Leo Trotzki‎ > ‎1918‎ > ‎

Leo Trotzki 19180110 Rede in der Plenarsitzung vom 10. Januar 1918

Leo Trotzki: Rede in der Plenarsitzung vom 10. Januar 1918

[Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 17, часть 1. Москва-Ленинград, 1926, S. 3-11, verglichen mit der englischen Übersetzung]

[In der Plenarsitzung vom 9. Januar protestiert General Hoffmann, unterstützt von Vertretern anderer verbündeter Armeen, gegen die Propaganda-Radiotelegramme und Appelle der Sowjetregierung und des Sowjetkommandos

Kühlmann seinerseits verweist auf „einige halboffizielle Erklärungen der russischen Regierung"1 und insbesondere „auf eine Mitteilung der Petrograder Telegraphenagentur"2 über die Erklärung der russischen Delegation bei der Sitzung vom 27. Dezember. Genosse Trotzki antwortet am nächsten Tag. {Einleitung der Redaktion der Sotschinenija zum Abschnitt „Der Kampf um Transparenz und Propagandafreiheit“ – Der Übersetzer}]

Bevor wir auf die in den Erklärungen der Vertreter des Vierbundes aufgeworfenen Fragen eingehen, halten wir es für notwendig, ein Missverständnis, das in den Verlauf der Verhandlungen einging, zu beseitigen.

In der offiziellen Sitzung vom 14./27. Dezember beschränkte sich die russische Delegation als Antwort auf die Punkte des ersten und zweiten deutschen und österreichischen Entwurfs darauf, deren Redigierung derjenigen Absätze zu vergleichen, die das Schicksal der besetzten Gebiete bestimmen3 und auf eine kurze Erklärung des Vorsitzenden der russischen Delegation, die darauf verwies, dass die russische Regierung Aussagen von privilegierten Bevölkerungsgruppen unter den Bedingungen der militärischen Besatzung nicht als Ausdruck des Willens der Völker dieser Bezirke betrachten kann.4

Wir stellen daher fest, dass das Protokoll der letzten Sitzung, das offiziell in deutschen Zeitungen veröffentlicht wurde, in dem Teil, der die Rede des Vorsitzenden der russischen Delegation darlegt, nicht dem entspricht, was in der Sitzung vom 14./27. Dezember wirklich geschehen ist.5

Was das uns völlig unbekannte Telegramm der Petrograder Telegraphenagentur angeht, auf das in der deutschen Presse und in der Erklärung des Staatssekretärs Herrn von Kühlmann verwiesen wird, fällt es uns zur Zeit schwer, uns zu erkundigen, um festzustellen, welches Telegramm als Korrektur oder Ergänzung des Protokolls der Sitzung vom 14./27. Dezember verstanden werden könnte.

In der Tat beziehen sich alle Verweise auf dieses Telegramm nicht auf irgendeine Aussage der russischen Delegation in Brest-Litowsk, sondern, so weit wir beurteilen können, auf den Beschluss des Zentralen Exekutivkomitees in Petrograd nach dem Bericht der russischen Delegation über die Verhandlungen und sind in voller Übereinstimmung mit der Position unserer Delegation eine entscheidende Ablehnung dieser Interpretation der Selbstbestimmung, in der der Wille der Völker tatsächlich durch den Willen einzelner privilegierter Gruppen ersetzt wird, die unter Kontrolle der Besatzungsmacht standen.

In Anbetracht des Missverständnisses, das nicht im Zusammenhang mit der Arbeit unserer Delegation vorgekommen ist und dessen unmittelbare Quelle geklärt werden soll, ist es unseres Erachtens jedoch notwendig, die Tatsache festzustellen, dass die Möglichkeit eines solchen Missverständnisses tatsächlich dadurch verursacht wird, dass nicht alle offiziellen Erklärungen der russischen Delegation den Völkern der Mittelmächte zur Kenntnis gebracht werden, und teilweise in einer modifizierten Form, wie es zum Beispiel mit der Antwort unserer Delegation auf die Erklärung vom 12./25. Dezember der Fall ist, bei der im deutschen offiziellen Bericht die gesamte Kritik an Punkt 3 zur Selbstbestimmung der Nationen herausgefallen ist.6

In dieser unvollständigen Informiertheit der öffentlichen Meinung über den Verlauf der Friedensverhandlungen sehen wir eine echte Gefahr für den erfolgreichen Abschluss unserer Arbeit.

