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Wladimir I. Lenin 19180503 Über „linke" Kinderei und Kleinbürgerlichkeit

Wladimir I. Lenin: Über „linke" Kinderei und Kleinbürgerlichkeit1

[Abgefasst am 3.-5. Mai 1918, „Prawda" Nr. 88, 89 u. 90 9.–11. Mai 1918. Gezeichnet: N. Lenin. Nach Sämtliche Werke, Band 22, Zürich 1934, S. 577-608]

Die Tatsache, dass die kleine Gruppe „linker" Kommunisten ihre Zeitschrift „Kommunist" (Nr. 1 vom 20. April 1918) und ihre „Thesen" herausgibt, ist eine glänzende Bestätigung dessen, was ich in der Broschüre „Über die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht" gesagt habe. Eine anschaulichere Bestätigung in der politischen Literatur der ganzen Naivität dieser Verteidigung der kleinbürgerlichen Zerfahrenheit, die mitunter sich hinter „linken" Losungen versteckt, könnte man sich nicht wünschen. Es ist nützlich und notwendig, sich mit den Gedankengängen der „linken" Kommunisten zu befassen, denn sie sind charakteristisch für den Augenblick, den wir durchmachen. Sie zeigen außerordentlich klar – von der negativen Seite – das Wesentliche dieses Augenblicks. Sie sind lehrreich, denn wir haben vor uns die Besten unter den Leuten, die diesen Augenblick nicht verstanden haben, die sowohl in Bezug auf Kenntnisse als auch in Bezug auf Treue zur Sache weit über den Dutzendvertretern desselben Fehlers, nämlich den linken Sozialrevolutionären, stehen.

I

Als politische – oder auf eine politische Rolle Anspruch erhebende – Größe hat uns die Gruppe der „linken Kommunisten" ihre „Thesen über die gegenwärtige Lage" gegeben. Es ist ein guter marxistischer Brauch, eine zusammenhängende und geschlossene Darstellung der Grundlagen der eigenen Ansichten und der eigenen Taktik zu geben. Und dieser gute marxistische Brauch hat dazu beigetragen, den Fehler unserer „Linken" zu entlarven, denn der bloße Versuch zu argumentieren – und nicht zu deklamieren – enthüllt die Unhaltbarkeit der Argumentation.

Vor allen Dingen fällt die Masse der Anspielungen, Andeutungen, Ausflüchte in der alten Frage auf, ob der Abschluss des Brest-Litowsker Friedens richtig war. Diese Frage offen zu stellen, haben sich die „Linken" nicht entschieden, sie zappeln komisch hin und her, häufen ein Argument auf das andere, greifen verschiedene Kombinationen auf, haschen nach allen möglichen „einerseits" und „andererseits", zerfließen in Gedanken über alle möglichen Dinge und wollen nicht erkennen, wie sie sich selber widerlegen. Dass auf dem Parteitag 12 Stimmen gegen den Frieden, 28 für den Frieden waren – diese Ziffer führen die „Linken" eifrig an. Aber dass sie von den vielen hunderten Stimmen in der bolschewistischen Fraktion des Rätekongresses weniger als ein Zehntel bekommen haben, verschweigen sie bescheiden. Sie stellen die „Theorie" auf, dass die „Ermüdeten und Deklassierten" für den Frieden eingetreten seien, dass die „Arbeiter und Bauern der wirtschaftlich lebendigeren und mit Getreide besser versorgten Gebiete des Südens" gegen den Frieden waren … Muss man nicht darüber lachen? Über die Abstimmung auf dem Allukrainischen Rätekongress für den Frieden – keine Silbe, über den sozialen und den Klassencharakter des typisch kleinbürgerlichen und deklassierten politischen Konglomerats in Russland, das gegen den Frieden war (die Partei der linken Sozialrevolutionäre) – keine Silbe. Es ist eine rein kindische Manier, mit komischen „wissenschaftlichen" Erklärungen„ den eigenen Bankrott zu bemänteln, Tatsachen zu bemänteln, deren bloße Aufzählung zeigen würde, dass gerade die deklassierten Intellektuellen in den „Spitzen" der Partei mit den Losungen der revolutionären kleinbürgerlichen Phrase den Frieden bekämpften und dass gerade die Massen der Arbeiter und der ausgebeuteten Bauern den Frieden durchsetzten.

Trotz aller dieser Erklärungen und Ausflüchte der „Linken" in der Frage des Kriegs und Friedens bricht sich die einfache und klare Wahrheit Bahn. „Der Friedensschluss – müssen die Verfasser der Thesen zugeben – hat zunächst das Streben der Imperialisten nach einem internationalen Pakt geschwächt." (das wird bei den „Linken" nicht ganz genau auseinandergesetzt, aber es ist hier nicht der Platz auf Ungenauigkeiten einzugehen). „Der Friedensschluss hat bereits zu einer Verschärfung des Kampfes zwischen den imperialistischen Staaten geführt."

Das ist eine Tatsache. Das ist von entscheidender Bedeutung. Deshalb waren die Gegner des Friedensschlusses objektiv ein Spielzeug in den Händen der Imperialisten, deshalb waren sie in ihre Falle geraten. Denn solange nicht eine internationale, mehrere Länder umfassende sozialistische Revolution ausbricht, die so stark ist, dass sie den internationalen Imperialismus besiegen kann, solange ist es die direkte Pflicht der Sozialisten, die in einem einzelnen (besonders rückständigen) Lande gesiegt haben, keinen Kampf gegen die Giganten des Imperialismus aufzunehmen, dem Kampf aus dem Wege zu gehen, abzuwarten, bis der Kampf der Imperialisten gegeneinander sie noch mehr schwächen, die Revolution in den anderen Ländern noch näher bringen wird. Diese einfache Wahrheit haben unsere „Linken" im Januar, Februar und März nicht begriffen, sie fürchten sich auch jetzt, sie offen anzuerkennen, aber sie bricht sich Bahn trotz aller solcher irreführenden Phrasen wie „einerseits kann man nicht umhin anzuerkennen, andererseits muss man zugeben".

Im Laufe des nächsten Frühjahrs und Sommers – schreiben die „Linken" in ihren Thesen – muss der Zusammenbruch des imperialistischen Systems beginnen, der im Falle eines Sieges des deutschen Imperialismus in der jetzigen Phase des Krieges nur aufgeschoben werden kann und dann in noch schärferen Formen zum Ausdruck kommen wird."

Die Formulierung hier ist noch kindischer, ungenauer trotz des ganzen Spiels mit der Wissenschaftlichkeit. Kindern ist es eigen, die Wissenschaft so „aufzufassen", als ob sie imstande sei, zu bestimmen, in welchem Jahre, im Frühjahr und Sommer oder im Herbst und Winter „der Zusammenbruch beginnen muss".

Diese Bemühungen, zu erfahren, was man nicht erfahren kann, sind lächerlich. Kein einziger ernster Politiker wird jemals sagen, wann dieser oder jener Zusammenbruch eines „Systems" „beginnen muss" (um so mehr als der Zusammenbruch des Systems bereits begonnen hat, und es sich um den Augenblick der Explosion in den einzelnen Ländern handelt). Aber durch die kindliche Hilflosigkeit der Formulierung bricht folgende unbestreitbare Wahrheit hindurch: wir sind jetzt, einen Monat nach der seit dem Friedensschluss eingetretenen „Atempause" revolutionären Ausbrüchen in den anderen, fortgeschritteneren Ländern näher, als vor einem oder anderthalb Monaten. Also?

Also waren die Anhänger des Friedens vollkommen im Recht und sind durch die Geschichte bereits gerechtfertigt worden, sie, die den Liebhabern des Effektvollen klarzumachen versuchten, dass man das Kräfteverhältnis in Rechnung stellen muss und nicht den Imperialisten helfen darf, indem man ihnen den Kampf gegen den Sozialismus in einem Augenblick erleichtert, wo der Sozialismus noch schwach ist und die Chancen für den Sozialismus im Kampfe absolut ungünstig sind.

Aber an das Kräfteverhältnis, an die Berücksichtigung des Kräfteverhältnisses zu denken, verstehen unsere „linken" Kommunisten nicht, die sich auch gern „proletarische" Kommunisten nennen, denn bei ihnen ist besonders wenig Proletarisches und besonders viel Kleinbürgerliches zu finden. Darin besteht das Wesen des Marxismus und der marxistischen Taktik, sie aber gehen an diesem „Wesen" mit „stolzen" Phrasen vorbei, wie z. B.

„… Die Verankerung der passiven „Psychologie des Friedens" unter den Massen ist eine objektive Tatsache des politischen Augenblicks…"

Das ist eine wahre Perle! Nach dem dreijährigen qualvollsten und reaktionärsten aller Kriege hat das Volk dank der Sowjetmacht und ihrer richtigen Taktik, die sich nicht auf Phrasen einlässt, eine ganz, ganz kleine, unsichere und bei weitem nicht vollständige Atempause erhalten, die „linken" Intellektuellen aber sprechen mit dem Stolz eines in sich verliebten Narziss tiefsinnig von der Verankerung (!!!) der passiven (!!!???) Psychologie des Friedens unter den Massen (???)." Hatte ich nicht recht, als ich auf dem Parteitag sagte, dass die Zeitung oder die Zeitschrift der „Linken" sich nicht „Kommunist", sondern „Schlachtschitz" nennen müsste?

Kann denn ein Kommunist, der halbwegs die Lebensbedingungen und die Psychologie der werktätigen, ausgebeuteten Massen kennt, auf einen solchen Standpunkt des typischen Intellektuellen, des deklassierten Kleinbürgers mit der Stimmung eines Junkers oder Schlachtschitzen her abgleiten, der die „Psychologie des Friedens" für „Passivität" erklärt, aber das Herumfuchteln mit einem Schwert aus Pappe für „Aktivität" hält? Denn es ist gerade ein Herumfuchteln mit einem Pappschwert, wenn unsere „Linken" die allgemein bekannte und durch den Krieg in der Ukraine ein übriges Mal bewiesene Tatsache umgehen, dass die durch das dreijährige Gemetzel erschöpften Völker ohne Atempause keinen Kampf führen können, dass ein Krieg, wenn keine Kräfte da sind, um ihn im nationalen Maßstab zu organisieren, durchweg eine Psychologie des kleinbürgerlichen Zerfalls und nicht der proletarischen eisernen Disziplin erzeugt. Wir sehen im der Zeitschrift „Kommunist" immer wieder, dass unsere „Linken" von der proletarischen eisernen Disziplin und ihrer Vorbereitung keine Ahnung haben, dass sie vollkommen von der Psychologie des deklassierten kleinbürgerlichen Intellektuellen durchdrungen sind.

