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N. K. Krupskaja 19271100 Lenin über die Organisation des sozialistischen Aufbaus

N. K. Krupskaja: Lenin über die Organisation des sozialistischen Aufbaus

[Zuerst veröffentlicht 1927 in dem Buch N. K. Krupskaja: Die Grundlagen der politisch-kulturellen Aufklärungsarbeit, russ. Nach N. K. Krupskaja: Das ist Lenin. Eine Sammlung ausgewählter Reden und Artikel. Berlin 1966, S. 179-186]

Wir müssen uns darüber klarwerden, was „Aufbau des Sozialismus“ ist.

Um das zu verstehen, tut man gut, sich damit vertraut zu machen, was Lenin dazu gesagt hat. Am meisten sprach er darüber 1917 und 1918, als die Aufgaben des sozialistischen Aufbaus zum ersten Mal in ihrem ganzen Umfang vor dem Lande standen: „es handelt sich um die Organisierung der tiefsten, der ökonomischen Grundlagen des Lebens von Millionen und aber Millionen Menschen auf neue Art“, sagte Wladimir Iljitsch. „Unsere Aufgabe ist es, die gesamte Organisation zu ändern …“ Das ist der Grund, weshalb Wladimir Iljitsch schrieb: „solange die fortgeschrittenen Arbeiter es nicht lernen werden, Dutzende von Millionen zu organisieren, solange werden sie keine Sozialisten und keine Schöpfer einer sozialistischen Gesellschaft sein und nicht die notwendigen organisatorischen Kenntnisse erlangen. Der Weg der Organisation ist ein langer Weg, und die Aufgaben des sozialistischen Aufbaus erfordern hartnäckige, langwierige Arbeit und entsprechende Kenntnisse, an denen es uns mangelt.“ Hier, auf dem Gebiet der Organisation, pflegte er zu sagen, beginnt für uns der sozialistische Aufbau … Eine Organisation aber haben wir vorläufig nicht, obgleich sie der Angelpunkt und die Grundlage des Sozialismus ist.

Deshalb muss nach den Worten Wladimir Iljitschs „… alles, was im Volke erwacht ist, zur schöpferischen Arbeit fähig ist, in unseren Organisationen Aufnahme finden, die bereits vorhanden sind oder die die werktätigen Massen künftig schaffen werden.“

Wir werden unseren Weg gehen“, sagte Wladimir Iljitsch, „und uns bemühen, so vorsichtig und geduldig wie möglich wirkliche Organisatoren zu erproben und ausfindig zu machen, Menschen mit nüchternem Verstand und praktischer Ader, Menschen, die die Treue zum Sozialismus mit der Fähigkeit verbinden, ohne Lärm (und trotz des Durcheinanders und Lärms) eine feste und einmütige gemeinsame Arbeit einer großen Zahl von Menschen im Rahmen der sowjetischen Organisation zustande zu bringen.“

Aus den angeführten Zitaten ist zu ersehen, wie Wladimir Iljitsch den sozialistischen Aufbau betrachtete. Am allerwenigsten war er der Meinung, dass der Sozialismus etwas Formales sei, was ohne unmittelbare Beteiligung der Massen, ohne eine Veränderung der gesamten Gesellschaftsstruktur, geschaffen werden könne. Die Masse geht aus einem zersplitterten Zustand hervor, sie verwandelt sich in eine nach verschiedenen Berufen und Arbeitszielen, nach verschiedenen Aufgaben durch und durch organisierte Masse. In diesem Prozess der Organisierung verändern sich die Massen: sie wachsen, erwerben Kenntnisse, sammeln gesellschaftliche Erfahrungen, werden aktiv und schließen sich einmütig zusammen.

