Zweiter Brief

Zweiter Brief

Tu l'as voulu, Georges Dandin!"

Gnädiger Herr! Dieser Brief gliedert sich natürlicherweise in zwei Teile. Erstens halte ich mich für verpflichtet, auf jene „kritischen" Einwände zu antworten, die Sie gegen „meinen" Materialismus vorgebracht haben. Zweitens möchte ich von meinem Recht Gebrauch machen, zum Angriff überzugehen und die Grundlagen jener „Philosophie" zu überprüfen, in deren Namen Sie mich attackieren und mit deren Hilfe Sie Marx „ergänzen" wollen, nämlich der Philosophie Machs. Ich bin mir dessen bewusst, dass der erste Teil manchen Leser langweilen wird. Aber ich bin gezwungen, Ihnen zu folgen, und wenn es bei unserem gemeinsamen Spaziergang durch Ihren „kritischen" Garten wenig Lustiges gibt, dann darf man dafür nicht mir die Schuld geben, sondern muss sich bei dem bedanken, der diesen Garten angepflanzt und geplant hat.

I

Sie kritisieren „meine" Definition der Materie, die Sie nachstehenden Zeilen meines Buches „Eine Kritik unserer Kritiker" entnehmen: „Im Gegensatz zum ,Geist' bezeichnen wir als ,Materie' das, was auf unsere Sinnesorgane einwirkt und dadurch in uns diese oder jene Empfindungen hervorruft. Was aber ist es eigentlich, das auf unsere Sinnesorgane einwirkt? Auf diese Frage antworte ich mit Kant: das Ding an sich. Also ist die Materie nichts anderes als die Gesamtheit der Dinge an sich, da diese Dinge die Quelle unserer Empfindungen sind."1

Diese Passage löst bei Ihnen Heiterkeit aus.

Mithin", so belächeln Sie mich, „wird die ,Materie' (oder die ,Natur' als Antithese zum ,Geist') durch die ,Dinge an sich' sowie durch deren Eigenschaft bestimmt, ,auf unsere Sinnesorgane einzuwirken und dadurch Empfindungen hervorzurufen'. Was aber sind diese ,Dinge an sich'? ,Das, was auf unsere Sinnesorgane einwirkt und dadurch in uns Empfindungen hervorruft'. Das ist alles. Eine andere Definition können Sie bei Gen. Beltow nicht finden, es sei denn, Sie werten als solche die wahrscheinlich negativ gemeinte Charakteristik: nicht ‚Empfindung', nicht ‚Erscheinung', nicht ‚Erfahrung'."A

Warten Sie ab, gnädiger Herr!… Vergessen Sie nicht, dass rira bien, qui rira le dernier.2

Ich definiere die Materie keineswegs „durch" die Dinge an sich. Ich behaupte nur, dass alle Dinge an sich materiell sind. Und unter der Materialität der Dinge verstehe ich – das haben Sie richtig gesagt – ihre Fähigkeit, in der einen oder anderen Weise, unmittelbar oder mittelbar, auf unsere Sinne einzuwirken und dadurch in uns diese oder jene Empfindungen hervorzurufen. In meinem Streit mit den Kantianern hielt ich mich für berechtigt, mich auf den einfachen Hinweis auf diese Fähigkeit der Dinge zu beschränken, weil ja ihr Vorhandensein von Kant nicht nur nicht bezweifelt, sondern bereits auf der ersten Seite seiner „Kritik der reinen Vernunft" kategorisch eingestanden wurde. Aber Kant war inkonsequent. Während er auf der ersten Seite des eben von mir genannten Werkes das Ding an sich als Quelle unserer Empfindungen anerkannte, war er gleichzeitig keineswegs abgeneigt, diese Dinge als etwas Nichtmaterielles anzusehen, d. h. als etwas, das unseren Sinnen nicht zugänglich ist. Diese seine Neigung, die ihn in einen Widerspruch mit sich selbst gebracht hat, zeigte sich in seiner „Kritik der praktischen Vernunft" besonders deutlich. Wegen dieser Neigung erschien es mir ganz natürlich, in der Auseinandersetzung mit seinen Schülern darauf zu bestehen, dass die Dinge an sich – nach seinem eigenen Eingeständnis – die Quelle unserer Empfindungen sind, d. h. die Merkmale der Materialität besitzen. Auf diese Weise habe ich Kants Inkonsequenz sichtbar gemacht und seine Schüler auf die logische Notwendigkeit hingewiesen, sich für eines der beiden unversöhnlichen Elemente jenes Widerspruches zu entscheiden, aus dem ihr Lehrer keinen Ausweg gefunden hatte. Ich habe ihnen gesagt, dass sie nicht bei dem Kantschen Dualismus stehenbleiben können und dass sie entweder zum subjektiven Idealismus oder aber zum Materialismus gelangen müssen.B Als sich dann unser Disput in einer solchen Richtung entwickelte, hielt ich es für nützlich, das entscheidende Kriterium anzuführen, das den subjektiven Idealismus vom Materialismus unterscheidet und das – wie es vielleicht sogar Ihnen, Herr Bogdanow, bekannt ist, obwohl Sie sich in der Geschichte der Philosophie überhaupt nicht auskennen – darin besteht, dass der subjektive Idealismus die Materialität der Dinge bestreitet, der Materialismus erkennt sie an.C

So hat sich das abgespielt. Aber Sie, der Sie die Sache ganz und gar nicht verstanden haben – und, wie man sieht, auch jetzt nicht imstande sind, sie zu verstehen –, Sie klammerten sich sogleich an Worte, deren Sinn Ihnen „unbegreiflich" geblieben ist, und fielen mit Ihrer billigen Ironie über mich her. Eile mit Weile, Herr Bogdanow!

Ich fahre fort. Da ich im Streit mit Ihnen sogar noch häufiger als im Streit mit den Kantianern gezwungen bin, daran zu appellieren, was der wichtigste Unterschied des Materialismus vom subjektiven Idealismus ist, bemühe ich mich mit Hilfe einiger – wie ich hoffe, recht überzeugender – Zitate, Ihnen diesen klarzumachen.

Der berühmte subjektive Idealist (und englische Bischof) George Berkeley schreibt in seinem Buch „Of the Principles of Human Knowledge": „Es besteht in der Tat eine auffallend verbreitete Meinung, dass Häuser, Berge, Flüsse, mit einem Wort, alle sinnlichen Objekte (all sensible objects), eine natürliche oder reale (natural or real) Existenz haben, welche von ihrem Perzipiertwerden durch den denkenden Geist verschieden sei (being perceived by the understanding)."D Diese Überzeugung jedoch beruhe auf einem offensichtlichen Widerspruch: „Denn was sind die vorhin erwähnten Objekte anderes als die sinnlich von uns wahrgenommenen Dinge, und was perzipieren wir anderes als unsere eigenen Ideen oder Sinnesempfindungen (ideas or sensations)?"E Licht, Figuren, Bewegung, Ausdehnung usw. sind uns als unsere Empfindungen durchaus bekannt. Wir würden uns jedoch in Widersprüche verwickeln, wenn wir anfingen, sie für Zeichen oder Gestalten der Dinge zu halten, die außerhalb des Denkens existieren.F

Im Gegensatz zu den subjektiven Idealisten behauptet der Materialist Feuerbach: „Der Beweis, dass etwas ist, hat keinen andern Sinn, als dass etwas {nicht nur Gedachtes ist}."G

Genauso hat Engels in seiner Polemik mit Dühring der idealistischen Ansicht von der Welt als einer Vorstellung seine Auffassung entgegengehalten, dass die wirkliche Einheit der Welt {in ihrer Materialität besteht}.H

Bedarf es hiernach noch einer Erläuterung, was wir Materialisten unter der Materialität der Dinge verstehen? Für alle Fälle will ich sie geben.

Als materielle Gegenstände (Körper) bezeichnen wir solche Gegenstände, die unabhängig von unserem Bewusstsein existieren und, indem sie auf unsere Sinne wirken, in uns bestimmte Empfindungen hervorrufen, welche ihrerseits unseren Vorstellungen von der Außenwelt, das heißt von ebendiesen materiellen Gegenständen, und von deren Wechselbeziehungen zugrunde liegen.

Das dürfte genügen. Ich will nur noch eines hinzufügen: Mach, dessen „Philosophie" Sie, gnädiger Herr, als die „Philosophie" der Naturwissenschaft des 20. Jahrhunderts ansehen, steht in der uns interessierenden Frage voll und ganz auf dem Standpunkt Berkeleys, also eines Idealisten des 18. Jahrhunderts. Ja, er drückt sich sogar fast genauso aus wie dieser ehrwürdige Bischof. „Nicht die Körper erzeugen Empfindungen", sagt er, „sondern Elementenkomplexe (Empfindungskomplexe) bilden die Körper. Erscheinen dem Physiker die Körper als das Bleibende, Wirkliche, die ‚Elemente' hingegen als ihr flüchtiger vorübergehender Schein, so beachtet er nicht, dass alle ‚Körper' nur Gedankensymbole für Elementenkomplexe (Empfindungskomplexe) sind."I

Ihnen, Herr Bogdanow, ist sicher gut bekannt, was Ihr Lehrer über diesen Gegenstand sagt. Gänzlich unbekannt ist Ihnen aber allem Anschein nach, was Berkeley darüber gesagt hat. Sie kommen mir vor wie Molières Jourdain, der jahrzehntelang nicht geahnt hat, dass er Prosa redet. Sie haben sich die Ansichten von Mach über die Materie zu Eigen gemacht, aber Sie haben in Ihrer Naivität einfach nicht geahnt, dass das rein idealistische Ansichten sind. Darum hat Sie meine Materiedefinition in Staunen versetzt; darum auch sind Sie nicht dahintergekommen, warum ich in meiner Auseinandersetzung mit den Neukantianern auf die Materialität des Dinges an sich Wert legen musste. Drolliger Monsieur Jourdain! Armer Herr Bogdanow!

Wenn Sie sich nur ein wenig in der Geschichte der Philosophie auskennen würden, dann wüssten Sie genau, dass die Materiedefinition, die Sie belustigend fanden, nicht mein Privateigentum, sondern das Gemeingut sehr vieler Denker des materialistischen und sogar des idealistischen Lagers ist. So haben sich zum Beispiel im 18. Jahrhundert die Materialisten Holbach und Joseph PriestleyJ an sie gehalten. Und neulich erst hat ein Idealist (allerdings kein subjektiver), Ernest Naville, in einer Gedenkrede, die er in der Französischen Akademie hielt, auf die Frage „Was ist Materie?" geantwortet: C'est ce qui se revele à nos sens (das, was sich unseren Sinnen offenbart).K Sie ersehen daraus, gnädiger Herr, wie verbreitet „meine" Materiedefinition ist.L Aber denken Sie nicht, dass ich Ihre „kritischen" Schläge von mir wenden und an eine andere Adresse senden will, weil ich mich auf ihre Verbreitung beziehe. Mitnichten! Ich bin selbst in der Lage, sie zu parieren. Und dazu bedarf es ja auch gar keiner großen Kühnheit und Gewandtheit; denn die von Ihnen ausgeteilten Schläge sind sehr schwach und ungeschickt und darum nicht im Geringsten zu fürchten.

Wenn ich die Materie als Quelle unserer Empfindungen definiere, dann halten Sie es ganz unangebrachterweise für „wahrscheinlich", dass ich die Materie negativ als nicht Erfahrung charakterisiere. Ich finde es sogar befremdend, wie Sie sich so sehr irren konnten: Viele Seiten des Buches „Eine Kritik unserer Kritiker", das Sie zitieren, hätten Ihnen doch meinen Erfahrungsbegriff verdeutlichen müssen. Auch die von Ihnen zitierten Anmerkungen zu Engels' „Ludwig Feuerbach" könnten Ihnen meine Definition erklären. In einer von diesen Anmerkungen habe ich, in der Auseinandersetzung mit den Kantianern, gesagt: „Jede Erfahrung und jede produktive Tätigkeit des Menschen ist ein aktives Verhältnis zur Außenwelt, ist ein gewolltes Hervorbringen bestimmter Erscheinungen. Aber da die Erscheinung das Ergebnis der Wirkung der Dinge als solcher ist (Kant sagt: die Dinge affizieren mich), so zwinge ich mit meinem Erfahrungsakt oder mit der Herstellung dieses oder jenes Produktes das Ding als solches, mein Ich in einer bestimmten, vorher von mir festgelegten Weise zu ‚affizieren'. Folglich kenne ich zumindest einige seiner Eigenschaften, und zwar diejenigen, über die ich es veranlasse, zu wirken."M Die Erfahrung beruht folglich auf einer Wechselwirkung zwischen dem Subjekt und dem außerhalb desselben befindlichen Objekt. Daraus ist außerdem ersichtlich, dass ich in einen unverzeihlichen Widerspruch mit mir selbst geraten würde, wenn ich es mir hätte einfallen lassen, das Objekt negativ, mit den Worten „nicht Erfahrung", zu definieren. Ich bitte Sie – gerade die „Erfahrung"! Genauer gesagt: eine von zwei notwendigen Bedingungen der Erfahrung.

Auf der nächsten Seite Ihres Buches (XIV), Herr Bogdanow, formulieren Sie den merkwürdigen Gedanken, den Sie mir zuschreiben, etwas anders. Dort hört es sich so an, als ob meiner Meinung nach die „Dinge an sich" erstens existieren, noch dazu außerhalb unserer Erfahrung, und zweitens dem Gesetz der Kausalität unterworfen sind. Das ist wiederum im höchsten Grade merkwürdig.

Wenn die Dinge an sich „dem Gesetz der Kausalität unterworfen" sind, dann dürfte klar sein, dass sie nicht außerhalb der Erfahrung existieren. Wie kommt es nur, dass Sie das nicht erfasst haben, als Sie mir zwei sich gegenseitig ausschließende Thesen unterschoben? Sollten Sie aber wirklich geglaubt haben, dass ich mir in diesem Falle selbst widerspreche, dann hätten Sie sofort die Aufmerksamkeit des Lesers auf meine unverzeihliche Unlogik lenken müssen, weil diese Entdeckung allein schon genügt hätte, „meine" ganze Erkenntnistheorie zu Fall zu bringen. Sie sind mir ein schlechter Polemiker, Herr Bogdanow! Oder haben Sie vielleicht von der Enthüllung meines Widerspruchs nur deshalb Abstand genommen, weil Ihnen dunkel bewusst wurde, dass er nur in Ihrer Vorstellung vorhanden ist? Wenn ja, so hätten Sie sich in Ihr „Erlebnis" hineindenken sollen, um aus dem getrübten Bewusstsein ein klares zu machen. Wären Sie so verfahren und hätten Sie sich überzeugt, dass mein Widerspruch tatsächlich nur eine Frucht Ihrer Phantasie ist, dann hätten Sie ihn mir sicher nicht präsentiert, und Ihnen wäre so eine große Blamage erspart geblieben. Also muss man auch hier wieder sagen: Sie sind ein schlechter, ein ungeschickter Polemiker, Herr Bogdanow!