II

Aber vielleicht sind die Phrasen der „Linken" vom Krieg einfach kindischer Trotz, der sich dazu noch auf die Vergangenheit bezieht und deshalb keine Spur von politischer Bedeutung besitzt? So verteidigen manche unsere „Linken". Aber das ist nicht richtig. Wenn man auf die politische Führung Anspruch erhebt, dann muss man es verstehen, die politischen Aufgaben durchzudenken, der Mangel dieser Fähigkeit aber macht die „Linken" zu charakterlosen Verteidigern einer Politik der Schwankungen, die objektiv nur eine einzige Bedeutung hat: mit ihren Schwankungen helfen die „Linken" den Imperialisten, die Russische Sowjetrepublik zu einem für sie absolut ungünstigen Kampf zu provozieren, helfen den Imperialisten, uns in die Falle zu locken. Man höre nur:

„… Die russische Arbeiterrevolution kann sich nicht ,erhalten', wenn sie den internationalen revolutionären Weg verlässt, fortwährend dem Kampf aus dem Wege geht, vor dem Ansturm des internationalen Kapitals zurückweicht und dem einheimischen Kapital Zugeständnisse macht.

Von diesem Standpunkt ist notwendig: eine entschiedene internationale Klassenpolitik, die die internationale revolutionäre Propaganda in Wort und Tat zusammenfasst und die Stärkung des organischen Kontakts mit dem internationalen Sozialismus (und nicht mit der internationalen Bourgeoisie) …"

Über die hier erhobenen Angriffe gegen die Innenpolitik wird noch besonders die Rede sein. Man sehe sich aber diesen Schwall von Phrasen – in der Praxis mit Ängstlichkeit verbunden – über die Außenpolitik an. Welche Taktik muss jeder einschlagen, der nicht ein Werkzeug der imperialistischen Provokation sein und im gegebenen Augenblick nicht in die Falle gehen wird? Auf diese Frage muss jeder Politiker eine klare, unumwundene Antwort erteilen. Die Antwort unserer Partei ist bekannt: im gegebenen Augenblick muss man sich zurückziehen, muss dem Kampf aus dem Wege gehen. Unsere „Linken" wagen es nicht, das Gegenteil zu sagen, und rennen offene Türen ein: „Entschiedene internationale Klassenpolitik"!!

Das ist Betrug an den Massen. Wollt ihr sofort kämpfen, dann müsst ihr es offen sagen. Wollt ihr nicht, dass wir uns jetzt zurückziehen, dann sagt es offen. Sonst seid ihr ein Werkzeug der imperialistischen Provokation dank der objektiven Rolle, die ihr spielt. Eure subjektive „Psychologie" aber ist die Psychologie des wild gewordenen Kleinbürgers, der den Mund voll nimmt und schwadroniert, aber sehr gut fühlt, dass der Proletarier recht hat, wenn er sich zurückzieht, sich organisiert zurückzuziehen versucht, dass der Proletarier recht hat, der damit rechnet, dass man, solange noch keine Kräfte vorhanden sind, sich zurückziehen muss (vor dem Imperialismus im Westen und Osten), sei es auch bis zum Ural, denn das ist die einzige Gewinnchance für die Zeit des Heranreifens der Revolution im Westen, die nicht (entgegen dem Geschwätz der „Linken") „im Frühjahr oder Sommer" beginnen „muss", aber mit jedem Monat immer näher rückt und immer wahrscheinlicher wird.

Die „Linken" haben keine „eigene" Politik. Sie wagen es nicht, den Rückzug jetzt für zwecklos zu erklären. Sie drehen und winden sich hin und her, spielen mit Worten, stellen anstatt der Frage des Ausweichens vor einem Kampf im gegebenen Augenblick die Frage des „fortwährenden" Ausweichens vor dem Kampf. Sie lassen Seifenblasen los, wie „internationale revolutionäre Propaganda der Tat"!!! Was bedeutet das?

Das kann nur eines von beiden bedeuten: entweder ist das Aufgeblasenheit oder Angriffskrieg zum Sturz des internationalen Imperialismus. Einen solchen Unsinn kann man nicht offen aussprechen, deshalb müssen die „linken" Kommunisten vor der Verspottung durch jeden klassenbewussten Proletarier unter die Fittiche lauter, nichtssagender Phrasen flüchten: vielleicht wird ein unaufmerksamer Leser nicht merken, was eigentlich „internationale revolutionäre Propaganda der Tat" bedeutet.

Mit lauten Phrasen um sich zu werfen, ist eine Eigenschaft der deklassierten, kleinbürgerlichen Intelligenz. Die organisierten Proletarier-Kommunisten werden diese „Manier" gewiss mit nichts Geringerem ahnden, als mit Spott und Vertreibung von jedem verantwortlichen Posten. Man muss den Massen die bittere Wahrheit einfach, klar und unumwunden sagen: es ist möglich und sogar wahrscheinlich, dass die Militärpartei in Deutschland abermals die Oberhand gewinnt (in der Frage des sofortigen Übergangs zur Offensive gegen uns) und dass Deutschland zusammen mit Japan auf Grund eines formellen oder stillschweigenden Abkommens uns aufteilen und erwürgen wird. Unsere Taktik muss, wenn wir nicht auf die Schreier hören wollen, sein: abwarten, den Kampf hinausschieben, ihm aus dem Wege gehen, sich zurückziehen. Wenn wir die Schreier beiseite schieben und uns „zusammennehmen", eine wirklich eiserne, wirklich proletarische, wirklich kommunistische Disziplin schaffen, dann haben wir ernste Chancen, viele Monate zu gewinnen. Und dann werden wir mit unserem Rückzug, sogar (im schlimmsten Fall) bis zum Ural, es unserem Verbündeten (dem internationalen Proletariat) erleichtern, uns zu Hilfe zu eilen und die Entfernung zurückzulegen, die den Beginn der revolutionären Explosionen von der Revolution trennt.

Eine solche und nur eine solche Taktik stärkt in Wirklichkeit den Kontakt des einen, zeitweilig isolierten Trupps des internationalen Sozialismus mit den anderen Trupps, aber bei euch, ihr lieben „linken Kommunisten", kommt nur – um der Wahrheit die Ehre zu geben – eine „Stärkung des organischen Kontakts" der einen lauten Phrase mit der anderen lauten Phrase heraus. Ein schlechter „organischer Kontakt"!

Und ich will euch, meine Lieben, erklären, warum euch dies Malheur passiert ist: weil ihr die Losungen der Revolution mehr auswendig zu lernen und euch einzuprägen pflegt, als sie zu durchdenken. Deswegen setzt ihr die Worte „Verteidigung des sozialistischen Vaterlands" in Gänsefüßchen, die wahrscheinlich ironisch sein sollen, aber in Wirklichkeit zeigen, was für ein, buntes Durcheinander in eurem Kopf herrscht. Ihr seid gewöhnt, die „Vaterlandsverteidigung" für etwas Gemeines und Abscheuliches zu halten, ihr habt euch das eingeprägt und auswendig gelernt, ihr habt das so eifrig aus dem Gedächtnis wiederholt, dass einige von euch sich bis zu der unsinnigen Behauptung verstiegen, die Vaterlandsverteidigung in der imperialistischen Epoche sei eine unzulässige Sache (in Wirklichkeit ist sie nur in einem imperialistischen, reaktionären Krieg unzulässig, der von der Bourgeoisie geführt wird). Aber ihr habt euch nicht überlegt, weshalb und wann die „Vaterlandsverteidigung" eine Gemeinheit ist.

Die Vaterlandsverteidigung anerkennen, heißt die Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit des Kriegs anerkennen. Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit von welchem Standpunkt? Nur vom Standpunkt des sozialistischen Proletariats und seines Kampfes für seine Befreiung! Einen anderen Standpunkt erkennen wir nicht an. Wenn die Klasse der Ausbeuter einen Krieg führt, um ihre Herrschaft als Klasse zu stärken, so ist das ein verbrecherischer Krieg, und die „Vaterlandsverteidigung" in einem solchen Krieg ist eine Gemeinheit und ein Verrat am Sozialismus. Wenn das Proletariat, das bei sich die Bourgeoisie besiegt hat, einen Krieg führt zur Stärkung und Entwicklung des Sozialismus, dann ist der Krieg berechtigt und „heilig".

Wir sind seit dem 7. November (25. Oktober) 1917 Vaterlandsverteidiger. Ich habe das wiederholt mit aller Bestimmtheit erklärt, und ihr wagt es nicht, das zu bestreiten. Gerade im Interesse der „Stärkung des Kontakts" mit dem internationalen Sozialismus ist es notwendig, das sozialistische Vaterland zu verteidigen. Wer sich leichtfertig zur Verteidigung des Landes stellt, in dem das Proletariat bereits gesiegt hat, zerstört den Kontakt mit dem internationalen Sozialismus. Als wir Vertreter der unterdrückten Klasse waren, da nahmen wir keine leichtfertige Stellung zur Verteidigung des Vaterlandes im imperialistischen Krieg ein, wir verneinten prinzipiell eine solche Verteidigung. Als wir Vertreter der herrschenden Klasse wurden, die den Sozialismus zu organisieren begann, forderten, wir von allen eine ernste Stellungnahme zur Verteidigung, des Landes. Die Landesverteidigung ernst nehmen, heißt sich gründlich vorbereiten und das Kräfteverhältnis streng in Rechnung stellen. Wenn wir wirklich wenig Kräfte haben, so ist das wichtigste Mittel zur Verteidigung der Rückzug in das Innere des Landes (wer darin eine nur für diesen Fall zurechtgemachte Formel sieht, kann bei dem alten Clausewitz2, einem der größten Militärschriftsteller, die Ergebnisse der Lehren der Geschichte in dieser Beziehung nachlesen). Bei den „linken Kommunisten" aber ist auch keine Spur davon zu merken, dass sie die Bedeutung der Frage des Kräfteverhältnisses verstanden haben.