Der Aufbau des Sozialismus wäre undenkbar ohne organisierende Zentren im Lande. Derartige organisierende Zentren sind die Sowjets. „Die Sowjets sind die unmittelbare Organisation der werktätigen und ausgebeuteten Massen selbst, die es ihnen erleichtert, den Staat selbst einzurichten und in jeder nur möglichen Weise zu leiten … Die Sowjetorganisation erleichtert automatisch den Zusammenschluss aller Werktätigen und Ausgebeuteten um ihre Vorhut, das Proletariat.“

Diese organisierende Rolle der Sowjetmacht ist gerade deshalb von gewaltiger Bedeutung, weil der Sozialismus nicht einfach die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, sondern vielmehr eine neue Organisation der gesamten Gesellschaft ist.

Auch im März 1919, auf dem VIII. Parteitag der KPR(B), unterstrich Iljitsch das: „Die revolutionäre Gewalt und die Diktatur sind eine wunderschöne Sache, wenn man sie anwendet, wo und gegen wen sie angewendet werden müssen. Aber auf organisatorischem Gebiet darf man sie nicht anwenden. Diese Aufgabe der Erziehung, der Umerziehung und der langwierigen organisatorischen Arbeit haben wir keineswegs gelöst, und wir müssen systematisch an sie herangehen.“

Eben weil Lenin der Organisation eine so große Bedeutung beimaß, schätzte er Organisationstalente besonders. Gerade während des VIII. Parteitags der KPR(B) starb einer der talentiertesten Organisatoren unserer Partei – Jakow Michailowitsch Swerdlow. In der Gedenkrede für J. M. Swerdlow, die Iljitsch vor dem Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitee hielt, wiederholte er den gleichen Gedanken: „ohne die revolutionäre Gewalt – hätte das Proletariat nicht siegen können. Aber es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die revolutionäre Gewalt nur in bestimmten Entwicklungsetappen der Revolution, nur unter bestimmten und besonderen Bedingungen eine notwendige und gesetzmäßige Methode der Revolution war, während die Organisation der proletarischen Massen, die Organisation der Werktätigen, ein viel wesentlicheres, ständiges Merkmal dieser Revolution und Voraussetzung ihrer Siege war und bleibt. Eben in dieser Organisation von Millionen Werktätigen liegen die besten Entwicklungsbedingungen der Revolution, liegt die unerschöpfliche Quelle ihrer Siege. Dieser Wesenszug der proletarischen Revolution hat im Verlauf des Kampfes Führer hervorgebracht, in denen sich diese früher in der Revolution unbekannte Besonderheit am stärksten verkörperte: die Fähigkeit, die Massen zu organisieren. Dieser Wesenszug der proletarischen Revolution hat auch einen solchen Menschen hervorgebracht wie J. M. Swerdlow, der vor allem und in erster Linie ein Organisator war.“

Iljitsch beendete die Gedenkrede für J. M. Swerdlow mit dem Ausdruck seiner Überzeugung, dass „die proletarische Revolution in Russland und in der ganzen Welt immer neue und neue Gruppen von Menschen hervorbringen wird, zahlreiche Schichten von Proletariern, von werktätigen Bauern, die jene praktische Lebenserfahrung, jenes wenn nicht individuelle, so doch kollektive Organisationstalent mitbringen werden, ohne das die Millionenarmeen der Proletarier nicht zum Siege gelangen können“.

Man kann die neue Ordnung nicht errichten, kann die Grundlagen der neuen Ordnung nicht schaffen, ohne genau zu wissen, wie die Dinge liegen, ohne nachzuprüfen, ob die Arbeit richtig und in dem gebotenen Geiste geleistet wird. Man kann eine einheitliche Planwirtschaft nicht ohne Rechnungsführung und Kontrolle aufbauen. Daher die gewaltige Bedeutung der Rechnungsführung und Kontrolle. Wiederholt hat Iljitsch erklärt: „Sozialismus ist Rechnungsführung.“ Es ist notwendig, „eine vom gesamten Volk ausgeübte Rechnungsführung und Kontrolle zu organisieren …“ Diesen Gedanken wiederholte Wladimir Iljitsch auch späterhin. Im Oktober 1921 schrieb er, dass „uns eine nicht sehr lange Erfahrung … überzeugte …, dass es ohne eine Periode der sozialistischen Rechnungsführung und Kontrolle unmöglich sei, auch nur die untere Stufe des Kommunismus zu erreichen“.

