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Wladimir I. Lenin 19210309 Schlusswort zum Bericht des Zentralkomitees der KPR (B)

Wladimir I. Lenin: Schlusswort zum Bericht des Zentralkomitees der KPR (B)

X. Parteitag der KPR(B). 8.-16. März 1921

9. März

[Erschienen 1921 in dem Buch: „X. Parteitag der Kommunistischen Partei Russlands. Stenogr. Bericht (8.–16. März 1921)“. Staatsverlag 1921. Nach Sämtliche Werke, Band 26, Moskau 1940, S. 271-288]

Genossen! Es war natürlich zu erwarten, dass sowohl die Kritik als auch die Bemerkungen, sowohl die Ergänzungen als auch die Abänderungsanträge usw. zum Bericht über die politische Tätigkeit des Zentralkomitees am meisten auf die politische Arbeit, die politischen Fehler gerichtet sein werden und dass man politische Hinweise geben wird.

Wenn man aber die Diskussion, die sich hier entrollt hat, aufmerksam prüft, wenn man noch einmal die Hauptpunkte nachliest, die in dieser Diskussion aufgeworfen wurden, so kann man leider nicht umhin, sich zu fragen: hat der Parteitag nicht deshalb diese Diskussion so rasch geschlossen, weil so erstaunlich inhaltslos gesprochen wurde und fast nur Vertreter der „Arbeiteropposition“ sprachen? In der Tat, was haben wir über die politische Arbeit des ZK und die politischen Aufgaben des gegenwärtigen Augenblicks gehört? Die Mehrheit der Redner bezeichnete sich als „Arbeiteropposition“ – eine Bezeichnung nicht zum Scherzen!… Und es ist auch kein Scherz, in einem solchen Augenblick, in einer solchen Partei eine Opposition zu bilden!

Genossin Kollontai hat z. B. offen erklärt: „In Lenins Referat ist Kronstadt übergangen worden.“ Als ich das hörte, konnte ich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Alle auf dem Parteitag Anwesenden wissen wohl – natürlich kann man in den Zeitungsberichten nicht so offen sprechen wie hier –, dass ich in meinem Referat hier alles auf die Lehren von Kronstadt bezogen habe, alles, von A bis Z. Ich hätte wohl eher den Vorwurf verdient, dass der größere Teil des Referats von den Lehren für die Zukunft handelte, die sich aus den Kronstädter Ereignissen ergeben, und der kleinere Teil von den Fehlern der Vergangenheit, von den politischen Tatsachen und Knotenpunkten unserer Arbeit, die meines Erachtens unsere politischen Aufgaben bestimmen und uns helfen, solche Fehler zu vermeiden.

Was haben wir hier über die Lehren von Kronstadt gehört?

Wenn Leute im Namen einer Opposition auftreten, diese Opposition als „Arbeiteropposition“ bezeichnen und erklären, dass das ZK die Politik der Partei nicht richtig geleitet habe, dann muss diesen Leuten gesagt werden: man soll diese Unrichtigkeiten in den Grundfragen aufzeigen, man soll zeigen, wie sie zu korrigieren sind. Leider haben wir absolut nichts, keine einzige Silbe, kein Sterbenswort über die gegenwärtige Lage und ihre Lehren gehört. Hier wurde die Schlussfolgerung, die ich gezogen habe, nicht einmal gestreift. Es mag wohl sein, dass diese Schlussfolgerung unrichtig ist, aber dazu eben wird auf dem Parteitag Bericht erstattet, damit diese Unrichtigkeiten korrigiert werden. Die Partei zusammenschweißen, keine Opposition in der Partei zulassen – das ist die politische Schlussfolgerung aus der gegenwärtigen Lage; die wirtschaftliche Schlussfolgerung aber lautet: sich nicht mit dem zufrieden geben, was in der Politik der Verständigung der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft getan worden ist, neue Wege suchen, dieses Neue anwenden, erproben. Ich habe konkret aufgezeigt, was Not tut. Vielleicht ist das nicht richtig, aber kein Mensch hat auch nur ein Wort darüber gesagt. Einer der Redner, ich glaube Rjasanow, hat mir lediglich den Vorwurf gemacht, dass die Steuer in meiner Rede urplötzlich aufgetaucht sei, ohne in einer Diskussion vorbereitet worden zu sein. Das stimmt nicht. Ich wundere mich nur, wie verantwortliche Genossen vor dem Parteitag solche Äußerungen machen können. Die Diskussion über die Steuer ist vor einigen Wochen in der „Prawda“ eröffnet worden. Wenn Genossen, die es lieben, Opposition zu spielen und uns Vorwürfe zu machen, dass wir nicht die Möglichkeit zu einer breiten Diskussion geben, an dieser Diskussion nicht teilnehmen wollten, so ist das ihre Schuld. Wir sind mit der Redaktion der „Prawda“ nicht nur dadurch verbunden, dass Genosse Bucharin Mitglied des Zentralkomitees ist, sondern auch dadurch, dass die wichtigsten Fragen und die wichtigsten Linien der Politik stets vom ZK beraten werden. Sonst wäre eine politische Arbeit nicht möglich. Die Frage der Steuer wurde vom ZK zur Diskussion gestellt. In der „Prawda“ erschienen Artikel. Niemand antwortete auf diese Artikel. Damit haben diejenigen, die nicht antworteten, gezeigt, dass sie an dieser Frage nicht arbeiten wollten. Als aber bereits nach dem Erscheinen dieser Artikel in einer Sitzung des Moskauer Sowjets ein Teilnehmer dieser Sitzung auftrat – ich erinnere mich nicht mehr, ob es ein Parteiloser oder ein Menschewik war – und über die Steuer zu sprechen anfing, da erklärte ich: Sie wissen nicht, was in der „Prawda“ steht. Es war natürlicher, diesen Vorwurf einem Parteilosen zu machen, als einem Parteimitglied. Die Diskussion in der „Prawda“ wurde nicht zufällig eröffnet, auch auf dem Parteitag werden wir uns mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Die Redner haben in ihrer Kritik absolute Unsachlichkeit an den Tag gelegt. Die Frage war zur Diskussion gestellt, und man hätte an ihr teilnehmen sollen, sonst wird diese ganze Kritik gegenstandslos. Genau dasselbe ist in der politischen Frage der Fall. Wie gesagt: meine ganze Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, die richtige Schlussfolgerung aus den letzten Ereignissen zu ziehen.