Wir fahren fort und stellen zuallererst fest, dass die Formulierung „Die Dinge an sich existieren außerhalb unserer Erfahrung" sehr unglücklich ist. Sie kann bedeuten, dass die Dinge unserer Erfahrung überhaupt unzugänglich sind. So verstand es Kant, der dabei, wie oben angeführt, in einen Widerspruch mit sich selbst geriet.N Und genauso verstehen es fast alle Neukantianer, mit denen in diesem Falle auch Mach übereinstimmt; bei ihm verbindet sich mit den Worten „Ding an sich" stets die Vorstellung von irgendeinem x, das jenseits unserer Erfahrung liegt. Angesichts einer solchen Vorstellung über das, was man als Ding an sich bezeichnet, ist es nur logisch, wenn Mach das Ding an sich als eine völlig unnötige metaphysische Beigabe zu unseren aus der Erfahrung geschöpften Begriffen ansieht. Sie, Herr Bogdanow, betrachten diese Angelegenheit mit den Augen Ihres Lehrers und können offenbar nicht einmal für einen Augenblick annehmen, dass es Menschen gibt, die den Terminus „Ding an sich" nicht in dem Sinne verwenden, wie die Kantianer und Machisten. Damit erklärt sich auch die Tatsache, dass Sie mich, der ich weder zu den Neokantianern noch zu den Machisten gehöre, nicht verstehen können.

Dabei ist die Sache ziemlich einfach. Selbst wenn ich mich dazu entschließen würde, die unglückliche Formulierung „Die Dinge an sich existieren außerhalb unserer Erfahrung" zu benutzen, dann würde sie bei mir keineswegs bedeuten, dass die Dinge an sich unserer Erfahrung unzugänglich sind, sondern nur, dass sie selbst dann existieren, wenn sie aus irgendeinem Grunde von unserer Erfahrung nicht erfasst werden.

Wenn ich „unsere Erfahrung" sage, meine ich die menschliche Erfahrung. Nun wissen wir jedoch, dass es eine Zeit gegeben hat, wo auf unserem Planeten noch keine Menschen lebten. Aber wenn es keine Menschen gab, gab es auch nicht ihre Erfahrung. Und dennoch war die Erde da. Das heißt, sie existierte (auch ein Ding an sich!) außerhalb der menschlichen Erfahrung. Warum existierte sie außerhalb der Erfahrung? Etwa deshalb, weil sie überhaupt nicht Gegenstand der Erfahrung werden konnte? Nein, sie existierte nur deshalb außerhalb der Erfahrung, weil es noch keine Organismen gab, die nach ihrer Beschaffenheit fähig waren, zu Erfahrung zu gelangen.O Mit anderen Worten: „Existierte außerhalb der Erfahrung" bedeutet soviel wie existierte noch vor der Erfahrung. Weiter nichts. Seitdem es aber die Erfahrung gibt, existiert das Ding an sich nicht mehr bloß außerhalb derselben, sondern auch in ihr und bildet für sie eine unerlässliche Bedingung. Kurz gesagt: Die Erfahrung ist das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt, aber das Objekt hört auch dann nicht auf zu existieren, wenn zwischen ihm und dem Subjekt keinerlei Wechselwirkung stattfindet, das heißt, wenn keine Erfahrung vorhanden ist. Die bekannte These „ohne Subjekt kein Objekt" ist grundfalsch.P Das Objekt hört auch dann nicht auf zu existieren, wenn das Subjekt noch nicht da ist oder schon nicht mehr existiert. Auch dem muss jeder zustimmen, für den die Schlussfolgerungen der modernen Naturwissenschaft keine hohle Phrase sind: Wir haben gesehen, dass im Sinne der heutigen Evolutionstheorie ein Subjekt erst dann auftritt, wenn das Objekt eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht hat.

Wer behauptet, dass es ohne Subjekt kein Objekt gibt, wirft ganz einfach zwei völlig verschiedene Begriffe durcheinander: die Existenz des Objektes „an sich" und seine Existenz in der Vorstellung des Subjekts. Wir haben kein Recht, diese beiden Existenzformen gleichzusetzen. So existieren zum Beispiel Sie, Herr Bogdanow, erstens „an sich" und zweitens in der Vorstellung, sagen wir, des Herrn Lunatscharski, der Sie für einen tiefgründigen Denker hält. Die Verwechslung des Objektes „an sich" mit dem Objekt, wie es sich dem Subjekt darstellt, ist auch die Quelle jenes Wirrwarrs, mit dem die Idealisten aller Couleurs und aller Schattierungen den Materialismus „zu Fall bringen".

Die Einwände, die Sie, gnädiger Herr, gegen mich erheben, beruhen auf eben dieser Verwechslung. Wirklich, Sie sind unzufrieden mit „meiner" Definition der Materie als der Quelle unserer Empfindungen. Aber untersuchen wir doch einmal etwas genauer, wodurch eigentlich Ihre Unzufriedenheit hervorgerufen wird.

Sie stellen „meine" Materiedefinition mit der These gleich, die lautet: „Eine einschläfernde Kraft ist das, was den Schlaf hervorruft" (S. XIII). Sie haben diesen Ausspruch bei einer Gestalt Molières entlehnt, aber Sie haben ihn wie üblich schlecht wiedergegeben. Die Molièresche Gestalt sagt: „Opium schläfert ein, weil es eine einschläfernde Kraft hat." Die Komik besteht hier darin, dass der Mensch etwas für die Erklärung einer Tatsache hält, was in Wirklichkeit nur eine neue Methode ihrer Konstatierung ist. Hätte sich die Molièresche Figur mit der einfachen Konstatierung der Tatsache begnügt, hätte sie gesagt: „Opium schläfert ein", so wäre ihren Worten durchaus nichts Lächerliches eigen. Rufen Sie sich jetzt ins Gedächtnis zurück, was ich sage: „Die Materie ruft in uns bestimmte Empfindungen hervor." Ähnelt das der Erklärung der Molièreschen Gestalt? Keine Spur. Ich erkläre nicht, sondern stelle lediglich fest, was ich für eine unbestreitbare Tatsache halte. Und genauso machen es alle anderen Materialisten. Wer die Geschichte des Materialismus kennt, der weiß, dass kein Vertreter dieser Lehre der Frage nachgegangen ist, warum die Dinge der Außenwelt die Fähigkeit haben, in uns Empfindungen hervorzurufen. Allerdings haben einige englische Materialisten manchmal geäußert, dass das auf Gottes Willen hin geschieht. Aber wenn sie diesen frommen Gedanken äußerten, dann verließen sie den Standpunkt des Materialismus. So ergibt sich, mein Herr, dass Sie sich wieder einmal recht erfolglos über mich lustig gemacht haben. Wenn aber ein Mensch grundlos über einen anderen lacht, setzt er sich selbst der Lächerlichkeit aus. Rira bien, qui rira le dernier.

Sie meinen, dass die Definition „Materie ist das, was als Quelle unserer Empfindungen dient" eine Formel ohne Inhalt sei. Aber Sie meinen das einzig und allein deshalb, weil Sie ganz durchdrungen sind von den gnoseologischen Vorurteilen des Idealismus.

Indem Sie mich mit der Frage bedrängen, was in uns die Empfindungen hervorrufe, wollen Sie doch im Grunde genommen nur, dass ich Ihnen sage, was wir denn eigentlich von der Materie kennen, außer ihrer Wirkung auf uns. Und wenn ich dann antworte, dass uns neben dieser Wirkung nicht das Mindeste über sie bekannt ist, dann verkünden Sie triumphierend: Wir wissen also gar nichts von ihr! Worauf gründet sich aber dieser Ihr Triumph? Er gründet sich auf die idealistische Überzeugung, dass, wenn man die Dinge nur über ihre Eindrücke, die sie in uns hervorrufen, kennt, dann bedeutet das, sie überhaupt nicht zu kennen. Diese Auffassung ist von Mach auf Sie übergegangen, der sie von Kant entlehnt hat, und dieser wiederum hat sie von Platon übernommen.Q Aber wie ehrenwert diese Auffassung hinsichtlich ihres Alters auch sein mag, sie ist trotzdem völlig falsch.

Eine andere Kenntnis von den Dingen als die, die von den Eindrücken ausgeht, welche sie in uns erzeugen, gibt es nicht und kann es nicht geben. Wenn ich anerkenne, dass die Materie uns nur durch die Empfindungen bekannt ist, die sie in uns hervorruft, dann heißt das ganz und gar nicht, dass ich die Materie für etwas „Unbekanntes" und Unerkennbares halte. Im Gegenteil. Es bedeutet, dass sie erstens erkennbar und dass sie zweitens von der Menschheit in dem Maße bereits erkannt ist, wie sie sich mit ihren Eigenschaften dank den Eindrücken vertraut machen konnte, die sie in dem langen Prozess ihrer tierischen und historischen Existenz von dieser Materie gewonnen hat.

Wenn das aber so ist, wenn wir das Ding nur mit Hilfe jener Eindrücke zu erkennen vermögen, die es in uns erzeugt, dann müsste jedem denkenden Menschen klar sein, dass wir, sobald wir von diesen Eindrücken abstrahieren, über das Ding durchaus nur das eine aussagen können: dass es existiert.R Wer daher von uns verlangt, wir sollten ein Ding definieren, indem wir von diesen Eindrücken abstrahieren, stellt eine erzdumme Forderung. Ihrem logischen Sinn oder, besser gesagt, ihrem logischen Unsinn nach gleicht diese Forderung der Frage, in welcher Beziehung zum Subjekt das Objekt steht, wenn es in gar keiner Beziehung zu ihm steht. Und Sie, gnädiger Herr, stellen mir gerade diese läppische Frage, verlangen, dass ich Ihnen sage, wie die Materie beschaffen ist, wenn sie in uns keinerlei Empfindungen hervorruft. Ich soll Ihnen also sagen, welche Farbe die Rose hat, wenn sie von niemandem betrachtet wird, wie sie duftet, wenn keiner an ihr riecht usw. Ihre Frage ist so abgeschmackt, dass schon die Fragestellung jegliche Möglichkeit einer vernünftigen Antwort ausschließt.S

Mach folgend, der in diesem Falle ein treuer Schüler Berkeleys ist (da haben wir sie, die „Naturwissenschaft des 20. Jahrhunderts"!), sagen Sie, Herr Bogdanow, folgendes: Wenn uns das Objekt nur durch jene Empfindungen und demzufolge auch Vorstellungen bekannt sein kann, die es in uns hervorruft, indem es auf irgendeine Art mit uns in Berührung kommt, dann besteht für uns keinerlei logische Notwendigkeit, anzuerkennen, dass es unabhängig von diesen Empfindungen und Vorstellungen existiert. Auf diesen Einwand, der all meinen jetzt recht zahlreichen idealistischen Widersachern unwiderlegbar erscheint, habe ich bereits an der Stelle geantwortet, wo Sie „meine" Materiedefinition entdeckt haben.T Entweder Sie können sie nicht oder Sie wollen sie nicht begreifen, und darum wiederhole ich meine Antwort im zweiten Teil dieses Briefes, wo ich die Machsche „Philosophie" analysiere, weil ich fest entschlossen bin, wie Fichte sich ausdrückte, „zum Verständnis zu zwingen"3, wenn nicht Sie – bei Ihnen habe ich wenig Hoffnung –, so doch zumindest jene Leser, die kein Interesse an der Verteidigung idealistischer Vorurteile haben. Doch bevor ich meine Antwort auf diese Frage wiederhole, werde ich das wichtigste der „kritischen Argumente", die Sie gegen mich ins Feld führen, behandeln und nach Gebühr einschätzen.

Sie „formulieren genau" in meinen „authentischen Worten" den folgenden Gedanken: „Ihren (der Dinge an sich – G. P.) Formen und Beziehungen untereinander entsprechen Formen und Beziehungen der Erscheinungen, wie Hieroglyphen dem entsprechen, was durch sie bezeichnet wird." Und Sie nehmen diesen Gedanken zum Anlass einer längeren Erörterung, in der es heißt:

Hier wird von der ,Form' und den ‚Beziehungen' der Dinge an sich gesprochen. Es wird also vorausgesetzt, dass sie beides besitzen. Wunderbar. Aber haben sie auch eine ,Gestalt'? Dumme Frage, sagt der Leser: Wie kann man eine Form haben, ohne eine Gestalt zu haben? Das sind doch zwei Ausdrücke für ein und dasselbe. Ich denke auch so. Aber was lesen wir in den Anmerkungen des Genossen Plechanow zur russischen Übersetzung von Engels' ‚Ludwig Feuerbach':

,… Aber die >Gestalt< ist ja gerade das Ergebnis der Wirkung, die von den Dingen an sich auf uns ausgeübt wird; ohne diese Wirkung haben sie keinerlei >Gestalt<. Wir würden uns also keine Rechenschaft darüber ablegen, welcher Begriff sich mit dem Wort >Gestalt< verbindet, wenn wir die >Gestalt< der Dinge, wie sie in unserem Bewusstsein existiert, jener >Gestalt< gegenüberstellten, die ihnen sozusagen wirklich anhaftet… Folglich haben die Dinge an sich selber keine Gestalt. Ihre >Gestalt< existiert nur im Bewusstsein jener Subjekte, auf die sie einwirken…"' (S. 112 in der Ausgabe von 1906, desselben Jahres, in dem der angeführte Sammelband „Eine Kritik unserer Kritiker" erschienen ist.)

Setzen Sie in diesem Zitat überall an Stelle des Wortes ,Gestalt' sein Synonym ,Form' ein, das hier im Sinn vollständig mit ihm zusammenfällt, und der Genosse Plechanow hat in glänzender Weise den Genossen Beltow widerlegt."

Da haben wir es! Plechanow widerlegt in glänzender Weise Beltow, das heißt sich selbst. Das ist sehr boshaft gesagt. Aber gemach, gnädiger Herr, rira bien, qui rira le dernier. Erinnern Sie sich, unter welchen Umständen ich den von ihnen kritisierten Gedanken geäußert habe und welches seine wahre „Gestalt" war.

