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Wladimir I. Lenin 19180124 III. Allrussischer Rätekongress

Wladimir I. Lenin: III. Allrussischer Rätekongress

23.–31. (10.–18.) Januar 1918

[Zum ersten Mal veröffentlicht in „Iswestija" Nr. 8, 9, 10 und 15 25. Januar2. Februar (12.–20. Januar) 1918. Nach Sämtliche Werke, Band 22, Zürich 1934, S. 205-234]

I. Bericht über die Tätigkeit des Rates der Volkskommissare

24. (11.) Januar

Genossen! Ich habe im Auftrage des Rates der Volkskommissare den Bericht über seine Tätigkeit in den zwei Monaten und fünfzehn Tagen zu erstatten, die seit der Bildung der Sowjetmacht und der Sowjetregierung in Russland verflossen sind.

Zwei Monate und fünfzehn Tage. Das sind nur fünf Tage mehr als die Dauer des Bestehens der früheren Macht der Arbeiter über ein ganzes Land oder über die Ausbeuter und Kapitalisten – die Macht der Pariser Arbeiter in der Epoche der Pariser Kommune von 1871.

Diese Arbeitermacht müssen wir uns vor allen Dingen ins Gedächtnis rufen, wenn wir einen Blick in die Vergangenheit werfen und sie mit der Sowjetmacht vergleichen, die am 7. November (25. Oktober) entstanden ist. Aus diesem Vergleich der früheren Diktatur des Proletariats mit der jetzigen können wir sofort ersehen, welchen gigantischen Schritt vorwärts die internationale Arbeiterbewegung getan hat, und in welcher unendlich günstigeren Situation sich die Sowjetmacht in Russland befindet, trotz der ungeheuer komplizierten Verhältnisse des Krieges und der Zerrüttung.

Die Pariser Arbeiter, die sich zwei Monate und zehn Tage hielten und zum ersten Mal die Kommune schufen, die die Keimform der Sowjetmacht darstellt, wurden von den französischen Kadetten, Menschewiki, rechten Sozialrevolutionären und Kaledinanhängern füsiliert… Die französischen Arbeiter mussten mit ungeheuren Opfern den ersten Versuch einer Arbeiterregierung bezahlen, dessen Sinn und Ziele die gewaltige Mehrheit der Bauern in Frankreich nicht kannte.

Wir befinden uns in viel günstigeren Verhältnissen, weil die russischen Soldaten, Arbeiter und Bauern einen Apparat zu schaffen vermochten, der die ganze Welt über die Formen ihres Kampfes unterrichtet hat – die Sowjetregierung. Das ist es, was vor allen Dingen die Lage der russischen Arbeiter und Bauern von der Staatsmacht des Pariser Proletariats unterscheidet. Die Pariser Proletarier hatten keinen Apparat, das Land verstand sie nicht. Wir dagegen stützten uns sofort auf die Sowjetmacht, und deshalb haben wir nie daran gezweifelt, dass die Sowjetmacht die Sympathie und die wärmste, hingebungsvollste Unterstützung der gewaltigen Mehrheit des Volkes genießt und deswegen unbesiegbar ist.

Die Leute, die sich skeptisch zur Sowjetmacht stellten und sie oft bewusst oder unbewusst verkauften und verrieten zugunsten einer Kompromisspolitik mit den Kapitalisten und Imperialisten, diese Leute schrien am lautesten, dass eine Regierung des Proletariats allein sich in Russland nicht halten könne. Als ob irgend jemand unter den Bolschewiki und ihren Anhängern auch nur einen Augenblick vergessen hätte, dass in Russland nur eine Macht von Dauer sein kann, die es versteht, die Arbeiterklasse, die Mehrheit der Bauern, alle werktätigen und ausgebeuteten Klassen zu einer einzigen unerschütterlichen Kraft zusammenzuschließen, die den Kampf gegen die Gutsbesitzer und die Bourgeoisie führt.

Wir haben nie daran gezweifelt, dass nur das Bündnis der Arbeiter und armen Bauern, der Halbproletarier, von dem in unserem Parteiprogramm die Rede ist, in Russland die Mehrheit der Bevölkerung erfassen und eine feste Stütze für die Staatsmacht schaffen kann. Und nach dem 7. November (25. Oktober) ist es uns sofort im Laufe weniger Wochen gelungen, alle Schwierigkeiten zu überwinden und die Macht auf einem solchen festen Bündnis aufzubauen.

Ja, Genossen! Wenn die Partei der Sozialrevolutionäre in ihrer alten Form, als die Bauern noch nicht wussten, wer in dieser Partei wirklich Anhänger des Sozialismus war, die Losung der gleichmäßigen Bodennutzung ausgab und nicht wissen wollte, wer diese Aufgabe durchführen wird, ob im Bunde mit der Bourgeoisie oder nicht, so sagten wir, dass das Betrug ist. Und der Teil, der jetzt erkannt hat, dass das Volk nicht hinter ihm steht, dass er ein Nichts ist, erhob den Anspruch, die gleichmäßige Bodennutzung im Bunde mit der Bourgeoisie durchzuführen. Darin bestand hauptsächlich der Betrug. Als aber die russische Revolution die Erfahrung der Zusammenarbeit der werktätigen Massen mit der Bourgeoisie in einem großen Augenblick des Volkslebens zeigte, wo der Krieg das Volk zugrunde richtete und Millionen zum Hungertod verurteilte, als seine Folgen in der Praxis die Erfahrung der Kompromisspolitik zeigten, als die Sowjets selber, die die Schule der Kompromisspolitik durchmachten, diese Erfahrung erlebten, erprobten, da wurde es offenbar, dass ein gesunder, lebensfähiger, mächtiger sozialistischer Kern in der Lehre derjenigen enthalten ist, die den werktätigen Teil der Bauernschaft der gewaltigen sozialistischen Bewegung der Arbeiter der ganzen Welt anschließen wollten.

Und als die Bauernschaft durch die Praxis klar und deutlich vor diese Frage gestellt wurde, da passierte das, woran niemand gezweifelt hatte, wie jetzt die Bauernräte und Bauernkongresse gezeigt haben. Als die Zeit der praktischen Verwirklichung des Sozialismus kam, erhielten die Bauern die Möglichkeit, diese zwei politischen Hauptlinien klar zu erkennen – das Bündnis mit der Bourgeoisie oder mit den werktätigen Massen. Da begriffen sie, dass die Partei, die die wirklichen Bestrebungen und Interessen der Bauernschaft zum Ausdruck bringt – die Partei der linken Sozialrevolutionäre ist … Als wir mit dieser Partei unsere Regierungskoalition schlossen, haben wir von Anfang an dafür gesorgt, dass sie sich auf ganz klaren, unstrittigen Grundsätzen aufbaue. Wenn die Bauern Russlands die Sozialisierung des Bodens im Bunde mit den Arbeitern verwirklichen wollen, die die Nationalisierung der Banken durchführen und die Arbeiterkontrolle schaffen werden, so sind sie für uns treue Mitarbeiter, die treuesten und wertvollsten Verbündeten. Es gibt keinen einzigen Sozialisten, Genossen, der nicht jene offensichtliche Wahrheit anerkennt, dass zwischen dem Sozialismus und Kapitalismus eine längere, mehr oder weniger schwierige Übergangsperiode der Diktatur des Proletariats liegt und dass diese Periode ihrer Form nach in vieler Hinsicht davon abhängen wird, ob das kleine oder große Privateigentum, ob der Klein- oder Großbetrieb vorherrscht. Es ist begreiflich, dass der Übergang zum Sozialismus in Estland, in diesem kleinen Land, in dem es keine Analphabeten gibt, in dem große landwirtschaftliche Güter vorhanden sind, nicht dem Übergang zum Sozialismus in einem vorwiegend kleinbürgerlichen Lande wie Russland, ähnlich sein wird. Das muss man berücksichtigen.

Jeder zielbewusste Sozialist wird sagen, dass man den Sozialismus den Bauern nicht gewaltsam aufzwingen kann und dass man nur auf die Kraft des Beispiels und auf die Aneignung der lebendigen Erfahrung durch die Bauernmasse rechnen darf. Wie hält sie es für zweckmäßig, zum Sozialismus überzugehen? Das ist die Aufgabe, vor die jetzt die russische Bauernschaft durch die Praxis gestellt worden ist. Wie kann sie selbst das sozialistische Proletariat unterstützen und den Übergang zum Sozialismus beginnen? Die Bauern haben bereits mit diesem Übergang, begonnen, und wir haben volles Vertrauen zu ihnen.