Als wir prinzipielle Gegner der Vaterlandsverteidigung waren, da hatten wir das Recht, diejenigen zu verspotten, die ihr Vaterland angeblich im Interesse des Sozialismus „erhalten" wollten. Als wir das Recht erlangten, proletarische Vaterlandsverteidiger zu sein, da änderte sich die Fragestellung von Grund auf. Es ist unsere Pflicht, die Kräfte möglichst vorsichtig einzuschätzen, möglichst sorgsam abzuwägen, ob unser Verbündeter (das internationale Proletariat) rechtzeitig anmarschieren wird. Das Kapital ist daran interessiert, den Feind (das revolutionäre Proletariat) einzeln zu schlagen, bevor die Arbeiter aller Länder sich zusammenschließen (tatsächlich, d. h. die Revolution beginnen). Wir dagegen sind daran interessiert, alles nur mögliche zu tun, sogar die kleinste Chance auszunutzen, um den entscheidenden Kampf bis zu dem Augenblick (bzw. „bis nach" dem Augenblick) einer solchen Vereinigung der revolutionären Trupps der großen internationalen Armee hinauszuschieben.

III

Gehen wir nun zu dem Missgeschick unserer „linken" Kommunisten auf dem Gebiet der inneren Politik über. Man kann kaum ohne ein Lächeln solche Phrasen in den Thesen über die gegenwärtige Lage lesen, wie:

„…Eine planmäßige Ausnutzung der unversehrt gebliebenen Produktionsmittel ist nur bei entschiedenster Vergesellschaftung denkbar… Keine Kapitulation vor der Bourgeoisie und ihren kleinbürgerlichen Handlangern unter den Intellektuellen, sondern gänzliche Vernichtung der Bourgeoisie .und endgültiges Brechen der Sabotage"…

Diese lieben „linken Kommunisten". Wie viel Entschiedenheit ist bei ihnen zu finden… und wie wenig Überlegung! Was bedeutet: entschiedenste Vergesellschaftung?

Man kann in der Frage der Nationalisierung, der Konfiskation entschieden oder unentschieden sein. Aber das ist es ja eben, dass sogar die allergrößte „Entschiedenheit" für den Übergang von der Nationalisierung und der Konfiskation zur Vergesellschaftung nicht genügt. Das ist eben das Pech unserer „Linken", dass sie mit diesen naiven, kindischen Worten: „entschiedenste… Vergesellschaftung" offenbaren, dass sie das Wesentliche der Frage, das Wesentliche des „gegenwärtigen" Augenblicks absolut nicht verstehen. Darin besteht eben das Missgeschick der „Linken", dass sie das Wesentliche des „gegenwärtigen Augenblicks", des Übergangs von der Konfiskation (bei deren Durchführung die Haupteigenschaft des Politikers Entschiedenheit ist) zur Vergesellschaftung (bei deren Durchführung von dem Revolutionär eine andere Eigenschaft gefordert wird) nicht erkannt haben.

Gestern war das Wesentliche des gegenwärtigen Augenblicks, möglichst entschieden zu nationalisieren, zu konfiszieren, die Bourgeoisie zu schlagen und zu vernichten, die Sabotage zu brechen. Heute sehen nur Blinde nicht, dass wir mehr nationalisiert, konfisziert, zerschlagen und zerbrochen haben, als wir bei der Bestandsaufnahme zu erfassen vermochten. Die Vergesellschaftung aber unterscheidet sich gerade dadurch von der einfachen Konfiskation, dass man mit bloßer „Entschiedenheit“, ohne die Fähigkeit, richtig zu registrieren und richtig zu verteilen, konfiszieren kann, während man ohne eine solche Fähigkeit nicht vergesellschaften kann.

Unser geschichtliches Verdienst bestand darin, dass wir gestern, beim Konfiszieren, beim Niederschlagen der Bourgeoisie, beim Brechen der Sabotage entschieden waren (und morgen sein werden). Heute darüber in „Thesen über die gegenwärtige Lage" zu schreiben, heißt sich der Vergangenheit zuwenden und den Übergang zur Zukunft nicht verstehen.

.„Endgültiges Brechen der Sabotage"… Da haben sie das Richtige gefunden! Die Saboteure bei uns sind zur Genüge „gebrochen" worden. Uns fehlt es an etwas ganz, ganz anderem, an der Feststellung: an welchen Platz wir diese oder jene Saboteure stellen müssen; an einer solchen Organisation unserer Kräfte, wo, sagen wir, ein bolschewistischer Leiter oder Kontrolleur die Aufsicht über hunderte Saboteure hat, die in unseren Dienst treten. Bei einer solchen Lage der Dinge mit Phrasen herum zu werfen, wie: „entschiedenste Vergesellschaftung", „vollständige Vernichtung", „endgültiges Brechen", heißt am Ziel vorbeischießen. Es ist dem kleinbürgerlichen Revolutionär eigen, nicht zu bemerken, dass für den Sozialismus vollständige Vernichtung, Brechen usw. nicht genügt. Das genügt für den kleinen Eigentümer, der gegen den großen wild geworden ist, aber ein proletarischer Revolutionär könnte niemals in einen solchen Fehler verfallen.

Wenn die von uns angeführten Worte ein Lächeln hervorrufen, so ruft die Entdeckung der „linken Kommunisten", dass der Sowjetrepublik bei der „rechtsbolschewistischen Abweichung" eine „Evolution zum Staatskapitalismus" drohe, ein geradezu homerisches Gelächter hervor. Da haben sie uns wirklich einen Schreck eingejagt! Und mit welchem Eifer wiederholen die „linken Kommunisten" sowohl in den Thesen als auch in den Artikeln diese schreckliche Entdeckung…

Sie haben nicht daran gedacht, dass der Staatskapitalismus ein Schritt vorwärts gegenüber der jetzigen Lage der Dinge in unserer Sowjetrepublik wäre. Wenn z. B. bei uns in einem halben Jahre der Staatskapitalismus eingeführt werden könnte, so wäre das ein gewaltiger Erfolg und die sicherste Garantie dafür, dass der Sozialismus bei uns in einem Jahr sich endgültig festigen und unbesiegbar werden wird.

Ich stelle mir vor, mit welch edlem Unwillen der „linke Kommunist" diese Worte zurückweisen und was für eine „tödliche Kritik" er vor den Arbeitern gegen die „rechtsbolschewistische Abweichung" richten wird. Wie? In einer sozialistischen Sowjetrepublik soll der Übergang zum Staatskapitalismus ein Schritt vorwärts sein? … Ist das nicht Verrat am Sozialismus?

Gerade hier liegt die Wurzel des ökonomischen Fehlers der „linken" Kommunisten. Gerade auf diesen Punkt müssen wir deshalb näher eingehen.

Erstens haben die „linken Kommunisten" nicht begriffen„ welchen Charakter jener Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus hat, der uns das begründete Recht gibt, uns Sozialistische Sowjetrepublik zu nennen.

Zweitens offenbaren sie ihre Kleinbürgerlichkeit gerade dadurch, dass sie die kleinbürgerliche Zügellosigkeit, den Hauptfeind des Sozialismus bei uns, nicht sehen.

Drittens zeigen sie, indem sie das Schreckgespenst des „Staatskapitalismus" hervorziehen, dass sie den wirtschaftlichen Unterschied zwischen dem Sowjetstaat und dem bürgerlichen Staat nicht verstehen.

Prüfen wir diese drei Umstände.

Es hat wohl noch keinen Menschen gegeben, der sich mit den Fragen der russischen Wirtschaft beschäftigt und den Übergangscharakter dieser Wirtschaft bestritten hätte. Kein einziger Kommunist hat wohl bestritten, dass die Bezeichnung „Sozialistische Sowjetrepublik" die Entschlossenheit der Sowjetmacht bedeutet, den Übergang zum Sozialismus zu verwirklichen, keineswegs aber die Anerkennung der neuen wirtschaftlichen Verhältnisse als sozialistisch.

Was bedeutet aber das Wort Übergang? Bedeutet es nicht, in Anwendung auf die Wirtschaft, dass in der gegebenen Ordnung Elemente, Teile, Stücke sowohl des Kapitalismus als auch des Sozialismus vorhanden sind? Jeder wird das zugeben. Aber nicht jeder, der das zugibt, denkt darüber nach, aus welchen Elementen die in Russland vorhandenen verschiedenen sozialökonomischen Formationen sich zusammensetzen. Das aber ist der Kern der Frage.

Zählen wir diese Elemente auf:

1. Die patriarchalische bäuerliche Wirtschaft, die zum großen Teil Naturalwirtschaft ist;

2. Die kleine Warenproduktion (dazu gehört die Mehrheit der Bauern, die Getreide verkaufen);

3. Der privatwirtschaftliche Kapitalismus;

4. Der Staatskapitalismus;

5. Der Sozialismus.

Russland ist so groß und so bunt, dass alle diese verschiedenen Typen der sozial-ökonomischen Ordnung sich in ihm verflechten. Das Eigenartige der Lage besteht gerade darin.

Es fragt sich, welche Elemente wiegen vor? Es ist klar, dass in einem kleinbürgerlichen Land die kleinbürgerlichen Verhältnisse vorwiegen und vorwiegen müssen. Die gewaltige Mehrheit, die Bauern, sind kleine Warenproduzenten. Die Hülle des Staatskapitalismus (Getreidemonopol, kontrollierte Unternehmer und Händler, bürgerliche Genossenschaften) wird bei uns bald hier, bald dort von den Spekulanten zerrissen. Der Hauptgegenstand der Spekulation ist Getreide.

