dem Januaraufstand in Berlin, nachdem die Bourgeoisie uns das Kostbarste, was die Arbeiterschaft besaß, genommen hat, das schreibt man nach alledem, was wir über den Bürgerkrieg in Russland, in Finnland, in Georgien, in Ungarn usw. wissen! Eine kleinbürgerliche Maschine hat das geschrieben, anstatt des Herzens eines Revolutionärs! Ich glaube, „der dauernden Interessen der Bourgeoisie" sollte man sagen und nicht „der dauernden Interessen des Sozialismus". Die Erklärung steht voll und ganz auf dem Boden des Kautskyanismus. Wenn Kautsky, wie Dittmann und Crispien hier erklärten, keine Bedeutung mehr hat, ja, warum hat man dann alle Plattheiten, alle Dummheiten, alles gegenrevolutionäre Zeug, das Kautsky zusammengeschrieben hat, in diesem Antwortschreiben von ihm abgeschrieben?

Als wir die linken Vertreter der USP hier in Moskau fragten: Habt Ihr das unterzeichnet? da waren sie nicht in der Lage, zu erklären, dass sie es nicht unterzeichnet hätten. Sie sagten, sie hätten keine Zeit gehabt, es sei „im Galopp" gemacht worden. Das sind ganz unpolitische Motive. Es ist eben schlimm, dass in der Zentrale der USP solche Fragen im Galopp erledigt werden. Wir sehen, wie der tote Kautsky den lebendigen Däumig bei den Haaren tief in das Wasser zieht, statt dass der tatkräftige Däumig den alten Kautsky mit seinem gegenrevolutionären Dreck beiseite schieben sollte.

Das über die USP

Nun weiter! Wir müssen denselben Maßstab anlegen, ob eine Partei schon zu uns gehört oder noch nicht. Die Tatsache, dass sie zu uns gehört, soll sie nicht von Kritik befreien. Wir müssen Kritik üben und aussprechen, was ist.

Ich komme zunächst zu der italienischen Partei. Wir haben immer betont und betonen auch jetzt: Sie ist eine der besten unter den Parteien, die aus der II. Internationale ausgetreten sind. Die italienische Arbeiterklasse ist eine heroische Arbeiterklasse, die von uns allen geliebt wird, da es ihr ernst ist mit der Revolution und dem Kommunismus. Dasselbe können wir aber leider nicht auch von den Führern sagen. Sie kommen immer mit Turati, sagt uns Genosse Serrati, das wird langweilig. Ja, Genosse Serrati, wir werden nicht damit aufhören, solange Leute wie Turati noch zu uns gehören. Momentan ist ja Turati Mitglied der Kommunistischen Internationale, weil er Mitglied der italienischen Partei ist. Ist das nicht eine Schande? Wenn wir eine Karte für jedes Mitglied der Kommunistischen Internationale hätten, würden Turati und Modigliani auch eine Mitgliedskarte der Kommunistischen Internationale haben. Und diese Leute treiben doch gegenrevolutionäre Propaganda in Italien. Turati ist in den letzten Tagen im Parlament aufgetreten mit einer großen Rede, wie er in seinem Leben schon einige gehalten hat. Turati hielt folgende Rede: Sie, meine Herren Bürgerlichen, sehen, dass Sie in einer schwierigen Lage sind, ebenso wie die Arbeiterklasse. Also wollen wir einander helfen. In der Agrarfrage, in der Wohnungsfrage, in der Verpflegungsfrage schlage ich Ihnen ein konsequentes halb-bürgerliches Programm vor. Der „Avanti!" teilt nicht mit, wie die italienischen Bürgerlichen das aufgenommen haben. Die italienische Partei hat nachher gegen Turati ein Gerichtsverfahren eingeleitet. Wenn man solche Zustände in der Partei hat, wird niemand sagen, dass das eine ernste Partei sei. Sie hätte sonst etwas anderes zu tun, als Gerichtsprozesse zu machen gegen Leute, die schon 30 Jahre dasselbe sagen, weil sie konsequente Reformisten sind.

Ich habe auch eine große italienische Sammlung von vielleicht 200 bis 300 Zitaten vorliegen. Ich bin nicht in der Lage, alles vorzubringen. Wir werden ein Rotbuch über die Italiener und andere Länder herausgeben. Genosse Serrati wird von mir ein Exemplar dieses Buches bekommen. Ein Bouquet von Zitaten, das gut duftet, und er wird viel Vergnügen an diesem Buch haben. Als man Turati fragte, warum er in der Partei bleibt, sagte er: Weil ich auf diese Weise Einfluss auf die Arbeiterklasse ausüben kann. Turati hat nichts zu verbergen; er erklärt offen, er gehöre zur Partei, weil er als Reformist mit der Aureole eines Sozialisten, als Mitglied der Partei im Parlament, in Versammlungen auftreten könne. Er kann seine Geschäfte innerhalb der Partei besser besorgen. Warum soll er weggehen? Wir raten unseren Freunden, auf das zu achten, was Turati selbst gesagt hat. Man soll diesen Herrschaften nicht erlauben, in unserer Partei zu bleiben und unseren Kampf zu sabotieren. Wir haben zu viel offene Feinde, um unsere verborgenen Feinde in unserer Partei zu lassen.