Das Bündnis, das wir mit den linken Sozialrevolutionären geschlossen haben, ist auf einer sichern Grundlage errichtet worden und wird von Tag zu Tag, ja, von Stunde zu Stunde immer stärker … Wenn wir in der ersten Zeit im Rat der Volkskommissare die Befürchtung hegen konnten, dass der Fraktionskampf die Arbeit hemmen werde, so muss ich auf Grund von zwei Monaten gemeinsamer Arbeit mit aller Bestimmtheit erklären, dass bei uns in den meisten Fragen einstimmige Beschlüsse zustande kommen …

Wir wissen, dass nur dann, wenn die Erfahrung den Bauern zeigt, wie z. B. der Austausch zwischen Stadt und Land organisiert werden muss, sie selbst, von unten, auf Grund der eigenen Erfahrungen, den Kontakt herstellen. Andererseits zeigt die Erfahrung des Bürgerkrieges den Vertretern der Bauern handgreiflich, dass es keinen anderen Weg zum Sozialismus gibt als die Diktatur des Proletariats und die erbarmungslose Unterdrückung der Herrschaft der Ausbeuter.

Genossen! Jedes Mal, wenn ich dieses Thema streife, auf dieser Tagung oder im Zentralexekutivkomitee, bekomme ich ab und zu von dem rechten Flügel den Zwischenruf zu hören: „Diktator". Jawohl, „als wir Sozialisten waren", da haben alle die Diktatur des Proletariats anerkannt. Sie schrieben sogar von ihr in ihren Programmen, sie entrüsteten sich sogar über das verbreitete Vorurteil, dass man die Bevölkerung überzeugen, ihr beweisen könne, dass es keine Ausbeutung der werktätigen Massen geben darf, dass das eine Sünde und eine Schande sei – und dass dann der Himmel auf Erden sein werde. Nein, dieses utopische Vorurteil ist theoretisch längst zerschlagen worden, und unsere Aufgabe besteht darin, es auch in der Praxis zu zerschlagen.

Man darf sich den Sozialismus nicht so vorstellen, als ob die Herren Sozialisten ihn uns auf dem Teller, fix und fertig, präsentieren werden. Das wird nicht der Fall sein. Keine einzige Frage des Klassenkampfes ist in der Geschichte anders als durch Gewalt entschieden worden. Wenn die Gewalt von den werktätigen, ausgebeuteten Massen gegen die Ausbeuter angewandt wird, dann sind wir für die Gewalt… Und uns macht nicht im Geringsten das Geschrei der Leute irre, die bewusst oder unbewusst auf der Seite der Bourgeoisie stehen oder von ihr so eingeschüchtert, durch ihre Herrschaft so unterdrückt sind, dass sie, als sie auf einmal diesen unerhört scharfen Klassenkampf sahen, den Kopf verloren, zu greinen anfingen, alle ihre Grundsätze vergaßen und von uns das Unmögliche forderten, dass wir Sozialisten ohne Kampf gegen die Ausbeuter, ohne Unterdrückung ihres Widerstandes den vollen Sieg erringen sollen.

Die Herren Ausbeuter hatten bereits im Sommer 1917 begriffen, dass es um die „letzten entscheidenden Kämpfe" geht, dass der letzte Pfeiler der Bourgeoisie erschüttert, dass die Hauptwaffe zur Unterdrückung der werktätigen Massen ihren Händen entrissen werden wird, wenn die Sowjets die Macht erlangen.

Die Oktoberrevolution hat gerade diesen systematischen, unerschrockenen Kampf begonnen, damit die Ausbeuter ihren Widerstand einstellen und – wie schwer das sogar den Besten unter ihnen fallen mag – sich mit dem Gedanken aussöhnen, dass es keine Herrschaft der Ausbeuterklassen mehr geben wird, dass von nun an der einfache Mann kommandieren wird und sie ihm gehorchen müssen. Wie unangenehm das ihnen auch sein mag, so hilft ihnen doch nichts.

Wir werden viele Schwierigkeiten zu überwinden haben, werden viele Opfer bringen und viele Fehler machen, denn das ist ein neues, in der Geschichte beispielloses Werk, über das in den Büchern nichts zu finden ist. Selbstverständlich ist das der gewaltigste, schwierigste Übergang in der Geschichte, aber anders konnte man diesen gewaltigen Übergang nicht durchführen.

Und der Umstand, dass in Russland eine Sowjetmacht geschaffen worden ist, hat gezeigt, dass die revolutionäre Masse selbst die reichste revolutionäre Erfahrung besitzt – Millionen eilen einigen wenigen Parteileuten zu Hilfe – und dass sie selbst ihre Ausbeuter wirklich an der Gurgel packt.

Das ist der Grund dafür, dass gegenwärtig in Russland der Bürgerkrieg eine so große Bedeutung erlangt hat. Man gibt gegen uns die Parole aus: „Schluss mit dem Bürgerkrieg". Ich hörte das von den Vertretern des rechten Flügels der sogenannten „Konstituante". Schluss mit dem Bürgerkrieg … Was bedeutet das? Bürgerkrieg gegen wen? Gegen Kornilow, Kerenski, Rjabuschinski, die Millionen ausgeben, um das Lumpenproletariat und die Beamten zu kaufen? Gegen die Saboteure, die ganz gleich, ob bewusst oder unbewusst, sich bestechen lassen? Kein Zweifel, dass es unter diesen letzten rückständige Menschen gibt, die unbewusst die Sache mitmachen, weil sie sich nicht einmal vorstellen können, dass man die frühere bürgerliche Ordnung vollständig zerstören und auf ihren Trümmern eine ganz neue sozialistische Gesellschaft aufbauen kann und muss. Kein Zweifel, dass es solche Leute gibt, werden aber dadurch die Dinge anders?

Deshalb setzen die Vertreter der besitzenden Klassen alles auf die Karte, deshalb sind das für sie die letzten und entscheidenden Kämpfe, und sie werden vor keinem Verbrechen zurückschrecken, um die Sowjetmacht niederzuringen. Zeigt etwa nicht die ganze Geschichte des Sozialismus, insbesondere in Frankreich, wo der Sozialismus so reich an revolutionären Bestrebungen war, dass, sobald die werktätigen Massen selbst die Macht in ihre eigenen Hände nehmen, die herrschenden Klassen zu unerhörten Verbrechen und Erschießungen greifen, wenn es um den Schutz ihrer eigenen Geldsäcke geht? Und wenn diese Leute von Bürgerkrieg reden, so antworten wir ihnen mit einem Lächeln, wenn sie aber ihre Losung in die Reihen der studierenden Jugend hinein tragen, dann sagen wir ihnen – „Ihr betrügt die Jugend!"

Es ist kein Zufall, dass der Klassenkampf seine höchste Form in einer Zeit annimmt, wo die Klasse der Ausgebeuteten alle Machtmittel in die Hand nimmt, um ihren Klassenfeind, die Bourgeoisie, endgültig zu vernichten, um nicht nur das Beamtentum, sondern auch die Gutsbesitzer von der russischen Erde hinwegzufegen, wie es die russischen Bauern in einigen Gouvernements getan haben.

Man sagt uns, dass die Sabotage, auf die der Rat der Volkskommissare bei den Beamten und Gutsbesitzern gestoßen ist, ein Beweis dafür sei, dass sie den Sozialismus nicht unterstützen wollen. Als ob es nicht klar war, dass dieses ganze Kapitalistengesindel, diese Gauner, Lumpenproletarier und Saboteure eine einzige von der Bourgeoisie bestochene Bande bilden, die sich der Macht der Werktätigen entgegenstellt. Natürlich, wer glaubte, dass man auf einmal vom Kapitalismus zum Sozialismus hinüber springen könne, oder wer es für möglich hielt, die Mehrheit des Volkes davon zu überzeugen, dass man das durch die Konstituante erreichen könne, wer an dieses bürgerlich-demokratische Märchen glaubte, kann ruhig weiter daran glauben, darf sich aber nicht über das Leben beklagen, wenn es dieses Märchen zerschlägt.

Wer begriffen hat, was der Klassenkampf ist, was die Sabotage bedeutet, die die Beamten organisiert haben, der weiß, dass wir nicht auf einmal in den Sozialismus hinein springen können. Übriggeblieben sind die Bourgeois, die Kapitalisten, die hoffen, ihre Herrschaft wiederzuerlangen, und die ihre Geldsäcke verteidigen; übriggeblieben ist das Lumpenproletariat, eine Schicht von bestochenen Menschen, die vom Kapitalismus vollkommen zertreten worden sind, die nicht imstande sind, sich zur Idee des proletarischen Kampfes emporzuschwingen. Es sind Angestellte, Beamte übriggeblieben, die glauben, dass der Schutz der alten Ordnung im Interesse der Gesellschaft liege. Wie kann man sich den Sieg des Sozialismus ohne den vollkommenen Zusammenbruch dieser Schichten, ohne den vollkommenen Untergang sowohl der russischen als auch der europäischen Bourgeoisie vorstellen? Können wir etwa glauben, dass die Herren Rjabuschinski ihre Klasseninteressen nicht verstehen? Sie bezahlen die Saboteure, damit sie nicht arbeiten. Oder handeln sie etwa zersplittert? Handeln sie nicht zusammen mit den französischen, englischen und amerikanischen Kapitalisten, wenn sie Wertpapiere aufkaufen? Wir werden ja sehen, ob ihnen diese Käufe viel helfen werden. Und werden sich nicht die Berge von Wertpapieren, die sie jetzt erhalten, als wertloses, nutzloses altes Papier erweisen?