Er wurde von mir in dem Streit mit Conrad Schmidt vorgebracht, der die Lehre der Identität von Sein und Denken dem Materialismus zuschrieb und, zu mir gewandt, sagte: Wenn ich „im Ernst" meine, dass die Dinge an sich auf mich einwirken, dann müsste ich auch anerkennen, dass Raum und Zeit objektiv existieren und nicht nur als Formen der Anschauung, die dem Subjekt eigen sind. Darauf habe ich geantwortet: „Dass Raum und Zeit Bewusstseinsformen sind und dass darum ihr erstes Unterscheidungsmerkmal die Subjektivität ist, das war schon Thomas Hobbes bekannt, und das wird heute kein einziger Materialist in Abrede stellen. Die Frage ist lediglich, ob nicht diesen Bewusstseinsformen bestimmte Formen oder Beziehungen der Dinge entsprechen. Die Materialisten können selbstverständlich diese Frage nicht anders als mit ja beantworten. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie jene schlechte (richtiger ausgedrückt: alberne) Identität akzeptieren, die ihnen in dienlicher Naivität die Kantianer unter Einschluss des Herrn Schmidt aufnötigen möchten.U Nein, die Formen und Beziehungen der Dinge an sich können nicht so beschaffen sein, wie sie uns erscheinen, das heißt, wie sie uns in unseren Kopf ‚übertragen' erscheinen. Unsere Vorstellungen von den Formen und Beziehungen der Dinge sind nicht mehr als Hieroglyphen, aber diese Hieroglyphen zeigen diese Formen und Beziehungen genau an, und das genügt, um die Wirkung der Dinge an sich auf uns untersuchen und unsererseits auf sie einwirken zu können."V

Wovon ist in diesen Zeilen die Rede? Von nichts anderem, Herr Bogdanow, als von dem, worüber ich mich mit Ihnen weiter oben unterhalten habe. Davon, dass das Objekt an sich eine Sache ist und eine andere – das Objekt in der Vorstellung des Subjekts. Jetzt fragt es sich: Habe ich logisch ein Recht, das Wort „Form" durch das Wort „Gestalt" zu ersetzen, das nach Ihren Worten sein Synonym ist? Versuchen wir es und schauen wir, was dabei herauskommt: „Das Raum und Zeit Bewusstseinsgestalten sind und dass darum ihr erstes Unterscheidungsmerkmal die Subjektivität ist, das war schon Thomas Hobbes bekannt, und das wird heute kein einziger Materialist in Abrede stellen …" Warten Sie, wie ist das möglich? Was versteht man wohl unter subjektiven Bewusstseins„gestalten"? Bei mir wird das Wort „Gestalt" im Sinne jener anschaulichen Vorstellung gebraucht, die sich im Bewusstsein des Subjekts vom Objekt bildet. Es handelt sich um die „sinnliche Wahrnehmung" eines Gegenstandes. Mithin könnte in dem jetzt von uns untersuchten Text der Ausdruck „Bewusstseinsgestalten" – wenn das Wort „Gestalt" wirklich nur ein Synonym für das Wort „Form" ist – nichts anderes bedeuten als die anschauliche Vorstellung des Bewusstseins vom Bewusstsein. Ohne darauf einzugehen, ob eine solche anschauliche Vorstellung dieser Art möglich ist, möchte ich Ihre gelehrte Aufmerksamkeit, gnädiger Herr, auf den Umstand lenken, dass sich uns hier Raum und Zeit als anschauliche Vorstellung des Bewusstseins vom Bewusstsein darstellen würden. Das allerdings ist dann schon kompletter Blödsinn, ungereimtes Zeug, das natürlich Thomas Hobbes nicht bekannt war und das natürlich kein einziger Materialist anerkennt. Was hat uns auf diesen Unsinn gebracht? Der unbegründete Glaube an Ihre Fähigkeit zur Analyse philosophischer Begriffe. Wir haben geglaubt, das Wort „Gestalt" sei ein Synonym des Wortes „Form", haben das zweite durch das erste ersetzt und sind zu einer solchen Plattheit gelangt, dass es einem schwerfällt, sie auszusprechen. Ist also „Gestalt" kein Synonym für „Form"? Nein! Der Begriff „Gestalt" kann niemals ein Synonym für den Begriff „Form" sein, weil er diesen bei weitem nicht deckt. Schon Hegel hat in seiner „Logik" sehr exakt nachgewiesen, dass die „Form" eines Gegenstandes nur in einem bestimmten und noch dazu vordergründigen Sinne mit seiner „Gestalt" identisch ist: im Sinne der äußeren Form. Eine tiefere Analyse hingegen lässt uns die Form als das „Gesetz" des Gegenstandes oder besser gesagt, als dessen Struktur begreifen. Und dieser wichtige Beitrag HegelsW zur logischen Lehre von der Form war bei uns den Leuten, die sich mit Philosophie befasst haben, schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt. Damit Sie das erkennen, möchte ich Ihnen zum Beispiel die folgenden Zeilen aus einem Brief D. Wenewitinows an die Gräfin „{N.N.}" zum Lesen empfehlen. „Sie sehen jetzt", sagt Wenewitinow, nachdem er den Begriff der Wissenschaft bestimmt hat, „dass das Wort Form nicht die äußere Erscheinung der Wissenschaft wiedergibt, sondern ein allgemeines Gesetz, dem sie notwendigerweise folgt." (Wenewitinows Werke, St. Petersburg 1855, S. 125.) Es ist sehr, sehr schade, Herr Bogdanow, dass Ihnen unbekannt geblieben ist, was dank Wenewitinow schon vor achtzig Jahren zumindest einigen vornehmen russischen Damen bekannt war.

Nun noch eine Frage. In welchem Sinne habe ich gegenüber Conrad Schmidt den Ausdruck „Bewusstseinsform" benutzt? Im Sinne der äußeren Erscheinung des Bewusstseins, wie Wenewitinow sagen würde? Natürlich nicht. Das Wort „Form" wurde von mir im Sinne von „Gesetz" und „Struktur" des Bewusstseins gebraucht. Darum konnte das Wort „Form" für mich niemals ein Synonym des Wortes „Gestalt" sein, und man muss schon von der Philosophie ganz und gar nichts verstehen, um den Vorschlag zu machen, das eine Wort durch das andere auszutauschen, wie Sie es voller Hohn gegen mich tun.

Rira bien, qui rira le dernier.

Manchmal müssen Menschen nur deshalb lange Auseinandersetzungen führen, weil sie in ihre Worte einen unterschiedlichen Sinn hineinlegen. Das sind langweilige und fruchtlose Streitereien. Aber noch um vieles langweiliger und noch um vieles fruchtloser sind solche Dispute, wo ein Mensch mit seinen Worten einen bestimmten Begriff verbindet, während sein Gegner mit denselben Worten reinweg gar keine bestimmten Begriffe verbindet, so dass er sich erlauben kann, mit ihnen zu spielen, wie es ihm beliebt. Leider bin ich jetzt gezwungen, mit Ihnen gerade so einen Disput zu führen. Als ich das Wort „Form" verwendete, wusste ich, was man darunter zu verstehen hat. Sie dagegen haben das aufgrund Ihrer frappierenden Unkenntnis der Philosophiegeschichte nicht gewusst, und Ihnen ist nicht einmal aufgefallen, dass es hier etwas gibt, das untersucht und bedacht zu werden verdient. Sie haben sich ein Spiel mit Worten erlaubt, wie es sich nur ein Mensch erlauben kann, der überhaupt nicht ahnt, wie wenig die entsprechenden Begriffe miteinander gemein haben. Es kam, wie es kommen musste. Ich habe mich nicht nur selbst gelangweilt, sondern war genötigt, die Langeweile auch über den Leser auszubreiten, indem ich ihm die totale Inhaltslosigkeit Ihres „Wortspiels" vor Augen führte. Und Sie, gnädiger Herr, haben sich gerade dadurch lächerlich gemacht, dass Ihr „Wortspiel" bar jeden Inhalts war. Wozu hatten Sie das nötig?

Ihr „Wortspiel", bewunderungswürdig durch seine Inhaltslosigkeit, ist noch in einer anderen Hinsicht bemerkenswert, was zu beurteilen ich dem Leser überlassen möchte, falls es dieser nicht schon satt hat, meiner Kontroverse mit Ihnen noch weitere Beachtung zu schenken.

Ich denke an jene „Hieroglyphen", über die an der gleichen Stelle meines von Ihnen zitierten Aufsatzes gesprochen wird, wo auch von den Bewusstseinsformen die Rede ist.

Dieser Aufsatz („Noch einmal Materialismus") entstand Anfang 1899. Den Ausdruck „Hieroglyphen" verwendete ich dort in Anlehnung an Setschenow, der schon Anfang der neunziger Jahre (in dem Artikel „Gegenständliches Denken und Wirklichkeit") geschrieben hatte: „Wie auch immer die Gegenstände als solche, unabhängig von unserem Bewusstsein, beschaffen sein mögen und selbst wenn unsere Eindrücke von ihnen nur bedingte Zeichen sind, so entspricht doch in jedem Falle der von uns gefühlten Ähnlichkeit und Verschiedenheit der Zeichen eine wirkliche Ähnlichkeit und Verschiedenheit. Mit anderen Worten, die vom Menschen an den wahrgenommenen Gegenständen gefundenen Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten sind wirkliche Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten."4 Merken Sie, gnädiger Herr, dass der in meinem Aufsatz „Noch einmal Materialismus" ausgesprochene Gedanke, der Ihnen als Vorwand eines wahrhaft skandalösen Wortspiels diente, voll und ganz mit dem eben angeführten Gedanken von Setschenow übereinstimmt? Und ich habe die Ähnlichkeit meiner Ansichten mit denen Setschenows auch keineswegs verheimlicht; vielmehr wird sie in einer der Anmerkungen zur ersten Auflage meiner Übersetzung von Engels' „Feuerbach" (Erscheinungsjahr 1892) noch hervorgehoben. Darum hätten Sie sehr wohl wissen können, mein gnädiger Herr, dass ich in Fragen dieser Art auf dem Standpunkt der materialistischen Physiologen meiner Zeit und nicht auf dem der Naturwissenschaft des 18. Jahrhunderts stand. Aber das nur nebenbei. Wichtig ist hier, was ich in einer Neuauflage meiner Übersetzung des „Ludwig Feuerbach", die 1905 im Ausland und 1906 in Russland erschienen ist, erklärt habe: dass ich zwar weiterhin die betreffenden Ansichten Setschenows teile, seine Terminologie mir jedoch stellenweise zweideutig erscheine.

Wenn er unterstellt", habe ich gesagt, „dass unsere Eindrücke nur bedingte Zeichen der Dinge an sich sind, dann behauptet er damit eigentlich, dass die Dinge an sich irgendeine uns unbekannte ,Gestalt' haben, die unserem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Aber die ,Gestalt' ist ja gerade das Ergebnis der Wirkung, die von den Dingen an sich auf uns ausgeübt wird; ohne diese Wirkung haben sie keinerlei ,Gestalt’. Die ,Gestalt' der Dinge, wie sie in unserem Bewusstsein existiert, jener ,Gestalt' gegenüberzustellen, die Ihnen sozusagen wirklich eigen ist, heißt, sich keine Rechenschaft darüber zu geben, welcher Begriff sich mit dem Wort ,Gestalt' verbindet. Auf einer solchen Ungenauigkeit beruht, wie schon oben gesagt, die ganze ‚gnoseologische' Scholastik des Kantianismus. Ich weiß, dass Herr Setschenow nicht zu dieser Scholastik tendiert, und sagte bereits, dass seine Erkenntnistheorie völlig richtig ist. Aber wir dürfen unseren philosophischen Gegnern nicht terminologische Zugeständnisse machen, die uns daran hindern, unsere eigenen Gedanken peinlich genau zum Ausdruck zu bringen."X Diese meine Bemerkung lief im Wesentlichen auf eines hinaus: Hätte das Ding an sich nur dann eine Farbe, wenn wir es betrachten, nur dann einen Geruch, wenn wir es riechen usw., und verstünden wir unsere Vorstellung von ihm als bedingtes Zeichen, dann könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass nach unserer Meinung seiner Farbe, seinem Geruch usw., die in unseren Empfindungen existieren, irgendeine Farbe an sich, irgendein Geruch an sich usw. – mit einem Wort, irgendwelche Empfindungen an sich entsprechen, die nicht zum Gegenstand unserer Empfindungen werden können. Das wäre jedoch eine Entstellung der von mir geteilten Ansichten Setschenows, und darum habe ich mich 1905 gegen Setschenows Terminologie ausgesprochen.Y Da ich mich aber früher selber dieser etwas zweideutigen Terminologie bedient hatte, legte ich Wert darauf, dies anzumerken. „Ich mache diese Einschränkung auch deshalb", fügte ich hinzu, „weil ich mich in der Anmerkung zur ersten Auflage dieser Broschüre von Engels selbst noch nicht ganz genau ausgedrückt habe. Erst in der Folge spürte ich alle Unzulänglichkeiten einer solchen Ungenauigkeit."Z Nach dieser Einschränkung, so möchte man meinen, dürfte wohl jedes Missverständnis ausgeschlossen sein. Aber für Sie, mein gnädiger Herr, ist sogar das Unmögliche möglich. Sie tun so, als wüssten Sie von dieser Einschränkung nichts, und lassen sich abermals in ein klägliches Spiel mit Worten ein, bei dem Sie die Terminologie, an die ich mich jetzt halte, mit der Terminologie gleichsetzen, an die ich mich früher gehalten und die ich selbst verworfen habe, weil ich sie etwas zweideutig fand. Die „Schönheiten" einer derartigen „Kritik" springen jedem unvoreingenommenen Menschen sofort ins Auge, und ich habe gar kein Bedürfnis, sie zu beschreiben. Viele meiner Widersacher aus dem idealistischen Lager „kritisieren" jetzt bereits nach Ihrem Beispiel meine philosophischen Anschauungen, indem sie an der schwächsten Seite jener Terminologie herumkritisieren, die ich selbst für unbefriedigend erklärt hatte, noch bevor sie ihre kritische Feder ergriffen. Es ist sehr gut möglich, dass manche dieser Herrschaften zum ersten Mal durch mich erfahren haben, warum eigentlich die genannte Terminologie unbefriedigend ist.a Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn ich ihre mehr oder weniger umfangreichen Werke ohne Antwort lasse. Nicht jede „Kritik" verdient eine Antikritik.

Ich wende mich wieder Ihnen zu, Herr Bogdanow. Sie haben boshaft darauf angespielt, dass die zweite Auflage meiner Feuerbach-Übersetzung in demselben Jahre (1906) erschienen ist, in dem mein Sammelband „Eine Kritik unserer Kritiker" herauskam. Was veranlasste Sie zu diesem Hinweis? Ich werde es Ihnen sagen. Sie haben selbst erkannt, dass es lächerlich und dumm ist, sich an jenen Ausdruck von mir zu klammern, den ich selbst für unbefriedigend erklärt habe, bevor es irgendeinem meiner Gegner eingefallen ist, ihn zu kritisieren. Und so haben Sie sich entschlossen, den Leser davon zu überzeugen, dass ich 1906 mich selbst „in glänzender Weise widerlegt" habe, indem ich mich gleichzeitig auf zwei verschiedene Terminologien stützte. Sie hielten es nicht für erforderlich, danach zu fragen, aus welcher Zeit jener polemische Artikel stammt, der in den 1906 gedruckten Sammelband aufgenommen wurde. Ich habe schon gesagt, dass er Anfang 1899 verfasst worden ist. Es war mir nicht möglich, die Terrninologie dieses polemischen Artikels zu korrigieren – aus einer Überlegung heraus, die ich bereits im Vorwort der zweiten Auflage meiner „Monistischen Geschichtsauffassung" formuliert habe, wo es heißt: „Ich habe hier nur Schreib- und Druckfehler verbessert, die sich in die erste Auflage eingeschlichen hatten. Ich habe mich nicht für berechtigt gehalten, an meinen Argumenten etwas zu ändern, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil mein Buch ein polemisches Werk ist. Eine Änderung an einem polemischen Werk würde bedeuten, dass man seinem Feind mit einer neuen Waffe entgegentritt, während man ihn zwingt, mit der alten zu kämpfen. Die Methode ist… nicht statthaft…"5

Wieder haben Sie sich mächtig blamiert, Herr Bogdanow. Diesmal sind Sie hereingefallen, weil Sie der Stimme Ihres literarischen Gewissens nicht genügend Aufmerksamkeit schenkten. Es hat Ihnen doch gesagt, dass Sie eine Dummheit begehen, wenn Sie eine Terminologie bekritteln, die ich bereits aufgegeben habe. Die Moral der Geschichte: Literarische Gewissensbisse sind solche „Erlebnisse", deren Geringschätzung manchmal sehr unangenehme Folgen haben kann. Ich rate Ihnen, das nicht zu vergessen, Herr Bogdanow.

