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Wladimir I. Lenin 19081029 Ein hysterischer Anfall P. Maslows

Wladimir I. Lenin: Ein hysterischer Anfall P. Maslows1

[Proletarij" Nr. 37 29. (16.) Oktober 1908 Gez: N. Lenin. Nach Sämtliche Werke, Band 12, Wien-Berlin 1933, S. 455-463]

In Nr. 8/9 des „Golos Sozialdemokrata" veröffentlicht P. Maslow einen „Brief an die Redaktion"', den man nicht anders als „hysterisch" bezeichnen kann. In der Tat: ist es nicht ein hysterischer Anfall, wenn der Verfasser mir nicht nur den Schimpf antut, meinen Stil mit dem Stil des Mönchs Iliodor zu vergleichen, sondern auch Gespräche, die 14 Jahre zurückliegen, ans Tageslicht zerrt? Der Leser mag es für einen Scherz halten, es ist aber Tatsache:

Als Lenin noch vor dem Erscheinen des III. Bandes des ,'Kapital' – schreibt P. Maslow – in mein Manuskript Einsicht nahm, das die gleiche Lösung der Frage über die Verteilung des Profits enthält, wie der III. Band, erklärte er, er halte die höchst sinnlose Lösung dieser Frage durch Professor Skworzow für richtig".2

Man denke nur: vor dem Erscheinen des III. Bandes, d. h. vor 1894! Entweder muss man eine kindliche Naivität besitzen, die ja meinem werten Opponenten fremd ist, oder einen hysterischen Anfall haben, um bei Erinnerungen an Unterhaltungen, die vor 14 Jahren stattgefunden haben sollen, sowie an eigene, nicht gedruckte Manuskripte Anspruch auf Genauigkeit zu erheben. Wollen Sie nicht lieber Ihr Manuskript drucken lassen, Genosse Maslow, was meinen Sie wohl dazu? Es würde doch glänzend sein: beweisen, dass Maslow, Maslow allein, bereits vor dem Erscheinen des III. Bandes die Aufgabe gelöst hat, die von Engels der ganzen Welt gestellt wurde! Wohl wäre es ein bisschen verspätet… aber lieber spät als gar nicht. Es ist doch nicht anzunehmen, dass Maslow sich mit der Berufung auf seine eigene Erinnerung selbst loben will.

Es hat den Anschein, als habe die Redaktion jener Zeitung, in der Maslow schreibt, die Maslowsche Korrektur an Marx vorläufig noch nicht gelobt, weswegen Maslow beschlossen habe, sich selbst dafür zu loben, was er vor 14 Jahren (im Stillen) gemacht hat Es ergibt sich (wenn man dem außerordentlichen Gedächtnis des Genossen Maslow Glauben schenkt), dass ich vor 14 Jahren, vor dem Erscheinen des III. Bandes des „Kapital", Fehler gemacht und diese Fehler nicht habe drucken lassen. Maslow aber begann Fehler zu machen 7 Jahre und 14 Jahre nach dem Erscheinen des III. Bandes des „Kapital" und veröffentlicht sie. Übrigens ist der hysterische Anfall Maslows möglicherweise nicht ganz unvorbedacht. Genau vor 5 Jahren hat Martow vor Plechanow einen hysterischen Anfall inszeniert und ihn dadurch bewogen, aus dem bolschewistischen ins menschewistische Lager überzulaufen. Hofft vielleicht P. Maslow, Plechanow werde, nachdem er sein Gezeter in der von Plechanow und Co. redigierten Zeitung gelesen, aus dem Lager der Anhänger der Marxschen Rententheorie zu den Anhängern der Maslowschen Rententheorie hinüber laufen? Das wäre sehr interessant. Solange es aber noch nicht so weit ist, wollen wir betrachten, wie die Sache mit der von Maslow erhobenen Beschuldigung steht, mein Artikel „besteht aus lauter Fälschungen und offenkundiger Unwahrheit".

Also wirklich „lauter Fälschungen und offenkundige Unwahrheit", Genosse Maslow?

Nun, wollen wir einmal alle Ihre Argumente betrachten.