Deshalb, Genossen, antworten wir auf alle Vorwürfe und Anklagen über Terror, Diktatur, Bürgerkrieg, obwohl wir bei weitem noch nicht bis zum wirklichen Terror gekommen sind, weil wir stärker sind als sie, weil wir die Sowjets haben, weil es genügen wird, die Banken zu nationalisieren und den Besitz zu konfiszieren, um sie zur Unterwerfung zu zwingen – deshalb antworten wir auf alle Anklagen über Bürgerkrieg: jawohl, wir haben offen verkündet, wozu keine einzige Regierung imstande war. Die erste Regierung der Welt, die imstande ist, offen über den Bürgerkrieg zu reden, ist die Regierung der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenmassen. Jawohl, wir haben den Krieg gegen die Ausbeuter begonnen, wir führen diesen Krieg. Je offener wir das aussprechen, desto schneller wird dieser Krieg zu Ende gehen, desto schneller werden alle werktätigen und ausgebeuteten Massen uns verstehen, werden verstehen, dass die Sowjetmacht die wirklichen, die ureigenen Interessen aller Werktätigen verteidigt.

Ich glaube nicht, Genossen, dass es uns rasch gelingen wird, den Sieg in diesem Kampfe zu erringen, aber wir haben eine sehr reiche Erfahrung: in den zwei Monaten haben wir vieles erreicht. Wir haben den Versuch einer Offensive Kerenskis gegen die Sowjetmacht und den völligen Zusammenbruch dieses Versuches erlebt, wir haben gesehen, wie die ukrainischen Kerenskis ihre Macht organisierten. Dort ist der Kampf noch nicht zu Ende, aber für jeden, der ihn beobachtet, der wenigstens einige wahrheitsgetreue Berichte von den Vertretern der Sowjetmacht gehört hat, ist es klar, dass für die bürgerlichen Elemente der ukrainischen Rada die letzten Tage angebrochen sind. An dem Sieg der Sowjetmacht der Ukrainischen Volksrepublik über die ukrainische bürgerliche Rada kann nicht im Geringsten gezweifelt werden.

Und der Kampf gegen Kaledin! Hier fußt wirklich alles auf der Ausbeutung der Werktätigen, auf der bürgerlichen Diktatur, wenn man überhaupt von irgendwelchen sozialen Grundlagen sprechen kann, die sich gegen die Sowjetmacht richten. Der Bauernkongress hat handgreiflich gezeigt, dass die Sache Kaledins eine aussichtslose Sache ist, dass die werktätigen Massen gegen ihn sind. Die Erfahrung der Sowjetmacht, die Propaganda durch die Tat, durch das Beispiel der Sowjetorganisationen übt ihre Wirkung aus, und die Stütze Kaledins im Innern des Dongebiets bricht zusammen, nicht so sehr von außen als von innen.

Wenn wir also auf die Front des Bürgerkrieges in Russland blicken, so können wir mit Gewissheit sagen: hier ist der völlige Sieg der Sowjetmacht absolut sicher. Und der Sieg dieser Sowjetmacht, Genossen, wird dadurch erzielt, dass sie von Anfang an begonnen hat, die alten Grundsätze des Sozialismus zu verwirklichen, sich dabei konsequent und entschieden auf die Massen stützt und es für ihre Aufgabe hält, die unterdrücktesten, verängstigsten Schichten der Gesellschaft zu einem tätigen Leben zu erwecken, zum sozialistischen Schöpfertum emporzuheben. Deshalb gehört die alte Armee, die Armee des Kasernendrills, der Soldatenmisshandlungen der Vergangenheit an. Sie ist zum alten Eisen geworfen worden. Von ihr ist kein Stein auf dem andern geblieben. Die völlige Demokratisierung der Armee ist durchgeführt.

Ich erlaube mir von einem Fall zu erzählen, der mir passiert ist. Im Wagen der finnländischen Eisenbahn hörte ich ein Gespräch zwischen einigen Finnen und einem alten Mütterchen. Ich konnte mich an der Unterredung nicht beteiligen, weil ich die finnische Sprache nicht verstehe, aber ein Finne wandte sich an mich und sagte: „Wissen Sie, was die Alte für eine originelle Sache gesagt hat? Sie sagte: jetzt braucht man vor einem Mann mit einem Gewehr keine Angst zu haben. Als ich im Walde war, begegnete mir ein Mann mit einem Gewehr, und anstatt mir mein Bündel Reisig wegzunehmen, gab er mir noch was zu."

Als ich das hörte, da sagte ich mir: mögen Hunderte von Zeitungen, wie sie sich auch nennen – sozialistische, fast sozialistische u. a., mögen Hunderte von außerordentlich lauten Stimmen über „Diktatoren", „Gewalttäter" und ähnliche Dinge schreien. Wir wissen, dass sich jetzt unter den Volksmassen eine andere Stimme erhebt. Sie sagen sich: jetzt braucht man vor einem Mann mit einem Gewehr keine Angst zu haben, weil er die Werktätigen verteidigt und erbarmungslos die Herrschaft der Ausbeuter unterdrücken wird. Das hat das Volk erkannt, und deshalb ist die Agitation, die einfache, ungebildete Menschen treiben, wenn sie davon erzählen, dass die Rotgardisten ihre ganze Macht gegen die Ausbeuter richten, deshalb ist diese Agitation unbesiegbar. Sie wird Millionen und aber Millionen erfassen und auf einer festen Grundlage das schaffen, was die französische Kommune des 19. Jahrhunderts begonnen, aber nur für kurze Frist geschaffen hat, weil sie von der Bourgeoisie zertrümmert worden ist: eine sozialistische Rote Armee, nach der alle Sozialisten gestrebt haben, die allgemeine Bewaffnung des Volkes. Sie wird neue Kader der Roten Garde schaffen, die es ermöglichen werden, die werktätigen Massen für den bewaffneten Kampf zu schulen.

Wenn man von Russland gesagt hat: es kann nicht kämpfen, weil es keine Offiziere hat, so dürfen wir nicht vergessen, was dieselben bürgerlichen Offiziere sagten, als sie die Arbeiter bei ihren Kämpfen gegen Kerenski und Kaledin beobachteten: „Ja, diese Rotgardisten taugen technisch absolut nichts, aber wenn diese Leute etwas lernen, so werden sie eine unbesiegbare Armee haben." Denn zum ersten Mal in weltgeschichtlichen Kämpfen sind in eine Armee Elemente hineingekommen, die keine offiziellen Titel führen, sondern sich von der Idee des Kampfes für die Befreiung der Ausgebeuteten leiten lassen. Wenn die von. uns begonnene Arbeit beendet sein wird, wird die Russische Sowjetrepublik unbesiegbar sein.

Genossen! Denselben Weg, den die Sowjetmacht bei der Schaffung der sozialistischen Armee zurücklegte, schlug sie auch bei einem andern, noch feineren, noch komplizierteren Werkzeug der herrschenden Klassen ein – beim bürgerlichen Gericht, das sich als Verteidiger der Ordnung aufspielte, in Wirklichkeit aber ein blindes, raffiniertes Werkzeug der erbarmungslosen Unterdrückung der Ausgebeuteten war, das die Interessen des Geldsacks verteidigte. Die Sowjetmacht handelte so, wie alle proletarischen Revolutionen es gelehrt haben. Sie warf sofort diesen Apparat zum alten Eisen. Mag man darüber schreien, dass wir das alte Gerichtswesen nicht reformiert, sondern sofort zum alten Eisen geworfen haben.1 Wir haben auf diese Weise die Bahn freigemacht für ein wirkliches Volksgericht, und nicht so sehr durch Strafen, als vielmehr durch das Beispiel der Massen, durch die Autorität der Werktätigen, ohne alle Formalitäten, wird das Gerichtswesen aus einem Werkzeug der Ausbeutung zu einem Werkzeug der Erziehung auf der festen Grundlage der sozialistischen Gesellschaft. Eine solche Gesellschaft können wir nicht auf einmal bekommen. Daran kann nicht gezweifelt werden.

Das sind die wichtigsten Maßnahmen, die die Sowjetmacht ergriffen hat, die den Weg gegangen ist, auf den die gesamte Erfahrung der größten Volksrevolutionen der Welt hinweist. Es hat keine einzige Revolution gegeben, in der die werktätigen Massen nicht begonnen haben, Schritte auf diesem Wege zu unternehmen, um eine neue Staatsmacht zu schaffen. Leider haben sie damit nur begonnen, sind aber nicht imstande gewesen, die Sache zu Ende zu führen. Es ist ihnen nicht gelungen, einen neuen Typus der Staatsmacht zu schaffen. Wir haben ihn geschaffen. Wir haben bereits eine sozialistische Räterepublik.