Wir sehen also, dass der „Genosse Plechanow" keineswegs den „Genossen Beltow" widerlegt. Aber Ihnen genügte es nicht, mir nur einen Widerspruch anzulasten. Ihr Plan war weitgehender. Nachdem Sie den „Genossen Plechanow" in einen Gegensatz zum „Genossen Beltow" gebracht haben, fahren Sie fort: „Aber einen Augenblick später wird sich der Genosse Plechanow am Genossen Beltow grausam rächen" (S.XV). Machen Sie wieder in Schadenfreude? Nun denn, wohl bekomm's! Doch … rira bien, qui rira le dernier.

Sie zitieren meine Anmerkungen zu „Feuerbach". Dort heißt es u.a., dass die Gestalt des Objektes von der Beschaffenheit des Subjektes abhängt. „Ich weiß nicht, wie eine Schnecke sieht", sage ich, „aber ich bin überzeugt, dass sie anders sieht als ein Mensch." Dann äußere ich folgende Überlegung: „Was ist für mich die Schnecke? Ein Teil der Außenwelt, der auf mich in einer bestimmten Weise wirkt, die durch meine Beschaffenheit bedingt ist. Unterstelle ich also, dass die Schnecke auf irgendeine Art die Außenwelt ,sieht', so bin ich gezwungen, anzuerkennen, dass diese ,Gestalt', in der sich die Außenwelt der Schnecke darstellt, selbst durch die Eigenschaften dieser real existierenden Welt bedingt ist."

Dieser Gedankengang scheint Ihnen, dem Machisten, jeder vernünftigen Grundlage zu entbehren. Als Sie ihn zitieren, unterstreichen Sie das Wort „Eigenschaften" und ereifern sich:

Durch die Eigenschaften! Die Eigenschaften' der Gegenstände, zu denen auch ihre ,Form' und überhaupt ihre ‚Gestalt' gehört, diese ‚Eigenschaften' sind aber doch offensichtlich ‚gerade das Ergebnis der Wirkung, die von den Dingen an sich auf uns ausgeübt wird; ohne diese Wirkung haben sie keinerlei >Eigenschaften<'! Der Begriff ‚Eigenschaft' ist ja genauso empirischen Ursprungs wie die Begriffe ‚Gestalt' und ‚Form'. Er ist ihr Gattungsbegriff, der ebenso wie diese auf dem Wege der Abstraktion aus der Erfahrung geschöpft wird! Woher sollen denn die Dinge an sich ihre ‚Eigenschaften' haben? Ihre Eigenschaften existieren nur im Bewusstsein der Subjekte, auf die sie wirken!"c

Sie wissen schon, Herr Bogdanow, wie leichtfertig Sie zu Werke gegangen sind, als Sie die „Gestalt" zum Synonym der „Form" erklärten. Jetzt habe ich die Ehre, Ihnen zur Kenntnis zu geben, dass Sie ebenso leichtfertig zu Werke gegangen sind, als Sie die „Gestalt" des Gegenstandes mit seinen „Eigenschaften" gleichsetzten und mir die ironische Frage stellten, wo denn wohl die „Dinge an sich" ihre „Eigenschaften" hernehmen. Sie bilden sich ein, diese Frage müsse mich niederschmettern, da Sie mir ja die Meinung zugeschrieben hatten, dass die „Eigenschaften" der Dinge nur im Bewusstsein der Subjekte existieren, auf die sie wirken. Indessen habe ich einen solchen Gedanken niemals geäußert, der nur den subjektiven Idealisten, zum Beispiel Berkeley, Mach und ihren Anhängern zur Ehre gereicht. Was ich sage, ist etwas ganz anderes, und das müsste u.a. auch Ihnen bekannt sein, der Sie meine Anmerkungen zu „Feuerbach" gelesen und sogar zitiert haben.

Gleich nach der Feststellung, dass eine Schnecke die Außenwelt anders sieht als ein Mensch, bemerkte ich: „Daraus folgt jedoch nicht, dass die Eigenschaften der Außenwelt nur subjektive Bedeutung haben. Ganz und gar nicht! Wenn sich Mensch und Schnecke von einem Punkt A zu einem Punkt B bewegen, dann ist für beide gleichermaßen die Gerade die kürzeste Entfernung zwischen diesen zwei Punkten. Würden diese beiden Organismen auf einer gebrochenen Linie gehen, dann müssten sie für ihre Fortbewegung mehr Arbeit verausgaben. Das heißt, die Eigenschaften des Raumes haben auch eine objektive Bedeutung, wenn sie sich auch den Organismen, die auf verschiedenen Entwicklungsstufen stehen, unterschiedlich darstellen."d

Was gab Ihnen danach noch das Recht, mir eine subjektiv-idealistische Auffassung von den Eigenschaften der Dinge anzudichten, nach der diese nur im Bewusstsein des Subjektes existieren? Vielleicht wollen Sie sagen, dass der Raum keine Materie ist. Nehmen wir an, dies sei richtig, und sprechen wir über die Materie.

Da man sich bei Ihnen, wenn es um Philosophie geht, einer populären Ausdrucksweise befleißigen muss, wähle ich folgendes Beispiel: Wenn das Ding an sich, wie es weiter oben mit Hegels Worten gesagt wurde, nur eine Farbe hat, sofern es betrachtet wird, einen Geruch nur, wenn man es riecht, usw., dann ist sonnenklar, dass wir ihm, sobald es nicht mehr betrachtet oder nicht mehr gerochen wird, nicht die Fähigkeit nehmen, in uns erneut eine Farbempfindung zu wecken, sofern wir es abermals betrachten, eine Geruchsempfindung, sofern wir es abermals an die Nase halten, usw. Diese Fähigkeit ist eben seine Eigenschaft als Ding an sich – eine Eigenschaft also, die unabhängig ist vom Subjekt. Ist das verständlich?

Falls Sie Lust haben, dies in die Sprache der Philosophie zu übertragen, wenden Sie sich an Hegel, auch ein Idealist, aber kein subjektiver, was hier allein wichtig ist. Der geniale Alte wird Ihnen dann auseinandersetzen, dass das Wort „Eigenschaft" in der Philosophie ebenfalls einen doppelten Sinn hat: Die Eigenschaften eines Dinges treten erstens in seinen Beziehungen zu anderen Dingen in Erscheinung. Aber damit ist dieser Begriff nicht erschöpft. Warum zeigt sich ein Ding in seinen Beziehungen zu anderen so, ein zweites jedoch anders? Unbestreitbar deshalb, weil dieses zweite Ding für sich genommen nicht so beschaffen ist wie das erste.e

Das ist wirklich so. Das Ding an sich hat nur dann eine Farbe, wenn es betrachtet wird. Wenn aber die Rose in einer solchen Situation eine rote, die Kornblume dagegen eine blaue Farbe hat, dann ist klar, dass man die Ursachen dieses Unterschiedes in den unterschiedlichen Eigenschaften suchen muss, mit denen jene Dinge an sich ausgestattet sind, von denen wir eines als Rose, ein anderes als Kornblume bezeichnen – unabhängig von dem Subjekt, das sie betrachtet.

Indem das Ding an sich auf uns einwirkt, ruft es in uns eine Reihe von Empfindungen hervor, auf deren Grundlage sich unsere Vorstellung von ihm bildet. Ist diese Vorstellung erst einmal da, so verdoppelt sich die Existenz des Dinges: Es existiert erstens an sich und zweitens in unserer Vorstellung. Genauso verhält es sich mit seinen Eigenschaften – sagen wir, seiner Struktur –, auch diese existieren erstens an sich und zweitens in unserer Vorstellung. Das ist alles.

Wenn ich sagte, dass die „Gestalt" eines Dinges nur das Ergebnis der Wirkung ist, die es auf uns ausübt, dann verstand ich darunter die Eigenschaften des Dinges, wie sie sich in der Vorstellung des Subjektes widerspiegeln ({im subjektiven Sinne aufgefasst}, würde Hegel sagen, und in Marxens Sprache müsste es heißen: wie sie übertragen in die Sprache des menschlichen Bewusstseins existieren). Aber indem ich diesen Gedanken äußerte, habe ich damit nicht im entferntesten behaupten wollen, dass die Eigenschaften der Dinge nur in unserer Vorstellung existieren. Im Gegenteil, meine Philosophie sagt Ihnen ja deshalb nicht zu, weil sie ohne zu zweifeln neben der Existenz des Objektes in der Vorstellung des Subjektes auch ein vom Bewusstsein des Subjektes unabhängiges „Objekt an sich" anerkennt. Diese Philosophie sagt – in diesem, äußerst seltenen Falle mit den Worten Kants gesprochen –, dass die Schlussfolgerung unsinnig ist, wonach eine Erscheinung ohne das existiere, was in ihr erscheint.f

Aber das ist Dualismus", sagen uns Leute, die zum idealistischen „Monismus" à la Mach, Verworng, Avenarius u. a. neigen. Nein, gnädige Herren, antworten wir, hier kann von Dualismus überhaupt keine Rede sein! Man könnte uns natürlich mit vollem Recht dann des Dualismus bezichtigen, wenn wir das Subjekt mit seinen Vorstellungen vom Objekt trennen würden. Aber dieses Vergehens machen wir uns in keiner Weise schuldig. Weiter oben habe ich bereits gesagt, dass die Existenz des Subjektes eine bestimmte Entwicklungsstufe des Objektes zur Voraussetzung hat. Was bedeutet dies? Nicht mehr und nicht weniger, als dass das Subjekt selbst ein Bestandteil der objektiven Welt ist. Wie sagt es doch Feuerbach so schön: Ich empfinde und denke durchaus nicht als ein dem Objekt gegenüberstehendes Subjekt, vielmehr als Subjekt-Objekt, als wirkliches, materielles Wesen. Und das Objekt ist für mich nicht nur der Gegenstand, den ich empfinde, es ist auch Grundlage, notwendige Bedingung meiner Empfindung. Die objektive Welt existiert nicht außer mir, sie ist auch in mir selbst, sie steckt auch in meiner eigenen Haut. Der Mensch ist nur ein Teil der Natur, ein Teil des Seins; daher ist kein Platz für einen Widerspruch zwischen seinem Denken und seinem Sein.h

An anderer Stelle ({Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist}) bemerkt er: „… psychologisches Objekt bin ich mir selbst, aber physiologisches bin ich einem andern."i

Und schließlich stellt er fest: „… mein Körper als Ganzes ist mein ,Ich', mein wirkliches Wesen. Es ist nicht ein abstraktes Wesen, das denkt, vielmehr gerade dieses wirkliche Wesen, dieser Körper."6 Wenn das aber so ist – und nach materialistischer Auffassung muss es so sein –, dann lässt sich unschwer begreifen, dass die subjektiven „Erlebnisse" nichts anderes sind als das Selbstbewusstsein des Objektes, das sich darin seiner selbst wie auch jenes großen Ganzen (der „Außenwelt") bewusst wird, zu dem es selbst gehört. Der mit Denken begabte Organismus existiert nicht nur „an sich" und nicht nur „für andere" (im Bewusstsein anderer Organismen), sondern auch „für sich". Sie, Herr Bogdanow, existieren nicht nur als ein gegebenes Stück Materie und nicht nur im Kopf des heiligen Anatoli, der Sie für einen tiefgründigen Denker hält, sondern auch in Ihrem eigenen Kopf, der dieses Stück Materie erkennt, das aus Ihnen eben einen Bogdanow und keinen anderen werden lässt.j So erweist sich unser vermeintlicher Dualismus als ein unbestreitbarer Monismus. Aber nicht nur das. Es ist der einzig wahre, das heißt der einzig mögliche, Monismus. Denn, wie löst doch gleich der Idealismus die Antinomie von Subjekt und Objekt? Der Idealismus erklärt, das Objekt sei nur ein „Erlebnis" des Subjektes, also existiere für sich genommen gar nicht. Das aber bedeutet, wie schön Feuerbach sagte, die Aufgabe nicht zu lösen, sondern ihrer Lösung auszuweichen.k

Das alles ist so einfach wie das kleine Einmaleins. Aber das alles bleibt für Sie, Herr Bogdanow, nicht nur „unerkannt", sondern auch „unerkennbar", weil Sie schon in der Jugend von Ihrer philosophischen Amme Mach verdorben wurden und seit dieser Zeit unfähig sind, selbst die einfachsten und eindeutigsten Wahrheiten des heutigen Materialismus zu begreifen. Und wenn Ihnen die eine oder andere dieser einfachen und klaren Wahrheiten zum Beispiel in meinen Werken begegnet, nimmt sie in Ihrem Kopf sogleich eine scheußliche „Gestalt" an, und Sie schreien unter dem Einfluss dieses „Erlebnisses" auf wie die Gänse bei der Rettung des Kapitals und bringen gegen mich Einwände vor, die im Umkreis von hundert Werst ein wahrhaft qualvolles Durcheinander und die fatalste Langeweile erzeugen.

In Shakespeares „Kaufmann von Venedig" sagt Bassanio über Graziano: „Seine vernünftigen Gedanken sind wie zwei Weizenkörner in zwei Scheffeln Spreu versteckt: Ihr sucht den ganzen Tag, bis Ihr sie findet, und wenn Ihr sie habt, so verlohnen sie das Suchen nicht."l

Um die Wahrheit zu sagen, Herr Bogdanow: Sie sind dem Graziano nicht ähnlich. Ihre „Spreu" enthält nicht ein einziges Weizenkorn. Und obendrein fault es schon über 150 Jahre auf der philosophischen Tenne und ist seit langem von Mäusen zerfressen, obwohl Sie es ganz unbefangen als ein Produkt der allerletzten „naturwissenschaftlichen" Ernte ausgeben. Ist es etwa angenehm, in diesem Mäusegift herumzuwühlen? Und Sie können es noch nicht einmal fassen, warum ich keine Eile hatte, mit Ihnen in eine Polemik einzutreten…

Aber ich habe ganz vergessen, dass Sie nicht nur ein erfolgloser, sondern auch ein nicht gerade mutiger „Kritiker" von Marx und Engels sind. Bei der „Kritik" ihrer philosophischen Ansichten versuchen Sie jetzt, Ihrem Leser zu versichern, dass Sie eigentlich nur mit mir nicht einverstanden sind, den Sie in dieser Angelegenheit zu dem Baron Holbach in die Lehre geschickt haben. Diese Ihre jetzige … Unaufrichtigkeit zwingt mich, Sie noch einmal an jene gute alte, wenngleich noch gar nicht so sehr alte Zeit zu erinnern – an das Jahr 1905, wo Sie mich noch ohne Umschweife in der Philosophie als einen Gesinnungsgenossen von Engels anerkannten. Sie wissen selbst, gnädiger Herr, dass Sie damals der Wahrheit näher waren. Und für den Fall, dass mancher naive Leser das nicht wissen sollte, bringe ich ziemlich lange Auszüge aus dem schon in meinem ersten Brief zitierten Aufsatz von Engels „{Über historischen Materialismus}". In seinem ersten Teil verteidigt Engels unter anderem den Materialismus gegen die Agnostiker. Das wollen wir uns jetzt einmal näher ansehen.

Als für uns im Moment unwesentlich lasse ich die kritischen Bemerkungen beiseite, die Engels den Erwägungen der Agnostiker über das Sein Gottes widmet, und führe statt dessen nahezu vollständig das an, was sich auf das „Ding an sich" und seine Erkennbarkeit bezieht.

