Kapitel IV. Die philosophischen Idealisten als Mitstreiter und Nachfolger des Empiriokritizismus

Kapitel IV. Die philosophischen Idealisten als Mitstreiter und Nachfolger des Empiriokritizismus

1. Die Kritik des Kantianismus von links und von rechts.

2. Wie sich der „Empiriosymbolist" Juschkewitsch über den „Empiriokritizisten" Tschernow lustig machte.

3. Die Immanenzphilosophen als Mitstreiter von Mach und Avenarius.

4. Wohin entwickelt sich der Empiriokritizismus?

5. A. Bogdanows „Empiriomonismus".

6. Die „Theorie der Symbole" (oder Hieroglyphen) und die Kritik von Helmholtz.

7. Über zweierlei Kritik an Dühring.

8. Wie konnten die reaktionären Philosophen an J. Dietzgen Gefallen finden?

Wir haben bisher den Empiriokritizismus für sich genommen betrachtet. Betrachten wir ihn jetzt in seiner geschichtlichen Entwicklung, in seinem Zusammenhang und in seiner Wechselbeziehung mit anderen philosophischen Richtungen. An erster Stelle taucht hier die Frage auf, in welchem Verhältnis Mach und Avenarius zu Kant stehen.

1. Die Kritik des Kantianismus von links und von rechts

Mach und Avenarius betraten die philosophische Laufbahn in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als in den deutschen Professorenkreisen der Ruf „Zurück zu Kant" Mode war. Auch die beiden Begründer des Empiriokritizismus gingen in ihrer philosophischen Entwicklung von Kant aus:

Sein (Kants) kritischer Idealismus“ – schreibt Mach – „war, wie ich in größter Dankbarkeit anerkenne, der Ausgangspunkt meines ganzen kritischen Denkens. Es war mir aber unmöglich, denselben beizubehalten. Vielmehr habe ich mich sehr bald den Ansichten Berkeleys wieder genähert… [dann] kam ich zu Auffassungen, verwandt den Humeschen… Auch heute noch muss ich Berkeley und Hume gegenüber Kant als die weitaus konsequenteren Denker ansehen." („Analyse der Empfindungen", S. 299.)

Also, Mach gibt ausdrücklich zu, dass er, von Kant ausgehend, der Richtung Berkeleys und Humes folgte. Wie steht es nun mit Avenarius?

In seinen „Prolegomena zu einer Kritik der reinen Erfahrung" (1876) bemerkt Avenarius schon im Vorwort, dass der im Titel angeführte Ausdruck „Kritik der reinen Erfahrung" auf eine Beziehung zur Kantschen „Kritik der reinen Vernunft" hinweise, „und selbstverständlich eine gegensätzliche" (S. IV). Worin besteht nun diese Gegensätzlichkeit Avenarius' zu Kant? Darin, dass, nach Avenarius' Ansicht, Kant nicht genügend „die Erfahrung gereinigt" habe. Diese „Reinigung der Erfahrung" behandelt Avenarius eben in seinen „Prolegomena" (§ 56, 72 und viele andere). Wovon „reinigt" Avenarius die Kantsche Lehre von der Erfahrung? Erstens von der Apriorität.

Dagegen dürfte die Frage – sagt er in § 56 –, ob aus dem Inhalt des Erfahrenen gleicherweise die Zutat der ,apriorischen Verstandesbegriffe' entfernt und damit die κατ' ἐξοχἡν (vorzugsweise) reine Erfahrung hergestellt werden solle und könne, hiermit meines Wissens zum ersten Male als solche gestellt sein."

Wir haben schon gesehen, dass Avenarius auf diese Art den Kantianismus von der Anerkennung der Notwendigkeit und Kausalität „gereinigt" hat.

Zweitens reinigt er den Kantianismus von der Annahme der Substanz (§ 95), d. h. vom Ding an sich, „welche nicht in dem Materialen des wirklich Erfahrenen mitgegeben, sondern erst durch das Denken des Erfahrenden in dasselbe hineingelegt werde".

Wir werden gleich sehen, dass die Avenariussche Definition seiner philosophischen Linie sich vollkommen mit der von Mach deckt und sich von dieser nur durch die Schwülstigkeit ihrer Ausdrucksweise unterscheidet. Zunächst muss aber bemerkt werden, dass es eine direkte Unwahrheit ist, wenn Avenarius sagt, er habe im Jahre 1876 als erster die Frage nach der „Reinigung der Erfahrung" gestellt, d. h. der Reinigung der Kantschen Lehre von der Apriorität und von der Annahme des Dinges an sich. In Wirklichkeit hat die Entwicklung der deutschen klassischen Philosophie gleich nach Kant eine Kritik des Kantianismus hervorgebracht, die sich gerade in derselben Richtung bewegte wie die von Avenarius. Diese Richtung war in der deutschen klassischen Philosophie vertreten durch Schulze-Änesidemus, einen Anhänger des Humeschen Agnostizismus, und J. G. Fichte, einen Anhänger des Berkeleyanismus, d. h. des subjektiven Idealismus. Schulze-Änesidemus kritisierte Kant im Jahre 1792 gerade wegen der Annahme der Apriorität (l. c, S. 56, 141 u. v. a.) und des Dinges an sich. Wir Skeptiker oder Anhänger von Hume, sagte Schulze, verwerfen das Ding an sich, als „die Grenzen jeder Erfahrung überschreitend" (S. 57). Wir bestreiten das objektive Wissen (S. 25); wir leugnen, „dass Raum und Zeit etwas außer uns Wirkliches und realiter Existierendes" seien (S. 100); wir leugnen das Vorhandensein der Notwendigkeit (S. 112), der Kräfte… der Kausalität in der Erfahrung (S. 113). „So kann ihnen auch keine Realität außer den menschlichen Vorstellungen zukommen" (S. 114). Kant beweist die Apriorität „dogmatisch" durch die einfache Behauptung, dass, weil wir nicht anders denken können, also a priori ein Gesetz des Denkens vorhanden sei. Dieses Schlusses erwidert Schulze Kant, „hat man sich von jeher in der Philosophie bedient, um die objektive Natur des außer unseren Vorstellungen Vorhandenen zu bestimmen" (S. 141). So folgernd, könnte man die Kausalität den Dingen an sich zuschreiben (S. 142). „Dass die Wirksamkeit objektiver Gegenstände auf uns Vorstellungen hervorbringe, erfahren wir ja niemals", und Kant habe durchaus nicht bewiesen, dass „dieses Etwas (welches sich außerhalb der Vernunft befindet) für ein von dem Gemüte verschiedenes Ding an sich gehalten werden müsse. Nun kann aber auch das Gemüt als der alleinige Grund aller unserer Erkenntnis gedacht werden" (S. 265). Die Kantsche Kritik der reinen Vernunft „legt also ihren Spekulationen den Satz zugrunde, dass alle Erkenntnis durch die Wirksamkeit objektiver Gegenstände auf das Gemüt anfange, und bestreitet hinterher selbst die Wahrheit und Realität dieses Satzes" (S. 266). Kant habe in keiner Hinsicht den Idealisten Berkeley widerlegt (S. 268–272).

Daraus ist ersichtlich, dass der Hume-Anhänger Schulze die Kantsche Lehre vom Ding an sich ablehnt, und zwar als ein inkonsequentes Zugeständnis an den Materialismus, d. h. an die „dogmatische" Behauptung, dass unserer Empfindung eine objektive Realität entspreche, oder mit anderen Worten: dass unsere Vorstellungen durch die Wirksamkeit objektiver (von unserem Bewusstsein unabhängiger) Gegenstände auf unsere Sinnesorgane erzeugt würden. Der Agnostiker Schulze macht dem Agnostiker Kant zum Vorwurf, dass die Annahme des Dinges an sich dem Agnostizismus widerspreche und zum Materialismus führe. Ebenso – nur noch entschiedener – wird Kant von dem subjektiven Idealisten Fichte kritisiert, der meint, dass Kants Annahme des von unserem Ich unabhängigen Dinges an sich „Realismus" sei (Ges. Werke, Bd. I, S. 483), und dass Kant sich den Unterschied zwischen „Realismus" und „Idealismus" „nicht klar" dachte. Fichte erblickt bei Kant und den Kantianern eine krasse Inkonsequenz darin, dass sie ein Ding an sich als „Grund der objektiven Realität" (S. 480) zulassen und dadurch in Widerspruch mit dem kritischen Idealismus geraten. „Ihr Erdball ruht auf dem großen Elefanten – ruft Fichte den realistischen Auslegern Kants zu – und der große Elefant – ruht auf dem Erdballe. Ihr Ding an sich, das ein bloßer Gedanke ist, soll auf das Ich einwirken!" (S. 483.)

Also, Avenarius war in einem großen Irrtum befangen, wenn er sich einbildete, er habe „zum ersten Mal" bei Kant eine „Reinigung der Erfahrung" von der Apriorität und dem Ding an sich unternommen und er habe damit eine „neue" Richtung in der Philosophie geschaffen. In Wirklichkeit setzte er die alte Richtung von Hume und Berkeley, von Schulze-Änesidemus und Fichte fort. Avenarius bildete sich ein, dass er die „Erfahrung" überhaupt „reinige". In Wirklichkeit reinigte er nur den Agnostizismus vom Kantianismus. Er kämpfte nicht gegen Kants Agnostizismus (Agnostizismus ist das Leugnen der objektiven, uns in der Empfindung gegebenen Realität), sondern für einen noch reineren Agnostizismus, für die Beseitigung jener dem Agnostizismus widersprechenden Annahme Kants, als ob es ein Ding an sich gebe, wenn auch ein unerkennbares, intelligibles, jenseitiges, als ob es eine Notwendigkeit und Kausalität gebe, wenn auch nur a priori, nur im Denken, nicht aber in der objektiven Realität. Er bekämpfte Kant nicht von links her, wie die Materialisten es taten, sondern von rechts her, wie die Skeptiker und Idealisten. Er bildete sich ein, vorwärts zu gehen, während er in Wirklichkeit rückwärts ging, zu jenem Programm der Kantkritik, das Kuno Fischer, wo er über Schulze-Änesidemus spricht, treffend mit den Worten ausdrückte:

Die Kritik der reinen Vernunft nach Abzug der reinen Vernunft (d. h. der Apriorität. L.) ist Skeptizismus … Die Kritik der reinen Vernunft nach Abzug des Dinges an sich ist Berkeleyanischer Idealismus."A

Hier kommen wir zu einer der wunderlichsten Episoden unserer ganzen „Machiade", des ganzen Feldzuges der russischen Machisten gegen Engels und Marx. Die neueste Entdeckung von Bogdanow und Basarow, Juschkewitsch und Valentinow, die sie in tausendfältigen Variationen hinausposaunen, besteht darin, Plechanow mache den „unglückseligen Versuch, mit Hilfe eines kompromisslerischen, beinahe erkennbaren Dinges an sich Engels mit Kant zu versöhnen" („Beiträge", S. 67 u. v. a.). Diese Entdeckung unserer Machisten enthüllt uns einen wahrhaft bodenlosen Abgrund heillosester Konfusion, ungeheuerlichster Verständnislosigkeit in Bezug auf Kant sowohl wie auf die ganze Entwicklung der deutschen klassischen Philosophie.

Der Grundzug der Kantschen Philosophie ist die Aussöhnung von Materialismus und Idealismus, ein Kompromiss zwischen beiden, die Verknüpfung verschiedenartiger, einander widersprechender philosophischer Richtungen zu einem System. Wenn Kant annimmt, dass unseren Vorstellungen etwas außer uns, irgendein Ding an sich, entspreche, ist er Materialist. Wenn er dieses Ding an sich für unerkennbar, transzendent, jenseitig erklärt – tritt er als Idealist auf. Indem er Erfahrungen und Empfindungen als die alleinige Quelle unserer Kenntnisse anerkennt, gibt Kant seiner Philosophie die Richtung zum Sensualismus, und über den Sensualismus hinaus unter bestimmten Bedingungen auch zum Materialismus. Indem er die Apriorität von Raum, Zeit, Kausalität usw. anerkennt, gibt Kant seiner Philosophie eine Wendung zum Idealismus. Wegen dieser Halbheit Kants führten sowohl die konsequenten Materialisten als auch die konsequenten Idealisten (und ebenso die „reinen" Agnostiker, die Humeisten) einen schonungslosen Kampf gegen ihn. Die Materialisten machten Kant seinen Idealismus zum Vorwurf, widerlegten die idealistischen Züge seines Systems, wiesen die Erkennbarkeit, die Diesseitigkeit des Dinges an sich nach, das Nichtvorhandensein eines prinzipiellen Unterschieds zwischen diesem und der Erscheinung, die Notwendigkeit, die Kausalität usw. nicht aus den apriorischen Denkgesetzen abzuleiten, sondern aus der objektiven Wirklichkeit. Die Agnostiker und Idealisten machten Kant seine Annahme des Dinges an sich zum Vorwurf, als Zugeständnis an den Materialismus, den „Realismus" oder „naiven Realismus", wobei die Agnostiker außer dem Ding an sich auch noch die Apriorität verwarfen, während die Idealisten die konsequente Ableitung nicht nur der apriorischen Anschauungsform, sondern der ganzen Welt überhaupt aus dem reinen Denken verlangten (indem sie das menschliche Denken zu einem abstrakten Ich oder zu einer „absoluten Idee" oder zu einem universalen Willen usw. usw. erweiterten). Unsere Machisten, denen es „entgangen" war, dass sie sich Leute als Lehrer ausgesucht hatten, die Kant vom Standpunkte des Skeptizismus und Idealismus kritisierten, begannen nun ihre Kleider zu zerreißen und Asche auf ihr Haupt zu streuen, als sie auf so monströse Menschen stießen, die Kant von dem diametral entgegengesetzten Standpunkt aus kritisieren, die die allergeringsten Elemente des Agnostizismus (Skeptizismus) und Idealismus im System Kants ablehnen, und den Nachweis führen, dass das Ding an sich objektiv real, durchaus erkennbar, diesseitig ist, sich prinzipiell durch nichts von der Erscheinung unterscheidet, sich bei jedem Schritt der Entwicklung des individuellen Bewusstseins des Menschen und des kollektiven Bewusstseins der Menschheit in eine Erscheinung verwandelt. Zetermordio! – schrien sie, das ist ja eine unerlaubte Vermengung von Materialismus und Kantianismus!

Wenn ich die Beteuerungen unserer Machisten lese, dass sie Kant viel konsequenter und entschiedener als irgendwelche veralteten Materialisten kritisieren, ist mir immer, als habe sich Purischkewitsch in unsere Gesellschaft verirrt und schreie: Ich habe ja die Kadetten viel konsequenter und entschiedener als Sie kritisiert, meine Herren Marxisten! Ganz gewiss, Herr Purischkewitsch, politisch konsequente Leute können und werden immer die Kadetten von diametral entgegengesetzten Standpunkten kritisieren, darüber darf man aber doch nicht vergessen, dass Sie die Kadetten kritisierten, weil sie zu sehr Demokraten sind, wir aber, weil sie es nicht genügend sind. Die Machisten üben Kritik an Kant, weil er ihnen zu viel Materialist ist, wir aber üben Kritik, weil er nicht genug Materialist ist. Die Machisten kritisieren Kant von rechts, wir von links.

Als Muster der ersten Art Kritik können in der Geschichte der deutschen klassischen Philosophie der Hume-Anhänger Schulze und der subjektive Idealist Fichte dienen. Wie wir bereits gesehen haben, sind sie bemüht, die „realistischen" Elemente des Kantianismus auszumerzen. Ebenso wie Kant selbst von Schulze und Fichte kritisiert wurde, wurden die deutschen Neukantianer der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts von den Humeschen Empiriokritikern und den subjektiven Idealisten – den Immanenzphilosophen kritisiert. Dieselbe Richtung Humes und Berkeleys trat in einem etwas modernisierten Wortgewand auf. Mach und Avenarius machten Kant nicht deswegen Vorwürfe, weil er das Ding an sich nicht genügend realistisch, nicht genügend materialistisch auffasst, sondern weil er die Existenz eines solchen zulässt; – nicht deswegen, weil er es ablehnt, Kausalität und Naturnotwendigkeit aus der objektiven Wirklichkeit abzuleiten, sondern weil er überhaupt irgendwelche Kausalität und Notwendigkeit (es sei denn die rein „logische") zulässt. Die Immanenzphilosophen gingen Hand in Hand mit den Empiriokritizisten, indem sie ebenfalls vom Humeschen und Berkeleyanischen Standpunkte aus Kant kritisierten. So beschuldigte z. B. Leclair 1879 in demselben Werk, in dem er Mach als bedeutenden Philosophen lobt, Kant der „Inkonsequenz und Konnivenz nach der Seite des Realismus", die ihren Ausdruck in dem Begriffe des „Dinges an sich", dieses „nominellen Residuums des … vulgären Realismus", gefunden habe. („Der Realismus der modernen Naturwissenschaft usw.", S. 9.) Als vulgären Realismus bezeichnet Leclair den Materialismus – um es „gepfefferter" zu sagen.

Unserem Dafürhalten nach – schrieb Leclair – müssen alle Bestandteile der Kantschen Theorie, die nach der Seite des Realismus vulgaris gravitieren, als Inkonsequenzen und zwitterhafte Produkte vom idealistischen Standpunkt aus überwunden und aufgelöst werden." (S. 41.) „Die Inkonsequenzen und Widersprüche in der Kantschen Erkenntnislehre (gehen hervor) aus der Verquickung des idealistischen Kritizismus mit nicht überwundenen Residuen realistischer Dogmatik." (S. 170.)

Unter realistischer Dogmatik versteht Leclair den Materialismus. Ein anderer Immanenzphilosoph, Johannes Rehmke, warf Kant vor, dass er durch das Ding an sich zwischen sich und Berkeley eine realistische Scheidewand errichtet habe.B

Die philosophische Tätigkeit Kants trug als epochemachende wesentlich polemischen Charakter; mit dem Ding an sich wandte er sich gegen den deutschen Rationalismus (d. h. gegen den alten Fideismus des XVIII. Jahrhunderts. L.), mit der reinen Anschauung gegen den englischen Empirismus." (S. 25.) „Ich möchte das Kantische ,Ding an sich' mit der beweglichen Klappe über einer Fallgrube vergleichen: das Ding sieht so unschuldig und sicher aus, man wagt sich hinauf, und plötzlich versinkt man in … die Welt an sich." (S. 27.) -

Das ist es also, weswegen die Mitkämpfer von Mach und Avenarius, die Immanenzphilosophen, Kant nicht mögen: weil er sich in manchen Dingen dem „Abgrund" des Materialismus nähert!

Und nun ein paar Proben der Kantkritik von links her. Feuerbach macht Kant nicht den Vorwurf des „Realismus", sondern des Idealismus; er bezeichnet sein System als „Idealismus auf dem Standpunkte des Empirismus" (Werke, Bd. II, S. 296).