Ich mache mir keine Illusionen, ich weiß, dass wir eben erst in die Periode des Übergangs zum Sozialismus eingetreten sind, dass wir noch nicht bis zum Sozialismus gekommen sind. Aber ihr werdet richtig handeln, wenn ihr sagt, dass unser Staat eine sozialistische Räterepublik ist. Ihr werdet ebenso richtig handeln wie diejenigen, die viele bürgerliche Republiken des Westens als demokratisch bezeichnen, obwohl allen bekannt ist, dass es auch unter den demokratischsten Republiken keine einzige gibt, die vollkommen demokratisch wäre. Sie geben Brocken der Demokratie, beschneiden in unwesentlichen Dingen die Rechte der Ausbeuter, aber die werktätigen Massen sind in diesen Republiken ebenso unterdrückt wie überall. Und nichtsdestoweniger sagen wir, dass sowohl die alten Monarchien als auch die konstitutionellen Republiken die bürgerliche Ordnung verkörpern.

So handeln auch wir jetzt. Wir sind sogar davon weit entfernt, die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus zu beenden. Wir haben niemals die Hoffnung gehegt, dass wir sie ohne Unterstützung des internationalen Proletariats beenden können. Wir haben uns niemals darüber getäuscht, wir wissen, wie schwer der Weg ist, der vom Kapitalismus zum Sozialismus führt, aber wir sind verpflichtet, zu sagen, dass unsere Räterepublik eine sozialistische Republik ist, weil wir diesen Weg beschritten haben. Und diese Worte werden keine leeren Worte bleiben.

Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, die die Herrschaft der Kapitalisten untergraben. Wir wissen, dass unsere Sowjetmacht die Tätigkeit aller Institutionen nach einem Prinzip vereinigen musste, und dieses Prinzip formulieren wir folgendermaßen: „Russland wird zu einer sozialistischen Sowjetrepublik erklärt". Das wird jene Wahrheit sein, die sich auf das stützt, was wir tun müssen und bereits begonnen haben. Das wird die beste Zusammenfassung unserer gesamten Tätigkeit, die beste Verkündung unseres Programms, die beste Aufforderung an die Werktätigen und Ausgebeuteten aller Länder sein, die entweder überhaupt nicht wissen, was Sozialismus ist, oder, was noch schlimmer ist – unter Sozialismus jenen Brei von bürgerlichen Reformen der Tschernow und Zereteli verstehen, den wir probiert haben, den wir im Laufe von zehn Monaten Revolution ausgekostet haben, bis wir uns davon überzeugten, dass das eine Fälschung, aber kein Sozialismus ist.

Das ist der Grund dafür, dass die „freien" Staaten England und Frankreich alle Mittel in Bewegung setzten, um im Laufe der zehn Monate unserer Revolution keine einzige Zeitung der Bolschewiki und der linken Sozialrevolutionäre durchzulassen. Sie mussten so handeln, weil sie in allen Ländern die Massen der Arbeiter und Bauern sahen, die instinktiv alles aufgriffen, was die russischen Arbeiter taten. Denn es gab keine einzige Versammlung, in der nicht die Nachrichten über die russische Revolution und die Losung der Sowjetmacht mit Beifallsstürmen begrüßt wurden. Die werktätigen und ausgebeuteten Massen sind bereits überall zu ihren Parteispitzen in Gegensatz geraten. Dieser alte Sozialismus der Parteispitzen ist noch nicht begraben wie bei uns in Russland die Tschcheïdse und Zereteli, aber er ist bereits in allen Ländern vernichtet, ist bereits tot.

Und als Gegenstück zu dieser alten bürgerlichen Ordnung haben wir bereits den neuen Staat – die Räterepublik, die Republik der Werktätigen, der ausgebeuteten Klassen, die die alten bürgerlichen Schranken zerbrechen. Wir haben die neuen Formen eines Staates geschaffen, in dem es möglich wurde, die Ausbeuter zu unterdrücken, den Widerstand dieses winzigen Häufleins zu brechen, dessen Stärke der ehemalige Geldsack, die ehemalige Reserve an Wissen ist. Diese Professoren, Lehrer, Ingenieure verwandeln ihr Wissen in ein Mittel zur Ausbeutung der Werktätigen, wenn sie sagen: wir wollen, dass unser Wissen der Bourgeoisie diene, sonst werden wir nicht arbeiten … Aber ihre Macht ist durch die Arbeiter- und Bauernrevolution zerschlagen worden, und es entsteht gegen sie ein Staat, in dem die Massen selbst ihre Vertreter frei wählen.

Gerade jetzt können wir sagen, dass wir wirklich eine Organisation der Staatsmacht besitzen, die ganz klar den Übergang zur völligen Aufhebung jeder Staatsmacht, jedes Staates zeigt. Das wird möglich werden, wenn es keine Spur von Ausbeutung mehr geben wird, d. h. in der sozialistischen Gesellschaft.

Ich will jetzt kurz auf jene Maßnahmen eingehen, die die sozialistische Räteregierung Russlands in Angriff genommen hat. Eine der ersten Maßnahmen, um nicht nur die russischen Gutsbesitzer vom russischen Boden hinwegzufegen, sondern um auch die Herrschaft der Bourgeoisie und die Unterdrückung von Millionen und aber Millionen Werktätiger durch das Kapital unmöglich zu machen, war der Übergang zur Nationalisierung der Banken. Die Banken sind die großen Zentren der modernen kapitalistischen Wirtschaft. Hier häufen sich unerhörte Reichtümer an und werden über das ganze gewaltige Land verteilt, hier liegt der Nerv des gesamten kapitalistischen Lebens. Diese feinen und komplizierten Organe sind im Laufe von Jahrhunderten entstanden, und gegen sie richteten sich die ersten Schläge der Sowjetmacht, die anfänglich in der Staatsbank auf erbitterten Widerstand stieß. Aber dieser Widerstand hat die Sowjetmacht nicht zurückgehalten. Das Wichtigste in Bezug auf die Organisation der Staatsbank ist uns gelungen, dieses Wichtigste ist in den Händen der Arbeiter und Bauern. Von diesen grundlegenden Maßnahmen, die wir noch lange werden ausgestalten müssen, sind wir dazu übergegangen, Hand an die Privatbanken zu legen.

Wir haben nicht so gehandelt, wie es wahrscheinlich die Kompromissler empfohlen hätten: zuerst bis zur Konstituante warten, dann vielleicht einen Gesetzentwurf ausarbeiten, ihn der Konstituante vorlegen und auf diese Weise die Herren Bourgeois von unseren Absichten unterrichten, damit sie eine Hintertür finden, um dieser unangenehmen Sache entgehen zu können. Sie vielleicht zur Beteiligung heranziehen. Das wären dann Staatsgesetze! Das wäre ein „Staatsakt" …

Das wäre die Aufhebung des Sozialismus. Wir haben einfach gehandelt: ohne die Vorwürfe der „Gebildeten" oder, genauer gesagt, der ungebildeten Anhänger der Bourgeoisie zu fürchten, die mit den Resten ihres Wissens Schacher treiben, haben wir erklärt: wir haben bewaffnete Arbeiter und Bauern. Sie müssen heute früh alle Privatbanken besetzen … Erst wenn das geschehen ist, wenn die Macht bereits in unseren Händen ist, erst dann werden wir beraten, welche Maßnahmen wir zu ergreifen haben. Und am Morgen wurden die Banken besetzt, abends aber beschloss das Zentralexekutivkomitee: „Die Banken werden zum Nationaleigentum erklärt". Wir führten die Verstaatlichung, die Vergesellschaftung des Bankwesens durch und übergaben es der Sowjetmacht.

Es gab keinen einzigen Menschen unter uns, der sich vorstellte, dass ein so raffinierter, komplizierter Apparat wie der Bankapparat, der jahrhundertelang sich aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem herausbildete, in wenigen Tagen zerbrochen oder umgestaltet werden kann. Das haben wir niemals behauptet. Und als Gelehrte und Pseudogelehrte den Kopf schüttelten und sich in Prophezeiungen ergingen, da sagten wir: ihr könnt prophezeien, was ihr wollt. Wir kennen nur einen Weg der proletarischen Revolution: wir müssen die feindliche Stellung erobern und auf Grund der eigenen Erfahrung, der eigenen Fehler lernen, die Macht auszuüben. Wir unterschätzen keineswegs die Schwierigkeit unseres Weges, aber das Wichtigste haben wir bereits getan. Der Quell der kapitalistischen Reichtümer und ihrer Verteilung ist beseitigt. Die Annullierung der Staatsanleihen, das Abwerfen des Finanzjochs war nachher ein ganz leichter Schritt. Der Übergang zur Konfiskation der Betriebe war nach der Arbeiterkontrolle ebenfalls ganz leicht. Als man uns vorwarf, dass wir durch Einführung der Arbeiterkontrolle die Produktion in einzelne Teile zerschlagen, wiesen wir diesen Unsinn zurück. Als wir die Arbeiterkontrolle einführten, wussten wir, dass bis zu ihrer Ausbreitung über ganz Russland nicht wenig Zeit vergehen werde, aber wir wollten zeigen, dass wir nur einen Weg anerkennen – den Weg der Umgestaltung von unten, damit die Arbeiter selbst von unten die neuen Grundlagen der wirtschaftlichen Verhältnisse schaffen. Dazu ist nicht wenig Zeit erforderlich.