Was den Protest General Hoffmanns gegen Artikel unserer Presse, Radiotelegramme, Proklamationen usw. betrifft, die das monarchische oder kapitalistische System des einen oder anderen Landes kritisieren – ein Protest, der von den Militärvertretern der anderen drei Delegationen unterstützt wird –, halten wir das für notwendig erklären, dass weder die Bedingungen des Waffenstillstandes noch der Charakter der Friedensverhandlungen in irgendeiner Weise die Pressefreiheit und die Redefreiheit eines der Vertragsländer in irgendeiner Weise einschränken.

Auf jeden Fall behalten wir Vertreter der Russischen Republik uns und unseren Mitbürgern die volle Freiheit der Propaganda republikanischer und revolutionär-sozialistischer Überzeugungen vor.

Gleichzeitig erklären wir, dass wir für unseren Teil keinen Grund sehen, gegen den Umstand zu protestieren, dass die Regierungen des Vierbundes unter den russischen Gefangenen und unter unseren Soldaten an der Front halboffizielle deutsche Publikationen verteilen, die von einem extrem tendenziösen Geist und kapitalistischen Ansichten durchdrungen sind, die wir als zutiefst feindlich gegenüber den Interessen der Massen betrachten.

Nach diesen Vorbemerkungen können wir den Inhalt der Erklärungen untersuchen, die gestern von den Vorsitzenden der deutschen und der österreichisch-ungarischen Delegation verkündet wurden.

Zunächst einmal bekräftigen wir, dass wir in voller Übereinstimmung mit dem Beschluss vor der Verhandlungspause beabsichtigen, weitere Friedensverhandlungen zu führen, unabhängig davon, ob die Regierungen der Ententestaaten uns beitreten oder nicht.

Indem wir die Erklärung der Delegation des Vierbundes, dass die Grundlagen für den allgemeinen Friedens, die in ihrer Erklärung vom 12./25. Dezember formuliert wurden, nun aufgrund der Tatsache wegfallen, dass die Ententemächte den Friedensverhandlungen nicht innerhalb von zehn Tagen beitraten, halten wir es für notwendig, zu erklären, dass die Prinzipien des von uns verkündeten demokratischen Friedens, die wir weiter verteidigen werden, nicht durch eine zehntägige oder eine andere Periode beseitigt werden, denn sie stellen die einzig denkbare Grundlage für das Zusammenleben und die Zusammenarbeit der Völker dar.

Bevor wir nach der zehntägigen Pause hier eintrafen, haben wir nach einer schriftlichen Erklärung, die uns im Namen von General Hoffmann noch vor Beginn der Friedensverhandlungen übergeben wurde, telegraphisch die Frage der Verschiebung weiterer Verhandlungen auf ein neutrales Land aufgeworfen.7

Mit diesem Vorschlag wollten wir eine solche Lösung für die Frage des Verhandlungsortes erreichen, die dadurch, dass beide Seiten unter gleichartige Bedingungen gestellt werden, den normalen Verlauf der Verhandlungen selbst begünstigt und den baldigen Abschluss des Friedens erleichtert hätte.

Ganz in Übereinstimmung mit der Idee des Vorsitzenden der deutschen Delegation „dass die Atmosphäre, in der sie stattfinden, von größter Wichtigkeit für die Verhandlungen ist"8, und ohne in eine Diskussion darüber einzutreten, inwieweit die Atmosphäre von Brest-Litowsk den Abschluss eines Friedens erleichtert, der von breiten politischen, aber nicht strategischen Motiven bedingt ist, glauben wir jedenfalls, dass es für die russische Delegation, die sich in der Festung Brest-Litowsk im Hauptquartier der feindlichen Armeen unter der Kontrolle der deutschen Macht aufhält, unbestreitbar jene Nachteile einer künstlichen Isolierung schafft, die nicht durch einen direkten Draht für dringende Mitteilungen ausgeglichen werden können.

Diese künstliche Isolation, die eine ungünstige Atmosphäre für unsere Arbeit schafft, erzeugt gleichzeitig Beunruhigung und Besorgnis in der öffentlichen Meinung unseres Landes.

Elemente, die jedem Chauvinismus fremd sind, die im Gegenteil die freundschaftlichsten Beziehungen zwischen den Völkern der kriegführenden Länder herzustellen streben, protestieren dagegen, dass die russische Delegation in einer von den deutschen Truppen besetzten Festung verhandelt.