Hier eine besonders wichtige Betrachtung Feuerbachs über Kant. Kant sagt:

Wenn wir die Gegenstände der Sinne, wie billig, als bloße Erscheinungen ansehen, so gestehen wir hierdurch doch zugleich, dass ihnen ein Ding an sich selbst zum Grunde liege, ob wir dasselbe gleich nicht, wie es an sich beschaffen sei, sondern nur seine Erscheinung, d. i. die Art, wie unsere Sinne von diesem unbekannten Etwas affiziert werden, kennen. Der Verstand also, eben dadurch, dass er Erscheinungen annimmt, gesteht auch das Dasein von Dingen an sich selbst zu, und insofern können wir sagen, dass die Vorstellung solcher Wesen, die den Erscheinungen zum Grunde liegen, mithin bloßer Verstandeswesen, nicht allein zulässig, sondern auch unvermeidlich sei…"

Feuerbach nimmt eine solche Stelle bei Kant, in der das Ding an sich als bloßes Gedankending, als ein Verstandeswesen und nicht als Realität betrachtet wird, und richtet eben dagegen seine ganze Kritik:

Die Gegenstände der Sinne – sagt er – sind also für den Verstand bloße Erscheinung, keine Wahrheit… Und dennoch sollen die Verstandeswesen keine wirklichen Objekte für den Verstand sein! Die Kantsche Philosophie ist der Widerspruch von Subjekt und Objekt, Wesen und Existenz, Denken und Sein. Das Wesen fällt hier in den Verstand, die Existenz in die Sinne. Die Existenz ohne Wesen (d. h. die Existenz der Erscheinungen ohne objektive Realität. L.) ist bloße Erscheinung – das sind die sinnlichen Dinge –, das Wesen ohne Existenz ist bloßer Gedanke – das sind die Verstandeswesen, die Noumena; sie werden gedacht, aber es fehlt ihnen die Existenz – wenigstens die Existenz für uns –, die Objektivität; sie sind die Dinge an sich, die wahren Dinge; nur sind sie keine wirklichen Dinge… Aber welch ein Widerspruch, die Wahrheit von der Wirklichkeit, die Wirklichkeit von der Wahrheit abzutrennen!" (Werke, II, S. 303.)

Feuerbach wirft Kant nicht vor, dass er Dinge an sich annimmt, sondern dass er ihre Wirklichkeit, d. h. ihre objektive Realität, nicht zugibt, dass er sie für einen bloßen Gedanken, für „Verstandeswesen" hält und nicht für „Wesen, die Existenz haben", d. h. real sind, wirklich existieren. Feuerbach macht Kant zum Vorwurf, dass er vom Materialismus abweicht.

Die Kantische Philosophie führt mit unvermeidlicher Notwendigkeit auf den Fichteschen Idealismus" schrieb Feuerbach am 26. März 1858 an Bolin, „oder – so sonderbar es auf den ersten Blick scheint, aber die Kantische Philosophie ist ein Widerspruch – auf den Sensualismus. Die erste Konsequenz gehört der Vergangenheit, der Historie an… die zweite Konsequenz gehört der Gegenwart und Zukunft an." (Karl Grün, „Ludwig Feuerbach", Bd. II, S. 49.)

Wir haben schon gesehen, dass Feuerbach den objektiven Sensualismus, also den Materialismus, verteidigt. Von Kant zum Agnostizismus und Idealismus, zu Hume und Berkeley zurückzukehren, ist sogar vom Standpunkt Feuerbachs unzweifelhaft reaktionär. Und der begeisterte Anhänger Feuerbachs, Albrecht Rau, der mit den Vorzügen Feuerbachs auch seine Schwächen (die Marx und Engels überwunden haben) übernahm, kritisierte Kant

völlig im Sinne seines Meisters.

Die Kantsche Philosophie ist eine Amphibolie (Zweideutigkeit), sie ist sowohl Materialismus als Idealismus, und in dieser ihrer Doppelnatur liegt der Schlüssel zu ihrem Wesen. Als Materialist oder Empirist kann Kant nicht umhin, den Dingen außer uns Wesenheit zuzuerkennen. Als Idealist vermochte er sich aber nicht von dem Vorurteil zu befreien, dass die Seele ein von den sinnlichen Dingen total verschiedenes Wesen sei. Es gibt also wirkliche Dinge und einen menschlichen Geist, der diese Dinge begreift. Wie kommt nun aber dieser Geist an die von ihm durchaus verschiedenen Dinge heran? Der Ausweg ist der: der Geist hat gewisse Erkenntnisse a priori, vermöge deren die Dinge, so wie sie ihm erscheinen, erscheinen müssen. Dass wir also die Dinge so begreifen, wie wir sie begreifen: das ist unsere Schöpfung. Denn der in uns lebende Geist ist ja nichts anderes als der Geist Gottes, und wie dieser aus nichts die Welt erschuf, so macht der Geist des Menschen aus Dingen etwas, was diese Dinge an und für sich nicht sind. Den wirklichen Dingen wird ihre Wesenheit als ,Dinge an sich' garantiert. Der Seele aber bedurfte Kant, weil ihm die Unsterblichkeit ein moralisches Postulat war. Das ,Ding an sich', meine Herren (so sagt Rau an die Adresse der Neukantianer im Allgemeinen und des Konfusionsrats A. Lange im Besonderen, der die „Geschichte des Materialismus" gefälscht hat. L.), ist also das Ding, durch das der Kantische Idealismus sich von dem Berkeleys unterscheidet: es bildet eine Brücke vom Idealismus zum Materialismus. Das ist meine Kritik der Kantschen Philosophie, und die stoße um, wer kann… Für den Materialisten ist die Unterscheidung von Erkenntnissen a priori und dem ,Ding an sich' durchaus überflüssig, denn da er die Kontinuität der Natur nirgends unterbricht, da für ihn Materie und Geist nicht zwei grundverschiedene Dinge sind, sondern nur die zwei Seiten eines und desselben Dinges, so bedarf er auch keiner besonderen Kunstgriffe, um den Geist an die Dinge heranzubringen."C

Ferner hat Engels, wie wir gesehen haben, Kant zum Vorwurf gemacht, dass er Agnostiker sei, nicht aber, dass er vom konsequenten Agnostizismus abweiche. Ein Schüler von Engels, Lafargue, polemisierte im Jahre 1900 folgendermaßen gegen die Kantianer (zu denen damals Charles Rappoport gehörte):

Im Anfang des XIX. Jahrhunderts begann unsere Bourgeoisie, nachdem sie das Werk der Vernichtung der Revolution beendet hatte, ihre Voltairianische Philosophie zu verleugnen; der Katholizismus, den Chateaubriand mit romantischen Farben ausgestattet hatte (peinturlurait), war wieder zur Mode geworden, und Sebastian Mercier importierte den Kantschen Idealismus, um den Materialismus der Enzyklopädisten, dessen Verkünder Robespierre guillotinieren ließ, totzuschlagen.

Am Ende des XIX. Jahrhunderts, des Jahrhunderts der Bourgeoisie, wie es die Geschichte bezeichnen wird, versuchen die Intellektuellen, mit Hilfe der Kantschen Philosophie, den Marx-Engelsschen Materialismus in Grund und Boden zu schlagen… Diese reaktionäre Bewegung stammt aus Deutschland – unseren Integral-Sozialisten sei es gesagt, die die ganze Ehre dem Begründer ihrer Schule, Malon, zugeteilt wissen wollen. Malon selbst kommt aus keiner anderen Schule als aus der Höchbergs, Bernsteins und anderer Schüler Dührings, die in Zürich den Marxismus zu reformieren begannen. (Lafargue spricht von der bekannten geistigen Bewegung im deutschen Sozialismus in der zweiten Hälfte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. L.) Es ist zu erwarten, dass uns Jaurès, Fournier und unsere Intellektuellen ebenfalls den Kant vorsetzen werden, nachdem sie sich an seine Terminologie gewöhnt haben … Rappoport irrt, wenn er versichert, dass für Marx die ,Identität von Idee und Realität' existiere. Vor allem gebrauchen wir nie eine solche metaphysische Phraseologie! Die Idee ist ebenso real, wie das Objekt, dessen Widerspiegelung im Gehirn sie ist… Um die Genossen, die die bürgerliche Philosophie kennenzulernen genötigt sind, ein wenig zu zerstreuen (récreer), will ich darlegen, worin dieses berühmte Problem besteht, das die spiritualistischen Geister so stark beschäftigte:

Ein Arbeiter, der sich mit einer Wurst begnügt, mit einem Einkommen von fünf Frank täglich, weiß recht gut, dass er Schweinefleisch isst und dass ihn der Unternehmer bestiehlt; er weiß, dass sein Wirt ein Dieb ist, dass die Wurst einen angenehmen Geschmack hat und auch nahrhaft für den Körper ist. Der bürgerliche Sophist aber, ganz egal, ob er Pearson1, Hume oder Kant heißt, sagt: Keine Spur! Die Meinung des Arbeiters über diese Dinge ist seine persönliche, eigene, d. h. eine subjektive Meinung. Mit dem gleichen Recht kann er natürlich auch denken, dass der Wirt, der Unternehmer, sein Wohltäter ist, auch dass die Wurst aus faschierter Haut gemacht ist, denn: das Ding an sich kann er nicht erkennen…

Die Schwierigkeit besteht darin, dass die ganze Frage falsch gestellt ist. Um das Objekt zu erkennen, hat sich der Mensch vorerst zu vergewissern, ob ihn seine Sinne nicht täuschen … Die Chemiker sind weiter gegangen, sie sind in das Innere der Körper vorgedrungen, sie analysierten sie, zerlegten sie in ihre Elemente, machten dann die umgekehrte Prozedur, d. h. eine Synthese, indem sie die Körper aus ihren Elementen zusammensetzten; von dem Augenblick an, in dem der Mensch imstande ist, aus diesen Elementen Dinge für seinen eigenen Gebrauch zu erzeugen, kann er mit Engels sagen, dass er die Dinge an sich kennt. Der Gott der Christen, wenn er existiert und die Welt erschaffen hätte, könnte auch nicht mehr machen."D

Wir haben uns erlaubt, diesen langen Auszug zu bringen, um zu zeigen, wie Lafargue Engels auffasste und wie er Kant von links kritisierte, nicht wegen jener Seiten des Kantianismus, die ihn vom Humeismus unterscheiden, sondern wegen jener, die Kant und Hume gemeinsam sind; nicht wegen der Annahme des Dinges an sich, sondern wegen der nicht genügenden materialistischen Auffassung desselben.

Endlich kritisierte auch Karl Kautsky Kant in seiner „Ethik" ebenfalls von einem dem Humeismus und Berkeleyanismus diametral entgegengesetzten Standpunkt aus:

Dass ich Grün und Rot und Weiß sehe“ – schreibt er gegen Kants Erkenntnistheorie –, „das ist in meinem Sehvermögen begründet. Aber dass das Grüne etwas anderes ist als das Rote, das bezeugt etwas, das außer mir liegt, wirkliche Unterschiede der Dinge … Die Verhältnisse und Unterschiede der Dinge selbst, die mir durch die einzelnen Raum- und Zeitvorstellungen angezeigt werden … sind wirkliche Verhältnisse und Unterschiede der Außenwelt, sie werden nicht durch die Art meines Erkenntnisvermögens bedingt … Wäre dem wirklich so (wenn die Kantsche Lehre von der Idealität von Raum und Zeit richtig wäre. L.) … dann könnten wir von der Welt außer uns gar nichts wissen, nicht einmal, dass sie existiert." (S. 25 u. 26.)

Also, die ganze Schule Feuerbachs, Marx' und Engels' hat von Kant den Weg nach links eingeschlagen, zur völligen Verneinung jeglichen Idealismus und jeglichen Agnostizismus. Unsere Machisten aber sind der reaktionären Richtung in der Philosophie gefolgt, sie folgten Mach und Avenarius, die Kant vom Standpunkte Humes und Berkeleys aus kritisierten. Jedem Bürger und zumal jedem Intellektuellen steht natürlich das heilige Recht zu, nach Belieben jedem ideologischen Reaktionär zu folgen. Wenn aber Leute, die in der Philosophie mit den Grundlagen des Marxismus selbst radikal gebrochen haben, dann anfangen, sich zu winden, konfus zu werden, Ausflüchte zu machen, zu versichern, dass sie in der Philosophie „auch" Marxisten sind, dass sie mit Marx „fast" übereinstimmen und ihn nur ein ganz klein wenig „ergänzt" hätten, – so ist das schon ein peinliches Schauspiel.

2. Wie sich der „Empiriosymbolist" Juschkewitsch über den „Empiriokritizisten" Tschernow lustig machte

Es ist natürlich lächerlich, zu sehen – schreibt Herr P. Juschkewitsch –, wie Herr Tschernow den agnostischen Positivisten, den Anhänger von Comte und Spencer, Michailowski, zu einem Vorläufer von Mach und Avenarius machen möchte." (l. c, S. 73.)

Lächerlich ist hier vor allem die erstaunliche Unwissenheit des Herrn Juschkewitsch. Wie alle Woroschilows bemäntelt er diese Unwissenheit mit einem Schwall gelehrter Worte und Namen. Das erwähnte Zitat steht in dem Paragraph, der von dem Verhältnis des Machismus zum Marxismus handelt. Herr Juschkewitsch maßt sich an, darüber zu sprechen, und weiß nicht einmal, dass für Engels (wie für jeden Materialisten) auch die Anhänger Humes ebenso wie die Kants Agnostiker sind. Den Agnostizismus überhaupt dem Machismus gegenüberstellen, wo sogar Mach selbst sich als Anhänger Humes bekennt, heißt daher einfach ein philosophischer Analphabet sein. Die Bezeichnung „agnostischer Positivismus" ist ebenfalls absurd, denn Positivisten nennen sich ja gerade Humes Anhänger. Herr Juschkewitsch, der sich Petzoldt als Meister auserkoren hat, sollte wissen, dass dieser den Empiriokritizismus zum Positivismus rechnet. Schließlich ist es auch ein Unsinn, den Namen von Auguste Comte und Herbert Spencer anzufügen; denn der Marxismus verwirft nicht das, was den einen Positivisten von dem anderen unterscheidet, sondern das, was ihnen gemeinsam ist, was einen Philosophen zum Positivisten macht, im Unterschied zum Materialisten.

Diesen ganzen Wortschwall braucht unser Woroschilow nur, um den Leser „totzureden", um ihn durch ein Wortgeklingel zu betäuben und seine Aufmerksamkeit vom Wesen der Sache auf nichtige Kleinigkeiten abzulenken. Dieses Wesen der Sache aber besteht in dem radikalen Auseinandergehen des Materialismus mit dem ganzen breiten Strom des Positivismus, innerhalb dessen Auguste Comte und Herbert Spencer und Michailowski und eine Reihe Neukantianer und Mach nebst Avenarius sich befinden. Dieses Wesen der Sache brachte Engels in seinem „Ludwig Feuerbach" ganz eindeutig zum Ausdruck, indem er alle Kantianer und Humeisten jener Zeit (d. h. der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts) als zum Lager der jammervollen Eklektiker, Flohknacker usw. gehörend rechnet. Aber auf wen diese Charakteristik angewendet werden kann und soll, darüber wollten unsere Woroschilows nicht nachdenken. Und da sie nicht nachdenken können, so wollen wir ihnen eine anschauliche Gegenüberstellung vorführen. Engels nannte keine Namen, als er im Jahre 1888 und auch 1891 von den Kantianern und Humeisten überhaupt sprach. Der einzige Hinweis in der Engelsschen Schrift – das ist der Hinweis auf das Werk von Starcke über Feuerbach, mit dem er sich auseinandersetzt:

„… Starcke“ – sagt Engels – „gibt sich viel Mühe, Feuerbach gegen die Angriffe und Lehrsätze der sich heute unter dem Namen Philosophen in Deutschland breitmachenden Dozenten zu verteidigen. Für Leute, die sich für diese Nachgeburt der klassischen deutschen Philosophie interessieren, ist das gewiss wichtig; für Starcke selbst mochte dies notwendig scheinen. Wir verschonen den Leser damit." („L. Feuerbach", S. 25.)

Engels wollte „den Leser verschonen", d. h. den Sozialdemokraten die angenehme Bekanntschaft mit den degenerierten Schwätzern, die sich Philosophen nennen, ersparen. Wer sind aber die Vertreter dieser „Nachgeburt"?

Schlagen wir in dem Buch von Starcke nach (C. N. Starcke: „Ludwig Feuerbach", Stuttgart 1885), so werden wir finden, dass er sich beständig auf die Anhänger Humes und Kants beruft. Er zieht eine Schranke zwischen diesen beiden Richtungen und Feuerbach. Er zitiert dabei A. Riehl, Windelband und A. Lange (S. 3, 18, 19, 127ff). Schlagen wir in dem Buch von Avenarius, „Der menschliche Weltbegriff", erschienen 1891, nach, so lesen wir auf Seite 120 der ersten deutschen Auflage:

Das letzte Ergebnis unserer Analyse findet sich in Übereinstimmung – wenn auch nach Maßgabe der verschiedenen Gesichtspunkte nicht in durchgehender – mit demjenigen, zu welchem andere Forscher gelangt sind, wie u. a. E. Laas, E. Mach, A. Riehl, W. Wundt. Vgl. auch Schopenhauer."

Über wen hat sich nun unser Woroschilow-Juschkewitsch lustig gemacht?

Avenarius bezweifelt nicht im geringsten seine prinzipielle Verwandtschaft – nicht in einer Einzelfrage, sondern in Bezug auf das „letzte Ergebnis" des Empiriokritizismus – mit den Kantianern Riehl und Laas und mit dem Idealisten Wundt. Mach erwähnt er zwischen zwei Kantianern. Und in der Tat, ist es nicht ein und dieselbe Gesellschaft, wenn Riehl und Laas Kant à la Hume, Mach und Avenarius aber Hume à la Berkeley hergerichtet haben?

Ist es da verwunderlich, dass Engels die deutschen Arbeiter „verschonen", ihnen die nähere Bekanntschaft mit der ganzen Dozentenkompanie von „Flohknackern" ersparen wollte?

Engels verstand es, die deutschen Arbeiter zu schonen, die Woroschilows aber schonen den russischen Leser nicht.

Es muss bemerkt werden, dass die dem Wesen nach eklektische Vereinigung von Kant mit Hume oder von Hume mit Berkeley sozusagen in verschiedenen Proportionen möglich ist, indem man bald das eine bald das andere Element der Mischung besonders unterstreicht. Wir haben oben z. B. gesehen, dass nur ein einziger Machist, H. Kleinpeter, sich und Mach offen als Solipsisten (d. h. als konsequente Berkeleyaner) bezeichnet. Dagegen unterstreichen viele Schüler und Anhänger von Mach und Avenarius, wie Petzoldt, Willy, Pearson, der russische Empiriokritizist Lessewitsch, der Franzose Henri DelacroixE und andere den Humeismus in den Auffassungen Machs und Avenarius'. Wir führen als Beispiel einen besonders bedeutenden Gelehrten an, der in der Philosophie ebenfalls Hume und Berkeley vereinigte, aber dabei die Betonung auf die materialistischen Elemente dieser Mischung legte. Es ist dies der berühmte englische Naturforscher T. Huxley, der den Ausdruck „Agnostiker" in Gang gebracht und an den Engels zweifellos vor allem und am meisten gedacht hat, als er von dem englischen Agnostizismus sprach. Engels bezeichnete 1891 Agnostiker dieser Art als „verschämte Materialisten". Der englische Spiritualist James Ward greift in seinem Buch „Naturalism and agnosticism" hauptsächlich den „wissenschaftlichen Führer des Agnostizismus" (Band II, S. 229) Huxley an, und er bestätigt Engels' Bewertung mit folgenden Worten:

Bei Huxley ist die Neigung, die physische Seite (eine „Reihe der Elemente" nach Mach. L.) als das Primäre anzuerkennen, so stark ausgeprägt, dass man hier überhaupt kaum von einem Parallelismus sprechen kann. Ungeachtet dessen, dass Huxley den Namen Materialist außerordentlich heftig zurückweist als eine schmachvolle Benamsung seines unbefleckten Agnostizismus, kenne ich doch keinen anderen Schriftsteller, der mehr Anspruch auf diesen Namen hätte." (Bd. II, S. 30.)

Zur Bestätigung seiner Meinung führt James Ward folgende Erklärungen Huxleys an:

Jedermann, der die Geschichte der Wissenschaft kennt, wird zugeben, dass ihr Fortschritt zu allen Zeiten bedeutete und jetzt mehr als je bedeutet die Erweiterung des Gebiets dessen, was wir Materie und Kausalität nennen und dementsprechend das allmähliche Verschwinden dessen, was wir als Geist und Willkürlichkeit bezeichnen, aus allen Gebieten des menschlichen Gedankens."