In dem vom II. Sowjetkongress angenommenen Aufruf über den Übergang der Macht an die Sowjets heißt es: „Die Sowjetmacht … wird die Arbeiterkontrolle über die Produktion entführen.“ Am 16./29. November 1917 wurde das vom Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitee beschlossene und vom Rat der Volkskommissare bestätigte Dekret über die Arbeiterkontrolle veröffentlicht. Die Heranziehung der breitesten Massen zur Rechnungsführung und Kontrolle hielt Lenin für besonders wichtig.

In seinem Artikel „Wie soll man den Wettbewerb organisieren?“, der vom 7. bis zum 10. Januar 1918 geschrieben wurde, aber erst am 20. Januar 1929 in der „Prawda“ zur Veröffentlichung kam, betonte Wladimir Iljitsch: „Rechnungsführung und Kontrolle – das ist die wichtigste wirtschaftliche Aufgabe eines jeden Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten, einer jeden Konsumgenossenschaft, eines jeden Versorgungsverbandes oder -komitees, eines jeden Betriebskomitees oder Organs der Arbeiterkontrolle überhaupt.

Rechnungsführung und Kontrolle, wenn sie von den Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten als der obersten Staatsmacht oder auf Anweisung, im Auftrag dieser Staatsmacht ausgeübt wird, allerorts durchzuführende, allgemeine, universelle Rechnungsführung und Kontrolle, Rechnungsführung und Kontrolle über die Arbeitsmenge und über die Verteilung der Produkte – darin besteht das Wesen der sozialistischen Umgestaltung, nachdem die politische Herrschaft des Proletariats begründet und gesichert ist …

Arbeiter und Bauern! Werktätige und Ausgebeutete! Der Grund und Boden, die Banken, die Fabriken, die Werke sind Eigentum des ganzen Volkes geworden! Nehmt selbst die Rechnungsführung und Kontrolle über die Produktion und die Verteilung der Produkte in die Hand – darin und nur darin liegt der Weg zum Sozialismus, die Bürgschaft für seinen Sieg, die Bürgschaft für den Sieg über jede Ausbeutung, über Not und Eiend!“

In den „Nächsten Aufgaben der Sowjetmacht“ schrieb Iljitsch: „Gerade die Verbundenheit der Sowjets mit dem ,Volke' der Werktätigen schafft besondere Formen der Abberufung und anderer Kontrollen von unten, die jetzt besonders eifrig entwickelt werden müssen. Zum Beispiel verdienen die Sowjets der Volksbildung als periodische Konferenzen sowjetischer Wähler und ihrer Delegierten zur Beratung und Kontrolle über die Tätigkeit der sowjetischen Behörden auf diesem Gebiet vollste Sympathie und Unterstützung. Es gibt nichts Dümmeres als die Verwandlung der Sowjets in etwas Starres und sich selbst Genügendes. Je entschlossener wir jetzt für eine rücksichtslose starke Macht, für die Diktatur einzelner Personen für bestimmte Arbeitsprozesse, in bestimmten Momenten rein exekutiver Funktionen eintreten müssen, desto mannigfaltiger müssen die Formen und Methoden der Kontrolle von unten sein, um jede kleinste Möglichkeit, die Sowjetmacht zu entstellen, zu paralysieren, um das Unkraut des Bürokratismus immer wieder und unermüdlich auszureißen.“ Der Angelpunkt liegt also wieder in der Organisation.