All diese Überlegungen sind umso wichtiger, als wir uns im Verlauf der vorangegangenen Verhandlungen direkt mit der Frage des Schicksals lebender Völker – Polen, Litauer, Letten, Esten, Armenier usw. – auseinandergesetzt haben, und es sich herausstellte, dass es sich dabei um eine Frage handelt, bei der zwischen den beiden Seiten erhebliche Unterschiede bestehen.

Wir hielten es daher für äußerst unerwünscht, die Verhandlungen unter solchen Bedingungen fortzuführen, die der Behauptung Recht geben, dass wir von den Quellen umfassender Information abgeschnitten und von der öffentlichen Meinung der Weltdemokratie isoliert, ohne auch nur die Garantie zu haben, dass unsere Erklärungen die Völker des Vierbundes erreichen, an Verhandlungen teilnehmen, die das Schicksal lebender Völker hinter ihrem Rücken zu entscheiden.

Welche Gründe könnten die Verlegung der Friedensverhandlungen in ein neutrales Land verhindern? In seiner Erklärung hatte der Vorsitzende der deutschen Delegation offenbar die Rede vor Augen, die der Herr Reichskanzler im Hauptausschuss des Reichstags zu diesem Thema hielt.

Unter Hinweis auf die technischen Schwierigkeiten, die Verhandlungen in ein neutrales Land zu verlegen – Schwierigkeiten, die unserer Ansicht nach mit dem guten Willen beider Seiten ohne Schwierigkeiten hätten überwunden werden können –, erklärte der Herr Reichskanzler, dass „die Machenschaften der Entente, Misstrauen zu säen zwischen der russischen Regierung, ihren Vertretern und uns, dort neuen Boden gewinnen würden.“9

Dieselbe Idee hat der Vorsitzende der österreichisch-ungarischen Delegation gestern in seiner Erklärung entwickelt.

Da wir jetzt vor der Notwendigkeit stehen, dieses Argument zu bewerten, halten wir es für nützlich, zunächst daran zu erinnern, dass die Sorge, die russische Regierung vor schädlichem Betrug zu schützen, ausschließlich bei der russischen Regierung liegen muss.

Wir sagen dies mit umso größeren Recht, als die revolutionäre russische Regierung ihre Unabhängigkeit in Bezug auf diplomatische Machenschaften hinreichend gezeigt hat, hinter denen immer das Streben verborgen ist, die werktätigen Massen zu unterdrücken.

Wir begannen unseren Kampf gegen den Krieg in jener Zeit, als die zaristischen Truppen in Galizien triumphierend vorrückten; wir führten diesen Kampf unabhängig von den sich verändernden strategischen Lagen, durch alle Hindernisse hindurch, indem wir alle Machenschaften, egal woher sie kamen, wegfegten. Wir sind an der Macht und tun, was wir versprochen haben, als wir in der Opposition waren.

Wir haben Geheimverträge veröffentlicht und sie kategorisch zurückgewiesen, weil sie den Interessen der Völker, die sie betreffen, und der sozialistischen Moral widersprechen. Wir veröffentlichen weiterhin Geheimdokumente. Leider ist uns bisher keines der Länder, weder verbündete noch feindliche, auf diesem Weg des offenen und echten Kampfes gegen diplomatische Machenschaften gefolgt.

Wir haben uns auf den Weg gemacht, einen Waffenstillstand auszuhandeln und die Warnungen, Drohungen und Machenschaften der alliierten Botschaften in Petrograd ignoriert. Wir gehorchten nur unserem sozialistischen Programm.

Wir reagierten und reagieren mit schwerer Repression auf alle Versuche konterrevolutionärer Machenschaften verbündeter diplomatischer Agenten in Russland, die darauf abzielten, die Friedensverhandlungen zu vereiteln.

Wir sehen keinen Grund zu der Annahme, dass die Diplomatie der Entente auf dem Boden eines neutralen Landes gegen den Frieden mit größerem Erfolg operieren könnte als in Petrograd.

Was den Verdacht des Herrn Staatssekretärs bezüglich der „Aufrichtigkeit" unseres Wunsches nach Frieden betrifft, glauben wir, dass in diesem Bereich das Problem nicht durch psychologische Vermutungen gelöst wird, sondern durch Fakten. Derjenige, der bereit ist, alle notwendigen Konsequenzen aus dem Recht der Nationen auf Selbstbestimmung zu ziehen, strebt aufrichtig nach Frieden.