Oder:

An sich ist es nicht wichtig, ob wir die Erscheinungen (Phänomene) der Materie in den Termini des Geistes oder die Erscheinungen des Geistes in den Termini der Materie ausdrücken werden – beide Formulierungen sind in einem gewissen relativen Sinn wahr („relativ beständige Elementenkomplexe" nach Mach. L.). Vom Standpunkt des wissenschaftlichen Fortschritts jedoch ist die materialistische Terminologie in jeder Beziehung vorzuziehen. Denn sie verbindet den Gedanken mit anderen Erscheinungen der Welt … während die umgekehrte oder spiritualistische Terminologie äußerst inhaltslos (utterly barren) ist und zu nichts führt als zur Verwirrung und zur Dunkelheit… Es besteht wohl kaum ein Zweifel darüber, dass die Naturerscheinungen mit dem Fortschreiten der Wissenschaft immer umfassender und konsequenter durch materialistische Formeln oder Symbole dargestellt werden." (Bd. I, S. 17–19.)

So urteilte der „verschämte Materialist" Huxley, der den Materialismus auf keinen Fall anerkennen wollte – als „Metaphysik", die unrechtmäßig über die „Gruppen von Empfindungen" hinausgehe. Und dieser selbe Huxley schrieb:

Wenn ich zwischen absolutem Materialismus und absolutem Idealismus zu wählen gezwungen wäre, würde ich den letzteren annehmen." „Das einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist die Existenz der geistigen Welt." (James Ward, Bd. II, S. 216.)

Huxleys Philosophie ist eine ebensolche Mischung von Humeismus und Berkeleyanismus, wie die Philosophie von Mach. Nur sind Huxleys berkeleyanistische Ausfälle zufällig, und sein Agnostizismus dient als Feigenblatt, um den Materialismus zu verhüllen. Bei Mach ist die „Färbung" der Mischung eine andere, und derselbe Spiritualist Ward, der Huxley wütend bekämpft, klopft Mach und Avenarius liebevoll auf die Schulter.

3. Die Immanenzphilosophen als Mitstreiter von Mach und Avenarius

Bei der Behandlung des Empiriokritizismus konnten wir nicht umhin, wiederholt auf die Philosophen der sogenannten Immanenzschule hinzuweisen, deren Hauptvertreter Schuppe, Leclair, Rehmke und Schubert-Soldern sind. Betrachten wir nunmehr das Verhältnis des Empiriokritizismus zu den Immanenzphilosophen und das Wesen der Philosophie, die von diesen gepredigt wird.

Im Jahre 1902 schrieb Mach:

Heute sehe ich nun, dass eine ganze Anzahl Philosophen: Positivisten, Empiriokritiker, Vertreter der immanenten Philosophie und auch sehr vereinzelte Naturforscher, ohne voneinander zu wissen, Wege eingeschlagen haben, welche bei aller individuellen Verschiedenheit fast in einem Punkte konvergieren." („Analyse der Empfindungen", Vorwort zur 4. Auflage.)

Hier muss erstens das ungewöhnlich aufrichtige Geständnis Machs unterstrichen werden, dass nur sehr vereinzelte Naturforscher zu den Anhängern der vermeintlichen „neuen", in Wirklichkeit aber sehr alten Hume-Berkeleyschen Philosophie gehören. Zweitens ist außerordentlich wichtig, dass Mach diese „neue" Philosophie als eine breite Strömung auffasst, in der die Immanenzphilosophen mit den Empiriokritikern und Positivisten in einer Reihe stehen.

So beginnt“ – wiederholt Mach im Vorwort zur russischen Übersetzung der „Analyse der Empfindungen" (1906) – „eine gemeinsame Bewegung." (S. 4.) „Auch den Vertretern der immanenten Philosophie stehe ich recht nahe … Ich habe in diesem Buch (von Schuppe, ,Grundriss der Erkenntnistheorie und Logik') kaum etwas gefunden, dem ich nicht, vielleicht mit einer kleinen Modifikation, freudig zustimmen würde." (S. 46.)

Schubert-Soldern gehört für Mach auch unter diejenigen, die recht „nahe Wege" gehen. Wilhelm Schuppe widmet er sogar sein letztes und sozusagen zusammenfassendes philosophisches Werk: „Erkenntnis und Irrtum".

Der andere Begründer des Empiriokritizismus, Avenarius, schrieb im Jahre 1894, dass ihn die von Wilhelm Schuppe dem Empiriokritizismus gezollte Zustimmung „erfreue" und „ermutige" und dass er die „Differenz" zwischen sich und Schuppe als „vielleicht nur einstweilen noch bestehend" betrachte.F Joseph Petzoldt endlich, dessen Lehre W. Lessewitsch für das letzte Wort des Empiriokritizismus hält, proklamiert unumwunden die Dreieinigkeit: Schuppe, Mach und Avenarius, als die Führer der „neuen" Richtung („Einf. in die Philos. d. reinen Erfahrung", II. 1904, S. 295 und „Das Weltproblem", 1906, S. V u. 146). Dabei wendet sich Petzoldt entschieden gegen R. Willy („Einf.", II, 322), diesen fast einzigen angesehenen Machisten, der sich der Verwandtschaft mit Schuppe schämte und sich prinzipiell von ihm abzugrenzen versuchte, wofür der Schüler des Avenarius vom teuren Lehrer eine Rüge bekam. Avenarius schrieb die obenzitierten Worte über Schuppe in seiner Anmerkung zu Willys Aufsatz gegen Schuppe, wobei er hinzufügte, dass Willys Kritik vielleicht „intensiver als gerade nötig ausgefallen ist".G

Nachdem wir die Bewertung der Immanenzphilosophen durch die Empiriokritizisten kennengelernt haben, wollen wir zur Bewertung der Empiriokritizisten durch die Immanenzphilosophen übergehen. Leclairs Äußerung vom Jahre 1879 haben wir bereits erwähnt. Schubert-Soldern spricht im Jahre 1882 von seiner „Übereinstimmung teilweise mit dem älteren Fichte" (d. h. mit dem berühmten Vertreter des subjektiven Idealismus Johann Gottlieb Fichte, der ein ebenso missratenes philosophisches Söhnchen hatte, wie Joseph Dietzgen), dann „mit Schuppe, Leclair, Avenarius und teilweise mit Rehmke", wobei Mach („Erhaltung der Arbeit") mit besonderem Vergnügen zitiert und gegen die naturwissenschaftliche MetaphysikH ausgespielt wird – so bezeichnen nämlich alle reaktionären Dozenten und Professoren in Deutschland den naturwissenschaftlichen Materialismus. W. Schuppe begrüßte im Jahre 1893, nach dem Erscheinen des Buches „Der menschliche Weltbegriff" von Avenarius, dieses Werk in dem „Offenen Brief an Avenarius" als eine „Bestätigung des naiven Realismus", den er, Schuppe, angeblich auch verteidigte. „Mein Begriff des Denkens“ – schrieb Schuppe – „verträgt sich vortrefflich mit Ihrer (des Avenarius) reinen Erfahrung."I Später, im Jahre 1896, hat Schubert-Soldern das Fazit jener „methodologischen Richtung in der Philosophie" gezogen, auf die er sich stützt; er führt seinen Stammbaum von Berkeley und Hume über F. A. Lange („Von Lange her datiert der eigentliche Anfang unserer Richtung in Deutschland"), ferner Laas, Schuppe u. Co., Avenarius und Mach, den Neukantianer Riehl, den Franzosen Ch. Renouvier usw.J Endlich lesen wir in der programmatischen „Einführung", die in der ersten Nummer des speziellen philosophischen Organs der Immanenzler gedruckt wurde, neben einer Kriegserklärung an den Materialismus und einer Sympathiekundgebung für Ch. Renouvier, folgendes:

Sogar in dem Lager der Naturforscher selbst erheben sich schon die Stimmen vereinzelter Denker, um gegen die wachsende Überhebung ihrer Fachgenossen, gegen den unphilosophischen Geist, der sich der Naturwissenschaften bemächtigt hat, zu predigen. So weist der Physiker Mach auf die Notwendigkeit einer erkenntnistheoretischen Grundlegung der Naturwissenschaften hin So regen sich allenthalben frische Kräfte und arbeiten daran, den blinden Glauben an die Unfehlbarkeit der Naturwissenschaft zu zerstören, und man beginnt wieder, sich nach anderen Wegen in die Abgründe des Geheimnisses umzusehen, einen besseren Eingang zur Wohnung der Wahrheit zu suchen."K

Ein paar Worte über Ch. Renouvier. Dieser ist das Haupt der in Frankreich weitverbreiteten und einflussreichen Schule der sogenannten Neokritizisten. Seine theoretische Philosophie ist eine Vereinigung des Phänomenalismus Humes mit der Aprioritätslehre Kants. Das Ding an sich wird entschieden abgelehnt. Der Zusammenhang der Erscheinungen, Ordnung, Gesetz werden für apriorisch erklärt, das Gesetz wird groß geschrieben und in eine Grundlage der Religion verwandelt. Die katholischen Pfaffen sind von dieser Philosophie begeistert. Der Machist Willy nennt Renouvier empört einen „zweiten Apostel Paulus", einen „höheren Obskuranten", einen „kasuistischen Lehrer der Willensfreiheit". („Gegen die Schulweisheit", Seite 129.) Und solche Gesinnungsgenossen der Immanenzphilosophen begrüßen aufs Wärmste Machs Philosophie. Als seine „Mechanik" in französischer Übersetzung erschien, schrieb das Organ der Neokritizisten, „L'Annee Philosophique", das von Pillon, einem Mitarbeiter und Schüler Renouviers, herausgegeben wird:

Es ist nicht notwendig, darüber zu sprechen, bis zu welchem Grade die positive Wissenschaft von Mach durch ihre Kritik der Substanz, des Dinges an sich, mit dem neokritizistischen Idealismus übereinstimmt." (Bd. 15, 1904, S. 179.)

Was die russischen Machisten betrifft, so schämen sie sich alle dieser Verwandtschaft mit den Immanenzphilosophen – etwas anderes konnte man allerdings von Leuten, die nicht bewusst die Pfade von Struve, Menschikow u. Co. wandeln wollen, nicht erwarten. Nur für Basarow sind „einige Vertreter der Immanenzschule" „Realisten".L Bogdanow erklärt kurz (und faktisch unrichtig), dass „die immanente Schule nur eine Zwischenform zwischen Kantianismus und Empiriokritizismus" sei („Empiriomonismus", III., S. XII). V. Tschernow schreibt: „Überhaupt nähern sich die Immanenzphilosophen nur mit einer Seite ihrer Theorie dem Positivismus, während sie mit der anderen weit über dessen Rahmen hinausgehen" („Philosophische und soziologische Studien", S. 37). Valentinow meint, dass „die Immanenzschule diese (machistischen) Gedanken in eine unbrauchbare Form gekleidet habe und in die Sackgasse des Solipsismus geraten sei" (l. c. S. 149). Wie man sieht, ist hier alles zu haben, was einem beliebt: Konstitution und Hecht mit Meerrettichsauce und Realismus und Solipsismus. Aber die Wahrheit über die Immanenzphilosophen eindeutig und klar auszusprechen, das wagen unsere Machisten nicht.

Die Sache ist nämlich die, dass die Immanenzphilosophen Erzreaktionäre, offene Prediger des Fideismus, vollendete Dunkelmänner sind. Es gibt unter ihnen keinen einzigen, der nicht offen seine erkenntnistheoretischen Arbeiten auf die Verteidigung der Religion, auf die Rechtfertigung dieser oder jener mittelalterlichen Vorstellungen zugeschnitten hätte. Leclair verteidigt 1879 seine Philosophie damit, dass sie „allen Ansprüchen des religiös gestimmten Gemütes" entspreche. („Der Realismus etc.", S. 73.) J. Rehmke widmet 1880 seine „Erkenntnistheorie" dem protestantischen Pfarrer A. E. Biedermann und schließt sein Buch mit einer Predigt, in der er nicht einen übersinnlichen Gott, sondern einen „realen Begriff Gott" verkündet (weshalb wahrscheinlich Basarow „einige" Immanenzphilosophen zu den „Realisten" rechnet!), wobei „die Verobjektivierung dieses realen Begriffes dem praktischen Leben allein überlassen und gestattet wird"; als Muster der „Theologie als Wissenschaft" wird die „Christliche Dogmatik" von A. E. Biedermann erklärt. (Johannes Rehmke: „Die Welt als Wahrnehmung und Begriff", Berlin 1880, S. 312.) Schuppe versichert in der „Zeitschrift für immanente Philosophie", dass wenn auch die Immanenzphilosophen das Transzendente leugnen, so falle Gott und das künftige Leben nicht unter diesen Begriff. („Z. f. imm. Phil.", Bd. II, S. 52.) In seiner „Ethik" verteidigt er „den Zusammenhang des Sittengesetzes … mit einer metaphysischen Weltauffassung" und verurteilt die „sinnlose Phrase" von der Trennung von Kirche und Staat. (Dr. Wilhelm Schuppe: „Grundzüge der Ethik und Rechtsphilosophie", Breslau 1882, S. 181, 325.) Schubert-Soldern schließt in seinen „Grundlagen einer Erkenntnistheorie" auf die „Präexistenz des Ich vor Bestand des eigenen Leibes" und „eine Postexistenz nach demselben", d. h. auf die Unsterblichkeit der Seele (l. c, S. 82) usw. In seiner „Sozialen Frage" verteidigt er neben den „sozialen Reformen" das Ständewahlrecht. Gegen Bebel zieht er auf folgende Weise vom Leder: „Wie sehr verkennen die Sozialdemokraten die Tatsache, dass es ohne die Gottesgabe des Unglücks kein Glück gäbe", und vergießt dabei Tränen darüber, dass der Materialismus „herrsche". (S. 330.) „Wer heute an ein jenseitiges Leben glaubt, auch nur der Möglichkeit nach, der gilt als Narr." (S. 242.)

Und eben diese deutschen Menschikows, Obskuranten gleicher Marke wie Renouvier, leben mit den Empiriokritizisten in festem Konkubinat. Ihre theoretische Verwandtschaft ist unbestreitbar. Die Immanenzphilosophen sind nicht mehr Kantianer als Petzoldt oder Pearson. Wir haben oben gesehen, dass sie sich selbst als Schüler von Hume und Berkeley bekennen, und eine solche Wertung der Immanenzphilosophen ist in der philosophischen Literatur allgemein anerkannt. Um anschaulich zu zeigen, von welchen erkenntnistheoretischen Voraussetzungen diese Mitstreiter von Mach und Avenarius ausgehen, zitieren wir einige der grundlegenden theoretischen Lehrsätze aus den Werken der Immanenzphilosophen.

Im Jahre 1879 hatte sich Leclair das Wort „immanent" noch nicht ausgedacht, das eigentlich „erfahrungsmäßig", „in der Erfahrung gegeben" bedeutet und ein ebenso lügenhaftes Aushängeschild zur Verdeckung der Fäulnis ist, wie die Schilder der europäischen bürgerlichen Parteien es sind. In seinem ersten Werk bezeichnet sich Leclair offen und ohne Umschweife als „kritischen Idealisten". („Der Realismus etc.", S. 11, 21, 206 u. v. a.) Kant kritisiert er hier, wie wir gesehen haben, wegen seiner Zugeständnisse an den Materialismus, indem er ganz eindeutig auf seinen Weg von Kant zu Fichte und Berkeley hinweist. Gegen den Materialismus überhaupt und gegen die Neigung der Mehrzahl der Naturforscher zum Materialismus im Besonderen führt Leclair einen ebensolchen schonungslosen Kampf, wie Schuppe, Schubert-Soldern und Rehmke.

Kehren wir jedoch auf den Standpunkt des kritischen Idealismus zurück – sagt Leclair –, räumen wir dem Inbegriff der Natur und des Naturgeschehens eine transzendente Existenz (d. h. eine Existenz außerhalb des menschlichen Bewusstseins. L.) nicht ein, dann ist für das sehende Subjekt die Gesamtheit der Körper sowie sein eigener Leib, soweit er ihm sicht- und tastbar ist, neben allen Veränderungen derselben ein unmittelbar gegebenes Phänomen von räumlich geordneten Koexistenzen und zeitlichen Sukzessionen, und alles Naturerklären beschränkt sich auf die Konstatierung der Gesetze jener Koexistenzen und Sukzessionen." (S. 21.)

Zurück zu Kant – war das Geschrei der reaktionären Neukantianer. Zurück zu Fichte und Berkeley – das ist im Wesentlichen der Ruf der reaktionären Immanenzphilosophen. Für Leclair stellt alles Seiende „Komplexe von Empfindungen" dar (S. 38), wobei eine Klasse der Eigenschaften, die auf unsere Sinne wirkt, mit dem Buchstaben M bezeichnet wird und die andere Klasse, die auf andere Naturobjekte wirkt, mit dem Buchstaben N. (S. 150 u. a.) Dabei spricht Leclair von der Natur als einem „Bewusstseinsphänomen" nicht eines einzelnen Menschen, sondern „der menschlichen Gattung". (S. 55.) Zieht man in Betracht, dass Leclair in demselben Prag, in dem Mach Professor der Physik war, sein Buch herausgegeben hat, und dass Leclair mit Bewunderung nur die „Erhaltung der Arbeit" von Mach, die 1872 erschienen ist, zitiert, so fragt man sich unwillkürlich, ob man den Fideisten und offenen Idealisten Leclair nicht als den wirklichen Stammvater der „originellen" Philosophie Machs ansehen muss.

Was Schuppe betrifft, der nach den Worten LeclairsM zu den „gleichen Resultaten" gelangt ist, so erhebt er tatsächlich, wie wir bereits gesehen haben, Anspruch darauf, den „naiven Realismus" zu verteidigen. In dem „Offenen Brief an Professor Avenarius" beklagt er sich bitter über die „landläufige Verdrehung meiner (Wilh. Schuppes) Erkenntnistheorie in subjektiven Idealismus". Worin der plumpe Schwindel besteht, der von dem Immanenzphilosophen Schuppe als Verteidigung des Realismus ausgegeben wird, das ist zur Genüge ersichtlich aus einer Phrase, die er gegen Wundt gebraucht, der ohne Zögern die Immanenzphilosophen unter die Fichteaner und subjektiven Idealisten einreiht („Phil. Studien", l. c, S. 386, 397, 407):

Der Satz ,Sein ist Bewusstsein' hat bei mir den Sinn – so erwiderte Schuppe Wundt –, dass Bewusstsein ohne die Außenwelt nicht denkbar ist, letztere also zu jenem gehört, d. i. die schon oft von mir behauptete und erklärte absolute Zusammengehörigkeit beider, in welcher sie das eine ursprüngliche Ganze des Seins ausmachen."N

Man muss äußerst naiv sein, um in einem solchen „Realismus" den reinrassigen subjektiven Idealismus zu übersehen. Man denke nur: die äußere Welt „gehört zum Bewusstsein", ist in einer absoluten Zusammengehörigkeit mit ihm! Wahrlich, man hat den armen Professor verleumdet, als man ihn „landläufig" zu den subjektiven Idealisten zählte. Mit der „Prinzipialkoordination" von Avenarius fällt eine solche Philosophie völlig zusammen; kein Protest und kein Vorbehalt der Tschernow und Valentinow vermag sie voneinander zu trennen, beide Philosophien werden zusammen in ein Museum für reaktionäre Fabrikate der deutschen Professur kommen. Als Kuriosum, das wieder einmal für die Gedankenlosigkeit Valentinows Zeugnis ablegt, bemerken wir, dass er Schuppe als Solipsisten bezeichnet (selbstverständlich schwor Schuppe Stein und Bein, dass er kein Solipsist sei, schrieb spezielle Artikel über dieses Thema, ebenso wie Mach, Petzoldt u. Co.), während er von Basarows Aufsatz in den „Beiträgen" höchst begeistert ist. Ich möchte Basarows Ausspruch: „Die sinnliche Vorstellung ist eben die außer uns existierende Wirklichkeit" gern ins Deutsche übersetzen und einem halbwegs sachkundigen Immanenzphilosophen schicken. Er würde Basarow abküssen, genau so wie die Schuppe, Leclair und Schubert-Soldern Mach und Avenarius abgeküsst haben. Denn Basarows Ausspruch ist das Alpha und Omega der Lehren der Immanenzschule.