Nach Engels' Worten gibt der Agnostiker zu, dass all unser Wissen auf den {Mitteilungen} beruht, die wir durch unsere äußeren Sinne empfangen. Aber nachdem er das angenommen hat, fragt der Agnostiker, woher wir denn wissen, ob unsere Sinne uns richtige Abbilder der durch sie wahrgenommenen Dinge geben. Engels antwortet darauf mit den Worten Fausts: „Im Anfang war die Tat." „In dem Augenblick", schreibt er, „wo wir diese Dinge, je nach den Eigenschaften, die wir in ihnen {wahrnehmen}, zu unserm eignen Gebrauch anwenden, in demselben Augenblick unterwerfen wir unsre Sinneswahrnehmungen einer unfehlbaren Probe auf ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit. Waren diese Wahrnehmungen unrichtig, dann muss auch unser Urteil über die Verwendbarkeit eines solchen Dings unrichtig sein, und unser Versuch, es zu verwenden, muss fehlschlagen. Erreichen wir aber unsern Zweck, finden wir, dass das Ding unserer Vorstellung von ihm entspricht, dass es das leistet, wozu wir es anwandten, dann ist dies positiver Beweis dafür, dass innerhalb dieser Grenzen unsre Wahrnehmungen von dem Ding und von seinen Eigenschaften {mit der außer uns bestehenden Wirklichkeit stimmen}."

Fehler in unseren Überlegungen über die Dinge werden nach Engels' Meinung verursacht entweder dadurch, dass die unserem Versuch zugrunde gelegte Wahrnehmung unvollständig und oberflächlich war, oder dadurch, dass wir sie mit den Erlebnissen anderer Wahrnehmungen in einen solchen Zusammenhang gebracht haben, der {durch die Sachlage} nicht gerechtfertigt ist.

Solange wir unsere Sinne richtig ausbilden und gebrauchen und unsere Handlungsweise innerhalb der durch regelrecht gemachte und verwertete Wahrnehmungen gesetzten Schranken halten, solange werden wir finden, dass die Erfolge unserer Handlungen den Beweis liefern für die {Übereinstimmung} unserer Wahrnehmungen mit der gegenständlichen Natur der wahrgenommenen Dinge. Nicht in einem einzigen Fall, soviel bis heute bekannt, sind wir zu dem Schluss gedrängt worden, dass unsere wissenschaftlich kontrollierten Sinneswahrnehmungen in unserem Gehirn Vorstellungen von der Außenwelt erzeugen, die ihrer Natur nach von der Wirklichkeit abweichen, oder dass zwischen der Außenwelt und unseren Sinneswahrnehmungen von ihr eine angeborene {Unverträglichkeit} besteht."

Der „neukantianische Agnostiker" gibt sich jedoch nicht geschlagen. Er hält entgegen, dass wir möglicherweise die Eigenschaften eines Dinges richtig wahrnehmen, aber nicht durch irgendwelchen Sinnes- oder Denkprozess das Ding an sich selbst erfassen können; es ist somit jenseits unserer Kenntnis. Doch auch dieses Argument, das – wie zwei Wassertropfen – dem gleicht, was Mach über das Ding an sich denkt, bringt Engels nicht in Verlegenheit. Er erklärt, dass hierauf schon vor langer Zeit Hegel geantwortet hat: „Wenn ihr alle Eigenschaften eines Dings kennt, so kennt ihr auch das Ding selbst; es bleibt dann nichts als die Tatsache, dass besagtes Ding außer uns existiert, und sobald eure Sinne euch diese Tatsache beigebracht haben, habt ihr den letzten Rest dieses Dings, Kants berühmtes unerkennbares Ding an sich, erfasst." Zu dieser Hegelschen Überlegung fügt Engels noch hinzu, dass zu Kants Zeiten unsere Kenntnis der materiellen Dinge fragmentarisch genug war, um hinter jedem von ihnen noch irgendein geheimnisvolles Ding an sich vermuten zu lassen. „Aber seitdem sind diese unfassbaren Dinge eines nach dem andern durch den Riesenfortschritt der Wissenschaft gefasst, analysiert und, was mehr ist, reproduziert worden. Und was wir machen können, das können wir Sicherheit nicht als unerkennbar bezeichnen."

Ich habe die Ehre, Herr Bogdanow, Ihnen mitzuteilen – falls Sie das wirklich nicht bemerkt haben –, dass hier Engels in wenigen Worten die Grundlagen derselben Erkenntnistheorie dargestellt hat, die ich bis jetzt vertreten habe und weiter vertreten werde. Ich erkläre mich im Voraus bereit, alle meine gnoseologischen Ansichten, bei denen sich herausstellen sollte, dass sie diesen Grundlagen widersprechen, zu verwerfen – so sehr bin ich von der unerschütterlichen Richtigkeit der letzteren überzeugt. Wenn Sie glauben, dass einige zweit- oder drittrangige Einzelheiten meiner Erkenntnistheorie tatsächlich mit der Engelsschen Lehre nicht übereinstimmen, dann machen Sie sich doch die Mühe, es zu beweisen. Wie langweilig es für mich auch ist, mit Ihnen zu streiten – in einem solchen Falle brauchten Sie auf meine Antwort nicht lange zu warten. Zunächst jedoch fordere ich Sie auf, die „Parabolen zu lassen" und uns allen, Ihren freiwilligen und unfreiwilligen Lesern, eine Antwort auf die Frage zu geben: Teilen Sie die materialistische Anschauung, die Engels auf den von mir angeführten Seiten darlegt?

Aber erinnern Sie sich, auf „die verdammte Frage" ist uns eine direkte Antwort zu geben, ohne alle „Parabolen" und „frommen Hypothesen". Da Sie eine starke Neigung zu „frommen Hypothesen" und überflüssigen „Parabolen" haben, warne ich Sie: Klammern Sie sich nicht an einzelne Worte, sondern sprechen Sie zur Sache. Nur dann können wir unseren Disput mit einigem Nutzen für die Leserschaft austragen. Doch wenn diese Bedingung erfüllt ist, dann wird sich auch die ganze Auseinandersetzung bis zum äußersten vereinfachen.

Ich sage das nicht umsonst. Zu gut kenne ich die Gepflogenheiten Ihres „philosophischen" (hm!) Denkens, und ich sehe zum Beispiel die Möglichkeit eines solchen Ablenkungsmanövers voraus.

Engels sagte, dass man heute schon nicht mehr annehmen kann – wie das zu Kants Zeiten statthaft war –, dass sich hinter jedem Ding der uns umgebenden Natur ein geheimnisvolles und für uns unerreichbares Ding an sich verbirgt. In diesem Zusammenhang sind Sie, Herr Bogdanow, fähig, den großen Theoretiker des Marxismus dem Hause Machs zuzuordnen, indem Sie erklären, er habe die Existenz der Dinge an sich negiert. Aber so ein Sophismus ist derart kläglich, dass es sich wirklich nicht lohnt, auf ihn einzugehen.

Dass sich nach Engels' Lehre die Existenz der Dinge nicht auf ihre Existenz in unserer Vorstellung beschränkt, erhellt aus seiner kategorischen Anerkennung „der außer uns bestehenden Wirklichkeit", die unserer Vorstellung von ihr entsprechen, aber auch nicht entsprechen kann. Engels verneint lediglich die Existenz des Kantschen Dinges an sich, das heißt eines solchen, das angeblich dem Kausalitätsgesetz nicht unterworfen und unserer Erkenntnis nicht zugänglich ist. Aber da bin ich mit ihm wieder völlig einverstanden, wie Sie leicht feststehen können, wenn Sie sich in meine Artikel gegen Conrad Schmidt vertiefen, die in dem Buch „Eine Kritik unserer Kritiker" nachgedruckt und von Ihnen in der Auseinandersetzung mit mir ja auch zitiert worden sind. „Zweideutigkeiten" aller Art sind also von dieser Seite völlig überflüssig.

Sie sind umso unangebrachter, weil entsprechend der von mir zu Beginn des Briefes angeführten Auffassung von Engels die wirkliche Einheit der Welt, die unabhängig von unserer Vorstellung existiert, eben gerade in ihrer Materialität besteht. Das ist genau jene Ansicht, die ich in meinem Streit mit den Neukantianern ausgesprochen hatte und die Sie dann zum Anlass für Ihre „unqualifizierten'' Angriffe auf meine Materiedefinition genommen haben.

Die Logik hat ihre Gesetze. Da sind alle „frommen Hypothesen" machtlos. Wenn Sie, Herr Bogdanow, wirklich Marxist sein wollen, dann müssen Sie vor allem gegen Ihren Lehrer Mach vorgehen und sich vor dem „verbeugen", was er nach dem Beispiel des Bischofs von Cloyne seligen Angedenkens zu „verbrennen" versucht. Sie müssen zugeben, dass die „Körper" nicht nur logische Symbole für Empfindungskomplexe sind, sondern die Grundlage dieser Empfindungen darstellen und unabhängig von ihnen existieren. Einen anderen Ausweg gibt es nicht. Man kann nicht Marxist sein und die philosophische Grundlage des Marxismus negieren.

Denjenigen, der wie Mach die Körper als einfache logische Symbole für Empfindungskomplexe ansieht, erwartet das gleiche Schicksal, das unweigerlich allen subjektiven Idealisten beschieden ist: Er gelangt zum Solipsismus oder verstrickt sich, wenn er vor diesem bewahrt bleiben möchte, in unlösbare Widersprüche. So ist es auch Mach ergangen. Sie glauben es nicht, Herr Bogdanow? Ich werde Ihnen das mit umso größerem Vergnügen beweisen, als ich mit der Aufdeckung der schwachen Seiten Ihres Lehrers zugleich auch Ihre „philosophischen" Schwächen aufdecke: Die Abschrift ist niemals besser als das Original. Und sich mit dem Original zu befassen ist immerhin angenehmer, als die Abschrift durchzusehen, noch dazu eine so fade Abschrift, wie es Ihre „empiriomonistischen" Übungen sind.

II

Ich trenne mich also von Ihnen, gnädiger Herr, und gehe zu Mach über. Uff! Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen. Und auch der Leser, davon bin ich überzeugt, wird große Erleichterung verspüren.

Mach will mit der Metaphysik kämpfen. Gleich das erste Kapitel seines Buches „Analyse der Empfindungen" ist „antimetaphysischen Vorbemerkungen" gewidmet. Aber gerade diese Vorbemerkungen zeigen, dass in ihm die Rudimente der idealistischen Metaphysik noch allzu lebendig sind.

Er selbst erzählt, was ihm den Anstoß zum philosophischen Denken gegeben hat und welchen Charakter es bei ihm angenommen hat:

Ich habe es stets als besonderes Glück empfunden, dass mir sehr früh (in einem Alter von 15 Jahren etwa) in der Bibliothek meines Vaters Kants ,Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik' in die Hand fielen. Diese Schrift hat damals einen gewaltigen unauslöschlichen Eindruck auf mich gemacht, den ich in gleicher Weise bei späterer philosophischer Lektüre nie mehr gefühlt habe. Etwa 2 oder 3 Jahre später empfand ich plötzlich die müßige Rolle, welche das {Ding an sich} spielt. An einem heitern Sommertag im Freien erschien mir einmal die Welt samt meinem Ich als eine zusammenhängende Masse von Empfindungen, nur im Ich stärker zusammenhängend. Obgleich die eigentliche Reflexion sich erst später hinzugesellte, so ist doch dieser Moment für meine ganze Anschauung bestimmend geworden."m

Wir sehen daraus, dass die Denkarbeit bei Mach so ähnlich verlaufen ist wie seinerzeit bei Fichte, der auch den transzendentalen Idealismus Kants als Ausgang nahm und auch bald zu dem Schluss kam, dass das Ding an sich eine ganz „müßige Rolle" spielt. Doch während sich Fichte in der Philosophie gut auskannte, sagt Mach von sich selbst, dass er sie {doch nur als Sonntagsjäger durchstreifen} konnte.n Darum ist aus den philosophischen Ansichten Fichtes trotzdem ein ziemlich geschlossenes, wenn auch an inneren Widersprüchen leidendes System hervorgegangen, wogegen Machs „antimetaphysische" Sonntagsausflüge „im Freien" zu äußerst jämmerlichen Ergebnissen führten.

Urteilen Sie selbst. Die ganze Welt ist Mach „plötzlich" als ein Komplex von Empfindungen erschienen und sein „Ich" als ein Teil dieses Komplexes. Wenn aber das „Ich" nur einen Teil der Welt bildet, dann ist klar, dass nur ein verschwindend kleiner Teil des weltweiten Empfindungskomplexes dem „Ich" angehört, während der übrige und unvergleichlich größere Teil „außerhalb des Ichs" existiert, ihm als Außenwelt, als „Nicht-Ich", gegenübersteht Was folgt daraus? Dass wir ein „Ich" und ein „Nicht-Ich", das heißt ein Subjekt und ein Objekt haben, also dieselbe Antinomie, die – wie Engels richtig bemerkt – die Grundfrage aller neueren Philosophie darstellt und über die sich Mach erfüllt von einer erhabenen Verachtung der „Metaphysik" erheben wollte. Das ist kein so schlechtes Ergebnis seiner Sonntagsausflüge. Aber es ist nicht das einzige. Wir werden gleich sehen, dass die Machschen Reflexionen „im Freien" auch zu anderen, weniger bemerkenswerten Resultaten geführt haben.

Ist die Antinomie von Subjekt und Objekt, von „ich "und Außenwelt einmal gegeben, so muss sie in der einen oder anderen Weise aufgelöst werden. Das setzt aber eine Klärung der Beziehungen voraus, in denen die beiden Bestandteile der genannten Antinomie zueinander stehen. Mach betrachtet die ganze Welt als einen Komplex miteinander verbundener Empfindungen. Offenbar glaubt er damit zugleich die Frage beantwortet zu haben, wie sich denn eigentlich das „Ich" zur Außenwelt und die Außenwelt zum „Ich" verhalte. „Aber ist das wirklich eine Antwort?" möchte ich da mit Heine sagen.

Angenommen, die Empfindungen, aus denen das „Ich" besteht, „hängen" tatsächlich mit denen „zusammen", die zum Bestand der Außenwelt gehören.