Von der Arbeiterkontrolle gingen wir zur Schaffung des Obersten Volkswirtschaftsrats über. Nur diese Maßnahme in Verbindung mit der Nationalisierung der Banken und der Eisenbahnen, die in den nächsten Tagen erfolgen wird, gibt uns die Möglichkeit, den Aufbau einer neuen sozialistischen Wirtschaft in Angriff zu nehmen. Wir kennen die Schwierigkeit unseres Werkes sehr gut, aber wir behaupten, dass nur derjenige ein wirklicher Sozialist ist, der diese Arbeit in Angriff nimmt und sich dabei auf die Erfahrung und den Instinkt der werktätigen Massen verlässt. Sie werden viele Fehler machen, aber die Hauptsache ist bereits getan. Sie wissen: wenn sie sich an die Sowjetmacht wenden, dann können sie nur auf Unterstützung gegen die Ausbeuter rechnen. Es gibt keine einzige Maßnahme zur Erleichterung ihrer Arbeit, die nicht von der Sowjetmacht vollkommen unterstützt worden wäre. Die Sowjetmacht ist nicht allwissend und kann nicht überall rechtzeitig eingreifen. Sie muss durchweg schwierige Aufgaben bewältigen. Sehr oft schicken die Arbeiter und Bauern Delegationen zur Regierung und fragen, was sie z. B. mit irgendwelchen Ländereien machen sollen. Und ich selbst kam oft in eine schwierige Lage, wenn ich sah, dass sie keine ganz bestimmte Auffassung vertraten. Ich sagte ihnen: ihr habt die Macht, tut was ihr wollt. Nehmt alles, was ihr braucht. Wir werden euch unterstützen. Sorgt aber für die Produktion, sorgt dafür, dass die Produktion nützlich sei. Stellt euch auf nützliche Arbeit um. Ihr werdet Fehler machen, aber ihr werdet lernen. Und die Arbeiter haben bereits angefangen zu lernen, sie haben bereits den Kampf gegen die Saboteure aufgenommen. Die Gebildeten haben einen Zaun errichtet, der die Werktätigen hindert, vorwärts zu schreiten. Dieser Zaun wird niedergerissen werden.

Kein Zweifel, der Krieg demoralisiert die Menschen sowohl im Hinterland als auch an der Front: durch besonders hohe Löhne für diejenigen, die für den Krieg arbeiten, durch Heranziehung aller, die sich vor dem Krieg drücken, der lumpenproletarischen oder fast lumpenproletarischen Elemente, die nur den Wunsch haben zu „raffen" und zu verschwinden. Man wirft uns. jetzt vor, dass an vielen Orten die Arbeitermacht Maßnahmen zur zeitweiligen Schließung der Fabriken auf einige Wochen, einige Monate getroffen habe. Aber diese Elemente, die das Schlimmste sind, was uns von der alten kapitalistischen Ordnung zurückgeblieben ist, die alle ihre alten Laster übertragen, müssen wir davon jagen, entfernen, müssen in die Fabriken alle besten proletarischen Elemente hineinbringen und aus ihnen Zellen des künftigen sozialistischen Russland machen. Das ist keine leichte Maßnahme: sie ist mit vielen Konflikten, Reibungen und Zusammenstößen verbunden. Und wir, der Rat der Volkskommissare, sowie ich persönlich bekamen ihre Beschwerden und Drohungen zu hören, aber wir nahmen sie ruhig auf, denn wir wussten, dass wir jetzt einen Richter haben, an den wir uns wenden können. Dieser Richter sind die Arbeiter- und Soldatenräte. Das Wort dieses Richters ist unanfechtbar, auf ihn können wir uns stets verlassen.

Der Kapitalismus schafft absichtlich verschiedene Schichten unter den Arbeitern, um das kleine Häuflein der Spitzen der Arbeiterklasse mit der Bourgeoisie zusammenzuschließen. Mit ihnen sind Konflikte unvermeidlich. Ohne Kampf werden wir nicht zum Sozialismus kommen. Aber wir sind bereit zum Kampf, wir haben ihn begonnen und werden ihn mit dem Apparat führen, der Sowjet heißt. Wenn wir ihn vor dem Forum des Arbeiter- und Soldatenrats ausfechten, so wird jede beliebige Frage mit Leichtigkeit entschieden werden. Denn wie stark auch die Gruppe der privilegierten Arbeiter sein mag, wenn man sie der Vertretung aller Arbeiter gegenüberstellt, so wird ein solches Gericht – ich wiederhole das nochmals – für sie unanfechtbar sein. Diese Regelung beginnt eben erst. Die Arbeiter und Bauern glauben noch nicht genug an ihre eigenen Kräfte. Sie sind infolge jahrhundertelanger Tradition daran gewöhnt, auf Befehle von oben zu warten. Sie haben sich noch nicht ganz zu eigen gemacht, dass das Proletariat die herrschende Klasse ist, und dass sie aus ihren Reihen Elemente abgesondert haben, die verängstigt und eingeschüchtert waren, die dachten, dass sie die schändliche Schule der Bourgeoisie durchmachen müssen. Dieses schändlichste aller bürgerlichen Vorurteile hat sich am längsten erhalten, aber es wird verschwinden, und zwar ganz verschwinden. Wir sind überzeugt, dass mit jedem Schritt der Sowjetmacht eine immer größere Zahl von Leuten hervortreten wird, die sich von dem alten bürgerlichen Vorurteil vollkommen befreien, dass der einfache Arbeiter und Bauer nicht imstande sei, den Staat zu regieren. Er kann es, er wird es lernen, wenn er mit dem Regieren erst anfängt.

Eine organisatorische Aufgabe ist auch die Auslese von Führern und Organisatoren unter den Volksmassen. Diese gewaltige, diese ungeheure Arbeit steht jetzt auf der Tagesordnung. Ihre Durchführung wäre ganz undenkbar, wenn es nicht die Sowjetmacht gäbe, diesen Filtrierapparat, der Leute auszulesen imstande ist.

Wir haben nicht nur das Staatsgesetz über die Kontrolle, wir haben sogar etwas Wertvolleres, nämlich Versuche des Proletariats, Verträge mit den Fabrikantenverbänden zu schließen, um den Arbeitern die Leitung ganzer Industriezweige zu sichern. Die Lederarbeiter z. B. haben bereits angefangen, einen solchen Vertrag auszuarbeiten, und haben ihn schon mit dem Allrussischen Verband der Lederfabrikanten fast abgeschlossen. Ich lege diesen Verträgen eine besonders große Bedeutung bei. Sie zeigen, dass unter den Arbeitern das Bewusstsein ihrer eigenen Kraft wächst.

Genossen! Ich bin in meinem Bericht auf die besonders heiklen und schwierigen Fragen, auf die Fragen des Friedens, der Ernährung nicht eingegangen, weil diese Fragen als besondere Punkte auf der Tagesordnung stehen und besonders behandelt werden sollen.

Ich habe mir in meinem kurzen Bericht die Aufgabe gestellt, zu zeigen, wie ich, wie der Rat der Volkskommissare in seiner Gesamtheit, sich die Entwicklung vorstellen, die wir in diesen zweieinhalb Monaten durchgemacht haben, wie sich das Kräfteverhältnis der Klassen in dieser neuen Periode der russischen Revolution gestaltet, wie die neue Staatsmacht sich herausgebildet hat, vor welche besonderen Aufgaben sie gestellt worden ist.

Russland hat den richtigen Weg der Verwirklichung des Sozialismus beschritten – den Weg der Nationalisierung der Banken, der Übergabe des gesamten Landes an die werktätigen Massen. Wir wissen sehr gut, vor welchen Schwierigkeiten wir stehen, aber wir sind überzeugt – auf Grund des Vergleichs mit den früheren Revolutionen –, dass wir gewaltige Erfolge erringen werden und dass wir uns auf einem Wege befinden, der uns den völligen Sieg bringen wird.

Und mit uns zusammen werden die Massen der fortgeschritteneren Länder gehen, die durch den räuberischen Krieg getrennt worden sind, deren Arbeiter eine längere Schule der Demokratisierung durchgemacht haben. Wenn man uns die Schwierigkeit unseres Werkes schildert, wenn man sagt, dass der Sieg des Sozialismus nur im internationalen Maßstabe möglich ist, so sehen wir darin lediglich einen Versuch, einen ganz aussichtslosen Versuch der Bourgeoisie und ihrer freiwilligen und unfreiwilligen Anhänger, eine unerschütterliche Wahrheit zu entstellen. Gewiss, der endgültige Sieg des Sozialismus in einem einzigen Lande ist unmöglich. Unsere Arbeiter und Bauern, die die Sowjetmacht unterstützen, sind ein Teil jener internationalen Armee, die jetzt durch den Weltkrieg zersplittert worden ist, aber nach Vereinigung strebt, und jede Nachricht, jeder kleine Bericht über unsere Revolution, jeder Name wird von dem Proletariat mit einem Beifallssturm begrüßt, weil es weiß, dass in Russland die gemeinsame Sache getan wird, die Sache des Aufstandes des Proletariats, die Sache der internationalen sozialistischen Revolution. Mehr als alle Proklamationen und Konferenzen wirkt das lebendige Beispiel, die Inangriffnahme des Werkes in irgendeinem Lande, daran entzünden sich die werktätigen Massen in allen Ländern.