Wir machen eine Zeit durch, in der eine ernste Gefahr vor uns heraufzieht: die kleinbürgerliche Konterrevolution ist, wie ich schon gesagt habe, gefährlicher als Denikin. Das haben die Genossen nicht bestritten. Diese Konterrevolution ist um so eigenartiger, als sie eine kleinbürgerliche, anarchische ist. Ich behaupte nun, dass zwischen den Ideen und den Losungen dieser kleinbürgerlichen, anarchischen Konterrevolution und den Losungen der „Arbeiteropposition“ ein Zusammenhang besteht. Von den Rednern – obwohl meistens Vertreter der „Arbeiteropposition“ gesprochen haben – hat gerade darauf niemand geantwortet. Indessen wird das durch die von der Genossin Kollontai zum Parteitag herausgegebene Broschüre der „Arbeiteropposition“ so anschaulich wie nur möglich bestätigt. Und ich werde mich wohl am meisten mit dieser Broschüre befassen müssen, um euch klarzumachen, warum die Konterrevolution, von der ich sprach, eine anarchische, kleinbürgerliche Form annimmt, warum sie so ungeheuerlich und gefährlich ist und warum die Vertreter der „Arbeiteropposition“, die hier zu Worte kommen, diese Gefahr überhaupt nicht verstehen.

Aber bevor ich darangehe, den Vertretern der „Arbeiteropposition“ zu antworten, die hier gesprochen haben, möchte ich, um es nicht zu vergessen, einige Worte zu einem anderen Thema sagen, über Ossinski. Da nahm ein Genosse das Wort, der nicht wenig geschrieben hat und mit einer eigenen Plattform, mit einer Kritik am Bericht des ZK, hervorgetreten ist. Man hätte erwarten sollen, dass er auf dem Parteitag eine für uns sehr wichtige Kritik der wichtigsten Maßnahmen geben würde. Statt einer solchen Kritik erklärte er, man hätte Sapronow „hinausgeworfen“ und daraus gehe klar hervor, dass die Worte von der Notwendigkeit der Geschlossenheit den Tatsachen zuwiderlaufen, und er betonte, dass zwei Vertreter der „Arbeiteropposition“ ins Präsidium gewählt worden sind. Ich bin erstaunt, wie ein höchst angesehener Parteischriftsteller und Parteifunktionär, der einen verantwortlichen Posten bekleidet, mit solchen Lappalien, die eine Bedeutung zehnten Ranges haben, auftreten kann!… Eine spezifische Besonderheit Ossinskis ist, dass er in allem Politikantentum sieht. Dieses Politikantentum sieht er auch darin, dass der „Arbeiteropposition“ zwei Sitze im Präsidium eingeräumt worden sind.

Ich habe in einer Parteiversammlung in Moskau – leider muss ich das jetzt auch auf dem Parteitag wiederholen – den Beginn der Entstehung der „Arbeiteropposition“ festgestellt, die im Oktober und November sich dadurch hervortat, dass sie sich bis zum System der zwei Sitzungssäle, bis zur Bildung einer Fraktion verstiegen hat.

Wir, insbesondere ich – in dieser Beziehung gab es keine Meinungsverschiedenheiten im ZK –, sprachen wiederholt davon, dass unsere Aufgabe darin besteht, in der „Arbeiteropposition“ das Gesunde vom Ungesunden zu scheiden, gerade weil sie eine gewisse Verbreitung gefunden und in Moskau die Arbeit geschädigt hat. Im November, als die Konferenz mit den zwei Sitzungssälen stattfand, als hier die einen saßen, während in einem anderen Raum in derselben Etage die anderen tagten, als auch ich daran glauben musste und als Bote von einem Saal in den anderen gehen musste, war das eine Schädigung der Arbeit, der Beginn von Fraktionsmacherei und Spalterei.

Schon im September, während der Parteikonferenz, sahen wir unsere Aufgabe darin, das Gesunde vom Ungesunden zu scheiden, denn man kann diese Gruppe nicht als eine gesunde Gruppe betrachten. Wenn man uns von einer mangelnden Durchführung des Demokratismus spricht, so sagen wir: das ist absolut richtig. Ja, er wird bei uns mangelhaft durchgeführt. In dieser Hinsicht sind Hilfe und Direktiven nötig, wie er durchzuführen ist. Es bedarf einer wirklichen Durchführung und keiner Redensarten. Wir akzeptieren auch diejenigen, die sich als „Arbeiteropposition“ bezeichnen, auch solche mit einer schlimmeren Bezeichnung, obwohl ich glaube, dass es keine schlimmere und unanständigere Bezeichnung für Mitglieder der Kommunistischen Partei gibt als diese. Selbst wenn sie sich aber eine viel schlimmere Bezeichnung zulegten, würden wir sagen: da das nun einmal eine Krankheit ist, die einen Teil der Arbeiter ergriffen hat, muss man dieser Krankheit die ernsteste Aufmerksamkeit zuwenden. Und das, was Genosse Ossinski uns aus irgendeinem Grunde als Schuld anrechnet, muss uns als Verdienst angerechnet werden.

Nun komme ich zur „Arbeiteropposition“. Ihr habt zugegeben, dass ihr in der Opposition geblieben seid. Ihr seid zum Parteitag mit der Broschüre der Genossin Kollontai gekommen, mit einer Broschüre, auf deren Titel geschrieben steht: „Arbeiteropposition“. Ihr habt die letzten Korrekturbogen in Druck gegeben, als euch die Ereignisse von Kronstadt und die Erhebung der kleinbürgerlichen Konterrevolution bekannt waren. Und in diesem Augenblick kommt ihr mit dem Namen „Arbeiteropposition“! Ihr begreift nicht, welche Verantwortung ihr auf euch ladet und wie ihr die Einheit verletzt! Um wessentwillen? Wir werden euch einem Verhör unterziehen, werden euch hier einem Examen unterziehen.