Diese Annahme enthält jedoch nicht einmal Andeutungen über den Charakter dieses Zusammenhanges. Mach billigt zum Beispiel den Solipsismus nicht. Er sagt: „{Es gibt keinen isolierten Forscher}."o Und hat damit natürlich recht. Aber schon, wenn wir die Existenz von nur zwei Forschern voraussetzen, bedrängen uns von allen Seiten gerade jene metaphysischen Fragen, die Mach mit dem uns schon bekannten coup d'etat7 „im Freien" loszuwerden gedachte. Nennen wir den einen dieser beiden „Forscher" A, den anderen B. A wie auch B hängen mit dem großen Empfindungskomplex zusammen, der – nach Machs Beteuerung, die jedoch völlig unbegründet ist – das Universum, „die ganze Welt" darstellt. Es fragt sich aber: Können A und B von ihrer beider Existenz wissen? Diese Frage möchte auf den ersten Blick fast überflüssig erscheinen: natürlich können sie, weil, wenn sie es nicht könnten, jeder von ihnen im Verhältnis zum anderen ein unzugängliches und unerkennbares Ding an sich wäre; aber jenes Ding wurde an jenem Sonntag als nichtexistierend erklärt, an dem die ganze Welt Mach als ein Empfindungskomplex erschienen ist. Aber die Sache wird dadurch kompliziert, dass der „Forscher" A von dem „Forscher" B erkannt werden kann, und umgekehrt. Wenn A von der Existenz des B erfahren hat, dann heißt das, dass er sich von ihm eine bestimmte Vorstellung gemacht hat. Von diesem Augenblick an existiert jedoch B nicht mehr nur an sich selbst, als ein Teil des großen, weltweiten Empfindungskomplexes, sondern auch im Bewusstsein des A, der ebenfalls nicht mehr als ein Teil dieses Komplexes ist. Mit anderen Worten, der Forscher B ist für den Forscher A ein Objekt, das außer ihm existiert und in ihm, dem Forscher A, einen bestimmten Eindruck hervorruft. Was wir hier vor uns haben, ist demnach nicht allein die Antinomie von Subjekt und Objekt, sondern auch bereits eine Andeutung, wie sie aufgelöst werden könnte: Das Objekt existiert außerhalb des Subjekts, wird aber dadurch nicht gehindert, im Subjekt bestimmte Eindrücke hervorzurufen. Das Ding an sich, das wir dank der sonntäglichen Entdeckung des Herrn Mach fast schon für immer verloren glaubten, erscheint plötzlich wieder. Zugegeben, Mach hat gegen ein unerkennbares Ding an sich Krieg geführt, während wir es jetzt mit einem Ding zu tun haben, das dem Bewusstsein durchaus zugänglich ist: Der „Forscher" B kann von dem „Forscher" A „erforscht" werden und sich bei diesem mit dem gleichen Dienst revanchieren. Das zeigt, dass wir einen Schritt vorangekommen sind, einen Schritt voran jedoch nur gegenüber dem transzendentalen Idealismus Kants, keineswegs gegenüber dem Materialismus, der – wie wir, Herr Bogdanow, nach allem bisher Gesagten sehr gut wissen – die Unerkennbarkeit der Dinge an sich verneint. – Wodurch unterscheidet sich die „Philosophie" Machs vom Materialismus?

Der Materialist sagt, dass jeder unserer beiden Forscher nichts anderes ist als ein „Subjekt-Objekt", ein wirkliches materielles Wesen, ein Körper, der die Fähigkeit besitzt, zu fühlen und zu denken. Der gegen die Metaphysik aufbegehrende Mach aber wendet darauf ein: Da die Körper nur „logische Symbole für Elementenkomplexe (Empfindungskomplexe)" sind, haben wir nicht das geringste logische Recht, unsere Forscher als materielle Wesen anzuerkennen, sondern sind verpflichtet, sie für Teile des weltweiten Empfindungskomplexes zu halten. Ich will zunächst nicht widersprechen und nicht streiten. Sind wir für einen Moment damit einverstanden, dass unsere „Forscher" sozusagen kleine Empfindungskomplexe sind. Aber unsere Nachgiebigkeit hilft uns keineswegs aus unseren Schwierigkeiten: Wir bleiben weiterhin in völliger Unkenntnis darüber, auf welchem Wege A von der Existenz und den Eigenschaften des B erfährt. Würden wir mit dem Materialismus annehmen, dass B durch seinen Organismus und durch sein Handeln in A bestimmte Empfindungen wachruft, die dann bestimmten Vorstellungen zugrunde gelegt werden, so käme dabei der reinste Unsinn heraus: Ein Empfindungskomplex ruft in einem anderen Empfindungskomplex eine bestimmte Empfindung hervor? Das wäre noch schlimmer als die berühmte „Philosophie", nach der die Erde von den Walen gehalten wird, die Wale im Wasser schwimmen und das Wasser sich auf der Erde befindet. Aber selbst Mach, wie wir noch sehen werden, wendet sich gegen solche Annahmen.

Aber lassen wir uns nicht von unserem interessanten Gegenstand abbringen.

Die Annahme, B werde dem A dadurch bekannt, dass er in ihm bestimmte Empfindungen erzeugt, hat uns eine Ungereimtheit eingebracht. Zu der gleichen Ungereimtheit führt uns – wie wir weiter oben gesehen haben – die Annahme, dass B der Erkenntnis des A verschlossen ist. Was nun? Wo finden wir eine Antwort auf die uns ständig bedrängende Frage? Vielleicht rät man uns, auf Leibniz zurückzugreifen und an die „prästabilierte Harmonie" zu appellieren.8 Da wir gerade sehr entgegenkommend sind, könnten wir uns auch damit abfinden, aber der unerbittliche Mach beraubt uns auch dieser letzten Hoffnung: Er erklärt die prästabilierte Harmonie zu einer {monströsen Theorie}.p

Wir sind bereit, auch darauf zu verzichten – wozu brauchen wir eine monströse Theorie! –, doch unglückseligerweise stoßen wir auf Seite 38 der russischen Ausgabe der „{Analyse der Empfindungen}" auf die folgende Stelle:

Die unbefangene wissenschaftliche Betrachtung wird leicht dadurch getrübt, dass eine für einen besonderen engbegrenzten Zweck passende Auffassung von vornherein zur Grundlage aller Untersuchungen gemacht wird. Dies geschieht z.B., wenn alle Erlebnisse als in das Bewusstsein sich erstreckende ,Wirkungen' einer Außenwelt angesehen werden. Ein scheinbar unentwirrbares Knäuel von metaphysischen Schwierigkeiten ist hiermit gegeben. Der Spuk verschwindet jedoch sofort, wenn man die Sache sozusagen in mathematischem Sinne auffasst, und sich klar macht, dass nur die Ermittlung von Funktionalbeziehungen für uns Wert hat, dass es lediglich die Abhängigkeiten der Erlebnisse voneinander sind, die wir zu kennen wünschen. Zunächst ist dann klar, dass die Beziehungen auf unbekannte, nicht gegebene Urvariable (Dinge an sich) eine rein fiktive und müßige ist."9

Mach erklärt kategorisch, es sei töricht, unsere Erlebnisse auf die Einwirkung der Außenwelt, die bis zu unserem Bewusstsein vordringe, zurückzuführen. Wir glauben Mach und sagen uns: Wenn in diesem Augenblick unser „Erlebnis" darin besteht, dass wir die Stimme eines anderen Menschen hören, dann wäre es ein grober Fehler, dieses „Erlebnis" durch die Wirkung der Außenwelt auf uns erklären zu wollen, das heißt, genau genommen, jenes Teils der Außenwelt, der unseren Gesprächspartner ausmacht. Jede Annahme einer solchen Wirkung ist – dafür verbürgt sich Mach – überlebte Metaphysik. Demnach bleibt uns nur die Vermutung, dass wir die Stimme des anderen Menschen nicht deshalb hören, weil er spricht (und durch die Luftbewegung auf uns wirkt), sondern weil wir ein „Erlebnis" haben, dank dem uns unser Gesprächspartner als ein Sprechender erscheint. Und wenn unser Gesprächspartner unsere Antwort vernimmt, dann erklärt sich das ebenfalls nicht daraus, dass die von uns in Bewegung gesetzte Luft in ihm bestimmte Gehörempfindungen weckt, sondern dadurch, dass er ein „Erlebnis" hat, bei dem es ihm so vorkommt, als ob wir ihm antworten. Das ist in der Tat sehr einleuchtend, und hier gibt es wirklich keinerlei „metaphysische Schwierigkeiten". Nur ist das ja – nach Ihrem Willen! – gerade wieder jene Theorie der „prästabilierten Harmonie", die Mach als monströs bezeichnet.q

Mach will uns beweisen, dass für uns nur die Ermittlung von Funktionalbeziehungen Wert hat, das heißt die Klärung der Abhängigkeit unserer Erlebnisse voneinander. Wir wollen uns abermals darauf einlassen und uns sagen: Wenn es nur auf die Ermittlung der funktionalen Abhängigkeit unserer Erlebnisse voneinander ankommt, dann haben wir gar kein Recht, ein von diesen Erlebnissen unabhängiges Sein anderer Menschen anzuerkennen. Dies würde nur ein ganzes Knäuel „metaphysischer Schwierigkeiten" schaffen. Aber das ist noch nicht alles: Die gleichen Überlegungen lassen uns zu der Erkenntnis gelangen, dass wir nicht, ohne uns an der Logik zu versündigen, die Existenz jener „Elemente" anerkennen können, die nicht zu unserem „Ich" gehören und das „Nicht-Ich", die Außenwelt, bilden. Es gibt überhaupt nichts außer unseren Erlebnissen. Alles Übrige ist Einbildung, ist „Metaphysik". Es lebe der Solipsismus!r

Wenn Mach glaubt, von dieser unbestreitbaren „Schwierigkeit" loskommen zu können, indem er zwischen dem „Ich" im engerens und dem „Ich" im weiteren Sinnet unterscheidet, so irrt er sich gründlich. Sein erweitertes „Ich" impliziert tatsächlich, wie er mit ruhiger Miene versichert, die Außenwelt, zu der unter anderem andere „Ichs" gehören. Aber diesen Unterschied hat schon Fichte gemacht, bei dem das „Ich" sich ein „Nicht-Ich" gegenüberstellt, in das auch andere Individuen einbezogen sind.u Das hat Fichte jedoch nicht daran gehindert, ein subjektiver Idealist zu bleiben. Und zwar hat es ihn aus dem einfachen Grunde nicht gehindert, weil das „Nicht-Ich" bei ihm, wie auch bei Berkeley und wie bei Mach, nur in der Vorstellung des „Ich" existierte. Da der Ausweg aus den Grenzen des „Ich" für Fichte <äußerst fest> verschlossen war durch die Negation des Seins des Dinges an sich, entfiel auch jede theoretische Möglichkeit, sich vom Solipsismus zu befreien. Aber der Solipsismus ist gleichfalls kein Ausweg. Darum sucht Fichte die Rettung im absoluten „Ich ". „Mein absolutes Ich", schrieb er an Jacobi, „ist offenbar nicht das Individuum … Aber das Individuum muss aus dem absoluten Ich deduziert werden. Dazu wird die Wissenschaftslehre im Naturrecht ungesäumt schreiten."10 Leider hat das die „Wissenschaftslehre" nicht getan. Es ist Fichte nicht gelungen, mit dem Solipsismus theoretisch fertig zu werden. Und es gelingt auch Mach nicht. Aber Fichte, der ein großer Meister im Umgang mit philosophischen Begriffen war, hat wenigstens erkannt, worin die schwache Stelle seiner Philosophie besteht. Mach hingegen, <möglicherweise> ein guter Physikspezialist, aber <zweifellos> ein schlechter Denker, erkennt absolut nicht, dass seine „Philosophie" nur so strotzt vor <gänzlich unannehmbaren und haarsträubenden> Widersprüchen. Zwischen diesen Widersprüchen bewegt er sich mit einer so <unerschütterlichen> Seelenruhe, wie sie wohl einer besseren Sache würdig wäre.

Schauen Sie sich mal das folgende an, Herr Bogdanow! Mach besinnt sich auf die Frage, ob wohl auch die anorganische Materie Empfindungen kennt, und führt dazu aus:

Wenn man von den geläufigen verbreiteten physikalischen Vorstellungen ausgeht, nach welchen die Materie das unmittelbar und zweifellos gegebene Reale ist, aus welcher sich alles, Unorganisches und Organisches, aufbaut, so ist die Frage natürlich. Die Empfindung muss ja dann in diesem Bau irgendwie plötzlich entstehen, oder von vornherein in den Grundsteinen vorhanden sein. Auf unserm Standpunkt ist die Frage eine Verkehrtheit. Die Materie ist für uns nicht das erste Gegebene. Dies sind vielmehr die Elemente (die in gewisser bekannter Beziehung als Empfindungen bezeichnet werden)."v

Hier ist Mach – man muss ihm das zugute halten–vollkommen logisch. Nicht weniger logisch ist er auch auf der folgenden Seite, wo er zunächst wiederholt, dass die Materie nichts anderes ist als eine bestimmte Art des Zusammenhangs der Elemente, und dann richtig schlussfolgert: „Die Frage nach der Empfindung der Materie würde also lauten: ob eine bestimmte Art des Zusammenhanges der Elemente (die in gewisser Beziehung auch immer Empfindungen sind) empfindet? In dieser Form wird die Frage niemand stellen wollen."w

So ist es. Ganz und gar unlogisch sind jedoch die folgenden Zeilen, die der logischen (nach Mach) Darlegung über die Materie vorausgehen: „Denke ich mir, dass während ich empfinde, ich selbst oder ein anderer mein Gehirn mit allen physikalischen und chemischen Mitteln beobachten könnte, so würde es möglich sein zu ermitteln, an welche Vorgänge des Organismus Empfindungen bestimmter Art gebunden sind. Dann könnte auch die oft aufgeworfene Frage, wie weit die Empfindung in der organischen Welt reicht, ob die niedersten Tiere, ob die Pflanzen empfinden, wenigstens nach der Analogie, ihrer Lösung näher geführt werden."11

Ich will hier nicht die Frage aufwerfen, woher dieser „andere", der „mein" Gehirn beobachten könnte, kommen soll. Wir wissen bereits, dass in der Machschen „Philosophie" grundsätzlich unklar ist, wo etwas hergenommen wird. Aber wir haben uns an diese Unlogik unseres „Philosophen" schon gewöhnt; sie interessiert uns schon nicht mehr. Für uns ist etwas anderes wichtig. Wir haben von Mach gehört: „Die Frage nach der Empfindung der Materie würde lauten: ob eine bestimmte Art des Zusammenhanges der Elemente (die in gewisser Beziehung auch immer Empfindungen sind) empfindet?" Und wir waren mit ihm darin einig, dass in dieser Formulierung die Frage sinnlos ist. Wenn es sich aber so verhält, dann ist es ebenso sinnlos, zu fragen, „ob die niedersten Tiere, ob die Pflanzen empfinden". Aber Mach verliert nicht die Hoffnung, diese seiner Meinung nach sinnlose Frage ihrer Lösung „näher zu führen". Und zwar wie? „Wenigstens nach der Analogie." Nach der Analogie womit? Mit dem, was in meinem Gehirn vor sich geht, wenn ich bestimmte Empfindungen habe. Und was ist mein Gehirn? Ein Teil meines Körpers. Und was ist der Körper? Materie. Und was ist Materie? Eine „bestimmte Art des Zusammenhanges der Elemente". Gleich Mach müssten wir nun schlussfolgern: Die Frage, was in meinem Gehirn vor sich geht, wenn ich eine bestimmte Empfindung habe, würde lauten: Was geschieht in einer bestimmten Art des Zusammenhanges einer bestimmten Art von „Elementen", die zum „Ich" gehören und „in gewisser Beziehung auch immer Empfindungen sind", in der Zeit, wo dieses „Ich" empfindet? Die Frage ist von Machs Standpunkt genauso eine logische Unmöglichkeit wie die Frage, ob die anorganische Materie empfindet. Nichtsdestoweniger begegnet sie uns in der „Analyse der Empfindungen" in der einen oder anderen Form nahezu auf Schritt und Tritt. Warum ist das so?