Eine andere Aufgabe des sozialistischen Aufbaus ist eine neue, eine bessere Arbeitsorganisation. Es ist „die Grundaufgabe, eine Gesellschaftsform zu schaffen, die höher ist als der Kapitalismus, nämlich: die Steigerung der Arbeitsproduktivität und im Zusammenhang damit (und zu diesem Zweck) die höhere Organisation der Arbeit“. Diese höhere Arbeitsorganisation konnte sich Iljitsch nicht ohne die Beteiligung der Massen selbst denken. „Arbeiten lernen – diese Aufgabe muss die Sowjetmacht dem Volk in ihrem ganzen Umfang stellen.“

Den Fragen bewusster Einstellung zur Arbeit widmete Iljitsch besonders viel Aufmerksamkeit. Schon im Januar 1918 schrieb Iljitsch den Artikel „Wie soll man den Wettbewerb organisieren?“, in dem er davon spricht, wie Elemente des Wettbewerbs in die Produktionsarbeit und in die gesellschaftliche Arbeit hineingetragen werden müssen. Marx spricht in Band I seines „Kapitals“ in dem Kapitel „Kooperation“ von der gewaltigen Rolle des Wettbewerbs, und schon im Januar 1918 denkt Iljitsch darüber nach, wie man den sozialistischen Wettbewerb organisatorisch in die Tat umsetzen muss, um auf diese Weise die bewusste Einstellung zur Arbeit und das Interesse an der gesellschaftlichen Arbeit zu erhöhen.

Noch ausführlicher ging Lenin auf diese Fragen in der Broschüre „Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht“ ein, die er im März und April des gleichen Jahres 1918 schrieb; dort spricht er davon, wie die bewusste Einstellung zur Arbeit eine neue, bewusste Disziplin entwickelt, spricht er davon, wie wichtig es ist, das Bildungs- und Kulturniveau der Massen zu heben, wie dadurch die Arbeitsproduktivität gesteigert wird und wie das höhere Niveau dazu beiträgt, die gesamte Arbeit auf neue Art zu organisieren. Mit heißer Sympathie begrüßte Lenin die „große Initiative“ der Arbeiter bei der Durchführung von Subbotniks, denen er mehrere Artikel widmete.

Die Sowjetmacht soll keine Sklavenarbeit, sondern die auf neue Art organisierte bewusste Arbeit von Millionen Menschen regeln.

Auf dem VIII. Gesamtrussischen Sowjetkongress betonte Wladimir Iljitsch die gewaltige Bedeutung der Produktionspropaganda, die gewaltige Bedeutung ihrer Organisierung: „… ich glaube, dass sich unter den Maßnahmen, die die Sowjetmacht in diesem Jahr getroffen hat, eine besonders heraushebt: die Gründung des Zentralbüros für Produktionspropaganda beim Gesamtrussischen Zentralrat der Gewerkschaften, die Verbindung seiner Tätigkeit mit der Arbeit des Hauptausschuss für politisch-kulturelle Aufklärung, die Gründung neuer Zeitungen, die auf dem Produktionsplan fußen, wobei nicht nur die Aufmerksamkeit auf die Produktionspropaganda zu legen, sondern diese auch im gesamtstaatlichen Umfang zu organisieren ist.“ (Von mir hervorgehoben. N. K.)

Die Notwendigkeit, die Produktionspropaganda im gesamtstaatlichen Maßstab zu organisieren, ergibt sich aus all den Besonderheiten der gegenwärtigen politischen Lage. Notwendig ist das sowohl für die Arbeiterklasse als auch für die Gewerkschaften und für die Bauernschaft; es ist ganz besonders notwendig für unseren Staatsapparat, den wir bei weitem nicht genug für diesen Zweck ausgenutzt haben. Kenntnisse darüber, wie die Industrie zu leiten ist, wie die Massen zu interessieren sind, Bücherkenntnisse darüber haben wir tausendmal mehr, als wir in der Praxis anwenden. Wir müssen es dahin bringen, dass ausnahmslos alle Gewerkschaftsmitglieder an der Produktion interessiert sind und dass sie nie vergessen, dass Sowjetrussland nur durch die Steigerung der Produktion, durch die Erhöhung der Arbeitsproduktivität imstande sein wird zu siegen.“

Wir sehen, dass Wladimir Iljitsch an die Frage der Produktionspropaganda von der organisatorischen Seite her herantrat.