Genosse Ossinski gebrauchte diesen Ausdruck als polemischen Ausdruck, er sah irgendeine Schuld oder irgendeinen Fehler bei uns; genau so wie Rjasanow erblickte er in unserer Politik gegenüber der „Arbeiteropposition“ Politikantentum. Es ist kein Politikantentum dabei, es ist die Politik, die das ZK treibt und treiben wird. Wenn es ungesunde Gruppen, ungesunde Strömungen gibt, lasst uns ihnen dreifache Aufmerksamkeit zuwenden.

Wenn es in dieser Opposition auch nur irgend etwas Gesundes gibt, so muss man alle Kräfte einsetzen, um das Gesunde vom Ungesunden zu scheiden. Wir können nicht mit vollem Erfolg gegen den Bürokratismus kämpfen und einen konsequenten Demokratismus durchführen, weil wir schwach sind, weil es an Kräften gebricht; diejenigen, die uns dabei helfen werden, muss man heranziehen; wer aber unter dem Schein der Hilfe uns solche Broschüren präsentiert, den muss man entlarven und aussondern.

Und dieses Aussondern wird jetzt auf dem Parteitag erleichtert. Hier hat man diejenigen ins Präsidium gewählt, die eine kranke Gruppe repräsentieren, und jetzt werden sie es schon nicht mehr wagen, sich zu beschweren, zu greinen, diese „Ärmsten“, „Zurückgesetzten“, „Verschickten“ … Bitte, her zur Rednertribüne, steht Rede und Antwort! Ihr habt mehr geredet als irgend jemand sonst … Prüfen wir nun: was präsentiert ihr uns in einem Augenblick, da eine Gefahr heraufzieht, die, wie ihr selbst anerkennt, größer ist als die Gefahr, die von Denikin drohte? Was präsentiert ihr uns? Welche Kritik habt ihr da zu üben? Dieses Examen muss jetzt abgehalten werden, und ich glaube, es wird das endgültige Examen sein. Genug damit, man darf nicht ein solches Spiel mit der Partei treiben! Wer mit einer solchen Broschüre zum Parteitag kommt, treibt sein Spiel mit der Partei. Ein solches Spiel darf man nicht in einem Moment treiben, wo Hunderttausende demoralisierter Krieger die Wirtschaft ruinieren, zugrunde richten. So darf man sich nicht zur Partei verhalten, so darf man nicht handeln. Das muss man begreifen, damit muss man Schluss machen!

Nach diesen Vorbemerkungen über die Präsidiumswahl und den Charakter der „Arbeiteropposition“ möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die Broschüre der Genossin Kollontai lenken. Diese Broschüre verdient wirklich eure Aufmerksamkeit: sie summiert die Ergebnisse der Arbeit, die im Laufe einiger Monate von dieser Opposition geleistet, bzw. der Zersetzungsarbeit, die von ihr betrieben worden ist. Hier hat bereits, glaube ich, ein Genosse aus Samara davon gesprochen, dass ich „administrativ“ der „Arbeiteropposition“ das Etikett des Syndikalismus aufgeklebt hätte. Die Erwähnung des Administrierens ist hier zweifellos nicht am Platze, man muss sich auch hier erst ansehen, welche Frage einer administrativen Entscheidung bedarf. Genosse Milonow wollte mit einem möglichst gruseligen Wörtchen Eindruck schinden, aber es ging schief: ich soll angeblich „administrativ“ Etikette aufkleben. Ich habe wiederholt davon gesprochen, dass Genosse Schljapnikow und andere in Versammlungen mir den Vorwurf machten, ich würde die Leute mit dem Wort „Syndikalismus“ „terrorisieren“. Und in irgendeiner Diskussion, wenn ich nicht irre, auf dem Bergarbeiterverbandstag, habe ich, als das erwähnt wurde, dem Genossen Schljapnikow geantwortet: „Welche erwachsenen Menschen wollen Sie denn hinters Licht führen?“ Genosse Schljapnikow und ich, wir kennen uns ja seit vielen, vielen Jahren, noch aus der Arbeit in der Illegalität und in der Emigration, wie kann er da erklären, dass ich durch die Charakterisierung einzelner Abweichungen jemand terrorisiert habe! Und was hat es mit Administrieren zu tun, wenn ich über die Behauptungen der „Arbeiteropposition“ sage, dass sie falsch sind, dass das Syndikalismus ist?! Und weswegen schreibt die Genossin Kollontai, dass ich leichtfertig mit dem Wort „Syndikalismus“ herumwerfe? Wenn man so reden will, muss man das auch ein wenig beweisen. Ich bin bereit, auf Kredit anzunehmen, dass mein Nachweis unrichtig, die Behauptung der Genossin Kollontai aber stichhaltiger sei. Ich bin bereit, das zu glauben. Aber es bedarf wenigstens eines kleinen Beweises, nicht durch Worte, wie Terrorisieren oder Administrieren (mit dem ich mich leider von Amts wegen viel abgeben muss), sondern durch eine genaue Antwort zur Widerlegung der von mir gegen die „Arbeiteropposition“ erhobenen Beschuldigung, dass sie zum Syndikalismus hin abweicht.

Diese Beschuldigung wurde von mir vor der gesamten Partei erhoben, wurde im Bewusstsein der Verantwortung erhoben, und das steht gedruckt in einer Broschüre, die in einer Auflage von 250.000 Exemplaren erschienen ist und die alle gelesen haben. Offenbar haben sich alle Genossen auf diesen Parteitag vorbereitet, und alle müssen wissen, dass eine syndikalistische Abweichung auch eine anarchistische Abweichung ist und dass die „Arbeiteropposition“, die sich hinter dem Rücken des Proletariats verschanzt, ein kleinbürgerliches, anarchisches Element ist.

