Lenin‎ > ‎1905‎ > ‎

Wladimir I. Lenin 19051010 Zur Frage der Vereinigung der Partei

Wladimir I. Lenin: Zur Frage der Vereinigung der Partei1

[Proletarij", Nr. 20, 27. September/10. Oktober 1905. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 8, Wien-Berlin 1931, S. 352 f.]

Wir unsererseits können die völlig klare und bestimmte Fragestellung des Zentralkomitees nur begrüßen. Entweder Verschmelzung mit der Partei auf der Grundlage der Beschlüsse des 3. Parteitages, oder ein Vereinigungsparteitag. Die Organisationskommission hat nun die endgültige Wahl zu treffen. Wenn sie den Eintritt in die Partei auf der Grundlage der Beschlüsse des 3. Parteitages ablehnt, so ist es notwendig, sogleich an die Vorbereitung und Ausarbeitung der Bedingungen des Vereinigungsparteitages heranzutreten. Dazu müsste erstens beiden Seiten mit unbedingter Klarheit formell erklärt werden, dass im Prinzip die Einberufung zweier Kongresse zu derselben Zeit und an demselben Orte als notwendig anerkannt wird; zweitens müsste, ebenfalls formell, bestimmt werden, dass alle Organisationen beider Teile der Partei sich den Beschlüssen des Kongresses ihres Teils unbedingt fügen werden. Beide Kongresse sollen, mit anderen Worten, für den betreffenden Teil der Partei entscheidenden und nicht nur beratenden Charakter haben; drittens muss im Voraus eindeutig festgelegt werden, auf welchen besonderen Grundlagen die Kongresse einberufen werden, d.h. insbesondere von welchen Organisationen und wie viel Delegierte mit beschließender Stimme diese haben (Punkt 2 und 3 sind für jenen Teil der Partei, der den 3. Parteitag anerkannt hat, durch das auf dem 3. Parteitag angenommene Statut der SDAPR bestimmt); viertens müssen sogleich die Verhandlungen über Zeit und Ort des Parteitages eröffnet werden (die Bedingungen der Verschmelzung und der Zeitpunkt der Vereinigung der zwei Kongresse zu einem werden schon von den Kongressen selbst beschlossen werden); fünftens ist es höchst wichtig, sofort an die Ausarbeitung eines sehr genauen und detaillierten Vereinigungsentwurfs heranzutreten, der beiden Kongressen zur Beschlussfassung vorgelegt werden soll. Diese Sache ist dringend notwendig. Sowohl die Erfahrungen anderer Parteien als auch unserer Partei zeigen klar, dass ohne einen im Voraus ausgearbeiteten, veröffentlichten und allseitig erörterten Entwurf oder ohne mehrere Vereinigungsentwürfe die Kongresse keine Möglichkeit haben werden, eine so schwierige Frage zu entscheiden.

Die Reihe ist mithin an der Organisationskommission, deren Beschlüsse alle Anhänger der Vereinigung mit Ungeduld erwarten werden.

1 „Zur Frage der Vereinigung der Partei" – unter diesem Titel wurde das Protokoll der Beratungen zwischen den Vertretern des Zentralkomitees und der Organisationskommission über die Vereinigung der beiden Teile der SDAPR samt Kommentar vom ZK in Nr. 3 der „Flugschriften des ZK" veröffentlicht und in Nr. 20 des „Proletarij" vom 27. September/10. Oktober 1905 abgedruckt. Die hier abgedruckte Notiz Lenins war die redaktionelle Anmerkung zu dieser Veröffentlichung. Vertreter des ZK bei diesen Beratungen waren Bogdanow und Krassin, Vertreter der OK Grinzer und Tarassewitsch, der nach der Verhaftung Grinzers die Verhandlungen allein führte. Von ihm stammt der Kommentar zum „Offenen Brief des ZK an die OK", der mit dem „Offenen Brief" in Nr. 108 der „Iskra" vom 13./26. August 1905 unter der Überschrift „Zur Frage der Vereinigung" abgedruckt war. Tarassewitsch bestand, wie aus seinem Referat auf der Südrussischen Konferenz hervorgeht, darauf, dass die Vereinigung von unten, in den lokalen Organisationen, und dass eine Verschmelzung ohne Parteitag erfolge. Wie Lenins Briefe an das ZK und an Krassikow zeigen, protestierte er energisch gegen den „versöhnlerischen" Ton, der bei den Verhandlungen mit den Menschewiki von Bogdanow und Krassin angeschlagen wurde. Dieser versöhnlerische Gesichtspunkt kam in dem von Bogdanow (zu derselben Zeit, wo Lenin die Broschüre „Zwei Taktiken" schrieb) verfassten „Offenen Brief des ZK an die OK" zum Ausdruck. Bogdanow schrieb: „Was entzweit uns? Taktische Differenzen? Der Unterschied zwischen den taktischen Resolutionen des 3. Parteitags und denen Eurer ersten Konferenz ist so unbedeutend, dass ein außenstehender Beobachter sie schwerlich auch nur bemerken wird." Ein ernstes Moment in den Schwankungen Bogdanows und Krassins war, dass sie im ersten Stadium der Verhandlungen die geheime Resolution des 3. Parteitags ignorierten und bereit waren, „um jeden Preis" auf eine Verschmelzung mit den Menschewiki einzugehen. Jedoch die Einwirkung Lenins auf Bogdanow richtete die Linie der ZK wieder zurecht. Das Protokoll der dritten Beratung zeigt, dass die Schwankungen im ZK überwunden waren. In dem Maße, wie Bogdanow und Krassin bei den Verhandlungen einen festeren Kurs einschlugen, wurden die Menschewiki weniger anspruchsvoll. Dazu trug auch der große Zusammenbruch der ganzen führenden Spitze der Petersburger menschewistischen Organisation bei. Der Vertreter der OK ging auf die Vereinigung auf dem Wege der gleichzeitigen Einberufung eines Parteitages und einer Konferenz ein. Auf der „2. Allrussischen Konferenz" der Menschewiki wurde sogar der § 1 des Statuts in der Leninschen Fassung angenommen. Die von der Konferenz formulierten Bedingungen für die Vereinigung decken sich in vielem mit den entsprechenden Punkten der Tammerforser Konferenz der Bolschewiki.

Kommentare