Der Hauptkampf spielt sich gerade auf diesem Gebiet ab. Zwischen wem geht dieser Kampf vor sich, um in den Termini der ökonomischen Kategorien wie „Staatskapitalismus" zu sprechen? Zwischen der vierten und fünften Stufe in der Reihenfolge, wie ich sie hier aufgezählt habe? Gewiss nicht. Nicht der Staatskapitalismus kämpft hier mit dem Sozialismus, sondern die Kleinbourgeoisie plus Privatkapitalismus kämpfen zusammen gegen Staatskapitalismus und Sozialismus. Die Kleinbourgeoisie sträubt sich gegen jede staatliche Einmischung, Rechnungslegung und Kontrolle, mag sie nun eine staatskapitalistische oder staatssozialistische sein. Das ist eine ganz unbestreitbare Tatsache, und im Nichtverstehen dieser Tatsache liegt die Wurzel des ökonomischen Fehlers der „linken Kommunisten". Der Spekulant, der Marodeur des Handels, der Saboteur des Monopols, – das ist unser „innerer" Hauptfeind, der Feind der wirtschaftlichen Maßnahmen der Sowjetmacht. Wenn vor 125 Jahren den französischen Kleinbürgern, den unerschrockensten, aufrichtigsten Revolutionären noch zu verzeihen war, dass sie die Spekulation durch Hinrichtung einzelner, weniger „Ausgewählter" und durch laute Deklamationen zu besiegen versuchten, so ruft jetzt das bloße Phrasendreschen irgendwelcher linken Sozialrevolutionäre in dieser Frage bei jedem zielbewussten Revolutionär nur ein Gefühl des Ekels oder Widerwillens hervor. Wir wissen sehr gut, dass die wirtschaftliche Grundlage der Spekulation die in Russland außerordentlich breite Schicht der Kleineigentümer und der Privatkapitalismus ist, der in jedem Kleinbürger seinen Agenten hat. Wir wissen, dass diese kleinbürgerliche Hydra mit Millionen Fühlern bald hier bald dort einzelne Schichten der Arbeiter erfasst, dass die Spekulation an Stelle des Staatsmonopols in alle Poren unseres, sozialökonomischen Lebens hinein dringt

Wer das nicht sieht, zeigt gerade durch seine Blindheit, dass er der Gefangene kleinbürgerlicher Vorurteile ist. Gerade so steht es um unsere „linken Kommunisten", die in Worten (und natürlich in aufrichtigster Überzeugung) erbarmungslose Feinde der Kleinbourgeoisie sind, in Wirklichkeit aber ihr nur helfen, ihr nur dienen, nur ihren Standpunkt zum Ausdruck bringen, wenn sie – im April 1918!! gegen … den „Staatskapitalismus" kämpfen! Da haben sie gerade das Richtige getroffen!

Der Kleinbürger hat einen Vorrat an Geld, einige Tausend„ die er „rechtmäßig" und besonders unrechtmäßig während des Krieges zusammengerafft hat. Das ist der ökonomische Typus, der charakteristisch ist als Grundlage der Spekulation und des Privatkapitalismus. Geld ist eine Anweisung auf Empfang von gesellschaftlichen Gütern, und die Millionenschicht der kleinen Eigentümer, die diese Anweisung fest in Händen hält, versteckt ihn vor dem „Staat", glaubt an keinen Sozialismus und Kommunismus und „wartet" den proletarischen Sturm „ab". Entweder werden wir diesen Kleinbürger unserer Kontrolle und Rechnungslegung unterordnen (wir können das tun, wenn wir die arme Bevölkerung, d. h. die Mehrheit der Bevölkerung oder der Halbproletarier organisieren und sie um die klassenbewusste Vorhut sammeln), oder aber er wird unsere Arbeitermacht ebenso unvermeidlich stürzen, wie die Napoleon und Cavaignac die Revolution stürzten, die gerade auf diesem kleinbürgerlichen Boden emporwuchsen. So steht die Frage. Nur die „linken" Sozialrevolutionäre sehen vor lauter Phrasen über die „werktätige" Bauernschaft diese einfache und klare Wahrheit nicht. Wer aber nimmt die im Strom der Phrasen ertrinkenden linken Sozialrevolutionäre ernst?

Der Kleinbürger, der Tausende aufbewahrt, ist ein Feind des Staatskapitalismus. Diese Tausende will er unbedingt für sich und gegen die arme Bevölkerung, gegen jede allgemeine staatliche Kontrolle realisieren; die Summe der Tausende aber ergibt eine Basis von vielen Milliarden für die Spekulation, die unseren sozialistischen Aufbau untergräbt. Nehmen wir an, dass eine bestimmte Zahl von Arbeitern im Laufe von einigen Tagen, eine Summe von Werten produziert, die man gleich 1000 setzen kann. Nehmen wir ferner an, dass 200 von dieser Summe infolge der kleinen Spekulation, allem möglichen Diebstahl und der „Umgehung" der Verordnungen und Bestimmungen der Sowjetmacht durch den kleinen Eigentümer verloren gehen. Jeder klassenbewusste Arbeiter wird sagen: wenn ich von den Tausend 300 abgeben könnte um den Preis größerer Ordnung und Organisation, so würde ich gern 300 anstatt 200 abgeben, denn diesen „Tribut" später zu verringern, sagen wir bis auf 100 oder 50„ wird unter der Sowjetmacht eine ganz leichte Aufgabe sein, wenn erst Ordnung und Organisation da sein werden, wenn das Sabotieren eines jeden Staatsmonopols durch die kleinen Eigentümer endgültig gebrochen sein wird.

Durch dieses einfache Zahlenbeispiel, das wir absichtlich der Popularität halber bis zum Äußersten vereinfacht haben, wird das Verhältnis der jetzigen Lage des Staatskapitalismus und des Sozialismus klar. Die Arbeiter haben die Macht im Staate in ihren Händen, sie besitzen juristisch die volle Möglichkeit, die ganzen tausend Rubel zu „nehmen", d. h. keine Kopeke für andere als sozialistische Zwecke auszugeben. Diese juristische Möglichkeit, die sich aus dem faktischen Übergang der Macht an die Arbeiter ergibt, ist ein Element des Sozialismus. Aber auf vielen Wegen untergräbt die kleinbürgerliche und privatkapitalistische Anarchie die juristische Lage, schleppt die Spekulation, ein, vereitelt die Durchführung der Dekrete der Sowjetmacht. Der Staatskapitalismus wäre ein gewaltiger Schritt vorwärts, sogar wenn wir (ich habe absichtlich ein solches Zahlenbeispiel angeführt, um das in aller Schärfe zu zeigen) mehr bezahlen müssten als jetzt, denn es lohnt sich, „Lehrgeld" zu zahlen, denn das ist von Nutzen für die Arbeiter, denn der Sieg über die Unordnung, die Zerstörung, die Schlamperei ist wichtiger als alles andere, denn die Fortdauer der Kleinbürgerlichkeit, Anarchie ist die größte, schlimmste Gefahr, die uns (wenn wir sie nicht besiegen) unbedingt zugrunde richten wird; während die Bezahlung eines größeren Tributes an den Staatskapitalismus uns nicht nur nicht zugrunde richten, sondern uns auf dem sichersten Wege zum Sozialismus führen wird. Die Arbeiterklasse, die es gelernt hat, die Staatsordnung gegen die kleinbürgerliche Anarchie zu verteidigen, die es gelernt hat, die große staatliche Organisation der Produktion auf staatskapitalistischen Grundlagen zu organisieren, wird dann – ich bitte um Verzeihung wegen dieses Ausdrucks – alle Trümpfe in den Händen haben, und die Festigung des Sozialismus wird gesichert sein.

Der Staatskapitalismus steht erstens wirtschaftlich unvergleichlich höher, als unsere jetzige Wirtschaft.

Zweitens enthält er für die Sowjetmacht absolut nichts Gefährliches, denn der Sowjetstaat ist ein Staat, in dem die Macht der Arbeiter und der armen Bevölkerung gesichert ist. Die „linken Kommunisten" haben diese unbestreitbaren Wahrheiten nicht begriffen, die natürlich ein „linker Sozialrevolutionär" niemals begreifen wird, weil er überhaupt nicht imstande ist, irgendwelche Gedanken über politische Ökonomie zu fassen, die aber jeder Marxist anerkennen muss. Mit einem linken Sozialrevolutionär lohnt es nicht zu streiten, es genügt auf ihn als „abschreckendes Beispiel" eines Schwätzers hinzuweisen, aber mit einem „linken Kommunisten" muss man streiten, denn hier begehen Marxisten einen Fehler, und die Analyse ihres Fehlers wird der Arbeiterklasse helfen, den richtigen Weg zu finden.

IV

Um die Frage noch klarer zu machen, wollen wir zunächst ein ganz konkretes Beispiel des Staatskapitalismus anführen. Alle wissen, was für ein Beispiel ich meine: Deutschland. Hier haben wir das „letzte Wort" der modernen großkapitalistischen Technik und der planmäßigen Organisation, die dem junkerlich-bürgerlichen Imperialismus unterstellt ist. Man werfe die gesperrten Worte hinaus, setze an Stelle des militaristischen, junkerlichen, bürgerlichen, imperialistischen Staates ebenfalls einen Staat, aber einen Staat von anderem sozialen Typus, anderem Klasseninhalt, einen Sowjetstaat, d. h. einen proletarischen Staat, und man wird die ganze Summe der Bedingungen erhalten, die den Sozialismus ergibt.

Der Sozialismus ist undenkbar ohne die großkapitalistische Technik, die sich auf den neuesten Errungenschaften der modernen Wissenschaft aufbaut, ohne eine planmäßige staatliche Organisation, die Dutzende Millionen Menschen zur strengsten Einhaltung einer einheitlichen Norm bei der Produktion und der Verteilung der Produkte zwingt. Davon haben wir Marxisten stets gesprochen. Mit Leuten, die sogar das nicht begriffen haben (die Anarchisten und die gute Hälfte der linken Sozialrevolutionäre), lohnt es nicht, auch nur zwei Sekunden für ein Gespräch zu verlieren.

Der Sozialismus ist ferner undenkbar ohne die Herrschaft des Proletariats im Staate. Das ist eine Binsenwahrheit. Und die Geschichte (von der niemand, außer den menschewistischen Dummköpfen ersten Ranges, erwartet hatte, dass sie in glatter, ruhiger, leichter und einfacher Weise uns den „vollen" Sozialismus bringen werde) hat einen so eigenartigen Verlauf genommen, dass sie im Jahre 1918 zwei getrennte Hälften des Sozialismus, eine neben der anderen, wie zwei künftige Küken unter der einen Schale des internationalen Imperialismus erzeugt hat. Deutschland und Russland verkörperten im Jahre 1918 am anschaulichsten einerseits die materielle Verwirklichung der Wirtschafts- und Produktionsbedingungen, der sozialökonomischen Bedingungen und andererseits der politischen Bedingungen für den Sozialismus.