Lenin schreibt: ,Es ist nicht wahr, dass nach der Marxschen Lehre die absolute Rente aus der niedrigen Struktur des Agrarkapitals entsteht. Die absolute Rente entsteht aus dem Privateigentum am Boden. Dieses Privateigentum schafft ein besonderes Monopol'."

Hier bricht Maslow meinen Satz ab, der nicht mit dem Wort „Monopol" schließt und der zum Schluss sich auf eine bestimmte Seite des IV. Bandes (der „Theorien über den Mehrwert") beruft. Das ist keine Fälschung, die Genosse Maslow hier begeht, beileibe nicht! Es ist nur eine „Korrektur" der Worte eines anderen …

Das schreibt Lenin“ – sagt er weiter –. „Marx schreibt aber: ,Wäre die Durchschnittszusammensetzung des agrikolen Kapitals dieselbe oder höher als die des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals, so fiele die absolute Rente, immer in dem entwickelten Sinn, fort; d. h. die Rente, die ebenso von der Differentialrente wie von der auf eigentlichem Monopolpreis beruhenden Rente verschieden ist' („Kapital", III, 2, S. 298). Ich überlasse es dem Leser, darüber zu urteilen, wer die Marxschen Gedanken richtiger wiedergibt."

(Es folgt eine Anmerkung über jenen, das Profitgesetz betreffenden Fehler, den ich, wie es Maslow noch ganz genau weiß, vor 14 Jahren in einem Privatgespräch mit ihm gemacht haben soll.)

Auch ich überlasse es dem Leser zu urteilen, auf wessen Seite hier „Fälschung und offenkundige Unwahrheit" ist. Der verehrte Maslow bricht meinen Satz gerade vor meiner Berufung auf Marx ab und bringt ein anderes Zitat vor. Was ist das für ein Argument? Hat Maslow nicht soundso viel Mal die „Konzepte" von Marx des Widerspruchs überführt? (Ich erinnere den Leser daran, dass Maslow 1906, d. h. sogar nach dem Erscheinen der „Theorien über den Mehrwert", den traurigen Mut hatte, die von ihm bei Marx entdeckten Fehler dadurch zu erklären, der III. Band enthalte nur „Konzepte und Skizzen".) Beweist das nicht, dass Marx nicht folgerichtig denkt, wenn er die absolute Rente bald aus dem Privateigentum am Boden, bald aus der niedrigen Struktur des Kapitals in der Landwirtschaft deduziert?

Nein, das beweist nur, dass Maslow wieder einmal alles durcheinanderbringt. Bei Marx lassen sich Dutzende Sätze finden, wo die absolute Rente aus dem Privateigentum am Boden, aber auch dutzendweise Sätze, wo sie aus der niedrigen Struktur des landwirtschaftlichen Kapitals deduziert wird, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil Marx an den entsprechenden Stellen seiner Ausführungen beide Bedingungen aufstellt, genau so, wie auch ich es bei meiner Darstellung der Marxschen Lehre getan habe: in demselben Absatz meines Artikels, dem das Maslowsche Zitat entnommen ist, spreche ich auch von der niedrigen Struktur des landwirtschaftlichen Kapitals (siehe „Proletarij" Nr. 33, Seite 3, Spalte 2/3). Maslow zitiert gegen mich Kapitel 45 des III. Bandes, das Kapitel über die absolute Rente. Er bringt ein Zitat von Seite 298 des Originals. Aber auf Seite 287, d. h. vorher, sagt Marx, nicht die Differentialrente, sondern die absolute Rente werde vom Privateigentum am Boden „erzeugt" (die Differentialrente ist unter dem Kapitalismus auch ohne Privateigentum am Boden „unausbleiblich"). „Das Grundeigentum selbst hat Rente erzeugt" – schreibt Marx in Sperrdruck (III, 2, S. 287).

Es fragt sich: steht das Zitat von Seite 287 im Widerspruch zum Zitat auf Seite 298? Nicht im geringsten. Nachdem Marx feststellt, dass das Privateigentum am Boden die Rente, und zwar die absolute Rente erzeugt, geht er zur Aufzeigung dessen über, dass diese Rente entweder einfach Monopol, nur Monopol, reines Monopol, oder ein Resultat der Tatsache sein wird, dass das Monopol die Ausgleichung des Profits des Kapitals mit niedriger Struktur (Landwirtschaft) und jenes mit höherer Struktur (Industrie) hindert.