Wir haben unsere Einstellung zur dieser Frage in Finnland, Armenien und der Ukraine gezeigt. Der gegnerischen Seite verbleibt nur, ihre Haltung auch in den besetzten Gebieten zu zeigen.

Und wenn der Vorsitzende der österreichisch-ungarischen Delegation, Graf Czernin, seine Befürchtung äußert, die Regierungen Englands und Frankreichs würden ihr Bestes geben, „sowohl offen als auch hinter den Kulissen", um einen Friedensschluss zu verhindern, glauben wir, dass es sachdienlich ist zu erklären, dass unsere Politik völlig ohne Kulissen arbeitet, da dieses Instrument der alten Diplomatie vom russischen Volk mit vielen anderen Dingen im siegreichen Aufstand vom 25. Oktober radikal abgeschafft wurde.

All diese Verdächtigungen uns gegenüber, wir würden an anglo-französischen Intrigen teilnehmen, ergänzt durch Andeutungen aus London und Paris über unsere geheimen Vereinbarungen mit Berlin, werden von uns mit der Entschlossenheit weggefegt, zu der uns unsere Politik das Recht gibt, die nicht durch zufällige Kombinationen, sondern durch die grundlegenden historischen Interessen der Arbeiterklassen aller Länder bestimmt wird.

Wenn wir also keinen einzigen technischen oder politischen Sachverhalt sehen, der das Schicksal des Friedens mit Brest-Litowsk als Verhandlungsort in Beziehung setzt, können wir andererseits nicht an dem Argument vorbeigehen, das in der gestrigen Sitzung nicht namentlich genannt wurde, das aber alle anderen Argumente beleuchtet und mit genügender Klarheit in der Rede des Herrn Reichskanzlers vorgebracht wurde. Wir sprechen über den Teil der Rede, in dem neben „gutem Recht“ und einer „loyalen Gesinnung" auch der Hinweis auf Deutschlands „Machtstellung" steht.10

Gnädige Herren, wir haben weder die Gelegenheit noch die Absicht, die Tatsache zu bestreiten, dass unser Land durch die Politik der Klassen, die uns bis vor kurzem beherrschten, geschwächt ist.

Aber die Weltstellung eines Landes wird nicht nur durch den gegenwärtigen Stand seines technischen Apparates, sondern auch durch die ihm innewohnenden Möglichkeiten bestimmt, so wie die Wirtschaftskraft Deutschlands nicht allein am gegenwärtigen Stand seiner Nahrungsmittelressourcen gemessen werden kann.

Eine breite und weitsichtige Politik basiert auf Entwicklungstendenzen, auf inneren Kräften, die einmal erwacht, früher oder später ihre Macht zeigen werden.

So wie die große Reformation des 16. Jahrhunderts und die große Revolution des 18. Jahrhunderts die schöpferischen Kräfte der deutschen und französischen Völker zum Leben erweckten, so erweckte und öffnete unsere große Revolution auf einer höheren technischen und kulturellen Ebene die schöpferischen Kräfte unseres Volkes.

Unsere Regierung stellte an die Spitze ihres Programms das Wort „Frieden", aber gleichzeitig versprach sie dem Volk, nur einen gerechten demokratischen Frieden zu unterzeichnen.

Unser Volk ist voll des größten Respekts für die werktätigen Massen Deutschlands, auf denen die gesamte deutsche Kultur beruht. Durch die Parteien, die von unserer Revolution an die Macht gebracht wurden, hat unser Volk die deutsche Arbeiterklasse, ihre Organisationen, ihren Geist der internationalen Solidarität seit langem zu schätzen gelernt.

Mit einem Gefühl tiefer Sympathie verhält sich unser Volk auch zu den Völkern Österreich-Ungarns, der Türkei und Bulgariens. Diese schrecklichen Kriegsjahre, der brutalste und sinnloseste aller Kriege, haben nicht nur die Herzen unserer Soldaten nicht verhärtet, sondern im Gegenteil eine neue Verbindung zwischen unseren Soldaten und den Soldaten der feindlichen Armeen geschaffen, eine Verbindung von gemeinsamen Leiden und gemeinsamer Hoffnungen auf Frieden.

Deshalb haben die allrussischen Kongresse der russischen Arbeiter, Bauern und Soldaten den Völkern auf der anderen Seite der Schützengräben offen die Hand der Versöhnung gereicht.