Die siegreiche proletarische Revolution in Deutschland würde mit einem Male, mit ungeheurer Leichtigkeit, jede Schale des Imperialismus (die leider aus bestem Stahl verfertigt und deshalb nicht durch die Anstrengung eines jeden… Kükens zerbrochen werden kann) zerbrechen, den Sieg des Weltsozialismus ohne Schwierigkeiten oder unter geringfügigen Schwierigkeiten, bestimmt verwirklichen, – natürlich, wenn man den weltgeschichtlichen Maßstab des „Schwierigen" nimmt, nicht aber den engen Spießermaßstab.

Solange in Deutschland die Revolution mit ihrem „Ausbruch" noch säumt, ist es unsere Aufgabe, den Staatskapitalismus bei den Deutschen zu erlernen, ihn uns mit allen Kräften zu eigen zu machen, keine diktatorischen Methoden zu scheuen, um diese Aneignung noch mehr zu beschleunigen als Peter der Große die Aneignung der westlichen Kultur durch das barbarische Russland beschleunigte, wobei er vor barbarischen Methoden des Kampfes gegen die Barbarei nicht zurückschreckte. Wenn es unter den Anarchisten und linken Sozialrevolutionären (ich erinnere mich unwillkürlich an die Reden Karelins und Geys im Zentralexekutivkomitee) Leute gibt, die imstande sind, wie ein Narziss zu denken, dass es uns Revolutionären nicht gezieme, bei dem deutschen Imperialismus zu „lernen", so muss man nur eins sagen: die Revolution, die solche Leute ernst nehmen wollte, wäre hoffnungslos (und ganz mit Recht) verloren.

In Russland überwiegt jetzt gerade der kleinbürgerliche Kapitalismus, von dem sowohl zum staatlichen Großkapitalismus als auch zum Sozialismus ein und derselbe Weg: führt, der Weg über ein und dieselbe Zwischenstation, die „allgemeine Rechnungslegung und Kontrolle über die Produktion und die Verteilung der Produkte" heißt. Wer das nicht versteht, begeht einen unverzeihlichen wirtschaftlichen Fehler – entweder, weil er die Tatsachen der Wirklichkeit nicht kennt„ nicht sieht, was ist, nicht versteht, der Wahrheit ins Antlitz zu schauen oder aber sich auf die abstrakte Gegenüberstellung des „Kapitalismus" und „Sozialismus" beschränkt und nicht in die konkreten Formen und Stufen dieses Übergangs bei uns heute eindringt. In Paranthese kann gesagt werden, dass das derselbe theoretische Fehler ist, der die Besten aus dem Lager der „Nowaja Schisn" und des „Wperjod" irregeführt hat. Die Guten und Mittelmäßigen unter ihnen laufen aus Dummheit und Charakterlosigkeit hinter der Bourgeoisie her und sind von ihr eingeschüchtert. Die Besten aber haben nicht begriffen, dass die Lehrmeister des Sozialismus nicht umsonst von einer ganzen Periode des Überganges vom Kapitalismus zum Sozialismus, gesprochen und nicht vergebens die „langen Geburtswehen" der neuen Gesellschaft hervorgehoben haben. Und diese neue Gesellschaft ist wiederum eine Abstraktion, die nicht anders, als durch eine Reihe mannigfaltiger, unvollkommener konkreter Versuche, diesen oder jenen sozialistischen Staat zu schaffen, verwirklicht werden kann.

Gerade weil man von der jetzigen wirtschaftlichen Lage Russlands nicht vorwärtsschreiten kann, ohne das durchzumachen, was sowohl dem Staatskapitalismus als auch dem Sozialismus gemeinsam ist (die allgemeine Rechnungslegung und Kontrolle) , ist es ein glatter theoretischer Unsinn, die anderen und sich selbst mit der ,.Evolution zum Staatskapitalismus" („Kommunist" Nr. 1.) zu schrecken. Das heißt gerade, von dem wirklichen Weg der „Evolution" abschweifen, diesen Weg nicht verstehen; in der Praxis ist das gleichbedeutend mit einem Zurückdrängen zum kleinbürgerlichen Kapitalismus.

Damit der Leser sich davon überzeuge, dass ich keineswegs erst jetzt eine „hohe" Einschätzung des Staatskapitalismus gebe, sondern das auch vor der Übernahme der Macht durch die Bolschewiki getan habe, erlaube ich mir folgendes Zitat aus meiner Broschüre „Die drohende Katastrophe und der Kampf gegen sie", die ich im September 1917 geschrieben habe, anzuführen:

„ … Man versuche an die Stelle des junkerlich-kapitalistischen, an die Stelle des gutsherrlich-kapitalistischen Staates einen revolutionären, demokratischen Staat zu setzen, d. h. einen Staat, der in revolutionärer Weise alle Privilegien beseitigt, der keine Angst davor hat, die vollständigste Demokratie auf revolutionärem Wege zu verwirklichen? Ihr werdet sehen, dass der staatsmonopolistische Kapitalismus in einem wirklich revolutionären, demokratischen Staat unumgänglich, unvermeidlich einen Schritt und einige Schritte zum Sozialismus bedeutet!

Denn der Sozialismus ist nichts anderes als der nächste Schritt über das staatskapitalistische Monopol hinaus.

Der staatsmonopolistische Kapitalismus ist die vollständigste materielle Vorbereitung des Sozialismus, ist ein Vorzimmer zu ihm, ist jene Stufe der historischen Leiter, von der (der Stufe) bis zu der Stufe, die man Sozialismus nennt, keine Zwischenstufen vorhanden sind (S. 27 u. 28).

Man beachte, dass das unter Kerenski geschrieben worden ist, dass hier nicht die Rede ist von der Diktatur des Proletariats, nicht vom sozialistischen, sondern vom „revolutionären, demokratischen" Staat. Ist es wirklich nicht klar, dass wir, je höher wir uns über diese politische Stufe erheben, je vollkommener wir in den Sowjets den sozialistischen Staat und die Diktatur des Proletariats verkörpern, um so weniger den „Staatskapitalismus" zu fürchten brauchen? Ist es wirklich nicht klar, dass wir im materiellen, wirtschaftlichen Sinne, im Sinne der Produktion uns noch nicht im „Vorzimmer" des Sozialismus befinden? Und dass wir anders als durch dieses „Vorzimmer", das wir noch nicht erreicht haben, in die Tür zum Sozialismus nicht eintreten können?

Von welcher Seite man auch an die Frage herangehen mag, die Schlussfolgerung bleibt ein und dieselbe: die Meinung der „linken Kommunisten" über den angeblich uns bedrohenden „Staatskapitalismus" ist ein einziger ökonomischer Irrtum und ein offenbarer Beweis dafür, dass sie völlig im Bann gerade der kleinbürgerlichen Ideologie stehen.

V

Außerordentlich lehrreich ist noch folgender Umstand: Als wir im Zentralexekutivkomitee mit dem Genossen Bucharin stritten, da bemerkte er unter anderem: in der Frage der hohen Gehälter für die Fachleute sind „wir" (offenbar: wir „linke Kommunisten") „rechter als Lenin", denn wir sehen hier keinerlei Abweichung von den Prinzipien, eingedenk der Worte Marxens, dass es unter gewissen Bedingungen für die Arbeiterklasse am zweckmäßigsten wäre, „die ganze Bande auszukaufen" (gerade die Bande der Kapitalisten, d. h. bei der Bourgeoisie das Land, die Fabriken, die Werke und sonstige Produktionsmittel aufzukaufen).3

Diese außerordentlich interessante Bemerkung enthüllt erstens, dass Bucharin um zwei Köpfe die linken Sozialrevolutionäre und Anarchisten überragt, dass er keineswegs hoffnungslos in den Sumpf der Phrasen versunken ist, sondern im Gegenteil bemüht ist, sich in die konkreten Schwierigkeiten des Überganges – qualvollen und schwierigen Überganges – vom Kapitalismus zum Sozialismus hineinzudenken.

Zweitens enthüllt diese Bemerkung noch anschaulicher den Fehler Bucharins.

In der Tat. Versuchen wir uns in den Gedanken Marxens hineinzudenken.

Es handelte sich um das England der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, um die Kulminationsperiode des vormonopolistischen Kapitalismus, um ein Land, das damals am wenigsten Militarismus und Bürokratie kannte, um ein Land, in dem damals die meisten Möglichkeiten eines „friedlichen" Sieges des Sozialismus im Sinne des „Loskaufs" der Arbeiter von der Bourgeoisie vorhanden waren. Und Marx sagte: unter gewissen Bedingungen werden es die Arbeiter keineswegs ablehnen, sich von der Bourgeoisie loszukaufen. Marx band sich – und den künftigen Führern der sozialistischen Revolution – nicht die Hände in Bezug auf die Formen, Methoden der Umwälzung, denn er wusste sehr gut, was für eine Menge neuer Probleme dann erstehen wird, wie sich im Laufe der Umwälzung die ganze Situation ändern wird, wie oft und wie stark sie sich im Laufe der Umwälzung ändern wird.

Und ist es in Sowjetrussland, nach der Eroberung der Macht durch das Proletariat, nach der Unterdrückung des militärischen Widerstandes und der Sabotage der Ausbeuter etwa nicht augenscheinlich, dass einige Bedingungen sich so gestaltet haben, wie es vor einem halben Jahrhundert in England möglich gewesen wäre, wenn England damals friedlich zum Sozialismus überzugehen begonnen hätte? Die Unterordnung der Kapitalisten unter die Arbeiter in England wäre damals durch folgende Umstände gewährleistet worden: 1. durch das völlige Überwiegen der Arbeiter, der Proletarier unter der Bevölkerung infolge des Fehlens einer Bauernschaft (in England waren in den 70er Jahren Anzeichen vorhanden, die auf außerordentlich schnelle Erfolge des Sozialismus unter den Landarbeitern hoffen ließen); 2. durch die ausgezeichnete Organisiertheit des Proletariats in den Gewerkschaften (England war damals in dieser Hinsicht das erste Land der Welt); 3. durch das verhältnismäßig hohe Kulturniveau des Proletariats, das durch eine Jahrhunderte lange Entwicklung der politischen Freiheit geschult worden war; 4. durch die lange Gewohnheit der ausgezeichnet organisierten Kapitalisten Englands – damals waren sie die am besten organisierten Kapitalisten der Welt (jetzt ist Deutschland an die erste Stelle gerückt) –, politische und wirtschaftliche Fragen durch Kompromisse zu lösen. Nur infolge dieser Umstände konnte damals der Gedanke von der Möglichkeit einer friedlichen Unterordnung der Kapitalisten in England unter die Arbeiter entstehen.