Weil Mach in seiner Eigenschaft als Naturforscher ständig, wenn auch vollkommen unbewusst, auf eine materialistische Position gedrängt wird. Und jedes Mal, wenn er diesen Übergang vollzieht, gerät er in einen logischen Widerspruch mit der idealistischen Grundlage seiner eigenen „Philosophie". Hier ein Beispiel. Mach sagt: „Ich bin vielmehr mit der überwiegenden Zahl der Physiologen und modernen Psychologen überzeugt, dass die Willenserscheinungen aus den organisch-physischen Kräften, wie wir kurz, aber allgemein verständlich sagen wollen, begreiflich sein müssen."x Dieser Satz hat, „wie wir kurz, aber allgemein verständlich sagen wollen", nur dann einen Sinn, wenn er aus der Feder eines Materialisten fließt.y

Ein weiteres Beispiel. „Die Anpassung an die chemischen Lebensbedingungen", lesen wir auf Seite 91 desselben Buches, „welche sich durch die Farbe kundgeben, erfordert Lokomotion in viel ausgiebigerem Maße, als die Anpassung an jene, die durch Geschmack und Geruch sich äußern."12

Das ist ein sehr gelungener, aber gleichzeitig wiederum ein durch und durch materialistischer Gedanke.z

Ein drittes Beispiel. Mach sagt: „Wenn an einem unorganischen oder auch in einem organischen Körper irgend ein Vorgang eintritt, der durch die augenblicklichen Umstände vollkommen bestimmt ist, und welcher ohne weitere Folgen auf sich selbst beschränkt bleibt, so werden wir kaum von Zweck sprechen. So, wenn durch einen Reiz Lichtempfindung oder Muskelzuckung erregt wird."Α Auch dem kann man nur zustimmen. Aber der von Mach betrachtete Fall setzt eine solche Reizung des Organs des gegebenen Subjekts voraus, deren Folge die Empfindung ist. Das ist eine rein materialistische Auffassung vom Ursprung der Empfindungen, und diese rein materialistische Auffassung passt einfach nicht zusammen mit der Machschen Lehre, wonach der Körper nur ein Symbol (eines gewissen Komplexes von Empfindungen) ist.

Der in Mach schlummernde Naturforscher neigt zum Materialismus. Anders kann es auch nicht sein: Eine nichtmaterialistische Naturwissenschaft ist unmöglich. Der in demselben Mach schlummernde „Philosoph" dagegen neigt zum Idealismus. Und auch das ist wiederum völlig verständlich: Die öffentliche Meinung der heutigen (konservativen) Bourgeoisie, die gegen das heutige (revolutionäre) Proletariat kämpft, steht dem Materialismus ausgesprochen feindlich gegenüber; eine ganz große Ausnahme ist, wenn sich in unseren Tagen ein Naturforscher – wie etwa Haeckel – offen zum materialistischen Monismus bekennt. In Machs Brust wohnen zwei Seelen. Daraus resultiert seine Inkonsequenz.Β

Im Übrigen muss ich ihm wieder Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er kommt nicht nur mit der Frage Idealismus oder Materialismus schwer zurecht. Er begreift nicht nur den Materialismus nicht. Er begreift auch den Idealismus nicht.

Sie glauben es nicht, Herr Bogdanow? Dann lesen Sie. Mach beklagt sich darüber, dass man es vermochte, ihn einmal zu einem Idealisten – einem Berkeleyaner, ein anderes Mal zum Materialisten zu machen. Er hält diese Anschuldigungen für unbegründet. „Ich glaube daran unschuldig zu sein", sagt er.Γ Auf S. 288 (der russischen Ausgabe) wiederholt sich dieser „Protest". Aber auf der Seite 292 schreibt Mach, sein recht „eigentümliches" Verhältnis zu Kant definierend: „Sein kritischer Idealismus war, wie ich in größter Dankbarkeit anerkenne, der Ausgangspunkt meines ganzen kritischen Denkens. Es war mir aber unmöglich, denselben beizubehalten. Vielmehr habe ich mich sehr bald den Ansichten Berkeleys wieder genähert, welche in Kants Schriften mehr oder weniger latent enthalten sind. Durch sinnesphysiologische Studien und durch Herbart kam ich zu Auffassungen, verwandt den Humeschen, ohne damals Hume noch zu kennen. Auch heute noch muss ich Berkeley und Hume gegenüber Kant als die weitaus konsequenteren Denker ansehen."13 Wie man sieht, gibt es also doch keinen Rauch ohne Feuer. Und was für ein Feuer: Wir haben hier eine echte Flamme vor uns, kann man sagen! In der Tat ist der Machismus nichts weiter als Berkeleyanismus, kaum geändert und neu eingepinselt mit der Farbe der „Naturwissenschaft des 20. Jahrhunderts". Nicht umsonst hat Mach sein Werk „Erkenntnis und Irrtum" Wilhelm Schuppe gewidmet, der – wer wollte es leugnen – ein Idealist vom reinsten Wasser ist, wie man aus seiner „{Erkenntnistheoretischen Logik}"14 leicht ersehen kann.

Aber – spricht man über die Machsche Philosophie, kommt man ohne zahlreiche „Aber" nicht aus – dieser Philosoph hat auch Anschauungen, die ihn offensichtlich von Berkeley wegführen. So sagt er: „Arten sind ja wirklich zugrunde gegangen, und neue wohl ebenso zweifellos entstanden. Der lustsuchende und schmerzleidende Wille muss also wohl weiter reichen als an die Erhaltung der Art. Er erhält die Art, wenn es sich lohnt, er vernichtet sie, wenn ihr Bestand sich nicht mehr lohnt."Δ

Was für ein „Wille" ist gemeint? Wessen „Wille"? Woher stammt er? Berkeley würde natürlich antworten: Es ist Gottes Wille. Und damit wären in den Augen eines Gläubigen viele Missverständnisse ausgeräumt. Eine solche Antwort hätte außerdem noch den Vorteil, dass sie als ein neues Argument für die religiösen Ansichten Ihres Freundes, Herr Bogdanow, des heftigen Anatoli, geeignet ist. Doch Mach sagt nichts über Gott. Lassen wir darum die „Hypothese Gott" fallen und achten wir auf die folgenden Worte unseres „Denkers": „Man kann den Schopenhauerschen Gedanken der Beziehung von Willen und Kraft ganz wohl annehmen, ohne in beiden etwas Metaphysisches zu sehen."15* Wie sie sehen, erscheint auf der Bildfläche Schopenhauer, und unweigerlich stellt sich uns die Frage, wie kann man in Schopenhauers Gedanken der Beziehung von Willen und Kraft nichts „Metaphysisches sehen". Mach gibt darauf keine Antwort und wird es kaum jemals tun. Aber wie dem auch sei, Tatsache ist, dass, indem er über den Willen spricht, der die Art erhält, wenn es sich lohnt, sie zu erhalten und sie vernichtet, wenn es sich nicht lohnt, sie zu erhalten, Mach einer Metaphysik schlechtester Sorte verfällt.

Und noch etwas. Auf S. 45 der „Analyse der Empfindungen" spricht Mach von der „Natur des Grünen an sich" (seine Hervorhebung), einer Natur, die unverändert bleibt, unter welchem Aspekt wir sie auch immer betrachten.16 Aber wie denn das: „das Grüne an sich"? Hat doch derselbe Mach uns versichert, dass es keine Dinge „an sich" geben kann? Sieh mal einer an! Das Ding an sich erweist sich stärker als Mach. Er jagt es zur Tür hinaus, es fliegt zum Fenster wieder hinein, nachdem es die völlig unsinnige Gestalt der „Farbe an sich" angenommen hat. Was für eine unbesiegbare Kraft!

Unwillkürlich möchte man <(wie einst Ludwig Büchner)> ausrufen:

{O Ding an sich,

Wie lieb' ich dich,

Du, aller Dinge Ding!}

Wie geht das zu? Was ist das für eine Philosophie? Nun, meine Herren, gerade darum handelt es sich ja, dass dies überhaupt keine Philosophie ist. Mach erklärt das selbst: „{Es gibt vor allem keine Machsche Philosophie}", sagt er im Vorwort zu „{Erkenntnis und Irrtum}". Das gleiche lesen wir in der „Analyse der Empfindungen": „Noch einmal: Es gibt keine Machsche Philosophie!"Ε

Was wahr ist, ist wahr! Eine Machsche Philosophie gibt es wirklich nicht. Darum nicht, weil Mach jene philosophischen Begriffe, die er zu benutzen versuchte, überhaupt nicht verdaut hat. Freilich hätte sich selbst dann kaum etwas zum Besseren gewendet, wenn er auf die Rolle des Philosophen ernsthaft vorbereitet gewesen wäre. Der subjektive Idealismus, auf dessen Position er sich begeben hatte, würde ihn auch dann entweder zum Solipsismus, den er nicht wollte, oder zu einer ganzen Reihe auswegloser logischer Widersprüche und zur Aussöhnung mit der „Metaphysik" geführt haben. Es gibt keine Machsche Philosophie. Das ist sehr wichtig für uns als russische Marxisten, die man nun schon mehrere Jahre mit der Machschen „Philosophie" belästigt und denen man beständig zuredet, sie sollten diese nichtexistierende Philosophie mit der Lehre von Marx verbinden. Noch wichtiger ist jedoch, dass es eine von unheilbaren Widersprüchen freie Philosophie à la Mach, genauer gesagt – à la Berkeley oder Fichte, gar nicht geben kann. Heute zeigt es sich deutlicher denn je: Der subjektive Idealismus war auch im 18. Jahrhundert ein totgeborenes Kind der Philosophie. Im Zeitalter der modernen Naturwissenschaft könnte er gar nicht atmen. Darum müssen sich mehr und mehr sogar diejenigen von ihm lossagen, die ihn zu neuem Leben erwecken möchten. Wie gesagt: Die Logik hat ihre Gesetze.

Nun darf ich mich wohl von Ihnen verabschieden, Herr Bogdanow. Erlauben Sie mir nur noch eine Bemerkung. Sie haben sich in Ihrem Offenen Brief an mich darüber beklagt, meine philosophischen Gesinnungsfreunde in Russland würden Ihnen alles mögliche andichten. Das stimmt nicht. Ich verzichte auf den Versuch, Sie davon zu überzeugen, dass diejenigen, die von Ihnen beschuldigt werden, Ihre Gedanken vorsätzlich entstellt zu haben – so verstehe ich Sie –, zu anständig sind, um sich so etwas zu erlauben. Ich betrachte die Sache einmal ganz nüchtern und frage, wozu denn Ihre Gedanken entstellen, wenn die Wahrheit, die man über sie erzählen kann, schlimmer als jede Lüge ist?

Der Sie wegen dieser – o weh! – unbestreitbaren Möglichkeit aufrichtig bedauernde

G. Plechanow.

1 Г. В. Плеханов: Избранные философские произведения, т. I, стр. 485/486

A„Эмпириомонизм", кн. III, СПБ. 1906 г., стр. XIII.

2 Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

B (Siehe dazu die Aufsätze „Conrad Schmidt gegen K. Marx und F. Engels" und „Materialismus oder Kantianismus?" in meinem Sammelband „Критика наших критиков [Kritika naschich kritikow]". СПБ. 1906, стр. 167-202.)

C Der absolute Idealismus teilt natürlich auch nicht die materialistische Auffassung von der Materie. Seine Lehre von der Materie als vom „Anderssein" des Geistes interessiert uns hier jedoch nicht, wie sie mich auch in meiner Kontroverse mit den Neukantianern nicht interessiert hat.

D The Works of George Berkley D. D. formerly bishop Cloyne, Oxford MDCCCLXXI, vol. I, p. 157-158. [Berkeley's Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, Leipzig 1906, S. 22/23.]

E Ebenda, dieselbe Seite.

F Ebenda, S. 200.

G [Ludwig] {Feuerbachs [sämtliche] Werke. B.II, [Leipzig 1846,] S.308.} Man könnte mich fragen: Ist denn etwa nicht das, was ist, nur in Gedanken? Es ist, antworte ich darauf, einen Ausdruck von Hegel leicht abwandelnd, indem es als Widerspiegelung der wirklichen Existenz existiert.

I „Анализ ощущений“, пер. Г. Котляра, изд. Скирмунта [Analis oschtschuschtschenij", per. G. Kotljara, isd. Skirmunta], стр. 33. [Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, Jena 1922, S. 23. – In seinen Anmerkungen zu Ernst Machs Buch bemerkt Georgi Plechanow ironisch: „Nicht die Körper erzeugen Empfindungen, sondern die Elementenkomplexe bilden die Körper. Sehr schön, sie bilden auch andere Menschen." (Литературное наследие Г. В. Плеханова, сб. V, стр. 223.)]

J Nach der Lehre des Letzteren ist die Materie ein object of any of our senses, das heißt ein Gegenstand, der auf irgendeinen unserer Sinne wirkt. (Disquisitions [relating to matter and spirit, London 1777], S. 142.)

K „La Matière. Mémoire présenté à l'Institut de France" etc., p. 5. Die Gedenkrede wurde im April dieses Jahres gehalten.

L (Zur Bestimmung der Gnoseologie Platons schreibt Windelband: „Gibt es in den Begriffen ein Wissen, das sich zwar an den Wahrnehmungen, aber nicht aus ihnen entwickelt, und das von ihnen wesentlich verschieden bleibt, so müssen auch die Ideen, welche der Gegenstand der Begriffe sind, eine eigne und eine höhere Wirklichkeit bilden neben den Gegenständen der Wahrnehmung. Die letzteren aber sind in allen Fällen die Körper und ihre Bewegung, oder, wie Platon mit echt griechischer Betonung sagt, die sichtbare Welt: folglich müssen die Ideen, das Objekt der begrifflichen Erkenntnis eine eigene, davon geschiedene Wirklichkeit, eine unsichtbare und unkörperliche Welt darstellen. (Platon, стр. 84 [Wilhelm Windelband: Platon, Stuttgart 1900, S. 80/81].) Das reicht aus, um zu verstehen, warum ich bei meiner Gegenüberstellung von Materialismus und Idealismus die Materie als Quelle unserer Empfindungen definiert habe. Damit habe ich auf das wichtigste Kriterium hingewiesen, das die materialistische Gnoseologie von der idealistischen unterscheidet. Herr Bogdanow hat das nicht verstanden und sich mokiert, wo es angebracht gewesen wäre, nachzudenken. Mein Kontrahent meint, man könne aus meiner Definition lediglich erfahren, dass Materie nicht Geist ist. Das zeigt erneut, dass er die Geschichte der Philosophie nicht kennt. Der Begriff „Geist" hat sich dadurch entwickelt, dass von den Eigenschaften der materiellen Gegenstände abstrahiert wurde. Es ist falsch, zu sagen: Materie ist Nicht-Geist. Vielmehr muss es heißen: der Geist (d.h. natürlich der Begriff des Geistes) ist Nicht-Materie. Windelband behauptet, die Eigenart der Platonschen Erkenntnistheorie bestand „in dem Verlangen, dass die höhere Welt die unsichtbare, die immaterielle Welt sein müsse". (S. 85 [Ebenda, S. 81].) Dieses Verlangen konnte selbstverständlich erst aufkommen, nachdem sich bei den Menschen aufgrund der menschlichen Erfahrung schon längst der Begriff der „sichtbaren", materiellen Welt gebildet hatte. Die Eigenart der materialistischen Kritik des Idealismus bestand darin, die Haltlosigkeit der Forderung sichtbar zu machen, man müsse die Existenz einer höheren – einer „unsichtbaren" und „immateriellen" – „Welt" anerkennen. Die Materialisten erklärten, dass es nur jene materielle Welt gibt, die wir (in der einen oder anderen Weise, mittelbar oder unmittelbar) mit Hilfe unserer Sinnesorgane erkennen, und dass es keine andere Erkenntnis als die geben kann, die auf der Erfahrung beruht.)