Endlich Schubert-Soldern. Der „naturwissenschaftliche Materialismus", die „Metaphysik" der Anerkennung der objektiven Realität der Außenwelt ist der Hauptfeind dieses Philosophen.O „Die Naturwissenschaft abstrahiert von allen Bewusstseinsbeziehungen" (S. 52), – das sei das Hauptübel (darin aber besteht der Materialismus!). Denn es gebe für den Menschen „keinen Ausweg" aus „Empfindungen, also aus Bewusstseinsdaten" (S. 33 u. 34). Allerdings, gesteht Schubert-Soldern im Jahre 1896, ist mein Gesichtspunkt ein erkenntnistheoretischer Solipsismus („Das menschliche Glück und die soziale Frage", S. X), aber kein „metaphysischer", kein „praktischer". „Was uns unmittelbar gegeben ist, sind Empfindungen, Komplexe stets wechselnder Empfindungen." („Über Transzendenz des Objekts und Subjekts", Seite 73.)

Diesen materiellen Produktionsprozess“ – sagt Schubert-Soldern – „hat Marx in gleicher (und gleich falscher) Weise zur Ursache der inneren Vorgänge und Motive gemacht, wie die Naturwissenschaft die ,gemeinsame' (der Menschheit) Außenwelt zur Ursache der individuellen Innenwelten." („Soziale Frage", S. XVIII.)

Dass der historische Materialismus von Marx mit dem naturwissenschaftlichen und dem philosophischen Materialismus im Zusammenhang steht, das zu bezweifeln fällt diesem Mitkämpfer Machs gar nicht ein.

Viele, ja die meisten werden der Ansicht sein, dass von erkenntnistheoretisch-solipsistischem Standpunkt keine Metaphysik möglich, d. h. dass Metaphysik immer transzendent sei. Nach reiflicher Überlegung kann ich mich dieser Ansicht nicht anschließen. Hier folgen meine Gründe… Die unmittelbare Grundlage alles Gegebenen ist der geistige (solipsistische) Zusammenhang, dessen Mittelpunkt das individuelle Ich (die individuelle Vorstellungswelt) mit seinem Leibe bildet. Es ist weder die übrige Welt ohne dieses Ich noch dieses Ich ohne die übrige Welt denkbar. Mit Vernichtung des individuellen Ich zerstiebt auch die Welt in Nichts, was unmöglich erscheint, mit der Vernichtung der übrigen Welt bleibt für mein individuelles Ich nichts übrig, da es nicht räumlich und zeitlich, sondern nur begrifflich von ihr geschieden werden kann. Daher muss mein individuelles Ich auch nach meinem Tode fortdauern, soll nicht mit ihm die ganze Welt vernichtet sein …" (Ebenda, S. XXIII.)

Die „Prinzipialkoordination", die „Empfindungskomplexe" und die sonstigen machistischen Trivialitäten leisten gehörigen Ortes treue Dienste.

Was ist denn das Jenseits vom solipsistischen Standpunkte aus? Es ist nur eine mögliche Erfahrung der Zukunft für mich …" (ibid.) „Der Spiritismus … wäre verpflichtet, den Nachweis einer Existenz des Jenseits zu führen … Keinesfalls kann aber der Materialismus der Naturwissenschaft gegen ihn zu Felde geführt werden, denn dieser Materialismus ist, wie wir gesehen haben, nur eine Seite des Weltprozesses innerhalb des allumfassenden geistigen Zusammenhanges" (= der Prinzipialkoordination. L.). (S. XXIV.)

All das wird in derselben philosophischen Einleitung zur „Sozialen Frage" (1896) gesagt, in der Schubert-Soldern die ganze Zeit über Arm in Arm mit Mach und Avenarius einhergeht. Nur bei einem Häuflein russischer Machisten dient der Machismus ausschließlich dazu, nach Intellektuellenart über ihn zu schwätzen, in seiner Heimat aber wird seine Rolle als Lakai des Fideismus offen proklamiert!

4. Wohin entwickelt sich der Empiriokritizismus?

Werfen wir nun einen Blick auf die Entwicklung des Machismus nach Mach und Avenarius. Wir haben gesehen, dass ihre Philosophie ein Ragout, ein Sammelsurium widerspruchsvoller und zusammenhangloser erkenntnistheoretischer Lehrsätze ist. Betrachten wir jetzt, wie und wohin, d. h. nach welcher Richtung hin sich diese Philosophie entwickelt – das wird uns helfen, einige „strittige" Fragen durch den Hinweis auf unbestreitbare geschichtliche Tatsachen zu lösen. In der Tat, bei dem Eklektizismus und der Zusammenhanglosigkeit der philosophischen Ausgangspunkte der in Frage stehenden Richtung sind verschiedenartige Deutungen derselben und fruchtlose Streitereien über Einzelheiten und Kleinigkeiten unvermeidlich. Doch ist der Empiriokritizismus, wie jede geistige Strömung, etwas Lebendiges, Wachsendes, sich Entwickelndes, und die Tatsache seines Wachstums nach der einen oder anderen Richtung wird besser als langatmige Betrachtungen dazu beitragen, die grundlegende Frage nach dem eigentlichen Wesen dieser Philosophie zu lösen. Man beurteilt einen Menschen nicht nach dem, was er von sich spricht oder denkt, sondern nach seinen Taten. Man darf auch über die Philosophen nicht nach den Aushängeschildern urteilen, die sie sich selber umhängen („Positivismus", Philosophie der „reinen Erfahrung", „Monismus" oder „Empiriomonismus", „Philosophie der Naturwissenschaft" u. ä. m.), sondern danach, wie sie die grundlegenden theoretischen Fragen tatsächlich lösen, mit wem sie zusammengehen, was sie lehren und was ihre Schüler und Nachfolger von ihnen gelernt haben.

Mit dieser letzten Frage wollen wir uns jetzt beschäftigen. Alles Wesentliche wurde von Mach und Avenarius vor mehr als 20 Jahren gesagt. Während dieser Zeit musste sich zeigen, wie diese „Führer" von jenen verstanden wurden, die sie verstehen wollten, und wen diese Führer selbst (wenigstens Mach, der seinen Kollegen überlebt hat) als die Fortsetzer ihrer Sache betrachten. Um genau zu sein, nehmen wir diejenigen, die sich selbst als Schüler von Mach und Avenarius (oder als deren Anhänger) bezeichnen, und die Mach selbst zu diesem Lager zählt. Auf diese Weise werden wir eine Vorstellung vom Empiriokritizismus als einer philosophischen Strömung und nicht einer Sammlung literarischer Begebenheiten bekommen.

In Machs Vorwort zur russischen Übersetzung der „Analyse der Empfindungen" (S. 4) wird Hans Cornelius als „jüngerer Forscher", der „wenn auch nicht dieselben, so doch sehr nahe Wege" einschlage, empfohlen. Im Text der „Analyse der Empfindungen" „freut sich" Mach, unter anderem, auf die Schriften von H. Cornelius u. a. „hinweisen zu können, welche daran sind, den Kern der Avenariusschen Arbeiten bloßzulegen und weiterzuentwickeln". (S. 40.) Nehmen wir das Buch von H. Cornelius, „Einleitung in die Philosophie" (deutsche Ausgabe, Leipzig 1903), so sehen wir, dass sein Verfasser ebenfalls darauf hinweist, dass er bestrebt sei, in die Fußstapfen von Mach und Avenarius zu treten. (S. VIII, 32.) Wir haben also einen vom Lehrer anerkannten Schüler vor uns. Dieser Schüler beginnt gleichfalls mit Empfindungen – Elementen (S. 17, 42), erklärt kategorisch, dass er in den Grenzen der Erfahrung bleiben wolle (S. VI.), nennt seine Anschauungen „konsequenten oder erkenntnistheoretischen Empirismus" (S. 335), verurteilt auf das entschiedenste die „Einseitigkeit" des Idealismus und den „Dogmatismus" der Idealisten wie der Materialisten (S. 129), weist sehr energisch das mögliche „Missverständnis" (S.123) zurück, als folge aus seiner Philosophie die Annahme, dass die Welt im Kopfe des Menschen existiere, liebäugelt mit dem naiven Realismus nicht weniger geschickt als Avenarius, Schuppe oder Basarow (S. 125: „Jede Gesichts- und ebenso jede anderweitige Sinneswahrnehmung hat ihren Ort genau da und nur da, wo wir sie vorfinden, d. h. wo sie das naive, von keiner Afterphilosophie angekränkelte Bewusstsein lokalisiert") – und am Ende gelangt dieser vom Lehrer anerkannte Schüler zur Unsterblichkeit und zu Gott. Der Materialismus – donnert dieser Wachtmeister auf dem Katheder, wollte sagen: der Schüler der „neuesten Positivisten" – verwandle den Menschen in einen Automaten.

Dass zugleich mit dem Glauben an die Freiheit unserer Entschließungen auch alle Erwägungen über den sittlichen Wert unserer Handlungen und über unsere Verantwortlichkeit für diesen Wert in Nichts zerfließen, bedarf nicht der Erwähnung. Ebenso wenig Raum bleibt für den Gedanken einer Fortsetzung unseres Lebens nach dem Tode." (S. 116.)

Das Finale des Buches lautet:

Wohl bedarf es der Erziehung zur Tätigkeit (augenscheinlich ist die Erziehung der Jugend gemeint, die von diesem Mann der Wissenschaft verdummt wird. L.), aber … vor allem … der Erziehung zur Ehrfurcht – nicht vor den vergänglichen Werten einer zufälligen Tradition, sondern vor den unvergänglichen Werten der Pflicht und der Schönheit – vor dem Göttlichen in uns und außer uns." (S. 357.)

Man vergleiche damit A. Bogdanows Behauptung, dass in der Machschen Philosophie, die jedes „Ding an sich" leugnet, für die Idee Gottes, der Willensfreiheit, der Unsterblichkeit der Seele absolut kein Platz" (von Bogdanow gesperrt) sei und „auch nicht sein kann" („Analyse der Empfindungen", S. XII2), während Mach in eben demselben Buch erklärt (S. 298): „es gibt keine Machsche Philosophie", und nicht nur die Immanenzphilosophen, sondern auch Cornelius, der den Kern der Avenariusschen Gedanken bloßgelegt habe, empfiehlt! Erstens also, Bogdanow kennt absolut nicht die „Machsche Philosophie" als Richtung, die nicht nur unter den Fittichen des Fideismus eine Zufluchtsstätte gefunden hat, sondern deren Konsequenz der Fideismus ist. Zweitens, Bogdanow kennt absolut nicht die Geschichte der Philosophie; denn die Verneinung der erwähnten Ideen in Zusammenhang zu bringen mit der Verneinung jedes Dinges an sich ist ein Hohn auf diese Geschichte. Will Bogdanow vielleicht leugnen, dass alle konsequenten Anhänger Humes, gerade dadurch, dass sie jedes Ding an sich verneinen, diesen Ideen Platz einräumen? Hat denn Bogdanow nichts gehört von den subjektiven Idealisten, die jedes Ding an sich leugnen und eben dadurch diesen Ideen Raum geben? Für diese Ideen „kann es keinen Platz geben" lediglich in einer Philosophie, die lehrt, dass nur das sinnliche Sein existiere, dass die Welt sich bewegende Materie sei, dass die jedermann bekannte Außenwelt, das Physische, die einzige objektive Realität sei – also in der Philosophie des Materialismus. Deswegen, gerade deswegen bekämpfen sowohl die von Mach empfohlenen Immanenzphilosophen als auch Machs Schüler Cornelius samt der ganzen modernen Professorenphilosophie den Materialismus.

Als man unsere Machisten mit der Nase auf die Unanständigkeit stieß, begannen sie sich von Cornelius loszusagen. Solche Lossagungen sind nicht viel wert. Friedrich Adler ist scheinbar nicht „gewarnt" worden und deshalb empfiehlt er diesen Cornelius in einer sozialistischen Zeitschrift („Der Kampf", 1908, 5, S. 235: „eine leicht lesbare, höchst empfehlenswerte Schrift"). Auf dem Wege über den Machismus werden direkte philosophische Reaktionäre und Prediger des Fideismus als Lehrer der Arbeiter eingeschmuggelt!

Petzoldt merkte ohne Warnungen den Betrug bei Cornelius, aber seine Methode, wie er gegen diesen Betrug zu Felde zieht, ist geradezu eine Perle. Man höre:

Behaupten, die Welt sei Vorstellung (wie die Idealisten es tun, die wir, da gibt es gar nichts zu lachen, bekämpfen! L.), hat nur dann einen Sinn, wenn man damit sagen will, sie sei die Vorstellung des Aussagenden oder meinetwegen auch aller Aussagenden, also in ihrer Existenz von seinem oder ihrem Denken allein abhängig: nur soweit er sie denke, sei sie, und was er nicht denke, existiere auch nicht. Wir dagegen machen die Welt nicht von dem Denken des oder der Einzelnen oder noch besser und schärfer: nicht von dem Akte des Denkens oder von irgendwelchem aktuellen Denken abhängig, sondern – und zwar lediglich in logischer Hinsicht – von dem Denken überhaupt. Beides vermengt der Idealist, und das Ergebnis ist der agnostizistische Halb-Solipsismus, wie wir ihn bei Cornelius beobachten." („Einführung", Bd. II, S. 317.)

Stolypin dementierte die Existenz des schwarzen Kabinetts! Petzoldt schmetterte die Idealisten in den Staub – es ist nur merkwürdig, dass diese Vernichtung des Idealismus aussieht wie ein Ratschlag an die Idealisten, doch ihren Idealismus möglichst geschickt zu verstecken. Die Welt ist vom Denken der Menschen abhängig – das ist falscher Idealismus. Die Welt ist vom Denken überhaupt abhängig, das ist neuester Positivismus, kritischer Realismus; mit einem Wort – eine einzige bürgerliche Scharlatanerie! Wenn Cornelius ein agnostizistischer Halbsolipsist ist, so ist Petzoldt ein solipsistischer Halbagnostiker. Flohknackerei, meine Herren!

Fahren wir fort. In der zweiten Auflage von „Erkenntnis und Irrtum" sagt Mach:

Eine systematische Darstellung (der Ansichten Machs. L.), der ich in allem Wesentlichen zustimmen kann, gibt Prof. Dr. Hans Kleinpeter (,Die Erkenntnistheorie der Naturforschung der Gegenwart', Leipzig, 1905)."

Nehmen wir nun den Hans Numero zwei vor. Dieser Professor ist ein geschworener Propagandist des Machismus: er hat eine Menge von Aufsätzen über Machs Anschauungen in den philosophischen Fachzeitschriften sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache verfasst, Übersetzungen der von Mach empfohlenen Werke besorgt, auch mit Vorreden von Mach – kurz, er ist die rechte Hand des „Meisters". Hier seine Auffassung:

„… Meine ganze (äußere und innere) Erfahrung, all mein Denken und Trachten ist mir als psychischer Vorgang, als Teil meines Bewusstseins gegeben." (S. 18 des zit. Buches.) „Was wir ,physisch' nennen, ist eine Konstruktion aus psychischen Elementen." (S. 144.) „Subjektive Überzeugung, nicht objektive Gewissheit ist das einzig erreichbare Ziel aller Wissenschaft." (S. 9.) (Gesperrt von Kleinpeter, der dieser Stelle eine Anmerkung beifügt: „So ähnlich heißt es schon bei Kant in der ,Kritik der praktischen Vernunft'".) „Die Annahme fremden Bewusstseins ist eine solche, die sich nie durch die Erfahrung bestätigen lässt." (S. 42.) „Ich weiß zunächst gar nicht, ob es außer mir noch andere Ichs überhaupt gibt." (S. 43.)

In Kapitel II, § 5: „Von der Aktivität (Spontaneität) im Bewusstsein" heißt es: Bei einem tierischen Automat geschehe das Aufeinanderfolgen der Vorstellungen rein mechanisch. Dasselbe bei uns, wenn wir träumen.

Davon unterscheidet sich jedoch ganz wesentlich die Beschaffenheit unseres Bewusstseins im normalen Zustande. Diesem kommt eine Eigenschaft zu, die jenem (dem Automaten) völlig abgeht, und die mechanisch oder automatisch zu erklären uns zum mindesten schwer fällt: die sogenannte Selbsttätigkeit des Ich. Jeder ist imstande, sich seinen Bewusstseinsinhalten gegenüberzustellen, mit ihnen zu manipulieren, sie schärfer zu beachten oder in den Hintergrund treten zu lassen, sie zu analysieren, die Teile miteinander zu vergleichen usw. Das alles ist Tatsache der (unmittelbaren) Erfahrung. Unser Ich ist also wesentlich verschieden von der Summe aller Bewusstseinsinhalte und kann derselben nicht etwa gleichgesetzt werden. Zucker besteht aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff; würden wir dem Zucker eine Zuckerseele zuschreiben, so müsste dieser nach Analogie auch die Fähigkeit zukommen, die Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffteilchen nach Belieben herum schieben zu können." (S. 29 u. 30.)

§ 4 im nächsten Kapitel: „Der Erkenntnisakt – eine Willenshandlung".

Hingegen muss als feststehende Tatsache betrachtet werden die Unterscheidbarkeit aller meiner psychischen Erlebnisse in die zwei großen Hauptgruppen der erzwungenen und der Willkürhandlungen. Zu den ersteren zählen sämtliche Eindrücke einer Außenwelt." (S. 47.) „Dass es möglich ist, von einem Tatsachengebiet mehrere Theorien zu geben ist eine dem Physiker ebenso wohlbekannte als mit den Voraussetzungen einer absoluten Erkenntnistheorie allerdings unvereinbare Tatsache. Auch sie hängt mit dem Willenscharakter unseres Denkens zusammen; auch in ihr spricht sich die Ungebundenheit unseres Willens durch die äußeren Umstände aus." (S. 50.)

Danach mag man die Kühnheit der Behauptung Bogdanows ermessen, dass in der Machschen Philosophie „für die Willensfreiheit absolut kein Raum vorhanden" sei, wo doch Mach selber einen Kleinpeter empfiehlt! Wir haben schon gesehen, dass letzterer weder seinen eigenen noch Machs Idealismus zu verbergen sucht. Im Jahre 1898/99 schrieb Kleinpeter:

Hertz bekundet dieselbe (wie Mach. L.) subjektivistische Auffassung vom Wesen unserer Begriffe… Haben sich Mach und Hertz (mit welcher Berechtigung Kleinpeter den berühmten Physiker in die Sache hineinzieht, das werden wir später sehen. L.) nach der idealistischen Seite hin das Verdienst erworben, zu betonen, dass alle unsere Begriffe und deren Verknüpfung – nicht bloß einige – subjektiven Ursprungs sind, so haben sie sich nach der empiristischen Seite hin das nicht geringere Verdienst erworben, zu erkennen, dass es die Erfahrung ist, die über die Richtigkeit derselben als eine vom Denken ganz unabhängige Instanz zu entscheiden hat." („Archiv für systematische Philosophie", Bd. V, S. 167–170.)

Im Jahre 1900: Kant und Berkeley, bei allen ihren Unterschieden von Mach, werden ihm „noch immer näherstehen als der in der Naturwissenschaft herrschende metaphysische Empirismus" (d. h. Materialismus; der Herr Professor hütet sich, den Teufel beim Namen zu nennen!), „der ja sein (Machs) Hauptangriffsobjekt bildet". (Ebenda, Bd. VI, 1900, S. 87.)