Bei uns ist diese Unterordnung im gegebenen Augenblick durch gewisse grundlegende Voraussetzungen gewährleistet (durch den Sieg im Oktober und die Unterdrückung des militärischen Widerstandes und der Sabotage der Kapitalisten vom Oktober bis zum Februar). Bei uns aber war anstatt des völligen Überwiegens der Arbeiter, der Proletarier, unter der Bevölkerung und ihrer hohen Organisiertheit die Unterstützung der Proletarier durch die arme und rasch ruinierte Bauernschaft ein Faktor des Sieges. Schließlich haben wir auch keine hohe Kultur und keine Gewohnheit zu Kompromissen. Wenn man sich in diese konkreten Bedingungen hineindenkt, dann wird es klar, dass wir jetzt die Methoden der rücksichtslosen Abrechnung* mit den kulturell rückständigen Kapitalisten, die sich auf keinerlei „Staatskapitalismus" einlassen, die nichts von einem Kompromiss wissen wollen, die fortfahren, die Maßnahmen der Sowjetmacht durch Spekulation, Bestechung der armen Bevölkerung usw. zu durchkreuzen, mit den Methoden des Kompromisses oder des Loskaufs gegenüber den kulturell hochstehenden Kapitalisten verbinden können und müssen, die zum „Staatskapitalismus" bereit sind, die fähig sind, ihn durchzuführen, die dem Proletariat nützlich sind als kluge und erfahrene Organisatoren der größten Betriebe, die wirklich Dutzende Millionen Menschen mit Waren versorgen.

Bucharin ist ein glänzend gebildeter marxistischer Ökonomist. Deshalb erinnert er sich daran, dass Marx absolut recht hatte, als er die Arbeiter lehrte, wie wichtig es sei, die Organisation der Großproduktion gerade im Interesse der Erleichterung des Überganges zum Sozialismus zu erhalten; dass der Gedanke absolut zulässig sei, die Kapitalisten gut zu bezahlen, sich von ihnen loszukaufen, wenn (ausnahmsweise: England war damals eine Ausnahme) die Umstände sich so gestalten, dass die Kapitalisten gezwungen werden, sich friedlich unterzuordnen und in kultureller, organisierter Weise, unter der Bedingung des Loskaufs, zum Sozialismus überzugehen.

Aber Bucharin hat einen Fehler begangen, denn er hat sich nicht in die konkrete Eigenart des jetzigen Augenblicks in Russland hineingedacht, eines außerordentlichen Augenblicks, wo wir, das Proletariat Russlands, in Bezug auf unsere politische Ordnung, in Bezug auf die Stärke der politischen Macht der Arbeiter England und Deutschland voraus sind, aber in Bezug auf die Organisation eines ordentlichen Staatskapitalismus, in Bezug auf die Höhe der Kultur, den Grad der Vorbereitung zur materiellen „Einführung" des Sozialismus, zu seiner Einführung in der Produktion, hinter dem rückständigsten der westeuropäischen Staaten stehen. Ist es nicht klar, dass sich aus dieser eigenartigen Lage im gegenwärtigen Augenblick gerade die Notwendigkeit eines eigenartigen „Loskaufs" ergibt, den die Arbeiter den kulturell am höchsten stehenden, talentvollsten, organisatorisch begabtesten Kapitalisten vorschlagen müssen, die bereit sind, in den Dienst der Sowjetmacht zu treten und gewissenhaft zu helfen, die große und größte „staatliche" Produktion in Gang zu bringen? Ist es nicht klar, dass wir in einer so eigenartigen Lage versuchen müssen, zweierlei Fehler zu vermeiden, von denen jeder auf seine Weise ein kleinbürgerlicher Fehler ist? Einerseits wäre es ein unverbesserlicher Fehler zu erklären: wenn man die Nichtübereinstimmung zwischen unseren wirtschaftlichen „Kräften" und unserer politischen Kraft anerkennt, „so" hätte man die Macht nicht ergreifen sollen. So denken weltfremde Menschen, die vergessen, dass es niemals eine „Übereinstimmung" geben wird, dass sie weder in der Entwicklung der Natur noch in der Entwicklung der Gesellschaft möglich ist, dass der ganze Sozialismus nur durch eine Reihe von Versuchen – von denen jeder einzeln genommen einseitig ist, an einer gewissen Nichtübereinstimmung leiden wird – aus der revolutionären Zusammenarbeit der Proletarier aller Länder entsteht.

Andererseits wäre es ein offenbarer Fehler, den Schreihälsen und Maulhelden freien Lauf zu lassen, die sich durch „feurigen" Radikalismus hinreißen lassen, aber zu einer konsequenten, durchdachten, wohlerwogenen, die schwierigsten Übergänge in Rechnung stehenden revolutionären Arbeit nicht fähig sind.

Zum Glück hat uns die Geschichte der Entwicklung der revolutionären Parteien und des Kampfes des Bolschewismus mit ihnen scharf ausgeprägte Typen hinterlassen, von denen die linken Sozialrevolutionäre und Anarchisten ziemlich anschaulich den Typus der schlechten Revolutionäre illustrieren. Sie erheben jetzt ein Geschrei, ein hysterisches, fürchterliches Geschrei gegen die „Kompromisspolitik" der „rechten Bolschewiki". Aber sie sind nicht imstande darüber nachzudenken, weshalb die „Kompromisspolitik" schlecht war und wofür durch die Geschichte und den Gang der Revolution mit Recht das Urteil über sie gesprochen wurde.

Die Kompromisspolitik der Kerenskiperiode räumte die Macht der imperialistischen Bourgeoisie ein, die Machtfrage aber ist: die Grundfrage einer jedem Revolution. Die Kompromisspolitik eines Teils der Bolschewiki im Oktober-November 1917 fürchtete entweder die Übernahme der Macht durch das Proletariat oder wollte die Macht nicht nur mit „unzuverlässigen Mitläufern" wie den linken Sozialrevolutionären gleichmäßig teilen, sondern auch mit den Feinden, den Tschernowleuten, den Menschewiki, die uns unvermeidlich bei dem Wichtigsten gestört hätten: bei der Auseinanderjagung der Konstituante, bei der rücksichtslosen Niederschlagung der Leute vom Schlage Bogajewskis, bei dem völligen Ausbau des Systems der Sowjetinstitutionen, bei jeder Konfiskation.

Jetzt ist die Macht erobert, behauptet, gefestigt, in den Händen einer Partei, der Partei des Proletariats, sogar ohne die „unzuverlässigen Mitläufer". Jetzt von Kompromisspolitik zu sprechen, wo nicht einmal die Rede sein kann von einer Teilung, der Macht, von einem Verzicht auf die Diktatur der Proletarier gegen die Bourgeoisie, heißt einfach, wie ein Papagei, auswendig gelernte, aber unverstandene Worte wiederholen. Wenn man als „Kompromisspolitik" bezeichnet, dass wir in einer Lage, wo wir das Land verwalten können und müssen, versuchen, die kulturell am höchsten stehenden, vom Kapitalismus geschulten Elemente heranzuziehen, – ohne Geld zu scheuen –, sie in unseren Dienst zu stellen gegen den kleinbürgerlichen Zerfall, so heißt das, dass man nicht im Geringsten versteht, über die wirtschaftlichen Aufgaben des sozialistischen Aufbaus nachzudenken.

Und wie sehr auch der Umstand für den Genossen Bucharin spricht, dass er im Zentralexekutivkomitee sofort über den „Dienst", den ihm Karelin und Gey erwiesen, „errötete" so bleibt doch für die Strömung der „linken Kommunisten" der Hinweis auf ihre politischen Mitkämpfer eine ernste Warnung.

Da habt ihr „Snamja Truda", das Organ der linken Sozialrevolutionäre, das in der Nummer vom 25. April 1918 stolz erklärt: „Der jetzige Standpunkt unserer Partei solidarisiert sich: mit der anderen Strömung des Bolschewismus (Bucharin, Pokrowski u. a.)". Da habt ihr das menschewistische Organ „Wperjod" vom selben Datum, das übrigens folgende „These" des nicht unbekannten Menschewiks Issuw enthält:

Die von Anfang an eines wirklich proletarischen Charakters bare Politik der Sowjetmacht betritt in der letzten Zeit immer offener den Weg der Verständigung mit der Bourgeoisie und nimmt einen ausgesprochen arbeiterfeindlichen Charakter an. Unter der Flagge der Nationalisierung der Industrie wird eine Politik der Schaffung von Industrietrusts durchgeführt, unter der Flagge der Wiederherstellung der Produktivkräfte des Landes werden Versuche unternommen, den achtstündigen Arbeitstag zu beseitigen, den Akkordlohn und das Taylorsystem, die schwarzen Listen und die „Wolfspässe"4 einzuführen. Diese Politik beschwört die Gefahr herauf, dass das Proletariat seiner wichtigsten Errungenschaften auf wirtschaftlichem Gebiet beraubt und zum Opfer der grenzenlosen Ausbeutung durch die Bourgeoisie wird".

Nicht wahr, ausgezeichnet?

Die Freunde Kerenskis, die zusammen mit ihm den imperialistischen Krieg im Namen der Geheimverträge führten, die den russischen Kapitalisten Annexionen versprachen, die Kollegen Zeretelis, der am 22. (9.) Juni die Arbeiter entwaffnen wollte5, die Liber und Dan, die die Macht der Bourgeoisie mit wohlklingenden Phrasen bemäntelten – ausgerechnet sie überführen die Sowjetmacht der „Verständigung mit der Bourgeoisie", der „Schaffung von Trusts" (d. h. gerade der Schaffung des „Staatskapitalismus"!), der Einführung des Taylorsystems!