M „Людвиг Фейербах", СПБ. 1906 г., стр. 118.

N Über diesen Widerspruch bei Kant siehe in meinem Buch „Eine Kritik unserer Kritiker", S. 167 und folgende. [Georgi Plechanow meint seinen Artikel „Conrad Schmidt gegen Karl Marx und Friedrich Engels".]

O Freilich sind auch Tiere fähig, Erfahrungen zu machen. Wir können sie jedoch hier außer acht lassen, da es zur Klärung meines Erfahrungsbegriffs genügt, auf die menschliche Erfahrung hinzuweisen.

P ({Kein Objekt ohne Subjekt"}, sagt Schuppe. Das ist die „immanente Philosophie", die im Grundsätzlichen mit der Lehre von Mach und Avenarius identisch ist.)

Q („Deshalb bildet den Kern des Platonischen Philosophierens der Dualismus, der darin zwischen den beiden Erkenntnisarten, dem Denken und dem Wahrnehmen, und ebenso zwischen ihren beiden Objekten, der immateriellen und der materiellen Welt, statuiert wird." (В. Виндельбалд, Платон [W. Windel’bald, Platon], стр. 85-86 [Wilhelm Windelband: Platon, S.82].))

R {„Das Ding an sich hat Farbe erst an das Auge gebracht, Geruch an die Nase usf.", sagt Hegel. (Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Band, Zweites Buch, Nürnberg 1813".) [Berlin 1975, S. 107.]

S (Aber gerade darum bemühen sich die Herren Empiriomonisten und „Empiriosymbolisten" um eine entsprechende Antwort. Mit diesbezüglichen Versuchen von J. Petzoldt und P. Juschkewitsch habe ich mich in meinem Artikel „Der kleinmütige Idealismus" auseinandergesetzt, der im Sammelband enthalten ist.)

T „Критика наших критиков“, стр. 193-194

3 Johann Gottlieb Fichte nannte eine seiner Schriften „Sonnenklarer Bericht an das größere Publikum über das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie, ein Versuch, den Leser zum Verständnis zu zwingen".

U Zur Frage der Identität von Sein und Denken kann ich jetzt auf meine Основные вопросы марксизма [Osnownye woprosy marksisma]", СПБ. 1908, S. 9 und folgende verweisen. [Georgi Plechanow: Grundprobleme des Marxismus, S. 17–26.]

V „Критика наших критиков“, стр. 233-234

W (Wenn ich von diesem Beitrag Hegels spreche, dann soll das nicht heißen, dass Hegel als erster den Unterschied zwischen den Begriffen „Gestalt" und „Form" herausgefunden hätte, sondern ich behaupte nur, dass er besser als andere große Idealisten diesen Unterschied bestimmt hat.)

4 См. И. М. Сеченов: Исбранные философские и психологические произведения [Sm. I. M. Setschenow: Isbrannye filosofskie i psichologitscheskie proiswedenija], Москва 1947, стр. 359.

X S. 102-103 der Auslandsausgabe, S. 111-112 der Petersburger.

Y Die Unzulänglichkeit dieser Terminologie ist mir bei der abermaligen Lektüre von Kants „Kritik der reinen Vernunft" klargeworden, wo ich auf die vielsagenden Sätze, aus der ersten Ausgabe, stieß: „Damit aber ein Noumenon einen wahren, von allen Phänomenen zu unterscheidenden Gegenstand bedeute, so ist es nicht genug: dass ich meinen Gedanken von allen Bedingungen sinnlicher Anschauung befreie, ich muss noch überdem Grund dazu haben, eine andere Art der Anschauung, als diese sinnliche ist, anzunehmen, unter der ein solcher Gegenstand gegeben werden könne; denn sonst ist mein Gedanke doch leer, obzwar ohne Widerspruch." („Критика чистого разума“, пер. Н. М. Соколова [Kritika tschistogo rasuma", per. N. M. Sokolowa], стр. 218. – Anmerkung. [Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1979, S. 347/348.]) Ich möchte unterstreichen, dass es keine andere Anschauung gibt als die sinnliche, dass uns dies aber nicht hindert, die Dinge dank den Eindrücken zu kennen, die sie auf uns machen. Aber das haben Sie, Herr Bogdanow, natürlich nicht verstanden. Es ist schon ein Kreuz mit Ihnen! Da sieht man einmal, wozu es führt, wenn jemand das Studium der Philosophie gleich mit Mach beginnt!

Z „Людвиг Фейербах ", S. 112 der Petersburger Ausgabe.

a (Damit will ich keineswegs sagen, dass meine Kritiker im Recht wären, wenn ich mich weiterhin an die alte Terminologie halten würde. Nein, selbst in diesem Falle hätten ihre Argumente keine Gültigkeit, wie überhaupt die Einwände, die von Idealisten gegen Materialisten erhoben werden, niemals stichhaltig sein können. Hier kann es höchstens einen graduellen Unterschied geben, und man muss zugeben, dass sich meine verehrten Gegner als im höchsten Grade schwach erwiesen haben. Dennoch dürfte meine Absage an einen früher von mir gebrauchten Terminus diesen Herrschaften zum ersten Mal den Blick für das geöffnet haben, was sie dann als die schwächste Seite „meines" Materialismus hinzustellen begannen. Ich bin sehr froh, dass ich ihnen eine Gelegenheit gab, sich auszuzeichnen. Es tut mir jedoch sehr leid, dass es sogar der Gegner des Idealismus W. Iljin für nötig befunden hat, in seinem Buch „Materialismus" usw. über meine Hieroglyphen herzuziehen. Musste er sich in diesem Falle denen zugesellen, die schon den unbestreitbaren und offensichtlichen Beweis dafür geliefert haben, dass das Pulver nicht von ihnen erfunden wurde!) [Tatsache ist, dass Georgi Plechanow, als er die marxistische Erkenntnistheorie erläuterte und verteidigte, einem Irrtum unterlag, wenn er meinte, die Vorstellungen der, Menschen seien nicht Kopien der wirklichen Dinge und Naturvorgänge, sondern nur konventionelle Zeichen, Hieroglyphen. Bekanntlich hat W. I. Lenin die agnostizistische Hieroglyphentheorie von Hermann Helmholtz scharf kritisiert und festgestellt, dass „Plechanow bei der Darstellung des Materialismus zwar einen offenkundigen Fehler gemacht" habe und dass sich die russischen „Machisten… mit besonderer Freude auf Plechanows ,Hieroglyphen' gestürzt" hätten, wobei sie „unter der Flagge der Kritik des ,Hieroglyphismus," ihre Absage an den Materialismus durchzuschmuggeln versuchten.]

c „Эмпириомонизм", кн. III, стр. XV.

d „Л. Фейербах", Anmerkungen, S. 112-113.

e {„Ein Ding hat Eigenschaften; sie sind erstlich seine bestimmten Beziehungen auf anderes … Aber zweitens ist das Ding in diesem Gesetztsein an sich … Ein Ding hat die Eigenschaft, dies oder jenes im Andern zu bewirken und auf eine eigentümliche Weise sich in seiner Beziehung zu äußern." (Hegel, „Wissenschaft der Logik". Erster Band, zweites Buch, S. 148, 149.)} [Berlin 1975, S. 110.]

f „Критика чистого разума", стр. XV. [Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, S. 29.]

g (Jetzt möchten sich einige Gesinnungsfreunde Machs, zum Beispiel J.Petzoldt, von Verworn abgrenzen, weil sie ihn selbst als einen Materialisten ansehen. Verworn ist tatsächlich Idealist, aber er ist genauso ein Idealist wie Mach, Avenarius und Petzoldt. Nur ist er konsequenter als sie: Er fürchtet sich nicht vor den idealistischen Schlussfolgerungen, vor denen jene noch zurückschrecken und vor denen sie sich mit den lächerlichsten Sophismen zu schützen suchen.)

h [Ludwig Feuerbach's sämtliche] {„Werke", X, [Leipzig 1866,] S. 193.}

i [Ludwig Feuerbach's sämtliche] {„Werke", II, S. 348-349.}

6 Siehe Georgi Plechanow: Grundprobleme des Marxismus, S. 21.

j (Nach Spinoza ist das Ding (res) ein Körper (corpus) und gleichzeitig die Idee eines Körpers (idea corporis). Da aber derjenige, der sich selbst erkennt, auch ein Bewusstsein von diesem seinem Bewusstsein hat, ist das Ding ein Körper (corpus), die Idee eines Körpers (idea corporis) und schließlich die Idee der Idee eines Körpers (idea ideae corporis). Daran sieht man, wie nahe die Lehre Spinozas an den Materialismus Feuerbachs heranreicht.)

k Ср. Основные вопросы марксизма", стр. 9 и след. [Siehe Georgi Plechanow: Grundprobleme des Marxismus, S.20ff.]

l William Shakespeare: Dramatische Werke. Zweiter Band, Berlin/Weimar 1964, S. 170.

m Э. Мах [E. Mach], Анализ ощущений, стр. 34, Anmerkung. [Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, S. 24.]

n {„Erkenntnis und Irrthum", Leipzig 1905, Vorwort, S. VI-VII.}

o {„Erkenntnis und Irrthum", S. 9.}

7 Staatsstreich.

8 Nach der Leibnizschen Monadologie besteht die Welt aus einfachen und unteilbaren Substanzen, individuellen und unwiederholbaren Monaden. Diese können sich unter äußerer Einwirkung nicht verändern und können keinen physischen Einfluss aufeinander ausüben. Die Einheit und Übereinstimmung der Monaden aber, die innere Einheit des Universums, kommt nach Leibniz von Gott, von der durch Gott geschaffenen „prästabilierten Harmonie".

p {„Erkenntnis und Irrthum", S.7.}

9 Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, S. 28.

q An einer anderen Stelle („Анализ ощущений" русск. перевод, стр.265. [Jena 1922, S. 270].) sagt Mach: „Die Empfindungen verschiedener Sinne eines Menschen, so wie die Sinnesempfindungen verschiedener Menschen sind gesetzmäßig voneinander abhängig. Darin besteht die Materie." Möglich. Doch die eigentliche Frage lautet, ob hier – vom Standpunkt Machs – eine andere Abhängigkeit als die prästabilierte Harmonie zulässig ist.

r Hans Cornelius, den Mach als einen Gesinnungsfreund ansieht, gibt offen zu, dass er aus dem Solipsismus keinen wissenschaftlichen Ausweg kennt. (Siehe seine {„Einleitung in die Philosophie", Leipzig 1903, S. 323}.)

s Siehe {„Erkenntnis und Irrthum", S.6.}

t Ebenda, S. 29.

u (Dem ist noch hinzuzufügen, dass selbstverständlich nicht nur Fichte allein diese Unterscheidung getroffen hat. Sie hat sich nicht nur allen Idealisten, sondern sogar auch den Solipsisten sozusagen von selbst aufgedrängt.)

10 J. G. Fichte an Friedrich Heinrich Jacobi, 30. August 1795. In: Johann Gottlieb Fichte – Gesamtausgabe, Bd. III. 2, Stuttgart/Bad Canstatt 1970, S.392.

v „Анализ ощущений", стр. 197. [Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, S. 198.]

w „Анализ ощущений", стр. 197. [Ebenda, S. 199.]

11 Ebenda, S. 198.

xАнализ ощущений“, стр. 141-142. [Ebenda, S. 140.]

y (Ich sage „nur der Feder eines Materialisten", weil der Machsche Satz voraussetzt, dass das Bewusstsein, also unter anderem auch die „Willenserscheinung" durch das „Sein" (durch die materielle Struktur der Organismen, an denen die genannten Erscheinungen beobachtet werden) bestimmt wird. Darum ist es absurd, zu sagen, dass das Sein nur ein Sein in der Vorstellung oder in der Empfindung von Wesen ist, bei denen sich „Willenserscheinungen" zeigen. Es ist unter allen Umständen auch ein „Sein an sich". Bei Mach dagegen kommt es so heraus, als ob einerseits die Materie nur einer der Zustände (eines der „Erlebnisse") des Bewusstseins ist und als ob andererseits die Materie, d.h. die materielle Struktur des Organismus, jene „Erlebnisse" bedingt, die unser Denker als Willenserscheinungen bezeichnet.)

12 Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, S.86.

z (Es gibt bestimmte „chemische Lebensbedingungen". Die Anpassung des Organismus an sie „äußert sich" unter anderem „durch Geschmack und Geruch", das heißt durch den Charakter der diesem Organismus eigenen Empfindungen. Es fragt sich: Kann man danach, ohne in einen schreienden Widerspruch zu geraten, noch sagen, dass die von uns erwähnten „chemischen Lebensbedingungen" nur ein Komplex der dem betreffenden Organismus eigenen Empfindungen sind? Man sollte meinen: nein. Doch nach Mach kann man es nicht nur, sondern muss man es. Mach hält sich unerschütterlich an die „philosophische" Überzeugung, dass die Erde von Walen gehalten wird, Wale im Wasser schwimmen und das Wasser sich auf der Erde befindet. Dieser seiner Überzeugung ist er zu Dank verpflichtet für jene große Entdeckung, die meinen jungen Freund F. W. Adler so entzückt hat (siehe seine Broschüre {„Die Entdeckung der Weltelemente", Sonderabdruck aus Nr. 5 der Zeitschrift „Der Kampf", Wien 1908}). Allerdings gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass mein junger Freund mit der Zeit, wenn er sich in den Grundproblemen der Philosophie besser auskennt, über seine heutige naive Schwärmerei für Mach selber lachen wird.)

Α (S. 80.) [Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, S. 85.]

Β (Für den „scharfsinnigen Leser", mit dem sich seinerzeit N. G. Tschernyschewski in seinem Roman „Was tun?" herumgeschlagen hat, füge ich noch folgende Bemerkung hinzu. Ich will keineswegs sagen, dass Mach und die ihm artverwandten Denker ihre quasiphilosophischen Ansichten bewusst den „geistigen" Bedürfnissen der heutigen Bourgeoisie anpassen. Die Angleichung des gesellschaftlichen (oder Klassen-) Bewusstseins an das gesellschaftliche (oder Klassen-) Sein geht in solchen Fällen meistens für die betreffenden Individuen unmerklich vor sich. In dem uns interessierenden Fall hat die Anpassung des Bewusstseins an das Sein schon lange vor der Zeit stattgefunden, wo Mach seine „Sonntagsausflüge" durch die Philosophie begann. Machs Schuld besteht lediglich darin, dass er es nicht verstanden hat, gegenüber der herrschenden philosophischen Strömung seiner Zeit eine kritische Haltung einzunehmen. Aber diese Sünde begehen viele Menschen, selbst weit begabtere als er.)

Γ „Analyse der Empfindungen", S. 49 der russischen Ausgabe. In der 4. deutschen Ausgabe befindet sich diese Stelle auf S. 39.

13 Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, S. 299.

14 Dieses Buch ist 1878 erschienen.

Δ Мах, Анализ ощущений, str 74. [Ebenda, S. 67/68.]

15* Ebenda, S. 74, die Anmerkung. [Ebenda, S. 67.]

16 Hier folgt der Satz: „In der deutschen Originalausgabe figuriert an der entsprechenden Stelle ,das Grüne an sich'." In der Fußnote erscheint der Hinweis: S. 36 der 4. Ausgabe.

Ε Ebenda, S. 203. [Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen, S. 229.]

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