Nach einer Rede von Bombacci, die er als Vertreter der Partei auf einem Gewerkschaftskongress der chemischen Produktion vor einer Versammlung von Gewerkschaften des ganzen Landes gehalten hat, ist zunächst Turati aufgetreten und hat reformistisches Zeug geschwatzt. Der italienische Kommunist Bombacci ist ziemlich milde aufgetreten. Ich frage. Warum lässt man Turati in eine Versammlung von Gewerkschaften kommen und den Arbeitern eine reformistische Rede halten, zu der sich dann Bombacci in milder Weise äußert? Solange Turati Mitglied der Partei ist, kann Genosse Bombacci natürlich nicht sagen: Das ist unser Klassengegner. Wir haben etwas anderes zu tun, als diesen Herrschaften die Möglichkeit zu geben, vor den einfachen Mitgliedern der Gewerkschaften in unserem Namen ihre reformistischen Anschauungen zu propagieren.

Ich komme zu der schwedischen Partei. Leider sind die Genossen Höglund u. a. die mit uns die Kommunistische Internationale gegründet haben, nicht da. Wir müssen aber auch in dieser Frage aussprechen, was ist. Die schwedische Linke hat sich bisher nicht kommunistische Partei genannt, und jetzt ist es klar, dass es kein Zufall war. Die Genossen geben eine theoretische Schrift heraus, die sich „Zimmerwald“ nennt. Weiter als bis 'Zimmerwald ist man nicht gegangen. In dieser Schrift sind Artikel von rechten deutschen Unabhängigen abgedruckt. Und das ist auch kein Zufall, weil sie miteinander sympathisieren. Das Wichtigste ist, dass ausgesprochene Reformisten in der schwedischen Linken sitzen. Ich will schon nicht von Lindhagen sprechen, obwohl auch er noch Mitglied der Partei ist. Er hat am 12. März 1920 ganz offen vorgeschlagen, dass Schweden in den Völkerbund eintreten solle und hat sorgfältig fünf Abänderungsvorschläge zu den Statuten des Völkerbundes gemacht.

Die Partei hat Herrn Lindhagen einen Artikel zwar desavouiert, aber trotzdem bleibt Lindhagen in der Partei und ist also formell Mitglied der Kommunistischen Internationale!

Ein Abgeordneter der schwedischen Partei, Einberg, hat in einem Artikel, in dem er die sozialpatriotische Forderung der Abrüstung erhebt, erklärt, man könnte jetzt das Kriegsamt ganz gut liquidieren, d. h. mit Zustimmung der Regierung. Er sagt dann weiter, er hoffe, dass die rechten Sozialdemokraten, d. h. Branting, ihn in dieser Frage weitgehend unterstützen werden.

Ferner ist ein bekannter Abgeordneter oder ein führender Genosse, der Schwede Ivar Vennerström, so aufgetreten, dass Branting erklärte: Es scheint, dass uns die linke sozialdemokratische Partei heiraten möchte. Höglund hat darauf geäußert, wenigstens er persönlich möchte den alten Branting nicht heiraten. Es ist aber in der Parteipresse der Linken erklärt worden, dass es Bedingungen geben kann, wo eine solche Heirat zur Diskussion gestellt werden könne.

Wir müssen die Dienste anerkennen, die die linke schwedische Sozialdemokratie der Kommunistischen Internationale geleistet hat. Es ist eine Bewegung, die aus der Jugendbewegung entstanden ist. Wir wissen, dass wir dort eine Anzahl Leute haben, die wirklich revolutionär sind. Wir müssen ihnen aber klar sagen, dass wir eine kommunistische Partei haben müssen, welche die Heirat mit Branting nicht zur Diskussion stellt und die Abrüstung schon längst über Bord geworfen haben muss, und dass wir nicht dazu berufen sind, die Statuten des Völkerbundes zu verbessern, sondern den Völkerbund selbst zu begraben.

Im Programmentwurf der dänischen Linken wird erklärt: Die Partei stellt fest, dass die Vernichtung des Militarismus die Aussichten einer unblutigen Revolution erhöht. – Ja, gewiss. Sollte der bürgerliche Militarismus vernichtet sein, so haben wir mehr Aussicht auf eine unblutige Revolution. Aber die Frage besteht eben darin, wie wir den Militarismus vernichten können, ohne das Blut der Bourgeoisie und unser eigenes zu vergießen.