Die Produktionspropaganda hatte Wladimir Iljitsch auch im Auge, als er das Vorwort zu Stepanows Buch „Die Elektrifizierung der RSFSR im Zusammenhang mit der Übergangsphase der Weltwirtschaft“ verfasste. „Der achte Sowjetkongress“, schrieb er dort, „hat beschlossen, dass der Unterricht über den Elektrifizierungsplan in allen – ausnahmslos allen – Lehranstalten der RSFSR obligatorisch ist. Dieser Beschluss ist, wie auch viele andere, infolge unserer (unserer, der Bolschewiki) Kulturlosigkeit auf dem Papier geblieben. Jetzt, mit dem Erscheinen des vorliegenden ,Handbuchs für Schulen' des Gen. Stepanow, muss erreicht werden – und wir werden es erreichen! –, dass in jeder Kreisbibliothek (und dann auch in jeder Amtsbezirksbibliothek) einige Exemplare dieses ,Handbuchs' vorhanden sind; – dass bei jedem Kraftwerk in Russland (und es gibt ihrer über 800) nicht nur dieses Buch ausliegt, sondern dass auch unbedingt allgemeinverständliche populäre Vorträge über die Elektrizität und über die Elektrifizierung der RSFSR sowie über die Technik überhaupt veranstaltet werden; – dass jeder Volksschullehrer dieses ,Handbuch' liest und beherrscht (zur Unterstützung ist in jedem Kreis ein Zirkel oder eine Gruppe von Ingenieuren und Physiklehrern zu organisieren) und es nicht nur selbst liest, versteht und beherrscht, sondern auch imstande ist, den Schülern und überhaupt der Bauernjugend den Inhalt einfach und verständlich wiederzugeben.“ Hier sehen wir auch in seinem Wesen den Organisationsplan der Produktionspropaganda bei der Elektrifizierung der RSFSR.

In der Organisation liegt der Angelpunkt auch dieser Frage.

Die Gewerkschaften bewertete Wladimir Iljitsch ebenfalls vom Standpunkt der Organisation der Massen:

die Gewerkschaften sind … eine Organisation der machthabenden, herrschenden, regierenden Klasse, derjenigen Klasse, die die Diktatur verwirklicht, derjenigen Klasse, die den staatlichen Zwang ausübt. Aber das ist keine staatliche Organisation, das ist keine Organisation des Zwanges, das ist vielmehr eine erzieherische Organisation, eine Organisation der Heranziehung, der Schulung, das ist eine Schule, eine Schule der Verwaltung, eine Schule der Wirtschaftsführung, eine Schule des Kommunismus.“

Aber die Arbeiter müssen eng mit der gesamten Masse der Werktätigen verbunden sein. „Die Diktatur lässt sich nicht verwirklichen ohne einige ,Transmissionen' von der Avantgarde zur Masse der fortgeschrittenen Klasse und von dieser zur Masse der Werktätigen. In Russland ist diese Masse die Bauernmasse, in anderen Ländern gibt es eine solche Masse nicht, aber selbst in den fortgeschrittensten Ländern gibt es eine nichtproletarische oder nicht rein proletarische Masse.“

Wichtig ist jedoch, dass sich die Gewerkschaften nicht abschließen, dass sie vielmehr mit der gesamten werktätigen Masse verbunden sind.

Eine der größten, unauslöschlichen Taten des sowjetischen Oktoberumsturzes besteht darin, dass der fortgeschrittene Arbeiter als Leiter der Armen, als Führer der dörflichen werktätigen Masse, als Erbauer des Staates der Arbeit ,ins Volk gegangen' ist.“

Fünf Jahre später kam Wladimir Iljitsch hierauf erneut in seinen „Tagebuchblättern“ zu sprechen. Er sammelte Material für seine Rede auf dem Sowjetkongress im Dezember 1922, eine Rede, die er infolge seiner Krankheit dann nicht mehr gehalten hat und in der er die Patenschaft von Arbeitern städtischer Siedlungen über Dorfbewohner behandeln wollte. Die Hauptaufgabe, die Wladimir Iljitsch der Patenschaft stellte, bestand darin, „aus dem städtischen Arbeiter wirklich einen Vermittler der kommunistischen Ideen unter dem Landproletariat zu machen" (von mir hervorgehoben. N. K.).