Somit wiederholt Maslow in der von Plechanow und Co. redigierten Zeitung seine himmelschreiende Entstellung des Marxismus. Er hält folglich auch hier daran fest – er spricht es nur nicht direkt aus –, dass es keine absolute Rente geben könne, dass Marx' Theorie ein Fehler, die Theorie der bürgerlichen politischen Ökonomie aber, die die absolute Rente verneint, richtig sei.

Warum also nicht geradeheraus das sagen, was in der „Agrarfrage" steht und in meinem Zitat angeführt ist? Ist das nicht „Fälschung und offenkundige Unwahrheit"? Was denn sonst? In der „Agrarfrage" heißt es, Marx sei im Unrecht, es könne keine absolute Rente geben, in der von Plechanow und Co. redigierten Zeitung aber wird das verschwiegen, und es ist nur davon die Rede, wer Marx richtiger darlegt!!! Man sollte also meinen, ich hätte mit Maslow nur darum gestritten, „wer Marx richtiger darlegt", und ich hätte die Unwahrheit gesprochen, als ich erklärte, Maslow habe durch Ausschaltung der absoluten Rente die „Konzepte" von Marx „korrigiert"!? Schämen Sie sich, Genosse Maslow!

Weiter. ,Peter Maslow' – schreibt Lenin – ,hat auch die Differentialrente von Marx nicht begriffen … Wenn der Pächter in seinen Boden neues Kapital hineinsteckt und es ihm neuen Profit und neue Rente abwirft (gesperrt von Lenin), so erhält nicht der Grundbesitzer, sondern der Pächter diese Rente.' Aus diesem Anlass belehrt natürlich Lenin entsprechend den ,unwissenden' Maslow. Wir nehmen den I. Band der ,Agrarfrage' und lesen auf Seite 112: .Wenn die Intensivierung der Wirtschaft durch die neue Ausgabe von 500 Rubel die gleiche Produktenmenge ergibt, so erhält der Pächter nicht mehr 25 Prozent, sondern 100 Prozent Profit, da er beim ersten Kapitalaufwand 333 Rubel Rente zahlt… Begnügte er sich beim ersten Kapitalaufwand mit einem Durchschnittsprofit…, so ist es für ihn vorteilhafter, weniger Boden zu pachten und weiteres Kapital in den gleichen Boden zu stecken, da es einen Überschuss über den Profit ergeben und auch dem Pächter Rente abwerfen wird.' Doch Lenin musste eine Unwahrheit sagen, um mich ausschimpfen zu können".

Lasst uns sehen, wer eine Unwahrheit gesagt hat. Um sich darüber klar zu werden, muss man die Punktierungen in dem von mir angeführten und auch von Maslow gebrachten Zitat beachten. Ich habe nämlich alles vollständig herausgeschrieben, was Maslow darüber sagt. Punktierungen bedeuten Kürzungen. Maslow hat aber von Seite 112 seines I. Bandes gerade das gekürzt, was dort bei ihm gegen Marx gesagt ist und auf Seite 112 in Sperrschrift zu lesen steht! Unglaublich, aber wahr. Mein Artikel im „Proletarij" zitiert als zweites Argument Maslows gegen Marx folgenden Satz aus Band I. Seite 112:

Die Rente vom ,letzten' Kapitalaufwand, die Rente von Rodbertus und die absolute Rente von Marx wird verschwinden, denn der Pächter kann immer den letzten Kapitalaufwand zum vorletzten machen, wenn er etwas mehr abwirft als den Durchschnittsprofit" (gesperrt von Maslow).

Das ist ein Argument Maslows gegen Marx. Dieses Argument habe ich angegriffen und behaupte nach wie vor, dass es durch und durch verkehrt und lauter Konfusion ist. Maslow erwidert mir in der Weise, dass er dieselbe Seite 112 unter Weglassung seines Ausfalls gegen Marx zitiert! Statt dieses Ausfalls stehen mehrere Punkte: vor ihnen steht der Anfang der Seite, nach ihnen das Ende, der Ausfall gegen Marx aber ist verschwunden. Das soll keine Fälschung und offenkundige Unwahrheit sein?