Wenn der Oktoberstreik im Jahre 1905 – dieser erste Schritt der siegreichen Revolution – sofort auf Westeuropa übergriff und dort im Jahre 1905 die Bewegung der österreichischen Arbeiter hervorrief, wenn wir schon damals in der Praxis gesehen haben, was das Beispiel der Revolution, die Aktion der Arbeiter in einem Lande bedeutet, so sehen wir jetzt, dass die sozialistische Revolution in allen Ländern der Welt täglich, ja stündlich heranreift.

Wenn wir auch Fehler und Missgriffe begehen, wenn wir auch auf unserem Wege Reibungen haben, so übt doch gerade auf die Arbeiter unser Beispiel seine Wirkung aus. Das schließt sie zusammen. Und sie sagen: wir werden zusammengehen und siegen, trotz alledem.

Die großen Begründer des Sozialismus, Marx und Engels, die im Laufe einer Reihe von Jahrzehnten die Entwicklung der Arbeiterbewegung und das Anwachsen der sozialistischen Weltrevolution beobachteten, sahen klar, dass der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus lange Geburtswehen, eine lange Periode der Diktatur des Proletariats, das Zerschlagen der ganzen alten Ordnung, die erbarmungslose Vernichtung aller Formen des Kapitalismus, das Zusammenwirken der Arbeiter aller Länder erfordert, die alle ihre Anstrengungen vereinigen müssen, um den endgültigen Sieg davonzutragen. Und sie haben erklärt, dass am Ende des 19. Jahrhunderts „der Franzose anfangen und der Deutsche das Werk zu Ende führen werde".2 Der Franzose werde den Anfang machen, weil er im Laufe von Jahrzehnten der Revolution in sich jene heldenhafte Initiative in der revolutionären Aktion entwickelte, die ihn zum Vortrupp der sozialistischen Revolution gemacht hat.

Wir sehen jetzt eine andere Kombination der Kräfte des internationalen Sozialismus. Wir sagen, dass die Bewegung am leichtesten in den Ländern anfangen kann, die nicht zu den Ausbeuterländern gehören, denen es leichter ist zu rauben und die imstande sind, die Oberschicht ihrer Arbeiter zu bestechen. Diese pseudosozialistischen, fast alle ministerfähigen, westeuropäischen Parteien à la Tschernow und Zereteli tun nichts und haben keine festen Grundlagen. Wir haben das Beispiel Italiens gesehen, wir haben in diesen Tagen den heroischen Kampf der österreichischen Arbeiter gegen die imperialistischen Räuber gesehen. Wenn es auch den Räubern gelingen sollte, vorübergehend die Bewegung aufzuhalten; sie ganz zum Stillstand zu bringen, ist unmöglich. Sie ist unbesiegbar.

Die Sowjetrepublik wird lange Zeit ein Vorbild für sie sein. Unsere sozialistische Räterepublik wird unerschütterlich dastehen als Fackel des internationalen Sozialismus und Vorbild für alle Werktätigen. Dort sehen wir Kämpfe, Krieg, Blutvergießen, Millionen Menschenopfer, Ausbeutung durch das Kapital, hier – eine wirkliche Politik des Friedens und eine sozialistische Räterepublik.

Die Dinge sind anders gekommen, als Marx und Engels erwartet haben. Uns, den russischen werktätigen und ausgebeuteten Klassen, ist die ehrenhafte Rolle des Vortrupps der internationalen sozialistischen Revolution zugefallen, und wir sehen jetzt ganz klar, wie weit die Entwicklung der Revolution gehen wird. Der Russe hat den Anfang gemacht, der Deutsche, der Franzose, der Engländer werden das Werk zu Ende führen, und der Sozialismus wird den Sieg davontragen.

II. Schlusswort zum Bericht des Rates der Volkskommissare.

25. (12.) Januar

Als ich heute die Redner von rechts hörte, die Einwendungen gegen meinen Bericht erhoben, da wunderte ich mich, warum sie bisher noch nichts gelernt und all das vergessen haben, was sie vergebens als „Marxismus" bezeichnen. Einer der Redner, die gegen mich polemisierten, erklärte, dass wir für die Diktatur der Demokratie eingetreten wären, dass wir die Macht der Demokratie anerkannt hätten.3 Diese Erklärung ist so ungereimt, so absurd und unsinnig, dass man sie nur als leeren Wortschwall bezeichnen kann. Das ist genau dasselbe, als wenn man von eisernem Schnee oder irgend etwas ähnlichem sprechen wollte.

Die Demokratie ist eine der Formen des bürgerlichen Staates, für die sich alle Verräter des wirklichen Sozialismus einsetzen, die jetzt an der Spitze des offiziellen Sozialismus stehen und behaupten, dass die Demokratie im Widerspruch stehe zur Diktatur des Proletariats. Solange die Revolution nicht über den Rahmen der bürgerlichen Ordnung hinausging, waren wir für die Demokratie, aber sobald wir die ersten Anzeichen des Sozialismus im gesamten Verlauf der Revolution wahrnahmen, traten wir mit aller Entschiedenheit für die Diktatur des Proletariats ein.

Ist es nicht seltsam, dass Leute, die diese einfache Wahrheit von der Bedeutung der Worte „Demokratie" und „Diktatur des Proletariats" nicht begreifen können oder nicht begreifen wollen, sich erdreisten, vor einer so zahlreichen Versammlung diesen alten unnützen Plunder auszukramen, der in allen Reden der Herren Opponenten zu finden ist. Die Demokratie ist formaler Parlamentarismus, in Wirklichkeit aber eine unaufhörliche, grausame Verhöhnung, eine erbarmungslose, unerträgliche Unterdrückung des werktätigen Volkes durch die Bourgeoisie. Und dagegen können nur diejenigen Einwendungen erheben, die keine wirklichen Vertreter der Arbeiterklasse, sondern klägliche Studierstubenmenschen sind, die immer vom Leben ganz abseits gestanden, geschlafen und dabei unter dem Kissen sorgsam ein altes, zerlesenes, wertloses Buch versteckt gehalten haben, das für sie ein Führer und Lehrbuch für die Verbreitung des offiziellen Sozialismus ist. Aber der Geist von vielen Millionen schöpferischen Menschen schafft etwas unendlich Höheres als die größte und genialste Voraussicht. Der wirkliche, revolutionäre Sozialismus hat sich abgespalten, nicht erst heute, sondern seit Beginn des Krieges. Es gibt kein einziges Land, keinen einzigen Staat, in dem diese bedeutungsvolle Spaltung, dieser Riss in der Lehre des Sozialismus nicht vor sich gegangen wäre. Und es ist sehr gut, dass er sich gespalten hat!

Auf die Anklage, dass wir gegen „Sozialisten" den Kampf führen, können wir nur sagen, dass in der Epoche des Parlamentarismus diese Anhänger des Parlamentarismus nichts mehr gemein haben mit dem Sozialismus, sondern sich zersetzt, überlebt haben, zurückgeblieben und letzten Endes auf die Seite der Bourgeoisie übergegangen sind. Die „Sozialisten", die während des Krieges, der durch die imperialistischen Bestrebungen der internationalen Räuber hervorgerufen worden ist, von der „Verteidigung des Vaterlandes" schrien, sind keine Sozialisten, sondern Lakaien, Kostgänger der Bourgeoisie.

Diejenigen, die soviel von Diktatur der Demokratie reden, dreschen nur unsinnige, ungereimte Phrasen, die aller Kenntnis der Wirtschaft und allen politischen Verständnisses bar sind.

Einer der Opponenten hat hier erklärt, dass die Pariser Kommune stolz darauf sein kann, dass es während der Erhebung der Pariser Arbeiter unter ihnen keine Gewaltakte und keine Willkür gegeben habe.4 Aber es besteht kein Zweifel darüber, dass die Kommune gerade deswegen, weil sie im notwendigen Augenblick die Waffengewalt nicht genügend ausnutzte, zusammenbrach, obwohl sie in der Geschichte unsterblich geblieben ist, denn sie hat zum ersten Mal die Idee der Diktatur des Proletariats in die Tat umgesetzt…

Der Redner streift in kurzen Zügen den Kampf gegen die Vertreter der Bourgeoisie, der Gutsbesitzer und Kapitalisten und erklärt unter stürmischem Beifall fest und entschieden: – Was man auch sagen mag, letzten Endes wird die Bourgeoisie kraft des Willens des revolutionären Volkes gezwungen sein entweder zu kapitulieren oder unterzugehen.

