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Agrarprogramm von 1903 und 1906

Das Agrarprogramm von 1903, dessen Verfasser in der Hauptsache Lenin war, wurde von ihm noch vor dem II. Parteitage in den Arbeiten „Arbeiterpartei und Bauernschaft“, „Das Agrarprogramm der russischen Sozialdemokratie“ und „An die Dorfarmut“ erläutert, die im zweiten Band der vorliegenden Ausgabe enthalten sind.

Das auf dem Stockholmer Vereinigungsparteitag (dem IV. Parteitag) beschlossene Agrarprogramm war ein menschewistisches Programm. Seine Hauptforderungen waren die Beschlagnahme der Ländereien der Gutsbesitzer, der Klöster, der Zarenfamilie und der Krone und die Übergabe dieser wie auch der staatlichen Ländereien an höhere Organe der lokalen Selbstverwaltung, die städtische und ländliche Gebiete umfassen sollen. Das wurde als Munizipalisierung des Bodens bezeichnet. Es gab aber in diesem Programm keine Einheitlichkeit, Neben der Munizipalisierung der angeführten Ländereien enthielt das Programm auch die Forderung der Nationalisierung des „Siedlungs-Bodenfonds sowie der Wälder und Gewässer von allgemein staatlicher Bedeutung“; das Bauernland sollte nach diesem Programm weder munizipalisiert noch nationalisiert werden. Schließlich ließ das Programm am Ende sogar („im Falle ungünstiger Verhältnisse“) die Verteilung jenes Bodens der Gutsbesitzer unter den Bauern zu, auf welchem in Wirklichkeit im Kleinen gewirtschaftet wird, oder der für die Abrundung der Besitztümer notwendig ist. Der Entwurf eines Agrarprogramms, den Lenin dem Vereinigungsparteitag vorlegte, stellte als ersten Schritt der Agrarrevolution ebenfalls die Beschlagnahme der oben angeführten Ländereien als Forderung auf, aber zum Unterschied von der menschewistischen Munizipalisierung enthielt er die folgenden Punkte: 1) forderte er die „Bildung von Bauernkomitees zur sofortigen Beseitigung aller Spuren der Macht und der Privilegien der Grundherren und zur tatsächlichen Verfügung über die beschlagnahmten Ländereien, bevor noch von der allgemeinen konstituierenden Versammlung ein neues Agrarsystem eingeführt wird"; 2) im Falle „ein entscheidender Sieg der jetzigen Revolution in Russland die Selbstherrschaft des Volkes vollkommen sichert“, ist die Partei verpflichtet, die Nationalisierung des gesamten Grund und Bodens durchzusetzen. Diese Forderung war in dem Leninschen Entwürfe in zwei Fassungen enthalten. Die erste Fassung lautete: „Die Partei wird die Abschaffung des privaten Grundeigentums und die Übergabe des gesamten Grund und Bodens in das gemeinsame Eigentum des ganzen Volkes erstreben.“ Die zweite Fassung („Variante A“): „Die Partei wird alle Bestrebungen der revolutionären Bauernschaft nach Abschaffung des privaten Grundeigentums unterstützen und die Übergabe des gesamten Grund und Bodens ins Eigentum des Staates erstreben“. Lenin legte diese zweite Fassung deshalb vor, um zu unterstreichen, dass in seinem Programm die Nationalisierung des Bodens der Bauernschaft nicht gegen ihren Willen aufgedrängt wird. Bei der Abstimmung über die Entwürfe siegten die Menschewiki, die zusammen mit dem „Sumpf“ auf dem Parteitage in der Mehrheit waren. Eine ausführliche Bewertung des Kampfes um das Agrarprogramm auf dem Vereinigungsparteitage gibt Lenin in seinem Bericht vom Parteitag vor den Petersburger Arbeitern (er hatte auf dem Parteitage ein Mandat von der Petersburger Organisation), das seinerzeit als Broschüre veröffentlicht wurde. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3]

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