Ich habe nicht behauptet und behaupte auch jetzt nicht, dass auf den 400 Seiten der „Agrarfrage" keine richtigen Behauptungen zu finden sind. Ich habe nur behauptet, dass die Argumente Maslows gegen Marx schauderhafter Unsinn und unerhörte Konfusion sind. Wenn Maslow in der von ihm versprochenen 4. Auflage diese Argumente streicht, wenn er z. B. auf Seite 112 nur das stehen lässt, was er im „Golos Sozialdemokrata" zitiert, so werde ich, so wird ein jeder sagen: mit der 4. Auflage hört Maslow auf, an Marx herum zu korrigieren. Solange aber dieses nicht getan ist, wird ein jeder, der den I. Band liest, auf Seite 112 ein Argument Maslows gegen Marx sehen, jenes Argument, das im „Golos" nicht wiedergegeben ist. Und ein jeder wird sehen, dass ich in meiner Kritik dieses Arguments recht habe, d. h., dass dieses Argument gegen die absolute Rente Unsinn ist, denn der Pächter bezieht für die Zeil seines Pachtvertrages eine neue volle Rente vom neuen gesamten Kapitalaufwand, d. h. sowohl die absolute als auch die Differentialrente.

Auf das nächste „Beispiel" Maslows gehe ich nicht ein, denn es bezieht sich auf das gleiche Argument, das Maslow im „Golos" verschweigt. Selbstverständlich wird meine Kritik hinfällig, falls Maslow sein Argument zurückzieht. Wenn er es aber nicht tut, sondern nur seine Zitate kürzt, so frage ich. den Leser: auf wessen Seite ist lauter „Fälschung und offenkundige Unwahrheit"?

Endlich das letzte Zitat Maslows aus meinem Artikel ist folgendes:

Was ist Intensivierung – fragt Lenin und antwortet: ,Weiterer Arbeits- und Kapitalaufwand. Eine Mähmaschine ist, laut der Entdeckung des großen Maslow, kein (gesperrt von Lenin) Kapitalaufwand, eine Sämaschine ebenfalls keiner'. Da es ihm an den elementarsten Kenntnissen in der Agrarfrage fehlt, gibt Lenin eine falsche Definition der Intensivierung und schreibt nicht nur offenkundigen Unsinn, sondern auch offenkundige Unwahrheit. In der „Agrarfrage' steht auf Seile 62: ,Die Dreschmaschine verringert den Arbeitsaufwand pro Einheit der Bodenfläche sowohl in extensiver als auch in intensiver Wirtschaft'. (Durch einen solchen Aufwand, nicht durch den Aufwand überhaupt, ohne Rücksicht auf die Bodenfläche, wird die Intensität der Kultur bestimmt. P. M.) Eine Mähmaschine ist von gleicher Bedeutung!"

Aber Verehrtester, will ich darauf Maslow sagen: alles mit Maß! … Ging der Streit wirklich darum, ob die Intensität durch Kapitalaufwand pro Flächeneinheit oder ohne Rücksicht auf die Bodenfläche bestimmt wird? Das ist ja eben Fälschung und offenkundige Unwahrheit! Darum hat es sich gar nicht gehandelt. In dem zweiten Teil meines jetzt von Maslow zitierten Artikels polemisiere ich gar nicht gegen die „Agrarfrage", sondern gegen den Artikel Maslows imObrasowanije", Jahrgang 1907, Nr. 2.

Man diskutiere doch mit einem Individuum, das aus seinen Werken bald gerade jene Argumente gegen Marx streicht, die von seinem Kritiker angegriffen werden, bald ganze selbstverfasste Artikel aus der Welt schafft und dem Leser nicht das vorsetzt, wovon die Rede war!

Der zweite Teil meines Artikels trägt die Überschrift: „Muss man zur Widerlegung des Narodnikitums auch Marx widerlegen?" In diesem Teil ward nur der Artikel Maslows im „Obrasowanije", Jahrgang 1907, Nr. 2 kritisiert.

Im „Golos" übergeht Maslow diesen Artikel mit Schweigen und beruft sich auf seine „Agrarfrage". Das ist ja ein lächerliches Versteckspiel! Niemals habe ich erklärt, Maslow sei in seiner „Agrarfrage" so weit gegangen zu behaupten, zur Widerlegung des Narodnikitums müsse Marx widerlegt werden.