Von unserer Seite hat sich nichts geändert. Wir wollen immer noch einen frühen Frieden, der auf der Zustimmung der Völker beruht.

Unter diesen Bedingungen lässt sich die Weigerung der Vertreter der deutschen, österreichisch-ungarischen, türkischen und bulgarischen Regierungen, die Verhandlungen in ihrer jetzigen Phase aus den von deutschen Truppen besetzten Gebieten in ein neutrales Land zu verlegen, was die elementarste Gleichheit der Parteien gewährleisten würde, kaum anders erklären, als durch den Wunsch der Regierungen oder einflussreicher annexionistischer Kreise, einen Weg zu gehen, der nicht auf den Prinzipien der Übereinkunft der Völker beruht, sondern auf der sogenannten „Landkarte des Krieges". Dieses Streben ist sowohl für das russische als auch für das deutsche Volk gleichermaßen verderblich, weil sich die Landkarten des Krieges ändern und die Völker bleiben.

Noch vor dem gestrigen Treffen haben wir die tendenziöse Behauptung des aggressiven Teils der deutschen Presse zurückgewiesen, dass die Position der deutschen Regierung in der Frage des Verhandlungsortes ein Ultimatum sei.

Wir dachten, dass es in der Frage, wo beide Seiten verhandeln sollten, keinen Platz für Ultimaten, sondern nur für eine in gutem Glauben erzielte sachliche Vereinbarung geben könne.

Wir haben uns geirrt. Wir haben ein Ultimatum: entweder Verhandlungen in Brest-Litowsk oder keine Verhandlungen. Dieses Ultimatum kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass Regierungen oder jene Elemente des Vierbundes, die eine Eroberungspolitik verfolgen, es für diese Politik für günstiger halten würden, wenn die Verhandlungen wegen formeller technischer Fragen als wegen dem Schicksal Polens, Litauens, Kurland und Armenien abbrechen würden. Denn es ist nicht zu leugnen, dass der Abbruch der Verhandlungen, der durch ein Ultimatum in einer technischen Angelegenheit verursacht würde, es den Massen Deutschlands und seiner Verbündeten extrem erschwert hätte, die Ursachen des Konflikts wirklich zu verstehen und die Arbeit dieser offiziellen aggressiven Agitatoren erleichtern würde, die versuchen, im deutschen Volk den Eindruck zu erwecken, als ob hinter der direkten und offenen russischen politischen revolutionären Macht englische oder andere Regisseure stünden.

Ausgehend von diesen Überlegungen halten wir es für notwendig, im Angesicht der ganzen Welt und vor allem des deutschen Volkes das uns gestellte Ultimatum offen zu akzeptieren.

Wir bleiben hier in Brest-Litowsk, um nicht eine unerschöpfliche Chance im Kampf für den Frieden der Völker preiszugeben. Egal wie befremdlich das Verhalten der Delegationen des Vierbundes in der Frage des Verhandlungsortes ist, wir, die Delegierten der russischen Revolution, betrachten es als unsere Pflicht gegenüber den Völkern und Armeen aller Länder, neu zu versuchen, hier klar und präzise im Hauptquartier der Ostfront herauszufinden, ob mit den Vierbundmächten ein Frieden ohne Gewalt gegen die Polen, Litauer, Letten, Esten, Armenier und andere Völker, denen die russische Revolution ihrerseits das volle Recht auf Selbstbestimmung zusichert, ohne Einschränkungen und ohne Hintergedanken möglich ist.

Während wir derzeit unseren Vorschlag, die Verhandlungen in ein neutrales Land zu verlegen, zurückziehen, schlagen wir vor, dass wir zur Fortführung der Gespräche selbst übergehen.

Abschließend möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass unsere Erklärung die Aufmerksamkeit jener Völker erregen wird, mit denen in Freundschaft zu leben unser Volk aufrichtig versucht.

1 Über welche „halboffiziellen Erklärungen" Kühlmann sprach, war schwer festzustellen, denn alle Verhandlungsberichte und alle Appelle jener Zeit enthielten die Entlarvung des deutschen Imperialismus und forderten den Sturz ihrer Regierung durch die deutschen Arbeiterklasse und die deutsche Armee. Die gleichen Appelle wurden selbstverständlich an die Arbeiter und Soldaten der Entente-Länder gerichtet.

