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Tammerforser Konferenz

Die Tammerforser Konferenz der Bolschewiki im Dezember 1905. In dem Aufruf der Partei „An alle Parteiorganisationen und alle sozialdemokratischen Arbeiter" heißt es: „Wir berufen den 4. Ordentlichen Parteitag der SDAPR auf Grund des Statuts des 3. Parteitages ein… um über die zur Entscheidung reif gewordenen Fragen und in erster Linie über die Vereinigung der Partei Beschluss zu fassen." Die Eröffnung des Parteitages war auf den 10./23. Dezember festgesetzt. Noch am 2./15. Dezember schrieb das ZK in Nr. 27 der „Nowaja Schisn" über die Wahl zum Parteitag und nicht zu einer Konferenz. Im Januar 1906 schrieb Lenin in einem Artikel „Die Reichsduma und die sozialdemokratische Taktik" (Band IX der „Sämtlichen Werke" [nicht erschienen]) über die zu dieser Frage beschlossene Resolution der Tammerforser Konferenz und machte dabei über die Konferenz selbst die folgenden Angaben: „Diese Konferenz, an der die von mehr als 4000 organisierten Parteimitgliedern gewählten Vertreter von 26 Organisationen, darunter 14 Arbeiter, teilnahmen, ersetzte den vom Zentralkomitee beabsichtigten und verkündeten Parteitag. Der Parteitag konnte infolge des Eisenbahnerstreiks, des Moskauer Aufstandes und verschiedener Ereignisse in den verschiedensten Gebieten Russlands nicht stattfinden. Aber die eingetroffenen Delegierten organisierten die Konferenz der ,Mehrheit'" … Tammerfors ist eine Industriestadt und war das Zentrum der damaligen sozialdemokratischen Bewegung. Die Konferenz begann am 12./25. Dezember. Die Nachrichten über die Moskauer Ereignisse trieben zur Eile an, und so wurde die Konferenz schon am 17./30. Dezember geschlossen. Von bekannteren Funktionären der russischen Bolschewiki nahmen an der Konferenz außer Lenin teil: Stalin (Tiflis), Losowski (Kasan), Jaroslawski (Jaroslawl), Krassin, Rumjanzew und Krupskaja. Außer den genannten Orten waren vertreten: Petersburg, Nikolajewsk, Taganrog, Tula, Kostroma, Twer, Ufa, Saratow, Riga, Tambow, Narwa, Wjatka, Woronesch, Samara und die sibirische Parteiorganisation. Als offizieller Vertreter der Menschewiki nahm E. L. Gurewitsch-Smirnow (Danjewitsch) an der Konferenz teil. Vorsitzender war Lenin. Ein Protokoll der Konferenz wurde nicht veröffentlicht, es wurde auch keines aufgefunden. Zuerst erstatteten die Delegierten ihre Berichte über die Parteiarbeit an den einzelnen Orten. Dann referierte Lenin über die Lage. Zu diesem Punkte wurde keine Resolution angenommen. Einen Bericht über die Arbeit des ZK erstattete Rumjanzew. Das Ergebnis der Debatte über die Vereinigung der Partei war die Annahme dreier Resolutionen. Der Punkt in der ersten Resolution „Über die Verschmelzung der Zentralstellen", wonach die Mitglieder der Redaktion des Zentralorgans Mitglieder des ZK sein können, ist gegen die Resolution der 2. Konferenz der „Minderheit" gerichtet, die im November 1905 in Petersburg stattgefunden hatte. An dieser Konferenz hatten Lenin und Bogdanow als Gäste teilgenommen. Diese Konferenz –- auf der übrigens die Menschewiki zum ersten Mal den viel umstrittenen Punkt 1 des Parteistatuts in der Leninschen Formulierung annahmen – betonte in ihrer Resolution ganz besonders, dass die Mitglieder der Redaktion des Zentralorgans nicht Mitglieder des ZK sein können. Dadurch wollten die Menschewiki den Eintritt Lenins ins Vereinigte ZK verhindern.

Wer auf der Tammerforser Konferenz über die „Reorganisation der Partei" referiert hat, konnte nicht festgestellt werden. Über die Agrarfrage referierte Lenin. Über die Frage der Reichsduma wurde kein Referat erstattet. Dagegen legte der Petersburger Delegierte Gurjew einen Plan zur Ausnützung der Dumawahlen vor, der dem Plan der Menschewiki nahe kam. Die Resolution wurde von einer Kommission ausgearbeitet, der Lenin, Stalin, Jaroslawski, Krassin und Melsitow angehörten. Die Resolutionen wurden, mit Ausnahme der über die Reichsduma, veröffentlicht. Einem Polizeispitzel war es gelungen, in die Konferenz zu gelangen, und von ihm stammt ein im Polizeiarchiv aufgefundener Bericht mit der Angabe der vertretenen Organisationen und der Decknamen der Delegierten. Außerdem wird in diesem Polizeibericht angeführt, dass am 22. Dezember (alten Stils, also nach der Tammerforser Konferenz) in Petersburg eine Zusammenkunft von Mitgliedern des ZK und einigen Konferenzdelegierten stattgefunden habe, an der auch Lenin und Martow teilgenommen hätten; es sei ein Bericht über die Vereinigung der Partei verlesen worden und Lenin und Martow hatten über die Taktik referiert. [Lenin, Sämtliche Werke, Bnd 8, Anm. 184]

Die Konferenz der 26 Organisationen, die Tammerforser Konferenz, wie sie auch genannt wird, fand vom 24. bis 30. (11.- 17.) Dezember 1905 an Stelle des für den Dezember geplanten (IV.) Parteitages statt, der infolge des Eisenbahnerstreiks, des Moskauer Aufstandes und anderer Ereignisse nicht abgehalten werden konnte. Die Delegierten, die sich zusammenfanden, veranstalteten eine „Konferenz der Mehrheit“. Die Konferenz beschloss Resolutionen über die Verschmelzung der beiden zentralen Körperschaften der Partei – des bolschewistischen Zentralkomitees und der menschewistischen Organisationskommission – und der örtlichen Organisationen, über die Einberufung des Vereinigungsparteitages, über die Reorganisation der Partei nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus, über die Agrarfrage – die Überprüfung des Agrarprogramms des II. Parteitages, beziehungsweise über die Streichung des Punktes von den abgetrennten Bodenstücken und seine Ersetzung durch die Unterstützung der „revolutionären Maßnahmen der Bauernschaft“ bis zur Beschlagnahme des gesamten staatlichen, kirchlichen, klösterlichen Bodens sowie der Apanage-, Kabinetts- und gutsherrlichen Ländereien – und schließlich über die Reichsduma. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3, Anm. 106]

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