Im Jahre 1903: „Der Ausgangspunkt Berkeleys und Machs ist unanfechtbar …" „Mach ist der Vollender Kants." („Kantstudien", Bd. VIH, 1903, S. 274 u. 314.)

Im Vorwort zur russischen Übersetzung der „Analyse der Empfindungen" nennt Mach auch Professor Th. Ziehen, der „wenn auch nicht die gleichen, so doch sehr nahe Wege gehe". Nehmen wir das Buch von Professor Theodor Ziehen („Psychophysiologische Erkenntnistheorie", Jena 1898), so sehen wir, dass der Verfasser schon im Vorwort sich auf Mach, Avenarius, Schuppe usw. beruft. Also wiederum ein vom Meister anerkannter Schüler. Die „neueste" Theorie Ziehens besteht darin, dass nur die „Menge" fähig sei zu denken, dass „ein wirkliches Ding die Empfindung verursacht" (S. 3).

Am Eingang der Erkenntnistheorie ist keine andere Überschrift möglich als der Berkeleysche Satz: ,The external objects subsist not by themselves, but exist in minds'."P (S. 5.) „Gegeben sind uns Empfindungen und Vorstellungen. Beide fassen wir mit dem Wort der psychischen Vorgänge oder des Psychischen zusammen. Nichtpsychisches ist ein inhaltloses Wort." (S. 100.)

Die Naturgesetze seien keine Beziehungen zwischen materiellen Körpern, sondern „zwischen den reduzierten Empfindungen" (S. 104). In diesem „neuen" Begriff der „reduzierten Empfindungen" besteht die ganze Originalität des Ziehenschen Berkeleyanismus!

Von Ziehen, dem Idealisten, rückte Petzoldt schon 1904 im zweiten Band seiner „Einführung" (S. 298–301) ab. 1906 zählt er bereits in der Liste der „Idealisten oder Psychomonisten" Cornelius, Kleinpeter, Ziehen, Verworn auf („Das Weltproblem usw.", S. 137, Fußnote). Bei allen diesen Herren Professoren soll ein „Missverständnis" in der Auslegung „der Anschauungen von Mach und Avenarius" vorliegen (ebenda). Armer Mach und armer Avenarius! Nicht nur die Feinde haben sie als Idealisten und „sogar" (wie Bogdanow sich ausdrückt) als Solipsisten verleumdet, nein, auch die Freunde, Schüler, Anhänger, Professoren von Fach, haben ihre Meister falsch, und zwar in idealistischem Sinne verstanden. Wenn sich der Empiriokritizismus zum Idealismus auswächst, so beweise das beileibe nicht das Grundfalsche seiner verworrenen, berkeleyanischen Grundvoraussetzungen. Gott bewahre! Das ist nur ein kleines „Missverständnis" im Nosdrew-Petzoldtschen Sinn des Wortes.

Am drolligsten ist hier vielleicht, dass der Hüter der Reinheit und Unschuld, Petzoldt selbst, Mach-Avenarius erstens durch ein „logisches a priori" „ergänzt" und zweitens sie mit dem Schrittmacher des Fideismus, Wilhelm Schuppe, zusammengekoppelt hat.

Wären Petzoldt die englischen Anhänger Machs bekannt, so müsste er die Liste der (durch ein „Missverständnis") dem Idealismus verfallenen Machisten bedeutend erweitern. Wir haben schon auf den von Mach belobten Pearson als auf einen konsequenten Idealisten hingewiesen. Hier die Äußerungen von noch zwei „Verleumdern", die über Pearson dasselbe sagen:

Die Lehre des Professors Karl Pearson ist ein einfaches Echo der wirklich großen Lehre Berkeleys" (Howard V. Knox im „Mind", vol. VI, 1897, p. 205).

Herr Pearson ist, und daran ist nicht zu zweifeln, ein Idealist im strengsten Sinne des Wortes" (George Rodier, „Revue philosophique de la France et de l'Étranger“, 1888, II. vol. 26, p. 200).

Den englischen Idealisten W. K. Clifford, dessen Forschungsrichtung Mach als der seinigen „recht naheliegend" bezeichnet („Analyse der Empfindungen", Vorwort zur 3. Auflage) muss man eher als Lehrer denn als Schüler Machs bezeichnen, denn Cliffords philosophische Arbeiten sind in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erschienen. Das „Missverständnis" stammt hier direkt von Mach, der im Jahre 1901 den Idealismus in der Lehre Cliffords, wonach die Welt „geistiger Stoff" (mind-stuff), „soziales Objekt", „hochorganisierte Erfahrung" usw. sei, „nicht bemerkt" hat.Q Zur Charakteristik der Scharlatanerie der deutschen Machisten muss noch erwähnt werden, dass Kleinpeter 1905 diesen Idealisten in den Rang der Begründer „einer wissenschaftlich haltbaren Erkenntnislehre" erhebt!

Auf Seite 291 der „Analyse der Empfindungen" erwähnt Mach einen (dem Buddhismus und dem Machismus) nahestehenden Philosophen, den Amerikaner P. Carus. Carus, der sich als „Verehrer und persönlicher Freund" von Mach bezeichnet, redigiert in Chicago die Zeitschrift „The Monist", die sich mit Philosophie beschäftigt, und eine kleine Zeitschrift „The Open Court" („Offene Tribüne"), die religiöser Propaganda dient. „Die Wissenschaft ist die göttliche Offenbarung", sagt die Redaktion dieser populären kleinen Zeitschrift. „Wir sind der Ansicht, dass die Wissenschaft eine Reform der Kirche herbeiführen kann, die von der Religion alles, was an ihr gesund, richtig und gut ist, bewahren wird." Mach ist ständiger Mitarbeiter des „Monist", lässt darin auch einzelne Kapitel aus seinen neuen Werken abdrucken. Carus verbessert Mach „ein klein wenig" in der Richtung nach Kant hin und erklärt, dass Mach „ein Idealist oder, wie ich lieber sagen möchte, Subjektivist ist", dass aber er, Carus, abgesehen von einzelnen Meinungsverschiedenheiten, überzeugt sei, dass er „mit Mach übereinstimme".R

Unser Monismus“ – sagt Carus – „ist kein materialistischer, kein spiritualistischer, kein agnostischer, er bedeutet einfach und ausschließlich die Folgerichtigkeit Er nimmt die Erfahrung zur Grundlage und wendet als Methode die systematisierten Formen der Erfahrungsbeziehungen an." (Augenscheinlich ein Plagiat aus A. Bogdanows „Empiriomonismus"! L.)

Die Devise von Carus ist:

Nicht Agnostizismus, sondern positive Wissenschaft, nicht Mystizismus, sondern klares Denken; nicht Supernaturalismus, nicht Materialismus, sondern monistische Weltauffassung, nicht Dogma, sondern Religion, nicht Glaube als Lehre, sondern reiner Glaube (not creed but faith)."

In Erfüllung dieser Devise predigt Carus eine neue Theologie, eine „wissenschaftliche Theologie" oder Theonomie, die den Buchstaben der Bibel leugnet, doch darauf besteht, dass „die ganze Wahrheit göttlich ist, und dass sich Gott in der Geschichte ebenso wie in der Naturwissenschaft offenbart".S

Es muss bemerkt werden, dass Kleinpeter in dem bereits erwähnten Buch über die Erkenntnistheorie der Naturforschung der Gegenwart Carus neben Ostwald, Avenarius und den Immanenzphilosophen empfiehlt (S. 151 u. 152). Als Haeckel seine Thesen für den Monistenbund herausgegeben hatte, trat Carus entschieden dagegen auf: erstens verwerfe Haeckel ohne Grund die Apriorität, die „mit der naturwissenschaftlichen Philosophie durchaus vereinbar" sei; zweitens ist Carus gegen die Haeckelsche Doktrin des Determinismus, die „die Möglichkeit der Willensfreiheit ausschließt"; drittens „begeht Haeckel den Fehler, dass er den einseitigen Standpunkt des Naturforschers gegen den traditionellen Konservatismus der Kirche betont. Er tritt daher als Feind der existierenden Kirchen auf, statt mit Freuden an deren Höherentwicklung zu einer neuen und sichereren Interpretierung der Dogmen zu arbeiten." (ib., vol. XVI, 1906, p. 122.) Carus gesteht selbst, dass ihn „viele Freidenker für einen Reaktionär halten, die mich deswegen tadeln, weil ich nicht in ihren Chorus einstimme, der jede Religion als Aberglauben verschreit" (S. 355).

Es ist ganz offenkundig, dass wir hier den Führer einer Kompanie amerikanischer literarischer Hochstapler vor uns haben, die sich damit abgeben, das Volk mit religiösem Opium besoffen zu machen. Mach und Kleinpeter sind scheinbar durch ein kleines „Missverständnis" unter diese Leute geraten.

5. A. Bogdanows „Empiriomonismus"

Ich persönlich“ – schreibt Bogdanow von sich – „kenne bis jetzt in der ganzen Literatur nur einen Empiriomonisten, nämlich einen gewissen A. Bogdanow. Den aber kenne ich dafür sehr gut, und ich kann garantieren, dass seine Auffassung durchaus der sakramentalen Formel von der Ursprünglichkeit der Natur gegenüber dem Geist entspricht. Und zwar betrachtet er alles Existierende als eine kontinuierliche Kette der Entwicklung, deren untere Glieder sich im Chaos der Elemente verlieren, und deren obere, uns bekannte Glieder die Erfahrung der Menschen (gesperrt von Bogdanow), die psychische und, höher noch, die physische Erfahrung darstellen, wobei diese Erfahrung und die aus ihr entstehende Erkenntnis dem entspricht, was man gewöhnlich als Geist bezeichnet." („Empiriomonismus" III, S. XII.)

Als „sakramentale" Formel verlacht hier Bogdanow den uns bekannten Satz von Engels, dessen Namen er jedoch diplomatisch umgeht! Keine Rede davon, dass er mit ihm etwa nicht übereinstimmte …

Doch betrachten wir etwas aufmerksamer Bogdanows eigenes Resumé seines berüchtigten „Empiriomonismus" und seiner „Substitution". Die physische Welt wird als Erfahrung der Menschen bezeichnet, und es wird erklärt, dass die physische Erfahrung in der Kette der Entwicklung „höher" stehe als die psychische. Aber das ist doch purer Unsinn! Und zwar ist es derselbe Unsinn, der jeder idealistischen Philosophie eigen ist. Es ist geradezu komisch, wenn Bogdanow ein derartiges „System" für Materialismus ausgibt: ist doch bei mir ebenfalls die Natur das Primäre, der Geist das Sekundäre. Wenn man Engels' Definition so anwenden wollte, dann ist auch Hegel ein Materialist, denn auch bei ihm steht erst die psychische Erfahrung (unter dem Namen absolute Idee), dann folgt „höher" die physische Welt, die Natur, und endlich die Erkenntnis des Menschen, der durch die Natur die absolute Idee erkennt. Kein einziger Idealist wird in diesem Sinne die Ursprünglichkeit der Natur leugnen, denn dies ist in Wirklichkeit keine Ursprünglichkeit, in Wirklichkeit wird die Natur nicht für das unmittelbar Gegebene, für den Ausgangspunkt der Erkenntnistheorie genommen. In Wirklichkeit führt zur Natur noch ein langer Verbindungsweg über die Abstraktionen des „Psychischen". Es ist gleichgültig, wie man diese Abstraktionen nennt: ob absolute Idee, oder universales Ich, Weltwille usw. Dadurch unterscheiden sich die Spielarten des Idealismus voneinander, und solcher Spielarten gibt es eine Unmenge. Das Wesen des Idealismus besteht darin, dass das Psychische zum Ausgangspunkt genommen wird; daraus wird die Natur abgeleitet, und dann erst aus der Natur das gewöhnliche, menschliche Bewusstsein. Dieses ursprünglich „Psychische" erweist sich daher immer als eine tote Abstraktion, die die verwässerte Theologie verdeckt. Jeder weiß z. B., was eine menschliche Idee ist, aber eine Idee ohne den Menschen und vor dem Menschen, eine Idee in der Abstraktion, eine absolute Idee ist eine theologische Erfindung des Idealisten Hegel. Jeder weiß, was eine menschliche Empfindung ist, aber eine Empfindung ohne den Menschen, vor dem Menschen, ist ein Unsinn, eine tote Abstraktion, eine idealistische Schrulle. Gerade eine solche idealistische Schrulle verzapft Bogdanow, wenn er folgende Stufenleiter aufstellt:

1. Chaos der „Elemente" (wir wissen, dass sich kein anderer menschlicher Begriff als Empfindung hinter dem Wörtchen Element versteckt).

2. Psychische Erfahrung der Menschen.

3. Physische Erfahrung der Menschen.

4. „Die aus ihr entstehende Erkenntnis".

Es gibt keine (menschlichen) Empfindungen ohne den Menschen. Folglich ist die erste Stufe eine tote idealistische Abstraktion. Dem Wesen der Sache nach haben wir hier nicht die allen bekannten und gewöhnlichen menschlichen Empfindungen vor uns, sondern irgendwelche ausgedachte, Empfindungen eines Niemand, Empfindungen überhaupt, göttliche Empfindungen, so wie bei Hegel die gewöhnliche, menschliche Idee zu einer göttlichen wurde, nachdem sie einmal von dem Menschen und dem menschlichen Gehirn los getrennt worden war.

Also mit der ersten Stufe ist es nichts.

Auch mit der zweiten ist es nichts, denn ein Psychisches vor dem Physischen (und die zweite Stufe steht ja bei Bogdanow vor der dritten) kennt weder irgendein Mensch noch die Naturwissenschaft. Die physische Welt existierte schon, bevor das Psychische, als höchstes Produkt der höchsten Formen der organischen Materie, erscheinen konnte. Bogdanows zweite Stufe ist also ebenfalls eine tote Abstraktion, ist ein Gedanke ohne Gehirn, ist menschlicher Verstand, losgelöst vom Menschen.

Erst dann, und nur dann, wenn wir die beiden ersten Stufen ganz fortwerfen, können wir ein Weltbild bekommen, das der Naturwissenschaft und dem Materialismus wirklich entspricht, nämlich: 1. die physische Welt existiert unabhängig von dem menschlichen Bewusstsein und hat lange vor dem Menschen, vor jeder „menschlichen Erfahrung" existiert; 2. das Psychische, das Bewusstsein usw. ist das höchste Produkt der Materie (d. h. des Physischen), es ist eine Funktion jenes besonders komplizierten Stückes Materie, das als menschliches Gehirn bezeichnet wird.

Das Gebiet der Substitution“ – schreibt Bogdanow – „fällt mit dem Gebiet der physischen Erscheinungen zusammen; den psychischen Erscheinungen braucht man nichts zu substituieren, denn diese sind die unmittelbaren Komplexe." (XXXIX.)

Das eben ist Idealismus, denn das Psychische, d. h. Bewusstsein, Vorstellung, Empfindung usw., wird als das Unmittelbare angenommen, und das Physische daraus abgeleitet, das Psychische für dieses substituiert. Die Welt ist das Nicht-Ich, das von unserem Ich geschaffen wurde, sagte Fichte. Die Welt ist eine absolute Idee, sagte Hegel. Die Welt ist Wille, sagte Schopenhauer. Die Welt ist ein Begriff und eine Vorstellung, sagt der Immanenzphilosoph Rehmke. Das Sein ist das Bewusstsein, sagt der Immanenzphilosoph Schuppe. Das Physische ist die psychische Substitution, sagt Bogdanow. Man muss blind sein, um nicht den gleichen idealistischen Kern in den verschiedenen Wortverkleidungen zu sehen.

Stellen wir uns die Frage“ – schreibt Bogdanow im ersten Buch des „Empiriomonismus", S. 128 u. 129 –, „was ein Lebewesen, z. B. ein Mensch ist?" Und er antwortet:

Der Mensch ist vor allem ein bestimmter Komplex der unmittelbaren Erlebnisse." (Wohlgemerkt: „vor allem"! L.) „Später, in der weiteren Entwicklung der Erfahrung erweist sich der Mensch für sich ebenso wie für die anderen als ein physischer Körper in der Reihe anderer physischer Körper."

Das ist doch ein totaler „Komplex" von Unsinn, brauchbar höchstens, um die Unsterblichkeit der Seele oder die Idee Gottes usw. daraus herzuleiten. Der Mensch soll vor allem ein Komplex der unmittelbaren Erlebnisse sein und erst in der weiteren Entwicklung ein physischer Körper! Also gibt es „unmittelbare Erlebnisse" ohne physische Körper, vor dem physischen Körper. Wie schade, dass diese herrliche Philosophie nicht in unseren geistlichen Seminarien eingeführt wurde; dort hätte man ihren vollen Wert zu würdigen gewusst.

„… Wir haben anerkannt, dass die physische Natur selbst ein Abgeleitetes (gesperrt von Bogdanow) ist aus Komplexen unmittelbaren Charakters (zu denen auch die psychischen Koordinationen gehören), dass sie eine Abspiegelung solcher Komplexe in anderen, ihnen analogen, nur dem kompliziertesten Typus angehörigen Komplexen (in der sozial-organisierten Erfahrung der Lebewesen) ist" (S. 146.)

Eine Philosophie, die lehrt, dass die physische Natur selbst ein Abgeleitetes ist, ist die allerreinste Pfaffenphilosophie. Und dieser ihr Charakter wird nicht im Mindesten dadurch geändert, dass Bogdanow selbst sehr eifrig jeder Religion abschwört. Dühring war auch Atheist; in seiner „sozialitären" Ordnung wollte er sogar die Religion verboten wissen. Nichtsdestoweniger hatte Engels recht, als er nachwies, dass das Dühringsche „System" ohne Religion nicht klappt. Dasselbe gilt für Bogdanow, nur mit dem wesentlichen Unterschiede, dass die zitierte Stelle keine zufällige Inkonsequenz ist, sondern das Wesen seines „Empiriomonismus" und seiner ganzen „Substitution". Wenn die Natur ein Abgeleitetes, Hervorgebrachtes ist, so ist es selbstverständlich, dass sie nur von irgend etwas, das größer, reicher, weiter, machtvoller als sie selbst ist, von etwas Existierendem abgeleitet sein kann; denn um die Natur „hervorzubringen", muss man unabhängig von der Natur existieren. Folglich existiert etwas außerhalb der Natur, und zwar etwas, das die Natur hervorbringt. Auf gut Deutsch heißt das Gott. Die idealistischen Philosophen waren immer bemüht, diesen Namen zu ändern, ihn abstrakter, nebelhafter zu machen und ihn gleichzeitig (um ihn glaubhafter erscheinen zu lassen) dem „Psychischen" als dem „unmittelbaren Komplex", dem unmittelbar Gegebenen, das keiner Beweise bedarf, näher zu bringen. Die absolute Idee, der universale Geist, der Weltwille, die „allgemeine Substitution" des Psychischen für das Physische – das ist ein und dieselbe Idee, nur in verschiedenen Formulierungen. Jedermann kennt – und die Naturwissenschaft untersucht – die Idee, den Geist, den Willen, das Psychische als eine Funktion des normal arbeitenden menschlichen Gehirns; diese Funktion von dem in bestimmter Weise organisierten Stoff lostrennen zu wollen, sie in eine universale, allgemeine Abstraktion zu verwandeln, diese Abstraktion der ganzen physischen Natur zu „substituieren", – das sind Wahnideen des philosophischen Idealismus, das ist ein Hohn auf die Naturwissenschaft.