Dass dieses Element in die breiten Massen eindringt, ist ersichtlich, und der Parteitag hat diese Frage beleuchtet. Dass dieses Element in die Praxis umgesetzt wird, ist durch die Broschüren der Genossin Kollontai und durch die Thesen des Genossen Schljapnikow bewiesen. Und hier kann man sich nicht allein damit aus der Affäre ziehen, dass man, wie Genosse Schljapnikow das stets tut, von seinem wahrhaft proletarischen Charakter redet.

Genossin Kollontai beginnt ihre Broschüre folgendermaßen: „Zur Opposition“, lesen wir auf der ersten Seite, „gehört der fortgeschrittenste Teil der klassenmäßig organisierten Proletarier, der Kommunisten.“ Auf dem Verbandstag der Bergarbeiter habe bereits ein Delegierter aus Sibirien darauf hingewiesen, dass bei ihnen genau dieselben Fragen wie in Moskau aufgeworfen worden seien, und darauf weist Genossin Kollontai in ihrer Broschüre hin:

Wir hatten keine Ahnung davon, dass in Moskau Meinungsverschiedenheiten bestehen und dass eine Diskussion über die Rolle der Gewerkschaften vor sich geht“, sagte der Delegierte aus Sibirien auf dem Verbandstag der Bergarbeiter, „aber uns bewegten bereits die gleichen Fragen, vor denen auch ihr steht.“

Und weiter:

Hinter der Arbeiteropposition stehen die proletarischen Massen oder genauer: die Arbeiteropposition ist der klassenmäßig zusammengeschweißte, klassenbewusste und klassenmäßig konsequente Teil unseres Industrieproletariats.“

Also, Gott sei Dank, nun wissen wir es, dass Genossin Kollontai und Genosse Schljapnikow „klassenmäßig zusammengeschweißt“ und „klassenbewusst“ sind. Aber, Genossen, wenn man so redet und so schreibt, so muss man auch etwas Maß zu halten wissen! Auf Seite 25 dieser Broschüre schreibt Genossin Kollontai, und das ist einer der wichtigsten Punkte der Thesen der „Arbeiteropposition“ :

Die Organisierung der Leitung der Volkswirtschaft obliegt dem Allrussischen Kongress der Produzenten, die in gewerkschaftlichen Produktionsverbänden zusammengeschlossen sind. Diese wählen das Zentralorgan, das die gesamte Volkswirtschaft leitet.“

Das ist dieselbe These der „Arbeiteropposition“, die ich in allen Fällen in der Diskussion und in der Presse angeführt habe. Und ich muss sagen, dass ich nach der Lektüre dieser These die anderen schon nicht mehr gelesen habe, denn das hieße Zeit vergeuden; denn nach dieser These ist es klar, dass die Leute sich bereits verstiegen haben, dass sie ein kleinbürgerliches, anarchisches Element sind und dass jetzt, im Lichte der Kronstädter Ereignisse, eine solche These um so seltsamer klingt.

Ich habe im Sommer auf dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale auf die Bedeutung der Resolution über die Rolle der Kommunistischen Partei hingewiesen. Diese Resolution ist eine Resolution, die die kommunistischen Arbeiter, die kommunistischen Parteien der ganzen Welt einigt. Diese Resolution erklärt alles. Bedeutet das etwa, dass wir die Partei von der gesamten Arbeiterklasse, die in bestimmter Weise die Diktatur verwirklicht, absondern? So denken manche „Linke“ und sehr viele Syndikalisten, und diese Ansicht ist jetzt überall verbreitet. Diese Ansicht ist eben ein Produkt kleinbürgerlicher Ideologie. Die Thesen der „Arbeiteropposition“ sind ja ein direkter Schlag gegen den Beschluss des II. Kongresses der Komintern über die Rolle der Kommunistischen Partei bei der Verwirklichung der Diktatur des Proletariats. Das ist eben Syndikalismus, weil – denkt einmal darüber nach – es klar ist, dass unser Proletariat zum größeren Teil deklassiert ist, dass die unerhörten Krisen, die Stilllegung der Fabriken dazu geführt haben, dass die Leute vor dem Hunger flohen, dass die Arbeiter einfach die Fabriken verließen, im Dorf unterkommen mussten und aufhörten, Arbeiter zu sein. Wissen wir das etwa nicht und beobachten wir nicht, wie die unerhörten Krisen, der Bürgerkrieg, das Aufhören der richtigen Beziehungen zwischen Stadt und Land das Versiegen der Getreidezufuhr zur Folge haben, dass irgendwelche kleinen Erzeugnisse, die in den Großbetrieben hergestellt werden, irgendwelche Feuerzeuge – gegen Brot eingetauscht werden, da die Arbeiter hungern und kein Getreide herangefahren wird? Nun, haben wir das etwa nicht in der Ukraine gesehen, nicht in Russland gesehen? Das alles ist es eben, was wirtschaftlich zur Deklassierung des Proletariats führt, was unvermeidlich auch hier kleinbürgerliche, anarchische Tendenzen erzeugt und in Erscheinung treten lässt.