Nach diesem Artikel Wladimir Iljitschs begann sich die Patenschaft breit zu entwickeln. Es muss allerdings gesagt werden, dass sie nicht immer die Formen annahm, an die Iljitsch gedacht hatte.

Die Patenschaft soll zum Zusammenschluss der Kleinproduzenten beitragen.

Die Vortrupps der städtischen Arbeiter, der Industriearbeiter haben sich in der ganzen Welt vereinigt, haben sich Mann für Mann zusammengeschlossen. Aber noch fast nirgends in der Welt wurden systematische, selbstlose und opfermutige Versuche gemacht, diejenigen zu vereinigen, die in den Dörfern, in der landwirtschaftlichen Kleinproduktion, in Weltverlorenheit und Finsternis leben und durch alle ihre Lebensbedingungen abgestumpft sind. Hier stehen wir vor einer Aufgabe, die nicht nur den Kampf gegen die Hungersnot, sondern auch den Kampf für die ganze tiefgreifende und wichtige Ordnung des Sozialismus auf ein einziges Ziel ausrichtet. Wir haben hier einen solchen Kampf für den Sozialismus vor uns, für den es sich lohnt, alle Kräfte herzugeben und alles aufs Spiel zu setzen, weil das der Kampf für den Sozialismus ist.“

Die Kleinproduzenten zusammenschließen kann man nur dadurch, dass man sie Mann für Mann in Genossenschaften organisiert, nur dadurch, dass man sie Mann für Mann zur Beteiligung an einer Genossenschaft heranzieht.

Auf diese Frage ging Wladimir Iljitsch ausführlich in seinem Artikel „Über das Genossenschaftswesen“ ein, der bereits aus dem Jahre 1923 stammt.

In diesem Artikel spricht er von der gigantischen Bedeutung des Genossenschaftswesens: „Man blickt bei uns auf die Genossenschaften von oben herab und begreift nicht, welche außerordentliche Bedeutung diese Genossenschaften haben, erstens von der prinzipiellen Seite her gesehen (das Eigentum an den Produktionsmitteln in den Händen des Staates), zweitens unter dem Gesichtspunkt des Übergangs zu neuen Zuständen auf einem Wege, der möglichst einfach, leicht und zugänglich für den Bauern ist.

Und das ist ja doch wiederum die Hauptsache. Es ist eine Sache, über alle möglichen Arbeitervereinigungen zum Aufbau des Sozialismus zu fantasieren, und eine andere Sache, diesen Sozialismus praktisch so aufbauen zu lernen, dass jeder Kleinbauer an diesem Aufbau teilnehmen kann.“

Unterstützt werden muss ein genossenschaftlicher Umsatz, „an dem wirkliche Massen der Bevölkerung wirklich teilnehmen.

Wir sehen also, dass Wladimir Iljitsch auch an die Frage des genossenschaftlichen Zusammenschlusses wiederum vom Standpunkt der Auslösung der Aktivität der Massen der Bevölkerung herantrat.

Dank diesem Herangehen gelang es, „den Sozialismus in das Alltagsleben einzubeziehen“. „Wir sind bis zum innersten Kern der Alltagsfragen vorgedrungen, und das ist eine gewaltige Errungenschaft. Der Sozialismus ist jetzt bereits keine Frage der fernen Zukunft oder irgendeines abstrakten Schemas oder irgendeines Heiligenbildes. Hinsichtlich der Heiligenbilder sind wir bei der alten, sehr schlechten Meinung geblieben. Wir haben den Sozialismus in das Alltagsleben einbezogen, und hier müssen wir uns zurechtfinden. Das eben ist die Aufgabe unserer Tage, das eben ist die Aufgabe unserer Epoche.“

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