Wie aus Hoffmanns Erklärung in der Plenarsitzung der Friedenskonferenz am 12. Januar hervorgeht, hatten sowohl Kühlmann als auch Hoffmann offensichtlich den Appell des Genossen Krylenko im Sinn, der über die Ergebnisse der ersten Gesprächsperiode informierte und die Politik des deutschen Imperialismus entlarvte. (Die Proklamation wurde in der „Iswestija Moskowskoje Sov.“ [Nachrichten des Moskauer Sowjets] Nr. 239, datiert vom 29. Dezember 1917/11. Januar 1918 veröffentlicht.

Er wies darauf hin, dass „… die Räuber der deutschen Bourgeoisie, von denen alle bereit waren, uns mit Freuden zu zerreißen, gezwungen waren, sich dem Willen der erschöpften Völker zu beugen und anzuerkennen, dass Frieden auf der Grundlage der gleichen Rechte aller Völker geschlossen werden muss …“

Der Aufruf rief jedoch zur Wachsamkeit auf, denn, wie es weiter gesagt wurde, „ist die deutsche Bourgeoisie bereit, mit ihnen (mit den Imperialisten der Entente, Hrsg.) ein Bündnis einzugehen, um die Revolution im Lande zu ersticken."

2 Für das Telegramm der PTA, siehe die Erklärungen des Genossen Trotzki in der hier wiedergegebenen Rede.

3 Der Verkündung der Fassung der fraglichen Punkte durch die Sowjetdelegation ging tatsächlich die Verkündung dieser Absätze in seiner Version durch den Vierbund voraus.

Als Antwort auf diese Formulierung verlas Kühlmann seine Version der Punkte 1 und 2, die das Recht auf Selbstbestimmung formell anerkannten, es faktisch zerstörten.

4 Die Erklärung des Vorsitzenden der sowjetischen Friedensdelegation, Genosse Joffe, lautete:

Wir glauben, dass nur ein solcher Willensausdruck der wahre Ausdruck des Volkswillens sein kann, der das Ergebnis einer völlig freien Abstimmung ist, bei völliger Abwesenheit von ausländischen Truppen in diesen Gebieten."

5 [Im Drahtbericht des „Wolffschen Büros“ wurde Joffes Erklärung so wiedergegeben: „Wir stehen auf dem Standpunkt, dass als tatsächlich ausgedrückter Volkswille nur eine solche Willenserklärung betrachtet werden kann, die als Ergebnis einer unter Ausschaltung jeglichen militärischen Drucks in den betreffenden Gebieten vorgenommenen Abstimmung erscheine. Daher schlagen wir vor und bestehen darauf, dass eine klarere und genauere Formulierung dieses Punktes erfolgt. Wir sind jedoch damit einverstanden, dass zur Prüfung der technischen Bedingungen für die Verwirklichung eines derartigen Referendums sogleich zur Festsetzung einer bestimmten Räumungsfrist eine Spezialkommission eingesetzt wird. Im Allgemeinen kann zum Verlauf der bisherigen Verhandlungen mit Befriedigung festgestellt werden, dass die Ansichten der vertretenden Mächte über die Regelung der wichtigsten Fragen sich in vielen Punkten decken und die anderen sich derartig begegnet haben [sic!], dass die Hoffnung auf Erzielung eines Einvernehmens auch bei diesen begründet ist.“ (zitiert nach „Stuttgarter Neues Tagblatt“ Nr. 653, 29. Dezember 1917, Abendausgabe) – Der Übersetzer]

6 Dies war die vom Genossen Joffe als Antwort auf die Erklärung der Delegation des Vierbundes in der Sitzung vom 25. Dezember verlesene Erklärung der Sowjetdelegation. Aus dem Text der russischen Erklärung ist ersichtlich, welche Stelle im deutschen Bericht des Treffens am 25. Dezember ausgelassen wurde.

7 Die Rede ist von den in der Sitzung vom 9. Januar verkündeten Erklärungen.

8 Kühlmann sprach darüber in seiner Erklärung in der Plenarsitzung der Friedenskonferenz vom 27. Dezember 1917/9. Januar 1918.

9[Zitiert nach „Stuttgarter Neues Tagblatt“, Nr. 6, 4. Januar 1918, Abendausgabe, Hervorhebungen dort – Der Übersetzer]

10[a.a.O. - Der Übersetzer]

Kommentare