Der Materialismus behauptet, dass die „sozial organisierte Erfahrung der Lebewesen" etwas von der physischen Natur Abgeleitetes sei, das Resultat einer langen Entwicklung derselben, und zwar einer Entwicklung aus einem Zustand der physischen Natur, wo es weder Sozialität noch Organisation noch Erfahrung noch Lebewesen gab und auch nicht geben konnte. Der Idealismus behauptet, dass die physische Natur ein von dieser Erfahrung der Lebewesen Abgeleitetes sei, und setzt somit die Natur Gott gleich (wenn er sie ihm nicht gar unterordnet). Denn Gott ist unzweifelhaft ein von der sozial-organisierten Erfahrung der Lebewesen Abgeleitetes. Man mag Bogdanows Philosophie drehen und wenden wie man will, sie enthält nichts weiter als eine reaktionäre Konfusion.

Bogdanow glaubt, das Gerede von der sozialen Organisation der Erfahrung sei „erkenntnistheoretischer Sozialismus" (III. Buch, S. XXXIV). Das ist verrücktes Zeug. Die Jesuiten wären – wenn man über den Sozialismus so urteilt – demnach eifrige Anhänger des „erkenntnistheoretischen Sozialismus"; denn der Ausgangspunkt ihrer Erkenntnistheorie ist die Gottheit als „sozial-organisierte Erfahrung". Und zweifellos ist der Katholizismus eine sozial-organisierte Erfahrung, nur spiegelt er nicht die objektive Wahrheit wider (die von Bogdanow geleugnet und von der Naturwissenschaft widergespiegelt wird), sondern die Ausbeutung der Unwissenheit des Volkes durch bestimmte Gesellschaftsklassen.

Wir brauchen aber gar nicht bis zu den Jesuiten zu gehen. Wir finden Bogdanows „erkenntnistheoretischen Sozialismus" ganz bei den von Mach so geliebten Immanenzphilosophen. Leclair betrachtet die Natur als das Bewusstsein der „menschlichen Gattung" („Der Realismus der modernen Naturwissenschaft usw.", S. 55), nicht aber als das eines einzelnen Individuums. Derartigen Fichteschen „erkenntnistheoretischen Sozialismus" kann man bei den bürgerlichen Philosophen finden so viel man will. Auch Schuppe betont das „generische, das gattungsmäßige Moment des Bewusstseins" (vgl. S. 379 u. 380 in „V. f. w. Ph", 17. Bd.). Zu denken, dass der philosophische Idealismus dadurch verschwindet, dass man das individuelle Bewusstsein durch das Menschheitsbewusstsein oder die Erfahrung einer Person durch die sozial-organisierte Erfahrung ersetzt, ist genau dasselbe, wie wenn man glaubt, der Kapitalismus verschwinde, wenn man an Stelle eines einzelnen Kapitalisten eine Aktiengesellschaft setzt.

Unsere russischen Machisten Juschkewitsch und Valentinow sprechen dem Materialisten Rachmetow nach, Bogdanow sei ein Idealist (wobei sie Rachmetow geradezu pöbelhaft beschimpfen). Doch darüber nachzudenken, woher dieser Idealismus stammt, dazu sind sie nicht imstande. Nach ihnen ist Bogdanow eine individuelle Erscheinung, eine Zufälligkeit, ein Einzelfall. Das ist nicht wahr, Bogdanow persönlich mag sich einbilden, ein „originelles" System erfunden zu haben, es genügt aber, ihn mit den oben zitierten Schülern Machs zu vergleichen, um einzusehen, wie falsch das ist. Der Unterschied zwischen Bogdanow und Cornelius ist viel geringer als der Unterschied zwischen Cornelius und Carus. Der Unterschied zwischen Bogdanow und Carus ist geringer (natürlich nur, was das philosophische System anbetrifft, und nicht, soweit sie sich der reaktionären Konsequenzen bewusst sind) als zwischen Carus und Ziehen usw. Bogdanow ist nur eine der Erscheinungen jener „sozial-organisierten Erfahrung", die davon zeugt, wie der Machismus in den Idealismus hineinwächst. Es gäbe auf der Welt überhaupt keinen Bogdanow (es handelt sich natürlich ausschließlich um Bogdanow als Philosophen), wenn in der Lehre seines Meisters Mach nicht „Elemente" – des Berkeleyanismus gewesen wären. Und ich kann mir keine „schrecklichere Rache" an Bogdanow denken, als seinen „Empiriomonismus", sagen wir, ins Deutsche zu übersetzen und zur Rezension an Leclair und Schubert-Soldern, Cornelius und Kleinpeter, Carus und Pillon (den französischen Mitarbeiter und Schüler von Renouvier) zu schicken. Diese offenkundigen Kampfgefährten und zum Teil direkten Jünger Machs würden durch ihr Entzücken über die „Substitution" viel mehr sagen als durch ihre eigenen Betrachtungen.

Übrigens wäre es kaum richtig, die Philosophie Bogdanows als ein vollendetes und unbewegliches System anzusehen. Im Verlauf von neun Jahren, von 1899 bis 1908, hat Bogdanow auf seinen philosophischen Irrfahrten vier Stadien durchlaufen. Zuerst war er „naturwissenschaftlicher" (d. h. halb unbewusst und instinktiv dem Geist der Naturwissenschaft getreuer) Materialist. Sein Werk: „Die Grundelemente der historischen Auffassung der Natur" trägt deutliche Spuren dieses Stadiums. Die zweite Stufe ist die am Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Mode gekommene „Energetik" Ostwalds, d. h. ein verworrener Agnostizismus, der hier und da in den Idealismus hinein stolpert. Von Ostwald (auf dem Titelblatt der „Vorlesungen über Naturphilosophie" von Ostwald steht „E. Mach gewidmet") gelangte Bogdanow zu Mach, d. h. er übernahm die Grundvoraussetzungen des subjektiven Idealismus, eines inkonsequenten und konfusen, wie die ganze Machsche Philosophie überhaupt ist. Das vierte Stadium: Versuche, einige Widersprüche des Machismus wegzuräumen und eine Art objektiven Idealismus zu schaffen. Die „Theorie der allgemeinen Substitution" zeigt, dass Bogdanow, von seinem Ausgangspunkt angefangen, einen Bogen von fast 180 Grad beschrieben hat. Ist nun dieses Stadium der Bogdanowschen Philosophie vom dialektischen Materialismus weiter entfernt, oder ist es näher als die vorhergegangenen Stadien? Wenn er an derselben Stelle stehen bleibt, dann ist die Entfernung selbstverständlich weiter. Wenn ei aber in der gleichen Kurve sich weiter bewegt, wie in den neun Jahren, dann ist es näher: er braucht jetzt nur einen ernsten Schritt zu machen, um wieder zum Materialismus einzubiegen, nämlich – seine universale Substitution universal hinaus zu schmeißen. Denn diese universale Substitution fasst alle Sünden des halben Idealismus, alle Schwächen des konsequenten subjektiven Idealismus in einem chinesischen Zopf ebenso zusammen, wie (si parva licet componere magnis! – wenn man das kleine mit dem großen vergleichen darf) – die „absolute Idee" Hegels alle Widersprüche des Kantschen Idealismus und alle Schwächen des Fichteanismus zusammenfasste. Feuerbach blieb nur ein ernster Schritt, um wieder zum Materialismus zu kommen, nämlich die absolute Idee, diese Hegelsche „Substitution des Psychischen" für die physische Natur, universal hinauszuwerfen, absolut zu entfernen. Feuerbach schnitt den chinesischen Zopf des philosophischen Idealismus ab, d. h. er nahm die Natur ohne jede ,Substitution" zur Grundlage.

Die Zeit wird zeigen, ob der chinesische Zopf des machistischen Idealismus noch lange wachsen wird.

6. Die „Theorie der Symbole" (oder Hieroglyphen) und die Kritik von Helmholtz

In Ergänzung zu dem, was über die Idealisten als Kampfgefährten und Nachfolger des Empiriokritizismus gesagt wurde, dürfte es angebracht sein, den Charakter der machistischen Kritik an einigen in unserer (russischen) Literatur angeschnittenen philosophischen Sätzen hervorzuheben. So haben sich unsere Machisten die Marxisten sein wollen, z. B. mit besonderer Freude auf Plechanows „Hieroglyphen" gestürzt, d. h. auf die Theorie nach der die Empfindungen und Vorstellungen des Menschen nicht Kopien der wirklichen Dinge und Naturvorgänge sind, nicht deren Abbilder, sondern nur konventionelle Zeichen, Symbole, Hieroglyphen usw. Basarow lacht diesen hieroglyphischen Materialismus aus, und es ist zu bemerken, dass er Recht hätte, wenn er diesen hieroglyphischen Materialismus zugunsten eines nicht-hieroglyphischen Materialismus abgelehnt hätte. Doch Basarow vollführt hier wiederum ein Taschenspielerkunststuck, indem er unter der Flagge der Kritik des „Hieroglyphismus“ seine Abschwörung des Materialismus durchschmuggelt. Engels spricht weder von Symbolen noch von Hieroglyphen, sondern von Kopien, Abbildern, Spiegelungen und Spiegelbildern der Dinge. Statt das Fehlerhafte der Plechanowschen Abweichung von der Engelsschen Formulierung des Materialismus zu zeigen, verdeckt Basarow vor dem Leser die Engelssche Wahrheit durch Plechanows Irrtum.

Um sowohl Plechanows Irrtum wie Basarows Konfusion klar zu machen, nehmen wir einen bedeutenden Vertreter der „Theorie der Symbole", Helmholtz (mit der Ersetzung des Wortes Symbol durch das Wort Hieroglyphe wird an der Sache ja nichts geändert) , und sehen zu, wie die Materialisten und wie die Idealisten samt den Machisten Helmholtz kritisierten.

Helmholtz, eine der größten Kapazitäten in der Naturwissenschaft, war in der Philosophie, wie die große Mehrzahl der Naturforscher, inkonsequent. Er neigte zum Kantianismus, hielt aber auch an diesem Standpunkt in seiner Erkenntnistheorie nicht konsequent fest. Hier z. B. die Betrachtung über die Übereinstimmung der Anschauung und der Objekte aus seinem „Handbuch der physiologischen Optik".

Ich habe … die Sinnesempfindungen nur als Symbole für die Verhältnisse der Außenwelt bezeichnet und ihnen jede Art der Ähnlichkeit oder Gleichheit mit dem, was sie bezeichnen, abgesprochen." (S. 442.)

Das ist Agnostizismus; doch etwas weiter auf der gleichen Seite lesen wir:

Unsere Anschauungen und Vorstellungen sind Wirkungen, welche die angeschauten und vorgestellten Objekte auf unser Nervensystem und unser Bewusstsein hervorgebracht haben."

Das ist Materialismus. Nur stellt sich Helmholtz das Verhältnis zwischen absoluter und relativer Wahrheit nicht klar vor, wie aus seinen weiteren Betrachtungen zu ersehen ist. Etwas weiter unten sagt Helmholtz z. B.:

Ich meine daher, dass es gar keinen möglichen Sinn haben kann, von einer anderen Wahrheit unserer Vorstellungen zu sprechen, als von einer praktischen. Unsere Vorstellungen von den Dingen können gar nichts anderes sein als Symbole, natürlich gegebene Zeichen für die Dinge, welche wir zur Regelung unserer Bewegungen und Handlungen benutzen lernen. Wenn wir jene Symbole richtig zu lesen gelernt haben, so sind wir imstande, mit ihrer Hilfe unsere Handlungen so einzurichten, dass dieselben den gewünschten Erfolg haben … "

Das ist nicht richtig: Helmholtz gerät hier in den Subjektivismus hinein, in die Verneinung der objektiven Realität und der objektiven Wahrheit. Und er gelangt zu einer schreienden Unwahrheit, wenn er den Absatz mit den Worten schließt:

Vorstellung und Vorgestelltes sind offenbar zwei ganz verschiedenen Welten angehörig …"

So zerreißen nur Kantianer Idee und Wirklichkeit, Bewusstsein und Natur. Doch etwas weiter unten lesen wir:

Was zunächst die Eigenschaften der Objekte der Außenwelt betrifft, so zeigt eine leichte Überlegung, dass alle Eigenschaften, die wir ihnen zuschreiben können, nur Wirkungen bezeichnen, welche sie entweder auf unsere Sinne oder auf andere Naturobjekte ausüben …" (S. 444.)

Hier geht Helmholtz wieder auf einen materialistischen Standpunkt über. Helmholtz war ein inkonsequenter Kantianer, der bald die apriorischen Denkgesetze anerkannte, bald zu der „transzendenten Realität" von Zeit und Raum (d. h. zur materialistischen Auffassung derselben) neigte, der einmal die menschlichen Empfindungen von der Wirkung der äußeren Gegenstände auf unsere Sinnesorgane ableitete und sie ein andermal für bloße Symbole erklärte, d. h. für irgendwelche willkürliche Bezeichnungen, die von der „ganz verschiedenen" Welt der bezeichneten Dinge losgetrennt seien. (Vgl. Victor Heyfelder: „Über den Begriff der Erfahrung bei Helmholtz", Berlin 1897.)

Folgendermaßen äußert sich Helmholtz über seine Auffassung in der Rede vom 3. August 1878 über „Die Tatsachen in der Wahrnehmung" („eine bemerkenswerte Kundgebung aus dem realistischen Lager", wie Leclair diese Rede bezeichnete):

Unsere Empfindungen sind eben Wirkungen, welche durch äußere Ursachen in unseren Organen hervorgebracht werden, und wie eine solche Wirkung sich äußert, hängt natürlich ganz wesentlich von der Art des Apparates ab, auf den gewirkt wird. Insofern die Qualität unserer Empfindung uns von der Eigentümlichkeit der äußeren Einwirkung, durch welche sie erregt ist, eine Nachricht gibt, kann sie als ein Zeichen derselben gelten, aber nicht als ein Abbilds Denn vom Bild verlangt man irgendeine Art der Gleichheit mit dem abgebildeten Gegenstande … Ein Zeichen aber braucht gar keine Art Ähnlichkeit mit dem zu haben, dessen Zeichen es ist."T

Wenn die Empfindungen nicht Abbilder der Dinge sind, sondern nur Zeichen oder Symbole, die mit ihnen „gar keine Art Ähnlichkeit" haben, so wird der materialistische Ausgangspunkt von Helmholtz unterhöhlt, die Existenz der äußeren Gegenstände einigem Zweifel unterworfen, denn Zeichen oder Symbole sind auch in Bezug auf eingebildete Gegenstände durchaus möglich, und jeder kennt Beispiele von solchen Zeichen oder Symbolen. Helmholtz sucht mit Kant den Schein einer prinzipiellen Schranke zwischen „Erscheinung" und „Ding an sich" durchzuführen. Gegenüber einem geraden, klaren, offenen Materialismus hegt Helmholtz ein unüberwindliches Vorurteil. Doch sagt er selbst etwas weiter:

Ich sehe nicht, wie man ein System selbst des extremsten subjektiven Idealismus widerlegen könnte, welches das Leben als Traum betrachten wollte. Man könnte es für so unwahrscheinlich, so unbefriedigend wie möglich erklären – ich würde in dieser Beziehung den härtesten Ausdrücken der Verwerfung zustimmen –, aber konsequent durchgeführt wäre es… Die realistische Hypothese dagegen traut der Aussage der gewöhnlichen Selbstbeobachtung, wonach die einer Handlung folgenden Veränderungen der Wahrnehmung gar keinen psychischen Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Willensimpuls haben. Sie sieht als unabhängig von unserem Vorstellen bestehend an, was sich in täglicher Wahrnehmung so zu bewähren scheint, die materielle Welt außer uns. Unzweifelhaft ist die realistische Hypothese die einfachste, die wir bilden können, geprüft und bestätigt in außerordentlich weiten Kreisen der Anwendung, scharf definiert in allen Einzelbestimmungen und deshalb außerordentlich brauchbar und fruchtbar als Grundlage für das Handeln." (S. 242 u. 243.)

Der Agnostizismus von Helmholtz ähnelt ebenfalls einem „verschämten Materialismus", nur mit Kantianischen Ausfällen im Unterschied zu den Berkeleyanischen Ausfällen Huxleys.

Feuerbachs Anhänger Albrecht Rau kritisiert daher entschieden Helmholtz' Theorie der Symbole als eine inkonsequente Abweichung vom „Realismus". Die Grundanschauung von Helmholtz – sagt Rau – sei eine realistische Voraussetzung, nach der „wir vermittels unserer Sinne die objektive Beschaffenheit der Dinge erfahren".U Die Theorie der Symbole verträgt sich nicht mit einer solchen (wie wir gesehen haben, völlig materialistischen) Auffassung; denn sie bringt ein gewisses Misstrauen gegen die Sinnlichkeit mit, ein Misstrauen gegen die Aussage unserer Sinnesorgane. Allerdings kann eine Abbildung dem Modell nie ganz gleich sein, doch ist ein Abbild etwas ganz anderes als ein Symbol, ein konventionelles Zeichen. Eine Abbildung setzt die objektive Realität dessen, was „abgebildet" wird, notwendig und unvermeidlich voraus. Das „konventionelle Zeichen", das Symbol, die Hieroglyphe sind Begriffe, die ein absolut unnötiges Element des Agnostizismus hineinbringen. Deshalb hat A. Rau durchaus recht, wenn er sagt, dass Helmholtz mit seiner Theorie der Symbole dem Kantianismus Tribut zollt.

Wäre Helmholtz“ – sagt Rau – „seiner realistischen Auffassung treu geblieben, hätte er den Grundsatz festgehalten, dass die Eigenschaften der Körper die Beziehungen der Dinge unter sich sowohl als zu uns ausdrücken, so hätte er die ganze Theorie offenbar gar nicht notwendig gehabt; er hätte dann, kurz und bündig ausgedrückt, sagen können: die Sensationen, welche die Dinge in uns bewirken, sind Abbilder vom Wesen der Dinge." (a. a. O., S. 320.)

So kritisiert Helmholtz ein Materialist. Dieser verwirft den hieroglyphischen oder symbolischen Materialismus oder Halbmaterialismus von Helmholtz im Namen des konsequenten Materialismus Feuerbachs.

Der Idealist Leclair (ein Vertreter der „immanenten Schule", von der Machs Kopf und Herz eingenommen ist) zeiht Helmholtz gleichfalls der Inkonsequenz und des Schwankens zwischen Materialismus und Spiritualismus („Der Realismus etc.", S. 154). Aber für Leclair ist die Theorie der Symbole nicht zu wenig materialistisch, sondern zu sehr materialistisch.

Helmholtz meint“ – schreibt Leclair –, „die Wahrnehmungen unseres Bewusstseins böten hinreichende Anhaltspunkte für die Erkenntnis der Zeitfolge, ferner der Gleichheit oder Verschiedenheit der transzendenten Ursachen. Das reiche (nach Helmholtz) hin für die Annahme und Erkenntnis einer gesetzlichen" Ordnung in der Transzendenz" (d. h. im Gebiete des Objektiv-Realen. L. – S. 33).

Gegen dieses „dogmatische Vorurteil Helmholtz'" donnert nun Leclair:

Berkeleys Gott“ – ruft er aus – „als hypothetische Ursache des naturgesetzlichen Ideenablaufes in unserem Geiste, ist mindestens ebenso sehr geeignet, unser Kausalitätsbedürfnis zu befriedigen, als eine Welt von Außendingen." (S. 34.) „Bei konsequenter Durchführung der Symboltheorie… kann (man) ohne ausgiebigen Zusatz von realismus vulgaris (d. h. Materialismus. L.) gar nichts ausrichten." (S. 35.)