Nachdem wir alle diese Drangsale durchgemacht haben, nachdem wir das alles in der Praxis gesehen haben, wissen wir, wie verteufelt schwer es ist, dagegen anzukämpfen. Nach zweieinhalb Jahren Sowjetmacht sind wir vor der ganzen Welt aufgetreten und haben in der Kommunistischen Internationale erklärt, dass die Diktatur des Proletariats nicht anders als durch die Kommunistische Partei möglich ist. Und wir wurden damals wütend beschimpft von den Anarchisten und Syndikalisten, die erklärten: „So also denken sie, zur Verwirklichung der Diktatur braucht man eine Kommunistische Partei.“ Aber wir haben das vor der gesamten Kommunistischen Internationale erklärt. Und danach kommen zu uns „klassenbewusste“ und „klassenmäßig zusammengeschweißte“ Leute, die da erklären, dass die „Organisierung der Leitung der Volkswirtschaft dem Allrussischen Kongress der Produzenten obliegt“ (Broschüre der Genossin Kollontai). Ein „Allrussischer Kongress der Produzenten“? Was ist das? Werden wir mit derartigen Oppositionen in der Partei noch Zeit verlieren? Mir scheint, es ist genug darüber diskutiert worden! Alle diese Betrachtungen über Redefreiheit und Freiheit der Kritik, von denen es in dieser Broschüre nur so wimmelt und die in allen Reden der „Arbeiteropposition“ durchklingen, bilden neun Zehntel des Sinnes der Reden, die keinen besonderen Sinn haben. Alles das sind Worte von gleichem Kaliber. Man soll doch, Genossen, nicht nur über Worte reden, sondern auch über ihren Inhalt. Mit Worten wie „Freiheit der Kritik“ wird man uns nicht hinters Licht führen. Als man uns sagte, dass in der Partei Anzeichen von Krankheit vorhanden seien, da erklärten wir, dass dieser Hinweis dreifache Aufmerksamkeit verdiene: kein Zweifel, diese Krankheit ist da. Helft, diese Krankheit kurieren. Sagt doch, wie ihr sie kurieren könnt. Wir haben auf die Diskussion ziemlich viel Zeit vergeudet, und ich muss sagen, dass es jetzt viel besser ist, „mit Gewehren zu diskutieren“, als mit Thesen, wie die Opposition sie uns präsentiert. Wir brauchen jetzt keine Opposition, Genossen, es ist nicht die Zeit danach! Entweder hier oder dort mit dem Gewehr, aber nicht mit einer Opposition. Das ergibt sich aus der objektiven Sachlage, klagt nicht. Wir brauchen jetzt keine Opposition, Genossen! Und ich glaube, der Parteitag wird diese Schlussfolgerung ziehen müssen, die Schlussfolgerung, dass es jetzt mit der Opposition ein Ende haben muss, punktum, dass wir jetzt von der Opposition genug haben!

Das Recht, frei zu kritisieren, hatte diese Gruppe schon seit langem. Und wir fragen jetzt, auf dem Parteitag: welches sind die Ergebnisse, welches ist der Inhalt eurer Kritik, was habt ihr der Partei mit eurer Kritik beigebracht? Diejenigen unter euch, die den Massen, den wirklich klassenmäßig zusammengeschweißten und klassenmäßig reifen Massen näherstehen, sind wir bereit zur Arbeit heranzuziehen. Wenn Genosse Ossinski darin Politikantentum erblicken sollte, so wird er allein dastehen, die übrigen aber werden darin eine zweckmäßige Hilfe für die Parteimitglieder sehen. Wir müssen denjenigen tatsächlich helfen, die tatsächlich unter der Arbeitermasse leben, sie näher kennen, Erfahrung haben und im ZK ihre Vorschläge machen können. Mögen sie sich nennen,, wie sie wollen – das ist einerlei –, wenn sie nur bei der Arbeit helfen, wenn sie nicht Opposition spielen und nicht die Existenz von Gruppen und Fraktionen um jeden Preis verfechten, sondern uns nur helfen. Wenn sie dagegen weiter Opposition spielen, dann wird die Partei sie ausschließen müssen.

Und wenn die Genossin Kollontai auf derselben Seite ihrer Broschüre in Fettschrift schreibt: „Misstrauen zur Arbeiterklasse (selbstverständlich nicht auf politischem Gebiet, sondern auf dem Gebiet der wirtschaftlich schöpferischen Fähigkeiten der Klasse), das ist der ganze Kern der Thesen, die von unseren leitenden Spitzen unterzeichnet sind“ – so gehört das zu dem Thema, dass sie eben eine wirkliche „Arbeiter“opposition seien. Auf Seite 36 dieser Broschüre finden wir eine noch krassere Formulierung dieses Gedankens:

Die ,Arbeiteropposition' darf und kann sich auf Zugeständnisse nicht einlassen. Das heißt nicht, zur Spaltung auffordern…“ „Nein, ihre Aufgabe ist eine andere. Sogar im Falle einer Niederlage auf dem Parteitag müssen wir in der Partei bleiben und Schritt für Schritt unseren Standpunkt energisch vertreten, die Partei retten und ihre Linie korrigieren.“

Sogar im Falle einer Niederlage auf dem Parteitag!“ – trau, schau, wie umsichtig! (Heiterkeit.) Verzeiht, aber ich persönlich erlaube mir mit Bestimmtheit zu erklären, dass der Parteitag das nicht zulassen wird! (Beifall.) Jeder hat das Recht, die Linie der Partei zu korrigieren. Man hat euch alle Möglichkeiten dazu gegeben.

Auf dem Parteitag ist die Bedingung gestellt worden, es dürfe auch nicht der Schatten eines Verdachtes aufkommen, dass wir irgend jemand ausschließen wollen. Wir begrüßen jede Unterstützung bei der Durchführung des Demokratismus. Aber mit Phrasen allein kann man den Demokratismus nicht durchführen, wenn das Volk ermattet ist. Jeden, der der Sache helfen will, müssen wir willkommen heißen, aber wenn man erklärt, dass man sich „auf Zugeständnisse nicht einlässt“ und die Partei retten wird, indem man in der Partei bleibt … ja, wenn man euch in der Partei lässt! (Beifall.)