Ja, die Bolschewiki müssen Issuw eine Medaille übergeben, und seine These in jedem Arbeiterklub und jeder Gewerkschaft aushängen als Muster der provokatorischen Reden der Bourgeoisie. Die Arbeiter kennen jetzt gut, kennen auf Grund ihrer eigenen Erfahrung alle diese Liber, Dan, Zereteli, Issuw, und eine aufmerksame Überlegung, warum solche Lakaien der Bourgeoisie die Arbeiter zum Widerstand gegen das Taylorsystem und die „Schaffung der Trusts" provozieren, wird für die Arbeiter außerordentlich nützlich sein.

Die klassenbewussten Arbeiter werden die „These" des Freundes der Herren Liber, Dan und Zereteli, die These des Herrn Issuw, mit folgender These der „linken Kommunisten" aufmerksam vergleichen!

Die Einführung der Arbeitsdisziplin in Verbindung mit der Wiederherstellung der Leitung der Produktion durch die Kapitalisten kann die Produktivität der Arbeit nicht wesentlich erhöhen, wird aber die Selbständigkeit, Aktivität und Organisiertheit des Proletariats als Klasse verringern. Sie beschwört die Gefahr der Versklavung der Arbeiterklasse herauf, sie wird Unzufriedenheit sowohl unter den rückständigen Schichten als auch unter der Vorhut des Proletariats hervorrufen. Zur Durchführung dieses Systems müsste die Kommunistische Partei, bei dem in den Reihen des Proletariats herrschenden starken Klassenhass gegen die „kapitalistischen Saboteure", sich auf die Kleinbourgeoisie stützen und gegen die Arbeiter vorgehen, wodurch sie sich als Partei des Proletariats zugrunde richten würde" („Kommunist", Nr. 1).

Da haben wir den besten Beweis dafür, wie die „Linken" in die Falle geraten, auf die Provokation der Issuw und anderer Judasse des Kapitalismus hereingefallen sind. Das ist eine gute Lehre für die Arbeiter, die wissen, dass gerade die Vorhut des Proletariats für die Einführung der Arbeitsdisziplin ist, dass gerade die Kleinbourgeoisie die größten Anstrengungen macht, um diese Disziplin zu erschüttern. Solche Äußerungen, wie die angeführte These der „Linken", sind die größte Schande, sind eine völlige Lossage vom Kommunismus, ein völliger Übergang gerade auf die Seite der Kleinbourgeoisie.

In Verbindung mit der Wiederherstellung der Leitung durch die Kapitalisten", – mit solchen Worten wollen die „linken Kommunisten" sich „verteidigen". Eine ganz untaugliche Verteidigung, denn erstens wird die „Leitung" den Kapitalisten von der Sowjetmacht übertragen, und zwar haben wir Arbeiterkommissare oder Arbeiterausschüsse, die jeden Schritt des Leiters überwachen, von seiner Erfahrung als Leiter lernen und die Möglichkeit haben, nicht nur die Anordnungen des Leiters anzufechten, sondern auch ihn durch die Organe der Sowjetmacht abzusetzen. Zweitens wird den Kapitalisten die „Leitung" erteilt zur Ausübung von exekutiven Funktionen während der Arbeit, deren Bedingungen gerade von der Sowjetmacht festgesetzt und von ihr abgeändert und revidiert werden. Drittens erteilt die Sowjetmacht den Kapitalisten die „Leitung" nicht als Kapitalisten, sondern als Fachleuten, Technikern oder Organisatoren gegen eine hohe Bezahlung. Und die Arbeiter wissen sehr gut, dass die Organisatoren der wirklich großen und größten Betriebe, Trusts oder anderen Einrichtungen zu 99 von 100 zur Kapitalistenklasse gehören, ebenso wie die erstklassigen Techniker. Aber wir, die proletarische Partei, müssen gerade sie als „Leiter" des Arbeitsprozesses und der Organisation der Produktion nehmen, denn andere Leute, die diese Sache aus der Praxis, aus der Erfahrung kennen, gibt es nicht. Denn die Arbeiter, die über das Kindesalter hinaus sind, wo sie durch die „linke Phrase" oder durch die kleinbürgerliche Zügellosigkeit irregeführt werden konnten, gelangen zum Sozialismus gerade auf dem Wege über die kapitalistische Leitung der Trusts, die maschinelle Großproduktion, Betriebe mit Umsätzen von mehreren Millionen jährlich, – nur auf dem Wege über eine solche Produktion und solche Betriebe. Die Arbeiter sind keine Kleinbürger. Sie haben keine Angst vor dem größten „Staatskapitalismus", sie schätzen ihn als proletarisches Werkzeug, das ihre Sowjetmacht gegen den kleinbürgerlichen Zerfall gebrauchen wird.

Das verstehen nur die deklassierten und deshalb durch und durch kleinbürgerlichen Intellektuellen nicht, als deren Typus, unter der Gruppe der „linken Kommunisten" in ihrer Zeitschrift ein Autor auftritt, der schreibt:

„… die ganze Initiative bei der Organisierung und Leitung des Betriebs wird den Organisatoren der Trusts gehören: denn wir wollen sie das nicht lehren, sie nicht zu einfachen Arbeitern machen, sondern bei ihnen lernen („Kommunist", Nr. 1)".

Das Ironische in diesem Satz richtet sich gegen meine Worte: „Bei den Organisatoren der Trusts Sozialismus lernen".

Für den Autor ist das lächerlich. Er will die Organisatoren, der Trusts zu „einfachen Arbeitern" machen. Wenn das ein Mensch in einem Alter geschrieben hätte, von dem der Dichter sagt: „15 Jahre alt, nicht mehr?"6 – dann brauchten wir uns nicht zu wundern. Aber von einem Marxisten, der gelernt hat, dass der Sozialismus unmöglich ist ohne Ausnutzung der Errungenschaften der Technik und Kultur, die der fortgeschrittenste Kapitalismus erreicht hat, solche Reden zu hören, ist etwas seltsam. Vom Marxismus ist hier nichts übriggeblieben.

Nein. Nur diejenigen sind würdig, sich Kommunisten zu nennen, die verstehen, dass es unmöglich ist, den Sozialismus, aufzubauen oder einzuführen, ohne bei den Organisatoren der Trusts zu lernen. Denn der Sozialismus ist keine Erfindung, sondern bedeutet, dass die proletarische Vorhut, die die Macht erobert hat, alles, was die Trusts geschaffen haben, sich zu eigen macht und anwendet. Wo sollen wir, die Partei des Proletariats, die Kenntnisse hernehmen, um die Großproduktion nach dem Muster der Trusts, als Trusts zu organisieren, wo sollen wir sie hernehmen, wenn nicht bei den erstklassigen Fachleuten des Kapitalismus.

Es hat keinen Zweck, sie zu belehren, wenn man sich nicht das kindische Ziel stellen will, den bürgerlichen Intellektuellen Sozialismus „beizubringen": man muss sie nicht belehren, sondern enteignen (was in Russland ziemlich „entschieden" getan wird), man muss ihre Sabotage brechen, man muss sie als Schicht oder Gruppe der Sowjetmacht unterordnen. Wir müssen bei ihnen, wenn wir keine Kommunisten im Kindesalter sind und keine kindischen Auffassungen haben – wir müssen bei ihnen lernen, denn die Partei des Proletariats und die Vorhut des Proletariats hat keine Erfahrung in der selbständigen Organisierung von Riesenbetrieben, die für Dutzende Millionen Menschen arbeiten.

Die besten Arbeiter in Russland haben das begriffen. Sie haben begonnen, bei den kapitalistischen Organisatoren, bei den leitenden Ingenieuren, bei den Technikern und Fachleuten zu lernen. Sie haben energisch und vorsichtig mit dem Leichteren angefangen und gehen allmählich zum Schwierigeren über. Wenn in der Hüttenindustrie und im Maschinenbau die Sache langsamer vor sich geht, so deshalb, weil sie schwieriger ist. Die Textilarbeiter, die Tabakarbeiter, die Lederarbeiter aber haben keine Angst vor dem „Staatskapitalismus", wie die deklassierten kleinbürgerlichen Intellektuellen, haben keine Angst davor, „bei den Organisatoren der Trusts zu lernen". Diese Arbeiter in den zentralen leitenden Institutionen, wie z. B. in der „Lederzentralstelle" oder in der „Textilzentralstelle" sitzen neben den Kapitalisten, lernen bei ihnen, organisieren Trusts, organisieren den „Staatskapitalismus", der unter der Sowjetmacht das Vorzimmer zum Sozialismus, die Bedingung für einen dauernden Sieg des Sozialismus ist.

Diese Arbeit der fortgeschrittenen Arbeiter Russlands geht Hand in Hand mit ihrer Arbeit zur Einführung der Arbeitsdisziplin, ohne Lärm, ohne viel Aufsehens, ohne Phrasen, ohne Pauken und Trompeten vor sich, die einige „Linke" nicht entbehren können, geht mit größter Vorsicht und Stetigkeit, unter Berücksichtigung der Lehren der Praxis vor sich. Diese schwere Arbeit, die Arbeit des praktischen Studiums des Aufbaus der Großproduktion ist die Bürgschaft dafür, dass wir auf dem richtigen Wege sind, die Bürgschaft dafür, dass die klassenbewussten Arbeiter Russlands den Kampf gegen den kleinbürgerlichen Zerfall, gegen die kleinbürgerliche Undiszipliniertheit** führen, ist die Bürgschaft für den Sieg des Kommunismus.

VI

Zum Schluss zwei Bemerkungen.

Als wir mit den „linken Kommunisten" am 4. April 1918 (siehe „Kommunist" Nr. 1) polemisierten, richtete ich an sie in aller Schärfe die Aufforderung: erklärt doch, womit ihr im Dekret über die Eisenbahnen unzufrieden seid, macht eure Abänderungsvorschläge. Das ist eure Pflicht als Leiter des Proletariats in den Sowjets, sonst bleiben eure Worte nichts als Phrasen.

Am 20. April 1918 erschien die Nr. 1 des „Kommunist" und in ihr ist kein einziges Wort darüber enthalten, wie man nach der Auffassung der „linken Kommunisten" das Dekret über die Eisenbahnen abändern und korrigieren müsste.