Ich komme zur norwegischen Partei. Die Zentrale duldet eine Rechte innerhalb der Partei. Schefflo hat in der Kommission erklärt: Ein Teil unserer Mitglieder sind Antisozialisten. Wie kam das? Weil sie ganze Gewerkschaften in die Partei aufnehmen. Das geht nicht so. Wir können gute Beziehungen zu den Gewerkschaften haben. Wir können kommunistische Fraktionen in den Gewerkschaften bilden, aber ganze Gewerkschaften mit 10 Prozent christlich-sozialen und anderen antisozialen Elementen aufnehmen, das ist ein Irrtum. Wir müssen unsere norwegische Partei darauf aufmerksam machen.

Die jugoslawische Partei nennt sich jetzt Kommunistische Partei. Wir lasen aber früher eine ganze Anzahl reformistischer Artikel im Zentralorgan unserer jugoslawischen Genossen. Die Partei opponiert zwar dagegen. Aber das ist ein Zustand, den man nicht dulden soll und darf. Wir müssen unsere jugoslawische Partei darauf aufmerksam machen, dass es unmöglich ist, ausgesprochene Reformisten in der Partei zu haben, ihnen die Presse zur Verfügung zu stellen usw. Im Übrigen ist die Kommunistische Partei Jugoslawiens eine prächtige Partei.

Es ist möglich, dass auch andere Parteien uns Russen etwas zu sagen haben. Es ist selbstverständlich, dass jede Partei, die der Kommunistischen Internationale angehört, unserer russischen Partei es sagen muss, wenn wir eine Sünde begehen. Das ist ihre internationale Pflicht. Wir sollen uns als einzige internationale Partei betrachten, die ihre Filialen in allen Ländern hat, und jede Filiale soll das Recht der „Einmischung“ haben und sagen, was ist. Wir haben kommunistische Parteien, die wirklich kommunistisch sind und den Kern der Kommunistischen Internationale bilden. Wir haben aber leider noch eine Anzahl Parteien, die den Reformisten die Möglichkeit geben, die Arbeiterklasse zu betrügen und uns einen Teil des Vertrauens, das die Arbeiterklasse zu uns hat, rauben. Es ist klar: Treves raubt uns als Mitglied des Senats jeden Tag einen Teil des Vertrauens der Massen, und Bombacci und Serrati werden durch Turati und Modigliani des Vertrauens der Massen beraubt.

Wir haben Teile großer alter Parteien, die zu uns kommen wollen. Ein Teil der Arbeiter aus diesen Parteien ist für uns, für die Errichtung der Diktatur, und ein Teil ist noch schwankend. Wir schlagen nicht vor, die französische Partei und die USP sofort aufzunehmen, sondern der Exekutive die Vollmacht zu geben, weiter zu verhandeln und zu prüfen, ob die Bedingungen erfüllt werden, die Presse Tag für Tag zu studieren und nach einiger Zeit einen Beschluss zu fassen. Die französischen Genossen haben uns in der Kommission erklärt, sie seien im Großen und Ganzen mit unseren Bedingungen einverstanden. Die Vertreter der USP haben ungefähr dasselbe erklärt. Wir werden alles Mögliche tun, um die Annäherung zu erleichtern. Das Wichtigste besteht darin, dass sämtliche Artikel, die verbreitet werden, sorgfältig und gewissenhaft studiert werden, und dass man uns im Namen des Kongresses die offizielle Ermächtigung gibt, für einen gewissen Zeitabschnitt zu verfolgen, ob diese Bedingungen erfüllt werden. Man kann 18.000 Bedingungen annehmen und doch Kautskyaner bleiben. Es handelt sich um Taten. Wir haben diese Bedingungen aufgestellt, um einen Maßstab zu haben, um die Möglichkeit einer objektiven Prüfung dessen, was der Kongress will, zu bekommen. Ich hoffe auf jeden Fall, dass der Kongress Klarheit schaffen und uns einen Anhaltspunkt geben wird, damit jeder Arbeiter klar sehen kann, was die Kommunistische Internationale will. Ich erkläre mit voller Sicherheit: Mag die Zentrale der USP sich verhalten wie sie will, mögen die Führer der Französischen Sozialistischen Partei sich verhalten, wie sie wollen, die Herzen der Arbeiter in allen Ländern gehören doch uns. Jeden Tag werden sie uns mehr gehören, weil die letzte Stunde der Bourgeoisie und der halbbürgerlichen II. Internationale geschlagen hat, Die Stunde des wirklichen Kampfes um den Sozialismus ist gekommen.

Etwas früher oder später werden das alle Arbeiter verstehen. Über die Köpfe ihrer schwankenden Führer hinweg werden sie zu uns kommen, und es wird sich eine wirkliche Kampforganisation der revolutionären Arbeiterklasse bilden, (Großer, langanhaltender Beifall.)

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