Hier haben wir kein Recht, irgendwelche Zweideutigkeiten zurückzulassen. Die Arbeit zur Unterstützung im Kampf gegen den Bürokratismus, die Arbeit zur Unterstützung bei der Verfechtung des Demokratismus, die Unterstützung bei der Herstellung eines engeren Kontakts mit den wirklichen Arbeitermassen ist unbedingt notwendig. In dieser Hinsicht können und müssen wir uns auf „Zugeständnisse“ einlassen. Und wie viel sie davon reden mögen, dass sie sich auf keine Zugeständnisse einlassen, wir werden wiederholen: wir sind dazu bereit. Das sind gar keine Zugeständnisse, das ist Hilfe für die Arbeiterpartei. Dadurch werden wir alles, was in der „Arbeiteropposition“ gesund und proletarisch ist, für die Partei gewinnen, übrigbleiben werden die „klassenbewussten“ Verfasser syndikalistischer Reden. In Moskau hat man diesen Weg beschritten. Die Gouvernements-Parteikonferenz von Moskau im November endete mit den zwei Sitzungssälen: in diesem Saal saßen die einen, in jenem die anderen. Das bedeutete den Vorabend einer Spaltung. Die letzte Moskauer Konferenz erklärte: „Wir nehmen aus der ,Arbeiteropposition' diejenigen, die wir wollen, und nicht diejenigen, die sie genommen haben wollen“, – denn wir brauchen die Unterstützung von Leuten, die mit den Arbeitermassen verbunden sind und uns lehren können, praktisch den Kampf gegen den Bürokratismus zu führen. Das ist eine schwierige Aufgabe. Ich glaube, der Parteitag muss diese Erfahrung der Moskauer in Rechnung stellen und ebenfalls ein Examen vornehmen, und nicht nur über diesen Punkt, sondern über alle Tagesordnungspunkte muss ein Examen abgehalten werden. Schließlich muss den Leuten, die erklären, dass sie sich „auf Zugeständnisse nicht einlassen“, gesagt werden: „Die Partei aber ist zu Zugeständnissen bereit“, es ist notwendig, dass die Arbeit einmütig geführt werde. Durch diese Politik werden wir das Gesunde vom Ungesunden in der „Arbeiteropposition“ scheiden und werden eine Stärkung der Partei bekommen.

Seht nur, hier hat man erklärt, dass ein „Allrussischer Kongress der Produzenten“ die Produktion leiten solle. Es fällt mir schwer, noch Worte zu finden, um diesen Blödsinn zu kennzeichnen, aber ich tröste mich damit, dass hier alle Parteifunktionäre zugleich auch Sowjetfunktionäre sind, die bereits ein, zwei, drei Jahre revolutionäre Arbeit leisten. Vor ihnen lohnt es gar nicht, das zu kritisieren. Sie schließen deshalb die Debatte, wenn sie solche Reden hören, weil es langweilig, weil es unernst ist, von einem „Allrussischen Kongress der Produzenten“ zu reden, der die Volkswirtschaft leiten soll. Das könnte man vielleicht in einem Lande vorschlagen, wo man die Arbeit überhaupt noch nicht in Angriff genommen, aber die politische Macht schon ergriffen hat. Wir haben diesen Anfang bereits gemacht. Und es ist interessant, dass wir auf Seite 33 derselben Broschüre folgende Stelle finden:

Die ,Arbeiteropposition' ist nicht so unwissend, die große Rolle der Technik und der technisch geschulten Kräfte nicht in Rechnung zu stellen.“ „Sie denkt nicht daran, ihre eigenen, auf dem Produzentenkongress gewählten Organe zur Leitung der Volkswirtschaft zu schaffen und dann die Volkswirtschaftsräte, die Hauptverwaltungen und die Zentralstellen aufzulösen. Nein, sie denkt an etwas anderes: sie will diese notwendigen, technisch wertvollen Verwaltungszentralen ihrer Leitung unterstellen, ihnen theoretische Aufgaben stellen, sie so ausnutzen, wie seinerzeit die Fabrikanten die Kräfte der Spezialisten, der Techniker ausnutzen“.

Also, die Genossin Kollontai und der Genosse Schljapnikow und die anderen „klassenmäßig zusammengeschweißten“ Leute in ihrer Gefolgschaft … unterstellen ihrer unentbehrlichen Leitung die Volkswirtschaftsräte, die Hauptverwaltungen und die Zentralstellen, all die Rykows, Nogins und sonstige „Nullen“, und werden ihnen theoretische Aufgaben stellen! Aber, Genossen, kann man so etwas ernst nehmen? Wenn ihr irgendwelche „theoretischen Aufgaben“ hattet, warum habt ihr sie dann nicht gestellt? Wozu haben wir denn Diskussionsfreiheit erklärt? Doch nicht einem bloßen Wortwechsel zuliebe. Während des Krieges erklärten wir: „Wir haben anderes zu tun als zu kritisieren, auf uns wartet Wrangel; falls wir einen Fehler begehen, so korrigieren wir den Fehler dadurch, dass wir Wrangel schlagen.“ Jetzt, da wir den Krieg beendet haben, beginnt man uns zuzuschreien: „Her mit der Diskussionsfreiheit!“ Wenn wir fragen: „Sagt, welche Fehler haben wir gemacht?“ – so erwidert man uns: „Die Volkswirtschaftsräte und die Hauptverwaltungen brauchen nicht aufgelöst zu werden, man soll ihnen theoretische Aufgaben stellen.“ Warum hat Genosse Kisseljow, der auf dem Bergarbeiterverbandstag als Vertreter der „klassenmäßig zusammengeschweißten“ „Arbeiteropposition“ in einer verschwindenden Minderheit geblieben ist, warum hat er, als er an der Spitze der Textilhauptverwaltung stand, uns nicht beigebracht, wie man den Kampf gegen Bürokratismus zu führen hat? Warum hat Genosse Schljapnikow, als er Volkskommissar war, warum hat Genossin Kollontai, die ebenfalls Volkskommissar war, warum haben sie uns nicht beigebracht, wie man den Kampf gegen Bürokratismus zu führen hat? Wir wissen selber, dass wir einen bürokratischen Anflug haben, und wir, die wir am meisten mit diesem bürokratischen Apparat zu tun haben, leiden darunter. Wir unterschreiben einen Wisch, aber wie wird er realisiert? Wie soll man das nachprüfen, wenn der bürokratische Apparat so riesengroß ist? Wenn ihr wisst, wie man ihn verringern kann, – bitte, liebe Genossen, vermittelt uns eure Kenntnisse! Ihr habt den Wunsch zu diskutieren, aber außer allgemeinen Erklärungen gebt ihr nichts. Statt dessen befasst ihr euch mit reinster Demagogie. Ihr erklärt: „Die Spezialisten schikanieren die Arbeiter, die Arbeiter führen in der Republik der Arbeit ein Zuchthausdasein.“ Das ist reinste Demagogie!