Im „Obrasowanije" aber sagt es Maslow, und dagegen habe ich polemisiert, gar nicht aber in der Frage, von welchem Kapitalaufwand die Intensivierung bestimmt wird. Hält Maslow auch weiter an seiner Behauptung fest:

Wäre nicht die Tatsache der sinkenden Produktivität des sukzessiven Arbeitsaufwandes auf die gleiche Bodenfläche, so könnte vielleicht das von den Sozialrevolutionären geschilderte Idyll verwirklicht werden"?

Sie verstecken sich, Verehrtester? Das bedeutet aber, dass Sie Ihre Niederlage zugeben.

Halten Sie an der Behauptung fest, dass Sie der erste waren,

der den Unterschied zwischen der Bedeutung der Bodenkultur und des technischen Fortschritts für die Entwicklung der Wirtschaft und insbesondere für den Kampf zwischen .Groß- und Kleinbetrieb betont hat?"

So heißt es doch bei Ihnen im „Obrasowanije". So habe ich es auch im „Proletarij" zitiert. Mit dieser – und nur mit dieser – Frage hängen Ihre Ausführungen über die Mähmaschine zusammen, Ihre Ausführungen im „Obrasowanije", nicht aber in der „Agrarfrage". Wenn Maslow das im „Obrasowanije" Gesagte nicht verteidigt, so gibt er eine Stellung auf!

Was also den Kern der Frage betrifft, so macht Maslow im „Golos" lauter Ausflüchte. Er wiederholt den Unsinn, Marx habe die absolute Rente nicht aus dem Privateigentum am Boden deduziert, verteidigt aber nicht direkt seine Korrekturen an Marx; aus seinen Zitaten streicht er die Argumente gegen Marx; was er im „Obrasowanije" sagt, übergeht er mit Schweigen. Und so wiederholen wir: die Vernichtung der Marxschen absoluten Rente durch Maslow in seiner „Agrarfrage" und die Ausführungen Maslows im „Obrasowanije" sind unübertreffliche Gipfelpunkte der Konfusion, des Hineintragens eines bürgerlichen Standpunktes in die Theorie.

Über die deutsche Ausgabe des Maslowschen Buches musste ich lachen, als ich sah, dass dort alle Korrekturen an Marx beseitigt sind. Maslow verteidigt sich: den ganzen ersten Teil meines Buches hat der Verleger nicht herausgegeben. Worauf läuft also diese Maslowsche Richtigstellung hinaus? Ich sagte: Maslow hat gestrichen. Maslow sagt: der Verleger hat gestrichen. Der Verleger aber ist der deutsche Sozialdemokrat Dietz.

Wenn Dietz die Maslowsche „Theorie", seine Korrekturen an Marx mit Maslows Genehmigung gestrichen hat, so bleibt meine Schlussfolgerung in voller Kraft. Hat er es ohne Einwilligung Maslows getan, so ändert sich nur ihre Form: Dietz hat klug daran getan, aus dem Buch Maslows die Dummheiten zu streichen.

War es diese Richtigstellung, die der werte Genosse Maslow anstrebte?

Maslow sagt, dass ich bei meinen „Gegnern nach Ketzereien zu suchen beginne", um die Ketzereien meiner Freunde „zu decken". Das ist nicht wahr. Was ich bei meinen Freunden als ketzerisch betrachte, dagegen wende ich mich ebenso entschieden wie gegen Sie. Das zeigt meine Anmerkung in dem eben erschienenen Sammelbuch „Karl Marx zum Gedächtnis".3 Nach den ketzerischen Ansichten Maslows begann ich aber bereits 1901 in der „Sarja" zu „suchen", d. h. zwei Jahre vor der Spaltung der Partei in Bolschewiki und Menschewiki, zwei Jahre vor dem ersten Munizipalisierungsprogramm Maslows4. Im Jahre 1901 war Maslow in der Partei nur in der Frage seiner Korrekturen an der Marxschen Theorie mein „Gegner".