Lenin zieht eine Parallele zwischen dem Anarchismus und den Ansichten der Bolschewiki5 und erklärt, dass jetzt, in der Epoche des radikalen Zerschlagens der bürgerlichen Ordnung, die Vorstellungen vom Anarchismus endlich bestimmte Umrisse annehmen. Aber bevor das Joch der bürgerlichen Ordnung abgeworfen wird, bedarf es einer festen revolutionären Macht der werktätigen Klassen, der Macht des revolutionären Staates. Darin besteht das Wesen des Kommunismus. Jetzt, wo die Masse selbst die Waffen in die Hand nimmt und den rücksichtslosen Kampf gegen die Ausbeuter beginnt, wo die neue Macht des Volkes angewandt wird, die nichts mit der parlamentarischen Macht gemein hat, – in dieser Zeit haben wir vor uns nicht mehr den alten, seinen Traditionen und Formen nach überlebten Staat, sondern einen neuen Staat, der sich auf der schöpferischen Kraft der Massen gründet. Und während ein Teil der Anarchisten, der noch immer unter dem Einfluss der veralteten Auffassungen steht, mit Angst von den Sowjets redet, steht die neue, frische Strömung des Anarchismus entschieden auf der Seite der Sowjets, die sie für lebensfähig, für fähig hält, die Sympathie und die schöpferische Kraft der Massen zu wecken.

Eure Schuld und eure Blindheit besteht darin – erklärt der Redner, sich an die „Opponenten" wendend –, dass ihr es nicht verstanden habt, von der Revolution zu lernen. Bereits am 17. (4.) April habe ich in diesem Saal behauptet, dass die Sowjets die höchste Form der Demokratie sind. Entweder gehen die Sowjets unter - und dann wäre die Revolution endgültig verloren – oder die Sowjets bleiben bestehen, und dann wäre es lächerlich, von irgendeiner bürgerlich-demokratischen Revolution zu reden, wo eine Blütezeit der sozialistischen Ordnung und der Zusammenbruch des Kapitalismus heranreift. Von der bürgerlich-demokratischen Revolution haben die Bolschewiki 1905 gesprochen, aber jetzt, wo die Sowjets an der Macht stehen, wo die Arbeiter, Soldaten und Bauern in einer Zeit unerhörter Entbehrungen und Schrecken, in einer Atmosphäre des Zerfalls, vor dem Gespenst des Hungertodes, erklärt haben: wir ergreifen die gesamte Macht und gehen selbst an den Aufbau des neuen Lebens, – in dieser Zeit kann von der bürgerlich-demokratischen Revolution nicht einmal die Rede sein. Das haben die Bolschewiki auf Kongressen, Versammlungen und Konferenzen, in Resolutionen und Beschlüssen bereits im April des vorigen Jahres erklärt.

Und denen, die behaupten, dass wir nichts getan haben, dass wir die ganze Zeit über untätig waren, dass die Herrschaft der Sowjetmacht keinerlei Früchte gezeitigt habe, können wir nur antworten: werft einen Blick in die Tiefen des werktätigen Volkes, in die Massen. Dort geht eine fieberhafte organisatorische, schöpferische Arbeit vor sich, dort quillt ein neues, von der Revolution erhelltes Leben hervor. Auf dem Lande ergreifen die Bauern den Boden, die Arbeiter nehmen die Fabriken und Werke in ihre Hände, überall entstehen die verschiedensten Organisationen.

Die Sowjetmacht erstrebt die Beendigung des Krieges, und wir sind dessen gewiss, dass sie das früher erreichen wird, als die Vertreter der Kerenskiregierung es versprochen haben. Denn zur Beendigung des Krieges trägt der revolutionäre Faktor bei, der die Verträge zerrissen und die Anleihen annulliert hat. Der Krieg wird durch die internationale revolutionäre Bewegung beendet werden.

Am Schluss streift der Redner mit einigen Worten die konterrevolutionären Saboteure: – Das sind Gruppen, die von der Bourgeoisie gekauft sind, welche die sabotierenden Beamten, die der Sowjetmacht den Kampf im Namen des Triumphs der Reaktion ansagten, mit Belohnungen überschüttet. Die Tatsache, dass das Volk mit dem Beil der Arbeiter und Bauern rücksichtslos auf die Bourgeoisie einhaut, diese Tatsache scheint ihnen das wirkliche Ende der Welt und der endgültige allgemeine Untergang zu sein. Wenn wir irgendeine Schuld tragen, so besteht sie darin, dass wir allzu human, allzu gutmütig gegen die Vertreter der bürgerlich-imperialistischen Ordnung waren, die einen ungeheuerlichen Verrat begangen haben.

In diesen Tagen kamen Mitarbeiter der „Nowaja Schisn" zu mir und erklärten, dass sie im Auftrage der Bankangestellten kommen, die den Dienst wieder aufnehmen, die Politik der Sabotage aufgeben und sich vollkommen der Sowjetmacht unterordnen wollen. Und ich antwortete ihnen: das hättet ihr längst tun sollen! Aber, unter uns, wenn sie glauben, dass wir nach Aufnahme dieser Verhandlungen auch nur um ein Jota unsere revolutionären Positionen aufgeben werden, dann irren sie sich gewaltig.

Was jetzt bei uns in Russland vor sich geht, in diesem ungeheuren Lande, das in eine Reihe von einzelnen Staaten zerschlagen worden ist, das aus einer gewaltigen Zahl der verschiedensten Nationalitäten und Völker besteht, hat die Welt noch nicht gesehen. Wir sehen eine ungeheure organisatorische Arbeit in allen Kreisen und Gebieten, die Organisierung der Massen, die unmittelbare Arbeit der Massen, die schöpferische Aufbauarbeit, die nicht auf den Widerstand der verschiedenen bürgerlichen Vertreter des Imperialismus stößt. Diese Arbeiter und Bauern haben ein seinen riesigen Ausmaßen nach unerhörtes Werk in Angriff genommen und werden zusammen mit den Sowjets die kapitalistische Ausbeutung vollständig vernichten. Und das Joch der Bourgeoisie wird letzten Endes für immer gestürzt werden.

III. Schlusswort bei der Beendigung des Kongresses

31. (18.) Januar

Genossen! Vor Schluss des III. Rätekongresses muss man mit völliger Objektivität die historische Rolle kennzeichnen, die dieser Kongress in der Geschichte der internationalen Revolution, in der Geschichte der Menschheit gespielt hat. Man kann mit vollem Recht behaupten, dass der III. Rätekongress eine neue Epoche der Weltgeschichte eröffnet hat, und jetzt, in der Zeit der Weltrevolution, beginnt man die Bedeutung dieses Kongresses immer mehr und mehr zu erkennen. Dieser Kongress, der die von der Oktoberrevolution geschaffene neue Organisation der Staatsmacht verankerte, hat den Weg gewiesen für den künftigen sozialistischen Aufbau in der ganzen Welt, für die Werktätigen aller Länder.

Bei uns in Russland ist jetzt auf dem Gebiet der inneren Politik die neue Staatsordnung der Sozialistischen Räterepublik endgültig anerkannt als Föderation freier Republiken der verschiedenen Nationen Russlands.6 Und jetzt sehen alle – ich bin überzeugt, sogar unsere Feinde –, dass die neue Ordnung, die Sowjetmacht, keine Erfindung, kein Parteikniff, sondern das Ergebnis der Entwicklung des Lebens selbst, das Ergebnis der elementar sich entwickelnden Weltrevolution ist. Denkt daran, dass alle großen Revolutionen stets danach strebten, die alte kapitalistische Ordnung vollkommen hinwegzufegen und nicht nur politische Rechte zu erobern, sondern auch die Verwaltung des Staates selbst den Händen der herrschenden Klassen, aller Ausbeuter und Unterdrücker der Werktätigen zu entreißen, um ein für allemal jeder Ausbeutung und jeder Unterdrückung ein Ende zu machen. Die großen Revolutionen strebten gerade danach, diesen alten Staatsapparat der Ausbeutung zu zerschlagen, aber bisher ist es nicht gelungen, dieses Werk zu vollenden. Und nun hat Russland jetzt als erstes Land infolge der Besonderheiten seiner wirtschaftlichen und politischen Lage diesen Übergang der Staatsverwaltung in die Hände der Werktätigen selbst erreicht. Jetzt werden wir auf einem von historischem Gerümpel gereinigten Weg den gewaltigen lichten Bau der sozialistischen Gesellschaft errichten. Es entsteht ein neuer, in der Geschichte noch nicht dagewesener Typus der Staatsmacht, der durch den Willen der Revolution berufen ist, die Welt von aller Ausbeutung, Gewalt und Knechtschaft zu befreien.

Betrachten wir jetzt, was das neue sozialistische Prinzip der Staatsverwaltung auf dem Gebiet unserer Innenpolitik gebracht hat. Genossen, ihr erinnert euch daran, wie noch unlängst die bürgerliche Presse immerfort davon schrie, dass wir den russischen Staat zerstören, dass wir nicht zu regieren verstehen, dass deshalb alle Nationalitäten, dass Finnland, die Ukraine usw. uns verlassen. Die bürgerliche Presse strahlte vor Schadenfreude und brachte fast jeden Tag Mitteilungen über solche „Absonderungen". Genossen, wir haben besser als die bürgerliche Presse die Hauptursachen dieser Erscheinung erkannt, die in dem Misstrauen der werktätigen Massen gegen die Regierung der Kompromissler und Imperialisten, der Herren Kerenski und Co. wurzeln. Wir haben geschwiegen, weil wir fest daran glauben, dass unsere gerechten Grundsätze, unsere eigene Verwaltung besser als alle Worte unsere wirklichen Ziele und Bestrebungen allen Werktätigen klarmachen werden.