Genossen, lest alle diese Broschüre, ich bitte euch dringend! Ein besseres Material gegen die „Arbeiteropposition“ als die Broschüre der Genossin Kollontai „Die Arbeiteropposition“ kann es nicht geben. Ihr werdet sehen, dass man so an die Frage wirklich nicht herangehen darf. Dass der Bürokratismus eine brennende Frage ist, erkennen wir alle an, das steht sogar in unserem Parteiprogramm. Es ist sehr leicht, die Hauptverwaltungen und Volkswirtschaftsräte zu kritisieren, aber wenn ihr in dieser Weise kritisiert, verstehen es die parteilosen Arbeitermassen so, als müsse man sie auflösen! Das greifen auch die Sozialrevolutionäre auf. Mir haben ukrainische Genossen gesagt, dass bei ihnen auf der Konferenz die linken Sozialrevolutionäre ihre Anträge buchstäblich genau so formuliert haben. Und was sind die Kronstädter Resolutionen? Ihr habt sie nicht alle gelesen? Wir werden sie euch zeigen: sie sagen genau dasselbe. Gerade deshalb habe ich die Gefahr von Kronstadt unterstrichen, weil diese Gefahr eben darin besteht, dass angeblich nur eine kleine Verschiebung gefordert wird: „Mögen sich die Bolschewiki davonmachen.“ – „Wir werden die Macht ein wenig korrigieren“ – das ist es, was die Kronstädter wollen. Es kam aber so, dass Sawinkow in Reval eintraf, dass die Pariser Zeitungen vierzehn Tage vorher über diese Ereignisse schrieben, dass ein weißer General auf der Bildfläche erschien. Das ist geschehen. Und ähnlich ist es in allen Revolutionen vor sich gegangen. Deshalb sagen wir auch: da wir dem entgegengehen, müssen wir uns zusammenschließen, um auf eine solche Sache mit dem Gewehr zu antworten, wie harmlos sie auch aussehen mag. Das habe ich schon in meiner ersten Rede gesagt. Darauf antwortet die „Arbeiteropposition“ nicht, sondern sagt: „Die Volkswirtschaftsräte werden wir nicht auflösen, sondern werden sie unserer Leitung unterstellen.“ Der „Allrussische Kongress der Produzenten“ soll 71 Hauptverwaltungen des Volkswirtschaftsrats seiner Leitung unterstellen! Ich frage, wollen sie sich lustig machen, kann man denn solche Leute ernst nehmen? Das eben ist das kleinbürgerliche, anarchische Element nicht nur in der Arbeitermasse, sondern auch innerhalb unserer Partei, und das dürfen wir auf keinen Fall dulden. Wir haben uns einen Luxus erlaubt: haben den Leuten die Möglichkeit gegeben, ihre Meinungen mit größter Ausführlichkeit darzulegen, haben sie wiederholt angehört. Als ich auf dem II. Verbandstag der Bergarbeiter mit den Genossen Trotzki und Kisseljow polemisieren musste, da traten zwei Standpunkte ganz klar hervor. Die „Arbeiteropposition“ erklärte: „Lenin und Trotzki werden sich vereinigen.“ Trotzki trat auf und sagte: „Wer nicht versteht, dass man sich vereinigen muss, der geht gegen die Partei; natürlich werden wir uns vereinigen, weil wir Parteigenossen sind.“ Ich unterstützte ihn. Gewiss, ich war anderer Meinung als Genosse Trotzki; und wenn sich im ZK mehr oder weniger gleiche Gruppen herausbilden sollten, dann wird die Partei ihr Urteil fällen, und zwar so, dass wir uns gemäß dem Willen und den Direktiven der Partei vereinigen werden. Mit diesen Erklärungen sind Genosse Trotzki und ich zum Bergarbeiterverbandstag gegangen und sind damit auch hierher gekommen. Die „Arbeiteropposition“ sagt aber: „Wir werden keine Zugeständnisse machen, aber wir werden in der Partei bleiben.“ Nein, dieses Spiel sollt ihr nicht gewinnen! Ich erkläre nochmals, dass im Kampf mit dem Bürokratismus jede Unterstützung durch einen Arbeiter – wie er sich auch nennen mag, wenn er uns nur aufrichtig helfen will – für uns eine höchst wünschenswerte Unterstützung ist. In diesem Sinne sind wir zu „Zugeständnissen“ (ich gebrauche dieses Wort in Anführungszeichen) bereit, welche herausfordernden Erklärungen man an uns auch richten mag. Wir sind zu „Zugeständnissen“ bereit, weil wir wissen, wie schwer es ist zu arbeiten. Die Volkswirtschaftsräte und die Hauptverwaltungen können wir nicht auflösen. Wenn man sagt, wir hätten Misstrauen gegen die Arbeiterklasse, wir ließen die Arbeiter zu den leitenden Organen nicht zu, so ist das eine ausgemachte Unwahrheit. Jeden halbwegs brauchbaren Administrator aus den Reihen der Arbeiter suchen wir und nehmen ihn mit Freuden, wir erproben ihn. Wenn die Partei nicht an die Arbeiterklasse glaubt und die Arbeiter nicht zu verantwortlichen Posten zulässt, so muss man ja eine solche Partei zum Teufel jagen – sprecht doch schon alles aus! Ich habe gesagt, dass das unwahr ist: wir vergehen vor lauter Mangel an Kräften, nach der geringsten Hilfe eines einigermaßen tüchtigen Menschen – doppelt und dreifach aber der Menschen aus der Mitte der Arbeiter – greifen wir mit beiden Händen. Aber wir haben solche Kräfte nicht. Auf dieser Grundlage entsteht die Anarchie. Hier muss man den Kampf gegen Bürokratismus unterstützen, dazu aber brauchen wir hunderttausende Menschen …

Was werden wir mit ihnen tun?

Die Aufgabe des Kampfes gegen Bürokratismus ist in unserem Programm als eine außerordentlich langwierige Arbeit gekennzeichnet worden. Je zersplitterter die Bauernschaft ist, desto unvermeidlicher ist der Bürokratismus im Zentrum.

