Das Agrarprogramm von 1903, dessen Verfasser in der Hauptsache Lenin war, wurde von ihm noch vor dem II. Parteitage in den Arbeiten „Arbeiterpartei und Bauernschaft“, „Das Agrarprogramm der russischen Sozialdemokratie“ und „An die Dorfarmut“ erläutert, die im zweiten Band der vorliegenden Ausgabe enthalten sind.
Das
auf dem Stockholmer Vereinigungsparteitag (dem IV. Parteitag)
beschlossene Agrarprogramm war ein menschewistisches Programm. Seine
Hauptforderungen waren die Beschlagnahme der Ländereien der
Gutsbesitzer, der Klöster, der Zarenfamilie und der Krone und die
Übergabe dieser wie auch der staatlichen Ländereien an höhere
Organe der lokalen Selbstverwaltung, die städtische und ländliche
Gebiete umfassen sollen. Das wurde als Munizipalisierung des Bodens
bezeichnet. Es gab aber in diesem Programm keine Einheitlichkeit,
Neben der Munizipalisierung der angeführten Ländereien enthielt das
Programm auch die Forderung der Nationalisierung des
„Siedlungs-Bodenfonds sowie der Wälder und Gewässer von allgemein
staatlicher Bedeutung“; das Bauernland sollte nach diesem Programm
weder munizipalisiert noch nationalisiert werden. Schließlich ließ
das Programm am Ende sogar („im Falle ungünstiger Verhältnisse“)
die Verteilung jenes Bodens der Gutsbesitzer unter den Bauern zu, auf
welchem in Wirklichkeit im Kleinen gewirtschaftet wird, oder der für
die Abrundung der Besitztümer notwendig ist. Der Entwurf eines
Agrarprogramms, den Lenin dem Vereinigungsparteitag vorlegte, stellte
als ersten Schritt der Agrarrevolution ebenfalls die Beschlagnahme
der oben angeführten Ländereien als Forderung auf, aber zum
Unterschied von der menschewistischen Munizipalisierung enthielt er
die folgenden Punkte: 1) forderte er die „Bildung von
Bauernkomitees zur sofortigen Beseitigung aller Spuren der Macht und
der Privilegien der Grundherren und zur tatsächlichen Verfügung
über die beschlagnahmten Ländereien, bevor noch von der allgemeinen
konstituierenden Versammlung ein neues Agrarsystem eingeführt wird";
2) im Falle „ein entscheidender Sieg der jetzigen Revolution in
Russland die Selbstherrschaft des Volkes vollkommen sichert“, ist
die Partei verpflichtet, die Nationalisierung des gesamten Grund und
Bodens durchzusetzen. Diese Forderung war in dem Leninschen Entwürfe
in zwei Fassungen enthalten. Die erste Fassung lautete: „Die Partei
wird die Abschaffung des privaten Grundeigentums und die Übergabe
des gesamten Grund und Bodens in das gemeinsame Eigentum des ganzen
Volkes erstreben.“ Die zweite Fassung („Variante A“): „Die
Partei wird alle Bestrebungen der revolutionären Bauernschaft nach
Abschaffung des privaten Grundeigentums unterstützen und die
Übergabe des gesamten Grund und Bodens ins Eigentum des Staates
erstreben“. Lenin legte diese zweite Fassung deshalb vor, um zu
unterstreichen, dass in seinem Programm die Nationalisierung des
Bodens
der Bauernschaft nicht gegen ihren Willen aufgedrängt wird. Bei der
Abstimmung über die Entwürfe siegten die Menschewiki, die zusammen
mit dem „Sumpf“ auf dem Parteitage in der Mehrheit waren. Eine
ausführliche Bewertung des Kampfes um das Agrarprogramm auf dem
Vereinigungsparteitage gibt Lenin in seinem
Bericht vom Parteitag vor den Petersburger Arbeitern
(er hatte auf dem Parteitage ein Mandat von der Petersburger
Organisation), das seinerzeit als Broschüre veröffentlicht wurde. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3] |
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