Und wir haben Recht behalten. Wir sehen jetzt, dass unsere Ideen in Finnland, in der Ukraine gesiegt haben und im Dongebiet siegen, das Klassenbewusstsein der Werktätigen wecken und sie zu einem festen Bund zusammenschließen. Wir haben ohne Diplomaten, ohne die von den Imperialisten angewandten alten Methoden gehandelt und haben ein gewaltiges Resultat erzielt – den Sieg der Revolution und den Zusammenschluss der Sieger zu einer einzigen machtvollen revolutionären Föderation. Wir herrschen, nicht indem wir teilen – wie es das grausame Gesetz des antiken Rom verlangte –, sondern indem wir alle Werktätigen durch die unzerreißbaren Ketten der Lebensinteressen, des Klassenbewusstseins vereinigen. Und unser Bund, unser neuer Staat ist fester als ein Gewaltstaat, der durch Lüge und Gewalt die den Imperialisten notwendigen künstlichen Staatengebilde zusammenhält. Kaum hatten z. B. die finnländischen Arbeiter und Bauern die Macht in ihre Hände genommen, da wandten sie sich an uns und brachten ihre Treue zur proletarischen Weltrevolution zum Ausdruck, in Begrüßungsworten, aus denen die unerschütterliche Entschlossenheit sprach, mit uns zusammen den Weg der Internationale zu gehen.7 Das bildet die Grundlage unserer Föderation, und ich hin tief überzeugt, dass sich die verschiedenen Föderationen freier Nationen immer mehr und mehr um das revolutionäre Russland sammeln werden. Ganz freiwillig, ohne Lug und ohne Gewalt, wird diese Föderation wachsen. Sie ist unbesiegbar. Die beste Bürgschaft für ihre Unbesiegbarkeit sind die Gesetze, ist die Staatsordnung, die wir bei uns schaffen. Soeben habt ihr von dem Gesetz der Sozialisierung des Bodens gehört. Ist dieses Gesetz etwa keine Bürgschaft dafür, dass die Einheit der Arbeiter und Bauern jetzt unzerreißbar ist, dass wir bei einer solchen Einheit imstande sein werden, alle Hindernisse auf dem Wege zum Sozialismus zu besiegen?

Diese Hindernisse aber – ich brauche das nicht zu verheimlichen -– sind ungeheuer. Die Bourgeoisie wird alle Mittel in Bewegung setzen, wird va banque spielen, um unsere Einigkeit zu erschüttern. Es werden sich Lügner, Provokateure, Verräter und vielleicht auch rückständige Menschen finden, aber uns kann von nun an nichts schrecken, denn wir haben unsere neue Staatsmacht geschaffen, denn in unseren Händen befindet sich die Verwaltung des Staates. Jeden konterrevolutionären Versuch werden wir mit unserer ganzen Macht niederschlagen. Aber die wichtigste Grundlage für die Stabilität der neuen Ordnung sind jene organisatorischen Maßnahmen, die wir im Namen des Sozialismus durchführen werden. In dieser Hinsicht stehen wir vor einer gewaltigen Arbeit. Erinnert euch, Genossen, dass die internationalen imperialistischen Räuber, die die Völker in den Krieg getrieben, das ganze wirtschaftliche Leben der Welt von Grund auf zerrüttet haben. Sie haben uns ein schweres Erbe hinterlassen – die Arbeit zur Wiederherstellung dessen, was sie zerstört haben.

Gewiss, die Werktätigen haben keine Erfahrung im Verwalten, aber das schreckt uns nicht. Dem siegreichen Proletariat hat sich ein Land eröffnet, dass jetzt zum Eigentum des Volkes geworden ist, und es wird imstande sein, eine neue Produktion und Konsumtion nach sozialistischen Grundsätzen aufzubauen. Früher war das gesamte menschliche Denken, sein ganzer Genius nur darauf gerichtet, den einen alle Güter der Technik und Kultur zu geben und den anderen das Notwendigste vorzuenthalten – Bildung und Entwicklung. Jetzt dagegen werden alle Wunder der Technik, alle Errungenschaften der Kultur zum Gemeingut des Volkes werden, und von jetzt an wird das menschliche Denken, der menschliche Genius nicht mehr auf Mittel der Gewalt, auf Mittel der Ausbeutung gerichtet sein. Das wissen wir. Und lohnt es etwa nicht, für diese gewaltige geschichtliche Aufgabe zu arbeiten, lohnt es nicht, alle Kräfte dafür einzusetzen? Die Werktätigen werden dieses gewaltige geschichtliche Werk vollbringen, denn in ihnen schlummern die großen Kräfte der Revolution, der Wiedergeburt und Erneuerung.

Wir stehen nicht mehr allein da. In den letzten Tagen sind bedeutsame Ereignisse vor sich gegangen, nicht nur in der Ukraine und im Dongebiet, nicht nur im Reiche unserer Kaledin und Kerenski, sondern auch in Westeuropa. Ihr kennt bereits die Telegramme über die Lage der Revolution in Deutschland. Die Feuerzungen des revolutionären Brandes flammen immer stärker über der ganzen verfaulten alten Weltordnung auf. Es war keine vom Leben losgelöste Theorie, keine Phantasie von Studierstubenmenschen, als wir behaupteten, dass wir durch Schaffung der Sowjetmacht eben solche Versuche auch in anderen Ländern hervorrufen werden. Denn, ich wiederhole es nochmals, es gibt für die Werktätigen keinen anderen Ausweg aus diesem blutigen Gemetzel. Jetzt werden diese Versuche bereits zu sicheren Errungenschaften der internationalen Revolution. Wir schließen den historischen Rätekongress unter dem Zeichen der immer mehr anwachsenden Weltrevolution. Die Zeit ist nicht mehr fern, wo die Werktätigen aller Länder sich zu einem einzigen, die ganze Menschheit umfassenden Staat zusammenschließen werden, um mit gemeinsamen Anstrengungen das neue Gebäude des Sozialismus zu errichten, Der Weg zu diesem Aufbau führt über die Sowjets als eine der Formen der beginnenden Weltrevolution.

Ich begrüße euch und fordere euch zur Errichtung dieses neuen Gebäudes auf. Wenn ihr in eure Heimatorte zurückkehrt, strengt alle Kräfte an, um unseren gewaltigen Sieg zu organisieren und zu verankern.

1 Gemeint ist das Dekret über das Gerichtswesen, das am 7. Dezember (24. November) 1917 veröffentlicht wurde.

2 Lenin meint offenbar folgende Stelle aus dem Brief von Karl Marx an Friedrich Engels vom 12. Februar 1870: „Meine feste Überzeugung ist, dass, obgleich der erste Stoß von Frankreich ausgehen wird, Deutschland viel reifer für eine soziale Bewegung ist und den Franzosen weit über den Kopf wachsen wird."

3 Lenin meint folgende Stelle aus der Rede N. Suchanows: „In der ersten Sitzung des Kongresses hat Genosse Rakowski unter allgemeinem Beifall die Losung: ,Es lebe die Diktatur der Demokratie!' verkündet. Ihr seid offenbar der Auffassung, dass das Regime, das nach der Oktoberrevolution eingeführt worden ist, dass die Politik, die der Rat der Volliskommissare treibt, dieser Losung entspricht."

4 J. Martow erklärte in seiner Rede auf dem Kongress: „Im Laufe der 70 Tage des Bestehens dieser Pariser Kommune war das Pariser Proletariat stolz darauf, dass es die Bürgerfreiheiten nicht verletzte."

5 Lenin antwortet hier auf folgende Stelle aus der Rede N. Suchanows: „Die Prinzipien Lenins sind rein anarchistische und haben nichts gemein mit der Sozialdemokratie. Jetzt habt ihr alle Sozialisten, sowohl die Vaterlandsverteidiger als auch die Internationalisten, die zusammen mit euch gegen die Koalition gekämpft haben, für Konterrevolutionäre erklärt, weil sie den Leninschen Anarchismus ablehnen."

6 Die Resolution über die föderativen Organe der Russischen Republik, die auf dem III. Allrussischen Rätekongress am 28. (15.) Januar zum Referat J. Stalins über die nationale Frage angenommen wurde, lautet: „Die Russische Sozialistische Sowjetrepublik wird auf Grund eines freiwilligen Bündnisses der Völker Russlands als Föderation der Sowjetrepubliken dieser Völker geschaffen."

7 Gemeint ist die „Note der revolutionären Finnländischen Regierung an den Rat der Volkskommissare der Russischen Republik", die in der Abendausgabe der „Prawda" Nr. 13 vom 30. (17.) Januar 1918 veröffentlicht wurde.

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