So wurde Helmholtz im Jahre 1879 von einem „kritischen Idealisten" seines Materialismus wegen verdonnert. Zwanzig Jahre später widerlegte Machs belobter Schüler Kleinpeter, mit Hilfe der „neuesten" Philosophie Machs, folgendermaßen den „veralteten" Helmholtz in seinem Aufsatz: „Über Machs und Heinrich Hertz' prinzipielle Auffassung der Physik".V Lassen wir Hertz (der eigentlich ebenso inkonsequent war wie Helmholtz) beiseite und wenden wir uns Kleinpeters Vergleich zwischen Helmholtz und Mach zu. Indem Kleinpeter eine Reihe von Zitaten aus beiden Schriftstellern anführt, wobei er mit besonderer Betonung die bekannten Erklärungen Machs unterstreicht, dass die Körper die gedachten Symbole für Empfindungskomplexe usw. seien, sagt er:

Folgen wir dem Gedankengange v. Helmholtz', so stoßen wir auf folgende Grundannahmen:

1. Es gibt Gegenstände der Außenwelt.

2. Eine Veränderung derselben ist undenkbar ohne Einwirkung einer (real gedachten) Ursache.

3. ,Ursache ist seiner ursprünglichen Wortbedeutung nach das hinter dem Wechsel der Erscheinungen unveränderlich Bleibende oder Seiende, nämlich der Stoff und das Gesetz seines Wirkens, die Kraft.' (Zitat Kleinpeters aus Helmholtz.)

4. Es ist möglich, alle Erscheinungen aus den Ursachen logisch streng und eindeutig abzuleiten.

5. Die Erreichung dieses Zieles ist gleichbedeutend mit dem Besitze objektiver Wahrheit, deren Erlangung somit als denkbar erscheint." (S. 163.)

Aufgebracht über diese Annahmen, über das Widerspruchsvolle in ihnen, über die Schaffung unlösbarer Probleme, bemerkt Kleinpeter, dass Helmholtz diese Auffassung nicht streng durchführt, indem er manchmal Redewendungen gebraucht (wie Materie, Kraft, Ursache usw.), „die einigermaßen an die rein begriffliche Auffassung dieser Worte von Seiten Machs erinnern".

Nun, es ist nicht schwer, die Quelle desselben (des Unbehagens) mit Helmholtz aufzuspüren, wenn wir uns Machs so schöne und klare Worte vergegenwärtigen. Die falsche Auffassung der Worte Masse, Kraft usw. ist es, an der die ganze Ableitung v. Helmholtz' krankt. Das sind ja nur Begriffe, Gebilde unserer Phantasie, aber keine außerhalb des Denkens existierenden Realitäten. Wir sind ja gar nicht imstande, so etwas zu erkennen. Aus den Beobachtungen unserer Sinne sind wir wegen ihrer Unvollständigkeit überhaupt nicht imstande, auch nur einen eindeutigen Rückschluss zu ziehen. Niemals können wir behaupten, dass wir z. B. durch Ablesen einer Skala eine bestimmte Zahl gewinnen, stets sind ihrer – zwischen bestimmten Grenzen – unendlich viele vorhanden, die gleich gut mit dem Tatbestand der Beobachtung übereinstimmen. Und gar etwas außer uns liegendes Reales zu erkennen – dazu fehlt uns jede Möglichkeit. Gesetzt aber den Fall, es wäre möglich, und wir hätten Realitäten erkannt; dann dürften wir wieder nicht die Gesetze der Logik auf sie anwenden, die ja unsere Gesetze sind und nur auf unsere Begriffe, unsere {gesperrt überall von Kleinpeter. L.) Denkprodukte sich anwenden lassen. Zwischen Tatsachen gibt es keinen logischen Zusammenhang, sondern nur einfache Aufeinanderfolge; es sind da keine apodiktischen Urteile denkbar. Es ist also falsch, zu sagen, dass eine Tatsache die Ursache einer anderen ist, und damit fällt die ganze, auf diesem Begriffe aufgebaute Deduktion von H. v. Heimholtz. Unmöglich ist schließlich die Erreichung einer objektiven, d. h. unabhängig von jedem Subjekt bestehenden Wahrheit, nicht allein wegen der Beschaffenheit unserer Sinne, sondern weil wir als Menschen überhaupt niemals eine Ahnung davon erhalten können, was ganz unabhängig von uns existiert." (S. 164.)

Wie der Leser sieht, verwirft unser Machschüler, indem er die Lieblingsausdrücke seines Meisters sowie des seinen Machismus nicht zugebenden Bogdanow wiederholt, die ganze Helmholtzsche Philosophie in Bausch und Bogen, verwirft sie vom idealistischen Standpunkt aus. Die Theorie der Symbole wird von dem Idealisten, der sie für eine unwichtige und vielleicht zufällige Abweichung vom Materialismus hält, nicht einmal besonders hervorgehoben. Kleinpeter aber nimmt Helmholtz als einen Vertreter „der allgemein üblichen Anschauungsweise in der Physik", „an die sich noch heute ein großer Teil des physikalischen Publikums hält." (S. 160.)

Es ergibt sich, dass Plechanow bei der Darstellung des Materialismus zwar einen offenkundigen Fehler gemacht, dass aber Basarow die Sache gänzlich verwirrt hat, indem er Materialismus und Idealismus in einen Topf warf und der „Theorie der Symbole" oder dem „hieroglyphischen Materialismus" den idealistischen Unsinn gegenüberstellte, dass „die Sinnesvorstellung eben die außer uns existierende Wirklichkeit" sei. Von dem Kantianer Helmholtz ebenso wie von Kant selbst gingen die Materialisten nach links, die Machisten nach rechts.

7. Über zweierlei Kritik an Dühring

Wir wollen noch einen charakteristischen Zug bei der unglaublichen Verdrehung des Materialismus durch die Machisten hervorheben. Valentinow will die Marxisten schlagen, indem er sie mit Büchner vergleicht, der viel Ähnlichkeit mit Plechanow haben soll, obwohl Engels sich schroff von Büchner abgegrenzt hat. Bogdanow, der von einer anderen Seite an dieselbe Frage herantritt, tut, als nehme er den „Materialismus der Naturforscher", von dem man „verächtlich zu sprechen pflegt", in Schutz. („Empiriomonismus", Buch III, S. X.) Sowohl Valentinow wie Bogdanow werfen die Dinge heillos durcheinander. Marx und Engels haben über schlechte Sozialisten immer „verächtlich gesprochen", daraus folgt aber, dass ihrem Geiste der richtige, wissenschaftliche Sozialismus entspricht und nicht das Hinübersegeln vom Sozialismus zu bürgerlichen Anschauungen. Marx und Engels haben stets den schlechten (und hauptsächlich den antidialektischen) Materialismus verurteilt, aber sie verurteilten ihn vom Standpunkt des höheren, entwickelteren, dialektischen Materialismus aus und nicht vom Standpunkt des Humeismus oder Berkeleyanismus. Marx, Engels und Dietzgen haben über die schlechten Materialisten gesprochen, weil sie mit ihnen rechneten und ihre Fehler verbessern wollten, aber über die Humeisten und Berkeleyaner, über Mach und Avenarius hätten sie nicht einmal gesprochen, sie würden sich da mit einer einzigen, womöglich noch verächtlicheren Bemerkung über ihre ganze Richtung begnügt haben. Deshalb bedeuten die hämischen Gesten unserer Machisten und ihre Grimassen über Holbach u. Co., Büchner u. Co. usw. lediglich und ausschließlich ein Sand-in-die-Augen-Streuen gegenüber dem Publikum, eine Verschleierung des Abweichens des ganzen Machismus von den Grundlagen des Materialismus überhaupt, es ist die Furcht, sich direkt und eindeutig mit Engels auseinanderzusetzen.

Klarer jedoch als Engels sich am Ende des zweiten Kapitels seines „Ludwig Feuerbach" über den französischen Materialismus des XVIII. Jahrhunderts und über Büchner, Vogt und Moleschott geäußert hat, könnte man sich schwerlich ausdrücken. Es ist unmöglich, Engels misszuverstehen, wenn man ihn nicht entstellen will. Wir sind mit Marx Materialisten, sagt Engels in diesem Kapitel, in dem er den grundlegenden Unterschied aller Schulen des Materialismus zum ganzen Lager der Idealisten, zu allen Kantianern und Humeisten überhaupt klarlegt. Und Engels macht Feuerbach einen gewissen Kleinmut zum Vorwurf, einen Leichtsinn, der seinen Ausdruck darin fand, dass er sich hier und da vom Materialismus überhaupt lossagte wegen der Irrtümer dieser oder jener Schule von Materialisten. Feuerbach „durfte“ – sagt Engels – „die Lehre der Reiseprediger (Büchner u. Co.) nicht verwechseln mit dem Materialismus überhaupt" (S. 21). Nur Köpfe, die dadurch verdreht wurden, dass sie die Lehren der deutschen reaktionären Professoren gelesen und sie auf Treu und Glauben hingenommen haben, konnten den Charakter solcher Vorwürfe von Engels an die Adresse Feuerbachs missverstehen.

Engels sagt mit aller wünschenswerten Klarheit, dass Büchner u. Co. „in keiner Weise über die Schranke ihrer Lehrer hinauskamen", d. h. der Materialisten des XVIII. Jahrhunderts, dass sie nicht einen Schritt vorwärts gemacht haben. Dafür und nur dafür macht Engels Büchner u. Co. Vorwürfe, nicht für ihren Materialismus, wie das die Ignoranten meinen, sondern dafür, dass sie den Materialismus nicht voranbrachten – „es lag ganz außerhalb ihres Geschäftes, die Theorie (des Materialismus) weiterzuentwickeln" (S. 21). Nur deswegen tadelt Engels Büchner u. Co. Und ebenda zählt Engels Punkt für Punkt die drei hauptsächlichsten „Beschränktheiten" der französischen Materialisten des XVIII. Jahrhunderts auf, die er und Marx überwunden haben, von denen aber Büchner u. Co. sich nicht losmachen konnten. Die erste Beschränktheit: die Auffassung der alten Materialisten war vorwiegend „mechanisch" in dem Sinne, dass sie ausschließlich den „Maßstab der Mechanik auf Vorgänge, die chemischer und organischer Natur sind", angewandt haben (S. 19). Wir werden im nächsten Kapitel sehen, wie das Missverstehen dieser Worte von Engels dazu geführt hat, dass sich gewisse Leute über die neue Physik in den Idealismus verirrten. Engels verwirft den mechanischen Materialismus nicht etwa aus dem Grunde, aus welchem ihn die Physiker der „neuen", idealistischen (alias machistischen) Richtung verwerfen. Die zweite Beschränktheit: die metaphysische Auffassung der alten Materialisten im Sinne einer „antidialektischen Weise ihres Philosophierens". Diese Beschränktheit teilen mit Büchner u. Co. unsere Machisten ganz und gar, die, wie wir gesehen haben, von Engels' Anwendung der Dialektik auf die Erkenntnistheorie (absolute und relative Wahrheit zum Beispiel) rein gar nichts verstanden haben. Die dritte Beschränktheit: die Beibehaltung des Idealismus „oben", auf dem Gebiete der Gesellschaftswissenschaft, das Nichtbegreifen des historischen Materialismus.

Nachdem Engels diese drei „Beschränktheiten" aufgezählt und mit einer die Frage erschöpfenden Klarheit erläutert hat, fügt er gleich darauf hinzu: „über diese Schranke" kamen die Büchner u. Co. nicht hinaus.

Ausschließlich dieser drei Dinge wegen, ausschließlich in diesen Grenzen lehnt Engels den Materialismus des XVIII. Jahrhunderts sowie die Lehre der Büchner u. Co. Ab! In allen übrigen Fragen, die mehr zum ABC des Materialismus gehören (die von den Machisten entstellt wurden), gibt es zwischen Marx und Engels einerseits und all diesen alten Materialisten andererseits keinen Unterschied und kann es auch keinen geben. Die Konfusion in diese durchaus klare Frage haben ausschließlich die russischen Machisten hineingetragen, denn für ihre westeuropäischen Lehrer und Gesinnungsgenossen ist die radikale Divergenz zwischen der Linie von Mach u. Co. und der Linie der Materialisten überhaupt ganz offensichtlich. Unsere Machisten brauchten die Verwirrung der Frage, um ihren Bruch mit dem Marxismus und ihren Übertritt ins Lager der bürgerlichen Philosophie als „kleine Korrekturen" am Marxismus hinzustellen!

Nehmen wir Dühring. Es ist schwer, sich Äußerungen vorzustellen, die verächtlicher wären als die von Engels über Dühring. Sehen wir aber, wie Leclair denselben Dühring zu gleicher Zeit wie Engels kritisierte, indem er die „revolutionierende Philosophie" Machs pries. Für Leclair ist Dühring die „äußerste Linke" des Materialismus, wo „ohne Hehl die Empfindung sowie überhaupt jede Bewusstseins- und Intelligenzbetätigung als Sekretion, Funktion, höchste Blüte, Gesamteffekt und dergleichen des animalischen Organismus gilt". („Der Realismus usw.", S. 23 u. 24.)

Hat Engels Dühring deswegen kritisiert? Nein. Darin stimmte er mit Dühring wie mit jedem anderen Materialisten vollständig überein. Er kritisierte Dühring von dem diametral entgegengesetzten Standpunkt aus, wegen des inkonsequenten Materialismus, wegen der idealistischen Schrullen, die dem Fideismus ein Hintertürchen offenlassen.

Die Natur selbst arbeitet in den vorstellenden Wesen und auch von außen her daran, durch eine gesetzmäßige Hervorbringung von zusammenhängenden Anschauungen die erforderliche Kenntnis vom Laufe der Dinge zu vermitteln."

Diese Worte Dührings zitiert Leclair und attackiert wütend den Materialismus eines solchen Standpunktes, die „gröbste Metaphysik" dieses Materialismus, die „Selbsttäuschung" usw. usf. (S. 159–163.)

Hat Engels deswegen Dühring kritisiert? Nein. Er verspottete jede Schwülstigkeit, aber in der Anerkennung der objektiven Gesetzmäßigkeit der Natur, die sich im Bewusstsein widerspiegelt, stimmte Engels vollständig mit Dühring überein, wie mit jedem anderen Materialisten.

Das Denken ist eine höhere, darum aber auch speziellere Artung der sonstigen Wirklichkeit…" „Die Selbständigkeit und Unterschiedenheit der dinglich wirklichen Welt von der Gruppe der Bewusstseinsgestaltungen ist eine Grundeinsicht."

Diese Worte Dührings zitiert Leclair zusammen mit einer Reihe Angriffe Dührings gegen Kant usw. und beschuldigt ihn deswegen der „Metaphysik" (S. 218–222), der Anerkennung eines „metaphysischen Dogmas" und dergleichen.

Hat Engels Dühring deswegen kritisiert? Nein. Darin, dass die Welt unabhängig von dem Bewusstsein existiert, und dass jedes Abweichen der Kantianer, der Humeisten, der Berkeleyaner usw. von dieser Wahrheit falsch ist, darin stimmte Engels mit Dühring wie mit jedem andern Materialisten vollkommen überein. Hätte Engels gesehen, von welcher Seite her Leclair, Arm in Arm mit Mach, an die Kritik Dührings herangeht, er würde diese beiden philosophischen Reaktionäre mit hundertmal verächtlicheren Ausdrücken belegt haben als den Dühring! Für Leclair war Dühring die Verkörperung des verderblichen Realismus und Materialismus (vgl. noch „Beiträge zu einer monistischen Erkenntnistheorie", 1882, S. 45), – W. Schuppe, der Lehrer und Mitkämpfer von Mach, beschuldigte Dühring 1878 des „Traumrealismus"W als Rache für den Ausdruck „Traumidealismus", den Dühring gegen alle Idealisten in Umlauf gesetzt hatte. Gerade umgekehrt für Engels: Dühring als Materialist war ihm nicht genug folgerichtig, klar und konsequent.

Sowohl Marx und Engels als auch J. Dietzgen betraten die philosophische Arena zu einer Zeit, als bei den fortschrittlichen Intellektuellen im Allgemeinen und in den Arbeiterkreisen im Besonderen der Materialismus vorherrschte. Es ist daher ganz natürlich, dass Marx und Engels ihr ganzes Augenmerk nicht auf die Wiederholung des Alten richteten, sondern auf eine ernsthafte theoretische Entwicklung des Materialismus, auf seine Anwendung auf die Geschichte, d. h. auf die Vollendung des Gebäudes der materialistischen Philosophie bis oben. Es ist ganz natürlich, dass sie sich auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie darauf beschränkten, die Irrtümer Feuerbachs zu korrigieren, die Trivialitäten des Materialisten Dühring zu verlachen, die Fehler Büchners zu kritisieren (siehe bei Jos. Dietzgen) und das zu unterstreichen, was diesen in den Arbeiterkreisen am meisten verbreiteten und populären Schriftstellern besonders fehlte, nämlich die Dialektik. Um die ABC-Wahrheiten des Materialismus, die die Hausierer in Dutzenden von Auflagen in die Welt hinausschrien, machten sich Marx, Engels und J. Dietzgen keine Sorge; sie richteten ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, dass diese ABC-Wahrheiten nicht vulgarisiert, nicht zu sehr vereinfacht werden, nicht zu einer Gedankenstagnation führen („Materialismus unten, Idealismus oben"), nicht dazu, dass die wertvolle Frucht der idealistischen Systeme, die Hegelsche Dialektik, vergessen wird – diese echte Perle, die die Hähne Büchner, Dühring u. Co. (samt Leclair, Mach, Avenarius usw.) aus dem Misthaufen des absoluten Idealismus nicht auszusondern vermochten.

Vergegenwärtigt man sich einigermaßen konkret diese geschichtlichen Bedingungen der philosophischen Arbeiten von Engels und J. Dietzgen, so wird ganz klar, warum sie sich von der Vulgarisierung der ABC-Wahrheiten des Materialismus mehr abgegrenzt, als diese Wahrheiten selbst verteidigt haben. Marx und Engels haben sich ja auch von der Vulgarisierung der Grundforderungen der politischen Demokratie mehr abgegrenzt, als diese Forderungen selbst verteidigt.

Nur die Schüler der philosophischen Reaktionäre konnten diesen Umstand „übersehen" und den Lesern die Sache so darstellen, als ob Marx und Engels nicht verstanden hätten, was es heißt, Materialist zu sein.

8. Wie konnten die reaktionären Philosophen an J. Dietzgen Gefallen finden?

Das oben angeführte Beispiel mit Hellfond enthält bereits die Beantwortung dieser Frage. Wir wollen die unzähligen Fälle, in denen unsere Machisten nach Hellfondscher Art mit J. Dietzgen umspringen, nicht weiter verfolgen. Zweckmäßiger dürfte es sein, eine Reihe von Betrachtungen J. Dietzgens selbst anzuführen, um seine schwachen Seiten aufzuzeigen:

Denken“ – sagt Dietzgen – „ist eine Funktion des Gehirns" … „Denken ist ein Produkt des Gehirns … Mein Schreibtisch als Inhalt meines Gedankens ist eins mit diesem Gedanken, unterscheidet sich nicht von demselben. Jedoch der Schreibtisch außerhalb des Kopfes ist sein durchaus von ihm verschiedener Gegenstand." („Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit", 1903, S. 52 u. 53.)

Diese völlig klaren materialistischen Sätze ergänzt jedoch Dietzgen durch einen Satz wie diesen:

Gleichwohl ist doch auch die unsinnliche Vorstellung sinnlich, materiell, d. h. wirklich… der Geist ist nicht, weiter vom Tisch, vom Licht, vom Ton verschieden, wie diese Dinge untereinander verschieden sind." (S. 54.)

Das ist offensichtlich falsch. Richtig ist, dass sowohl der Gedanke als auch die Materie „wirklich" sind, d. h. existieren. Einen Gedanken aber als materiell bezeichnen, heißt einen falschen Schritt zur Vermengung von Materialismus und Idealismus machen. Im Grunde ist es eher eine Ungenauigkeit des Ausdrucks bei Dietzgen, der an einer anderen Stelle richtig sagt:

Geist und Materie haben wenigstens das gemeinschaftlich, dass sie sind." (S. 80.) „Denken“ – sagt Dietzgen – „ist eine leibliche Arbeit … Zum Denken bedarf ich einen Stoff, der sich denken lässt. Dieser Stoff ist gegeben in den Erscheinungen der Natur und des Lebens … Die Materie ist die Schranke des Geistes; er kann nicht über sie hinaus … Geist ist ein Produkt der Materie, die Materie jedoch ist mehr als ein Produkt des Geistes …" (S. 64.)