Es ist leicht, Dinge zu schreiben, wie: „Bei uns in der Partei ist etwas faul.“ Ihr selber versteht, was es bedeutet, den Sowjetapparat zu schwächen, während zwei Millionen russische Emigranten sich im Ausland befinden. Sie sind durch den Bürgerkrieg hinausgejagt worden. Sie haben uns damit beglückt, dass sie sich jetzt in Berlin, Paris, London und allen Hauptstädten außer der unseren herumtreiben. Sie unterstützen dasselbe Element, das Kleinproduzent, kleinbürgerliches Element heißt.

Alles, was man tun kann, um den Bürokratismus durch die Beförderung von Arbeitern auf höhere Stellungen zu überwinden, werden wir tun, jeden dahin gehenden praktischen Vorschlag werden wir akzeptieren. Selbst wenn man das mit dem unzutreffenden Wort „Zugeständnisse“ bezeichnen sollte, wie man das hier tut, so besteht doch kein Zweifel, dass 99 Prozent des Parteitags im Gegensatz zu dieser Broschüre sagen wird: „Wir dagegen sind zu ,Zugeständnissen' bereit und werden alles gewinnen, was gesund ist.“ Tretet zusammen mit den Arbeitern an und lehrt uns, wie man den Kampf gegen den Bürokratismus führen muss, wenn ihr das besser wisst als wir, haltet aber nicht solche Reden wie Schljapnikow. Das ist etwas, über das man nicht hinweggehen darf. Ich will auf den theoretischen Teil seiner Rede nicht eingehen, weil genau dasselbe bei Kollontai gesagt worden ist. Ich will nur über die Tatsachen sprechen, die er angeführt hat. Er erklärte, dass man die Kartoffeln verfaulen lasse, und fragte, warum man Zjurupa nicht vor Gericht stelle.

Ich aber frage: warum stellt man wegen solcher Reden Schljapnikow nicht vor Gericht? Reden wir in einer organisierten Partei ernsthaft über Disziplin und Einheit oder befinden wir uns in einer Versammlung von der Art der Kronstädter Versammlungen? Das aber ist eine Kronstädter Phrase anarchischer Natur, eine Phrase, auf die man mit dem Gewehr antwortet. Wir sind organisierte Parteimitglieder, wir sind hierher gekommen, um unsere Fehler zu korrigieren. Wenn es nach der Meinung des Genossen Schljapnikow notwendig gewesen wäre, Zjurupa vor Gericht zu stellen, warum hat Schljapnikow als organisiertes Parteimitglied dann nicht in der Kontrollkommission darüber Beschwerde geführt? Als wir die Kontrollkommission schufen, da sagten wir gerade heraus: das ZK ist mit administrativer Arbeit überhäuft, lasst uns Leute wählen, die das Vertrauen der Arbeiter genießen, die mit administrativer Arbeit nicht so überhäuft sind und an Stelle des ZK die Beschwerden prüfen werden. Das gab uns eine Methode zur Entfaltung der Kritik, zur Korrektur der Fehler. Wenn Zjurupa so unrichtig gehandelt hat, warum ist dann nicht in der Kontrollkommission darüber Beschwerde geführt worden? Schljapnikow aber kommt hierher, auf den Parteitag, vor die verantwortlichste Versammlung der Partei und der Republik, und erhebt Anklage, dass man Kartoffeln habe verfaulen lassen, und fragt, warum Zjurupa nicht vor Gericht gestellt worden sei. Ich frage aber, passieren etwa im Militärressort nicht auch Fehler, kommt es nicht vor„ dass man Schlachten verliert, Train, Heeresgut stehen- und liegenlässt? Soll man etwa solche militärischen Funktionäre vor Gericht stellen? Genosse Schljapnikow wirft hier mit Worten herum, an die er selbst nicht glaubt, mit Worten, die er nicht beweisen kann. Kartoffeln verfaulen bei uns. Gewiss, es gibt eine Unmenge von Fehlern, unser Apparat klappt nicht, unser Transportwesen klappt nicht. Aber wenn solche Anklagen so mir nichts dir nichts, dazu noch, wie es hier einige Genossen schon festgestellt haben, in einem Ton der Schadenfreude erhoben werden, anstatt die Fehler zu korrigieren; wenn man Antwort verlangt, warum Zjurupa nicht vor Gericht gestellt worden sei, dann sagen wir: stellt uns, das ZK, vor Gericht. Wir halten ein solches Auftreten für Demagogie. Entweder muss man Zjurupa und uns vor Gericht stellen oder Schljapnikow; so aber kann man nicht arbeiten. Wenn Parteigenossen so auftreten, wie Schljapnikow hier – er tritt aber in anderen Versammlungen immer so auf –, und wenn in der Broschüre der Genossin Kollontai auch keine Namen genannt werden, so ist doch der ganze Geist der Broschüre genau derselbe – dann sagen wir: so kann man nicht arbeiten, denn das ist Demagogie, auf der die anarchistischen Machnoschen und Kronstädter Elemente basieren. Wir sind hier beide Parteimitglieder, stehen beide vor einem verantwortlichen Tribunal, und wenn Zjurupa das Gesetz verletzt hat und wir, das ZK, das decken, dann erhebt bitte eine bestimmte Anklage, werft aber nicht mit Worten um euch, die morgen hier, in Moskau, und durch drahtlosen Klatsch sofort der Bourgeoisie übermittelt werden; morgen werden alle Klatschbasen aus den Sowjetinstitutionen mit wichtiger Miene schadenfroh eure Worte wiederholen. Wenn Zjurupa so ist, wie ihn Schljapnikow hinstellt, wenn er, wie Schljapnikow es fordert, vor Gericht gestellt werden muss, so behaupte ich, dass man über diese Worte ernsthaft nachdenken muss; mit solchen Anklagen darf man nicht so einfach herumwerfen. Wer solche Anklagen erhebt, den entfernt man aus der Partei oder man sagt ihm: wir schicken dich zu den Kartoffeln, in das und das Gouvernement, wir wollen sehen, ob dort weniger Kartoffeln verfaulen werden als in den Gouvernements, die Zjurupa geleitet hat.

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