P. S. Vorstehende Notiz war bereits niedergeschrieben, als ich eine besondere gedruckte Mitteilung der Administration des „Golos Sozialdemokrata" erhielt, in der es heißt:

Im Heft 8/9 des ,Golos Sozialdemokrata' ist infolge eines Versehens der Druckerei eine Anmerkung der Redaktion zum Brief des Genossen Maslow weggefallen. Dieser Fehler wird unverzüglich behoben und die Anmerkung den Abonnenten und den Abnehmern zugestellt werden".5

Diesen Nachtrag habe ich noch nicht erhalten. Ich halte es für meine Pflicht, den Lesern dieses bei der Drucklegung unterlaufene Versehen mitzuteilen. Gibt es aber nicht noch einen Druckfehler in der von mir wieder gegebenen Mitteilung? Soll man nicht statt Genosse Maslow Herr Maslow lesen? Plechanow hat ja schriftlich erklärt, dass Leute, die von Marx abweichen, für ihn nicht Genossen, sondern „Herren" seien! Oder sollte das für Menschewiki, die Abweichungen vom Marxismus predigen, nicht gelten?

1 Dieser Artikel ist eine Antwort Lenins auf den „Brief an die Redaktion", den Maslow in Nr. 8-9 (Juli-September 1908) des „Golos Sozialdemokrata" veröffentlicht hat. In diesem Brief wendet sich Maslow gegen die Kritik seiner theoretischen Auffassungen in der Agrarfrage, die im Artikel Lenins „Wie Peter Maslow die Konzepte von Karl Marx korrigiert" („Proletarij" Nr. 33) enthalten ist. Dieser Artikel bildet Paragraph 2 und 3 des Kapitels III der Schrift „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution 1905–1907"

2 Wie unberechtigt die Vorwürfe Maslows waren, geht daraus hervor, dass niemand anders als Lenin die theoretischen Fehler des Professors Skworzow aufgewiesen hat, als P. Struve sich für ihn begeistert hatte (siehe Sämtliche Werke, Bd. I [russ. Ausgabe], S. 109, 336–338 und 360). In dieser Frage wurde P. Maslow von seinem Gedächtnis völlig im Stiche gelassen, denn in der „Entwicklung des Kapitalismus in Russland" lesen wir in der Anmerkung: „…A. Skworzow…, der in den äußerst wichtigen Fragen des Profits und der Rente falsche Auffassungen vertritt".

3 Im Manuskript steht: „Meine Anmerkung in dem eben erschienenen Sammelbuch ,Karl Marx zum Gedächtnis' zeigt, dass bei mir nicht die Rede davon ist, jemanden zu „decken". Die Red.

4 Mit dem Munizipalisierungsprogramm Maslows meint Lenin den Entwurf des Agrarprogramms von Iks (P. Maslow) vom Jahre 1903. Im Paragraph 7 dieses Entwurfs heißt es: „Die sozialdemokratische Partei strebt danach, dass ein Teil der in Privatbesitz befindlichen Ländereien (der Großgrundbesitz), möglichst sogar sämtliche Ländereien in nächster Zeit in den Besitz sich selbst verwaltender großer gesellschaftlicher Organisationen (Semstwos) übergehen".

5 Die „Ergänzung" zu Nr. 8–9 des „Golos Sozialdemokrata" enthält vor dem Text eine charakteristische Bemerkung: „Infolge eines bei der Drucklegung unterlaufenen Versehens weggebliebene Anmerkung der Redaktion zum Brief des Genossen Maslow." Der Untertitel lautet: „Von der Redaktion". Der ganze Zwischenfall ist für den Fraktionskampf jener Zeit höchst bezeichnend, um so mehr, als die menschewistischen Führer sich über den Wert der Schriften Maslows durchaus nicht unklar waren. Als Plechanow sich weigerte, seine Arbeiten neben den Artikeln von Potressow erscheinen zu lassen, schrieb P. B. Axelrod an ihn Mitte November 1908: „Maslow ist ja auch ein „Marxist" in Gänsefüßchen, und trotzdem wirst Du nicht seinen Ausschluss aus dem Redaktionskollegium als Bedingung zur Mitarbeit an der Zeitschrift usw. verlangen" (Briefwechsel zwischen Plechanow und P. B. Axelrod, Bd. II, S. 267. Moskau 1926).

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