Mit diesem Stillschweigen haben die „linken Kommunisten" über sich selbst das Urteil gesprochen. Sie beschränkten sich auf Ausfälle und Anspielungen gegen das Dekret über die Eisenbahnen7 (Seite 8 und 16 in der Nr. 1 des „Kommunist"), aber auf die Frage „Wie soll man das Dekret verbessern, wenn es nicht richtig ist?" – haben sie nichts Vernünftiges geantwortet.

Jeder Kommentar ist überflüssig. Eine solche „Kritik" des Dekrets über die Eisenbahnen (eines Musters unserer Politik, der Politik der Festigkeit, der Diktatur, der proletarischen Disziplin) werden die klassenbewussten Arbeiter entweder als „Issuwpolitik" oder als Phrase bezeichnen.

Die zweite Bemerkung. In Nr. 1 des „Kommunist" ist eine für mich sehr schmeichelhafte Rezension des Genossen Bucharin über meine Broschüre „Staat und Revolution" veröffentlicht. Aber wie wertvoll auch für mich die Meinung solcher Leute wie Bucharin ist, so muss ich doch ehrlich gestehen, dass der Charakter der Rezension eine traurige und bemerkenswerte Tatsache enthüllt: Bucharin blickt auf die Aufgaben der proletarischen Diktatur, indem er das Gesicht der Vergangenheit und nicht der Zukunft zuwendet. Bucharin hat bemerkt und hervorgehoben, was es in der Frage des Staates bei dem proletarischen und kleinbürgerlichen Revolutionär Gemeinsames geben kann. Bucharin hat aber gerade „nicht bemerkt", was den einen vom andern trennt.

Bucharin hat bemerkt und hervorgehoben, dass man den alten Staatsapparat „zerschlagen", „sprengen" muss, dass man die Bourgeoisie „erdrosseln" muss usw. Der wild gewordene Kleinbürger kann das ebenfalls wollen. Und das hat unsere Revolution vom Oktober 1917 bis zum Februar 1918 in den Hauptzügen bereits getan.

Was aber sogar der revolutionärste Kleinbürger nicht wollen kann, was der klassenbewusste Proletarier will, was unsere Revolution noch nicht getan hat, – davon ist ebenfalls in meiner Broschüre die Rede. Und über diese Aufgabe, über die Aufgabe des morgigen Tages, hat sich Bucharin ausgeschwiegen.

Ich habe aber um so mehr Veranlassung dazu, darüber nicht zu schweigen, erstens, weil man von einem Kommunisten größere Aufmerksamkeit für die Aufgaben des morgigen Tages und nicht des gestrigen Tages erwarten muss, zweitens ist meine Broschüre vor der Eroberung der Macht durch die Bolschewiki geschrieben worden, als man die Bolschewiki nicht mit vulgären spießerhaften Betrachtungen abspeisen konnte, wie: „Nun ja, nachdem man die Macht ergriffen hat, beginnt man natürlich das Lied von der Disziplin zu singen"…

„ … Der Sozialismus wird in den Kommunismus umschlagen … denn die Menschen werden sich gewöhnen, die elementaren Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens ohne Gewalt und ohne Zwang einzuhalten" („Staat und Revolution"). Von den „elementaren Regeln" war also vor der Eroberung der Macht die Rede.

„ … Erst dann beginnt die Demokratie abzusterben"… wenn „die Menschen sich allmählich gewöhnen werden, die elementaren, von alters her bekannten und seit Jahrtausenden in allen Vorschriften wiederholten Regeln des Zusammenlebens einzuhalten, ohne Gewalt, ohne Zwang, ohne einen besonderen Zwangsapparat, den man Staat nennt" (ebenda; von den „Vorschriften" war die Rede vor der Machteroberung).

„ … Die höhere Phase der Entwicklung des Kommunismus" (jedem nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten) „setzt nicht die heutige Arbeitsproduktivität und nicht den heutigen Spießer voraus, der es fertigbringt, ohne jeden Grund, wie die Seminaristen bei Pomjalowski, die Lager mit gesellschaftlichen Reichtümern zu verwüsten und das Unmögliche zu fordern".

„ … Bis zum Eintritt der höheren Phase des Kommunismus fordern die Sozialisten die strengste Kontrolle der Gesellschaft und des Staats über das Maß der Arbeit und das Maß des Verbrauchs" (ebenda).

„ … Rechnungslegung und Kontrolle – ist das Wichtigste, was zum Ingangbringen, zum richtigen Funktionieren der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft erforderlich ist". Und diese Kontrolle muss man nicht nur über eine „verschwindende Minderheit von Kapitalisten, über die Herrchen, die die kapitalistischen Allüren gern bewahren möchten" einführen, sondern auch über diejenigen unter den Arbeitern, die „durch den Kapitalismus stark zersetzt worden sind", und über die „Müßiggänger, die Herrensöhnchen, die Gauner und ähnliche Hüter der Traditionen des Kapitalismus" (ebenda).

Es ist bemerkenswert, dass Bucharin gerade das nicht hervorgehoben hat.

1 In die Broschüre „Die Hauptaufgaben unserer Tage" wurden zwei Artikel Lenins aufgenommen: 1. „Die Hauptaufgaben unserer Tage" und 2. „Über ,linke' Kinderei und Kleinbürgerlichkeit". Diesen Artikeln schickte Lenin in der Broschüre folgendes Vorwort voraus: „In der vorliegenden Broschüre sind zwei Zeitungsartikel vereinigt worden, die in den „Iswestija" vom 12. III. 1918 und in der „Prawda" vom 9. -11. V. 1918 erschienen sind. Beide Artikel behandeln von verschiedenen Seiten das Thema, das in dem Titel der Broschüre gekennzeichnet wird. Moskau, 17. V. 1918. Der Verfasser."

2 Lenin meint offenbar folgende Stelle aus dem Buch Clausewitz' „Vom Kriege": „Wir haben den freiwilligen Rückzug in das Innere des Landes als eine eigene mittelbare Widerstandsart angesehen, bei welcher der Feind nicht sowohl durch das Schwert als durch seine eigenen Anstrengungen zugrunde gehen soll. Es wird also hierbei entweder gar keine Hauptschlacht vorausgesetzt, oder der Zeitpunkt derselben so spät angenommen, dass die feindlichen Kräfte schon beträchtlich geschwächt sind. Jeder im Angriff Vorschreitende wird in seiner Streitkraft durch dieses Vorschreiten geschwächt." (Clausewitz Karl, Hinterlassene Werke über Krieg und Kriegführung. „Vom Kriege", 2. Teil, Berlin, Ferdinand Dümmler, 1883, 25. Kap.: „Rückzug in das Innere des Landes", S. 355.)

3 Gemeint ist folgende Äußerung von Engels: „Marx hat mir – wie oft! – als seine Ansicht ausgesprochen, wir kämen am wohlfeilsten weg, wenn wir die ganze Bande auskaufen könnten." (Siehe Fr. Engels: „Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland". „Neue Zeit", 1895, Jahrgang XIII, Band I, S. 305.)

* Man muss auch hier der Wahrheit ins Antlitz sehen: es mangelt bei uns immer noch an der Rücksichtslosigkeit, die für den Erfolg des Sozialismus notwendig ist, und zwar mangelt es nicht daran, weil keine Entschlossenheit da ist. Entschlossenheit ist bei uns zur Genüge da. Es fehlt jedoch an der Fähigkeit, schnell genug eine genügende Zahl von Spekulanten, Marodeuren, Kapitalisten, die die Maßnahmen der Sowjetmacht durchkreuzen, zu fassen. Denn diese „Fähigkeit" erlangt man nur durch die Organisierung der Rechnungslegung und Kontrolle! Zweitens fehlt es an der genügenden Festigkeit bei den Gerichten, die anstatt diejenigen, die Bestechungen annehmen, zu erschießen, sie mit einem halben Jahr Gefängnis bestrafen. Diese beiden Mängel haben eine einzige soziale Wurzel: den Einfluss der kleinbürgerlichen Umgebung, ihre Ohnmacht.

4 Eine Legitimation, deren Besitzer nirgendwo Arbeit bekommen konnte. Die Red.

5 Gemeint ist die Rede I. Zeretelis vom 24. (11.) Juni 1917 in der Sitzung des Exekutivkomitees des Petrograder Arbeiter- und Soldatenrats zusammen mit den Mitgliedern des Präsidiums des I. Allrussischen Rätekongresses und dem Vorstand der Fraktion des Kongresses über die Frage der bolschewistischen Demonstration.

6 Ein Zitat aus einem Epigramm W. L. Puschkins (nicht des Klassikers!)

** Außerordentlich charakteristisch ist, dass bei den Verfassern der Thesen keine Silbe über die Bedeutung der Diktatur des Proletariats auf ökonomischem Gebiet zu finden ist. Sie sprechen nur von „Organisiertheit" usw. Das erkennt auch der Kleinbürger an, den gerade die Diktatur der Arbeiter in den ökonomischen Verhältnissen schreckt. Ein proletarischer Revolutionär könnte in einem solchen Moment niemals diesen „Kern" der proletarischen Revolution „vergessen", die sich gegen die wirtschaftlichen Grundlagen des Kapitalismus richtet.

7 Lenin meint offenbar folgenden Absatz aus den „Thesen über die gegenwärtige Lage": „Die Form der staatlichen Verwaltung muss sich in der Richtung der bürokratischen Zentralisierung der Herrschaft verschiedener Kommissare, der Beseitigung der Selbständigkeit der lokalen Sowjets und des faktischen Verzichts auf einen von den Massen geleiteten ,Kommunestaat' entwickeln. Zahlreiche Tatsachen beweisen, dass bereits eine bestimmte Tendenz zu dieser Entwicklung vorhanden ist (das Dekret über die Verwaltung der Eisenbahnen, die Artikel von Lazis usw.)" und folgende Stelle aus dem Artikel N. Ossinskis „Über den Aufbau des Sozialismus": ,,…Denn es ist klar, dass mit der Zentralisierung der Verwaltung auch hier sich ihr selbstherrlicher Charakter verbindet. Die in die Betriebe geschickten Direktoren haben die ganze Macht und das Recht, zu verlangen, dass sich ihnen alles unterordne. In dieser Form wird sich die Selbstdisziplin entwickeln, wird Ordnung geschaffen werden." (Siehe das Dekret über die Verwaltung der Eisenbahnen.")

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