Die Machisten vermeiden es, solche materialistische Betrachtungen des Materialisten J. Dietzgen zu analysieren! Sie ziehen es vor, sich an die Ungenauigkeiten und an das Durcheinander bei Dietzgen zu klammern. So sagt er z. B., dass die Naturforscher „Idealisten nur außerhalb ihres Faches sein können". (S. 108.) Ob dem so ist und warum, darüber schweigen die Machisten. Dagegen gibt Dietzgen eine Seite vorher „die positive Seite des modernen Idealismus" (S. 106) und das „Unzureichende des materialistischen Prinzips" zu, was den Machisten Freude bereiten muss! Dietzgens unrichtig ausgedrückter Gedanke besteht darin, dass auch der Unterschied von Materie und Geist relativ ist, nicht überschwänglich. (S. 107.) Das ist richtig. Daraus folgt aber nicht, dass der Materialismus überhaupt unzureichend sei, sondern nur die Unzulänglichkeit des metaphysischen, antidialektischen Materialismus.

Profane, wahrhaftige Wahrheit gründet sich nicht auf eine Person. Sie hat ihre Gründe außerhalb (d. h. außerhalb der Person. L.) in ihrem Material, sie ist eine objektive … Wir nennen uns Materialisten… Philosophische Materialisten kennzeichnen sich dadurch, dass sie die leibhaftige Welt an den Anfang, an die Spitze, und die Idee oder den Geist als Folge setzen, während die Gegner nach religiöser Art die Sache vom Wort…, die materielle Welt von der Idee ableiten." (Kleinere philosophische Schriften, 1903, S. 59 u. 62.)

Diese Anerkennung der objektiven Wahrheit und die Wiederholung der Engelsschen Definition des Materialismus übergehen die Machisten. Nun aber sagt Dietzgen:

Wir dürfen uns ebenso füglich auch Idealisten nennen, weil unser System auf dem Gesamtresultat der Philosophie fußt, auf der wissenschaftlichen Erforschung der Idee, auf der klaren Einsicht in die Natur des Geistes." (S. 63.)

Es ist gewiss nicht schwer, sich an die offensichtlich falsche Phrase zu klammern, um den Materialismus zu verleugnen. In Wirklichkeit ist bei Dietzgen mehr die Formulierung als der Grundgedanke falsch, der auf den Hinweis hinausläuft, dass der alte Materialismus es nicht verstanden habe, die Ideen wissenschaftlich (mit Hilfe des historischen Materialismus) zu erforschen.

Hier die Betrachtung Dietzgens über den alten Materialismus:

Wie das Verständnis der Ökonomie, so ist auch unser Materialismus eine wissenschaftliche, eine historische Errungenschaft. Wie wir uns scharf unterscheiden von den Sozialisten der Vergangenheit, so auch von den ehemaligen Materialisten. Mit den letzteren haben wir nur gemein, die Materie als Voraussetzung oder Urgrund der Idee zu erkennen." (S. 140.)

Dieses „nur" ist sehr charakteristisch! Es schließt in sich alle erkenntnistheoretischen Grundlagen des Materialismus zum Unterschied vom Agnostizismus, Machismus, Idealismus. Doch ist das Augenmerk Dietzgens darauf gerichtet, sich von dem vulgären Materialismus abzugrenzen.

Dagegen folgt etwas weiter unten eine Stelle, die direkt falsch ist:

Der Begriff der Materie ist weiter zu fassen. Es gehören dazu alle Erscheinungen der Wirklichkeit, auch unser Begriffs- oder Erklärungsvermögen." (S. 141.)

Das ist eine Konfusion, die nur geeignet ist, unter dem Schein, den Materialismus „weiter zu fassen", Materialismus und Idealismus zu vermengen. Sich an ein derartiges „Weiterfassen" klammern wollen, heißt die Grundlage der Philosophie Dietzgens, nämlich die Anerkennung der Materie als des Primären, als „Schranke des Geistes" vergessen. Einige Zeilen weiter verbessert sich Dietzgen eigentlich selbst:

Das Ganze regiert den Teil, die Materie den Geist… In diesem Sinne mögen wir die materielle Welt als erste Ursache, als Schöpfer des Himmels und der Erde lieben und ehren." (S. 142.)

Dass man in den Begriff der Materie auch die Gedanken aufzunehmen habe, wie es Dietzgen in den „Streifzügen" (S. 214) wiederholt, ist Konfusion, denn dadurch verliert die erkenntnistheoretische Gegenüberstellung von Materie und Geist, von Materialismus und Idealismus ihren Sinn, eine Gegenüberstellung, auf der Dietzgen selbst beharrt. Dass diese Gegenüberstellung nicht „überschwänglich", nicht übertrieben, nicht metaphysisch sein darf, ist unbestreitbar (und das große Verdienst des dialektischen Materialisten Dietzgen besteht darin, dass er dies betont). Die Grenzen der absoluten Notwendigkeit und absoluten Wahrhaftigkeit dieser relativen Gegenüberstellung sind eben jene Grenzen, die die Richtung der erkenntnistheoretischen Forschungen bestimmen. Außerhalb dieser Grenzen mit der Gegensätzlichkeit von Materie und Geist, von Physischem und Psychischem als mit einer absoluten Gegensätzlichkeit zu operieren, wäre ein großer Fehler. / Im Unterschied zu Engels drückt Dietzgen seine Gedanken verschwommen, unklar, breiig aus. Indes, von den Mängeln der Darstellung und einzelnen Irrtümern abgesehen, kämpft er doch nicht umsonst für die „materialistische Erkenntnistheorie" (S. 222 und 271), für den „dialektischen Materialismus". (S. 224.)

Darauf läuft denn die materialistische Erkenntnistheorie hinaus, zu konstatieren, dass das menschliche Erkenntnisorgan keine metaphysische Erleuchtung ausstrahlt, sondern ein Naturstück ist, welches andere Naturstücke konterfeit." (S. 222 u. 223.)

Unser Erkenntnisvermögen ist keine übernatürliche Wahrheitsquelle, sondern ein spiegelartiges Instrument, welches die Dinge der Welt oder die Natur reflektiert." (S. 243.)

Unsere tiefsinnigen Machisten sparen sich die Analyse jeder einzelnen These der materialistischen Erkenntnistheorie J. Dietzgens, sie klammern sich an dessen Abweichung davon, an die Unklarheiten und Verworrenheiten. Die reaktionären Philosophen konnten darum an J. Dietzgen Gefallen finden, weil er hier und da konfus ist. Wo Konfusion ist, da sind auch die Machisten, das ist selbstverständlich.

Marx schrieb an Kugelmann am 5. Dezember 1868:

Vor ziemlich langer Zeit schickte er (Dietzgen) mir das Bruchstück eines Manuskripts über das ,Denkvermögen', was trotz einer gewissen Konfusion und zu häufiger Wiederholung viel Vorzügliches und – als selbständiges Produkt eines Arbeiters – selbst Bewundernswertes enthält."3

Herr Valentinow zitiert diese Äußerung von Marx, aber es fällt ihm nicht ein, sich zu fragen, worin denn Marx die Konfusion bei J. Dietzgen sah: ob in dem, was Dietzgen Mach annähert, oder in dem, was Dietzgen zu Mach in Gegensatz bringt. Herr Valentinow hat diese Frage nicht gestellt, denn er hat sowohl Dietzgen als auch die Briefe von Marx nach Art von Gogols Petruschka gelesen. Es ist aber nicht schwer, die Antwort auf diese Frage zu finden. Marx bezeichnete seine Weltanschauung wiederholt als „dialektischen Materialismus", und Engels' „Anti-Dühring", den Marx vollständig im Manuskript gelesen hat, setzt eben diese Weltanschauung auseinander. Daraus hätten sogar die Herren Valentinow kombinieren können, dass die Konfusion J. Dietzgens nur in seinen Abweichungen von der konsequenten Anwendung der Dialektik, vom konsequenten Materialismus, im besonderen vom „Anti-Dühring" bestehen konnte.

Ob nun jetzt Herr Valentinow und Kompanie nicht erraten, dass Marx bei Dietzgen nur das als Konfusion bezeichnen konnte, was Dietzgen Mach nahebringt, der von Kant nicht zum Materialismus, sondern zu Berkeley und Hume ging? Oder hat etwa der Materialist Marx gerade Dietzgens materialistische Erkenntnistheorie als Konfusion bezeichnet, hingegen seine Abweichungen vom Materialismus gebilligt? Das gebilligt, was mit dem unter seiner Mitwirkung geschriebenen „Anti-Dühring" nicht übereinstimmt?

Wem wollen unsere Machisten, die als Marxisten gelten wollen und dabei aller Welt verkünden, dass „ihr" Mach den Dietzgen gebilligt habe, etwas weismachen? Unsere Helden kapierten nicht, dass Mach an Dietzgen nur das billigen konnte, um dessentwillen Marx ihn konfus nannte!

Bei einer Gesamtwertung verdient J. Dietzgen alles in allem keine so scharfe Verurteilung. Er ist zu neun Zehnteln Materialist, der niemals auf Originalität oder auf eine besondere, vom Materialismus sich unterscheidende Philosophie Anspruch erhob. Von Marx sprach Dietzgen oft und niemals anders als von dem Wortführer der Richtung („Kleinere philosophische Schriften", S. 4, – Äußerung vom Jahre 1873; auf Seite 95 – vom Jahre 1876 – wird betont, dass Marx und Engels die „nötige philosophische Schule besaßen"; Seite 181 – vom Jahre 1886 – spricht er von Marx und Engels als den „anerkannten Stiftern" der Richtung). Dietzgen war Marxist, und Eugen Dietzgen und – leider – auch Genosse P. Dauge, die einen „Naturmonismus", einen „Dietzgenismus" u. dergl. erdichten, erweisen ihm einen Bärendienst. Der „Dietzgenismus" im Unterschied zum dialektischen Materialismus ist eine Konfusion, ist ein Schritt zur reaktionären Philosophie, ist der Versuch, eine Richtung zu schaffen, und zwar nicht aus dem, was an Joseph Dietzgen groß ist (in diesem Arbeiterphilosophen, der den dialektischen Materialismus auf seine Weise entdeckt hat, steckt viel Großes!), sondern aus dem, was an Dietzgen schwach ist!

Ich beschränke mich auf zwei Beispiele, um zu zeigen, wie Genosse P. Dauge und Eugen Dietzgen auf die abschüssige Bahn der reaktionären Philosophie gleiten. P. Dauge schreibt in der zweiten4 Auflage des „Akquisit", S. 273: „Selbst die bürgerliche Kritik weist auf die Verwandtschaft Dietzgens mit dem Empiriokritizismus und der immanenten Philosophie hin"; und weiter unten: „besonders mit Leclair" (im Zitat aus der „bürgerlichen Kritik).

Dass P. Dauge J. Dietzgen schätzt und achtet, ist unzweifelhaft. Ebenso unzweifelhaft ist aber auch, dass er J. Dietzgen schändet, indem er ohne Protest die Äußerung des bürgerlichen Federfuchsers zitiert, der den entschiedensten Feind des Fideismus und der Professoren, der „diplomierten Lakaien" der Bourgeoisie, mit dem offenen Prediger des Fideismus und Erzreaktionär Leclair in eine Reihe stellt. Es ist möglich, dass Dauge nur eine fremde Äußerung über die Immanenzphilosophen und Leclair wiedergegeben hat, ohne die Schriften dieser Reaktionäre selbst zu kennen. Doch mag ihm dies zur Warnung dienen: der Weg von Marx zu den Besonderheiten Dietzgens – zu Mach – zu den Immanenten – ist der Weg in den Sumpf. Nicht nur die Annäherung an Leclair, auch die Annäherung an Mach streicht den Wirrkopf Dietzgen im Unterschied zu dem Materialisten Dietzgen heraus.

Ich übernehme die Verteidigung J. Dietzgens gegen P. Dauge. Ich behaupte, dass J. Dietzgen eine solche Schmach, wie den Vergleich mit Leclair, nicht verdient hat. Und ich kann mich auf einen Zeugen berufen, der in dieser Frage die größte Autorität hat: auf einen ebensolchen reaktionären Philosophen, Fideisten und „Immanenzler", wie Leclair, nämlich auf Schubert-Soldern. Im Jahre 1896 schrieb er:

Die Sozialdemokraten lehnen sich gern an Hegel an mit mehr oder weniger (in der Regel wenig) Berechtigung, nur wird die Hegelsche Philosophie dann materialisiert; vgl. J. Dietzgen (Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet der Erkenntnistheorie, 1887, Sozialdemokratische Bibliothek). Bei Dietzgen wird das Absolute zum Universum und dieses zum Ding an sich, zum absoluten Subjekt, dessen Erscheinungen seine Prädikate sind. Dass er damit ein reines Abstraktum zur Grundlage des konkreten Prozesses macht, sieht er natürlich ebenso wenig wie Hegel … Hegel, Darwin, Haeckel und der naturwissenschaftliche Materialismus ballen sich oft chaotisch bei ihm zusammen." („Soziale Frage", S. XXXIII.)

Schubert-Soldern kennt sich besser in philosophischen Nuancen aus als Mach, der alle lobt, wen man nur will, auch den Kantianer Jerusalem.

Eugen Dietzgen war naiv genug, sich beim deutschen Publikum darüber zu beklagen, dass die Engmaterialisten in Russland J. Dietzgen „beleidigt" hätten, und er ließ die Aufsätze von Plechanow und Dauge über J. Dietzgen ins Deutsche übersetzen (siehe J. Dietzgen, „Erkenntnis und Wahrheit", Stuttgart 1908, Anhang). Die Anklage des armen „Naturmonisten" fiel auf ihn selbst zurück; Franz Mehring, der von Philosophie und von Marxismus etwas, versteht, schrieb in seiner Rezension, dass Plechanow im wesentlichen gegen Dauge im Recht sei. („Neue Zeit", Jahrgang 26, II, 1908, Nr. 38, 19. Juni, Feuilleton, S. 432.) Dass J. Dietzgen dort, wo er von Marx und Engels abweicht, in die Brüche geriet, das unterliegt für Mehring keinem Zweifel. Eugen Dietzgen antwortete Mehring in einer langen und weinerlichen Notiz, in der er sich zu der Behauptung verstieg, dass. J. Dietzgen nützlich sein könne, um „die feindlichen Brüder der Orthodoxen und Revisionisten zu vereinen". („Neue Zeit", 1908.. Nr. 44, 31. Juli, S. 652.)

Noch eine Warnung, Genosse Dauge! Der Weg von Marx zum „Dietzgenismus" und „Machismus" ist ein Weg in den Sumpf,. natürlich nicht für Einzelpersonen, nicht für Iwan, Isidor, Paul, sondern für die Richtung.

Und nun, meine Herren Machisten, schreien Sie nicht, dass ich mich auf „Autoritäten" berufe: Ihr Geschrei gegen die Autoritäten soll ja nur verdecken, dass Sie die sozialistischen Autoritäten (Marx, Engels, Lafargue, Mehring, Kautsky) gegen die bürgerlichen Autoritäten (Mach, Petzoldt, Avenarius, die Immanenzler) vertauschen. Hätten Sie doch die Frage der „Autoritäten" und des „Autoritarismus" lieber gar nicht aufgerollt!

A „Geschichte der neueren Philosophie" von Kuno Fischer, Bd. V, Heidelberg, S. 115.

B Johannes Rehmke: „Die Welt als Wahrnehmung und Begriff", Berlin 1880, S. 9.

C Albrecht Rau: „Ludwig Feuerbachs Philosophie, die Naturforschung und die philosophische Kritik der Gegenwart", Leipzig 1882, S. 87–89.

1 Die „Werke“ schreiben „Pyrrhon

D Paul Lafargue: „Le materialisme de Marx et l'idealisme de Kant" in „Le Socialiste", 25. Februar 1900.

E „Bibliotheque du congrès international de la philosophie", Bd. IV. Henri Delacroix: „David Hume et la philosophie critique". Der Verfasser zählt zu Humes Anhängern Avenarius und die Immanenzphilosophen in Deutschland, Ch. Renouvier und seine Schule (neocriticistes) in Frankreich.

FVierteljahresschrift für wissenschaftl. Phil.", 18. Jahrg. 1894, S. 29 (abgedruckt auch in „Der menschliche Weltbegriff", 3. Aufl., Leipzig 1912, S. 174. Die Redaktion).

G „Vierteljahrsschrift für wissenschaftl. Phil.", 18. Jahrg. 1894, S. 29; Willys Aufsatz gegen Schuppe findet man auch in dieser Nummer.

H Dr. Richard von Schubert-Soldern, „Über Transzendenz des Objekts und Subjekts“, 1882, S. 37 und § 5. Vgl. desselben „Grundlagen einer Erkenntnistheorie“, 1884, S. 3.

IVierteljahresschrift für wissenschaftl. Phil.", 17. Jahrg. 1893, S. 384 (abgedruckt auch in „Der menschliche Weltbegriff", 3. Aufl., Leipzig 1912, S. 167. Die Redaktion).

J Dr. Richard v. Schubert-Soldern: „Das menschliche Glück und die soziale Frage", 1896, S. V u. VI.

KZeitschrift für immanente Philosophie", Berlin 1896, Bd. I, S. 6 u. 9.

L „Die Realisten in der modernen Philosophie – einige Vertreter der Immanenzschule, die aus dem Kantianismus hervorgegangen ist, die Schule von Mach-Avenarius und viele ihnen verwandte Strömungen – finden, dass absolut kein Grund vorhanden ist, den Ausgangspunkt des naiven Realismus abzulehnen." („Beiträge …", S. 26.)

M „Beiträge zu einer monistischen Erkenntnistheorie", Breslau 1882, S. 10.

N Wilhelm Schuppe: „Die immanente Philosophie und Wilhelm Wundt", „Zeitschrift für imman. Philosophie", Bd. II, S. 195.

O Dr. Schubert-Soldern: „Grundlagen einer Erkenntnistheorie", Leipzig 1884, S. 31 sowie das ganze Kapitel II: „Die Metaphysik der Naturwissenschaft".

2 Es handelt sich um Bogdanows Vorwort zur russischen Übersetzung der „Analyse der Empfindungen". Die Red.

P Die äußeren Objekte existieren nicht an sich, sondern nur in unserem Verstand.

Q William Kingdom Clifford: „Lectures and Essays", 3. rd. ed., London 1901, vol. II, p. 55, 65, 69: „Ich bin für Berkeley gegen Spencer", p. 58; „Das Objekt ist eine Reihe von Veränderungen in meinem Bewusstsein, nicht aber etwas außerhalb desselben", p. 52.

R „The Monist", vol. XVI, 1906, July, P. Carus: „Professor Machs Philosophy", p. 320, 333, 345. Es ist eine Antwort auf den in der gleichen Zeitschrift erschienenen Aufsatz Kleinpeters.

S Ebenda, Bd. 13, S. 24. Der Artikel von Carus: „Theology as a science".

T „Vorträge und Reden" von Hermann v. Helmholtz, Braunschweig 1896, Bd. II, S. 222.

U Albrecht Rau: „Empfinden und Denken", Gießen 1896, S. 304.

VArchiv für systematische Philosophie", Bd. V, 1899. S. 163 u. 164.

W Dr. Wilhelm Schuppe: „Erkenntnistheoretische Logik", Bonn 1878, S. 56.

3 Siehe Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 32, Berlin 1965, S. 579.

4 Es handelt sich um das von P. Dauge unter dem Titel: „Jos. Dietzgen und sein Kritiker G. Plechanow" verfasste Nachwort zur zweiten russischen Auflage des „Aquisit der Philosophie". Die Red.

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