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Wladimir I. Lenin 19191229 Die Wahlen in die Konstituierende Versammlung und die Diktatur des Proletariats

Wladimir I. Lenin: Die Wahlen in die Konstituierende Versammlung und die

Diktatur des Proletariats

(29. Dezember 1919)

[Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6. Das Revolutionsjahr 1917. Zürich 1934, S. 472-496]

Der Almanach der Sozialrevolutionäre, betitelt „Ein Jahr russische Revolution. 1917-1918“ (Moskau, 1918, Verlag „Semlja i Wolja“) enthält einen außerordentlich interessanten Artikel aus der Feder N. W. Swjatizkis: „Die Ergebnisse der Wahlen in die gesamtrussische Konstituierende Versammlung (Vorwort)“. Der Verfasser bringt ziffernmäßige Angaben über 54 Wahlkreise aus der Gesamtzahl von 79 Wahlkreisen.

Die Untersuchungen des Verfassers umfassen fast alle Gouvernements des Europäischen Russlands und Sibiriens. Nicht mit einbegriffen sind die Gouvernements Olonez, Estland, Kaluga, Bessarabien, Podolien, Orenburg, Jakutien und das Dongebiet.

Wir wollen zunächst die von Swjatizki veröffentlichten Hauptergebnisse anführen und dann die aus diesen Angaben abzuleitenden Schlussfolgerungen erörtern.

I

In 54 Wahlkreisen wurden im November 1917 insgesamt 36.262.560 Stimmen abgegeben. Der Verfasser nennt die Ziffer 36.257.960, verteilt über 7 Gebiete (einschließlich Heer und Flotte), jedoch die Endsumme der von ihm nach den einzelnen Parteien angeführten Ziffern ergibt eben die von mir genannte Zahl.

Auf die Parteien teilt sich die Stimmenzahl folgendermaßen auf: die russischen Sozialrevolutionäre erhielten 16,5 Millionen Stimmen; zählen wir auch die Sozialrevolutionäre anderer Nationalität hinzu (die Ukrainer, die Muselmänner u. a.), so sind es 20,9 Millionen, d. h. 58 Prozent.

Für die Menschewiki wurden 668.064 Stimmen abgegeben; rechnet man die analogen Gruppen der „Volkssozialisten “ (312.000), des „Jedinstwo “ (25.000), der Genossenschaften (51.000), der ukrainischen Sozialdemokraten (95.000), der ukrainischen Sozialisten (507.000), der deutschen Sozialisten (44.000) und der finnischen Sozialisten (14.000) mit ein, so ergibt sich die Summe von 1,7 Millionen.

Die Bolschewiki erhielten 9.023.963 Stimmen

Die Kadetten erhielten 1.856.639 Stimmen. Fügen wir den „Verband der Landeigentümer und Grundbesitzer“ (215.000), die „rechtsstehenden Gruppen“ (292.000), die Altgläubigen (73.000), die Nationalisten: Juden (550.000), Muselmänner (576.000), Baschkiren (195.000), Letten (67.000), Polen (155.000), Kosaken (97.000), Deutsche (130.000), Weißrussen (12.000), sowie die „Wahllisten verschiedener Gruppen und Organisationen“ (418.000) hinzu, so erhalten wir die Endsumme von 4,6 Millionen Stimmen für die Parteien der Grundbesitzer und der Bourgeoisie.

Bekanntlich sind die Sozialrevolutionäre und die Menschewiki während der ganzen Revolutionsperiode vom Februar bis zum Oktober 1917 als Block vorgegangen. Ferner hat die ganze Entwicklung der Ereignisse sowohl während dieser Zeit als auch nachher klar bewiesen, dass diese beiden Parteien zusammen die kleinbürgerliche Demokratie vorstellen, die sich ebenso fälschlich als sozialistisch bezeichnet, wie sämtliche Parteien der II. Internationale es tun.

Ziehen wir die Ergebnisse der Wahlen zur Konstituierenden Versammlung in drei Hauptgruppen zusammen, so erhalten wir das folgende Resultat:

Partei des Proletariats (Bolschewiki) 9,02 Millionen = 25 Proz.

Partei der kleinbürgerlichen Demokratie (Sozialrevolut.; Menschewiki u. a.) 22,62 Millionen = 62 Proz.

Partei der Grundbesitzer und der Bourgeoisie (Konstit.-Demokraten u. a.) 4,62 Millionen = 13 Proz.

Insgesamt 36,26 Millionen = 100 Proz.

Führen wir nunmehr die von N. W. Swjatizki gegebenen Zahlen nach Gebieten an:

Stimmenzahl in Tausenden:

GebieteA (und das Heer einzeln genannt)

Für die Soz. -Rev. (russ).

%

Für die Bolschewiki

%

Für die Kadetten

%

Insge­samt

Nordgebiet

1140

38

1177,2

40

393

13

2975,1

Zentrales Industriegebiet

1987,9

38

2305,6

44

550,2

10

5242,5

Wolga- und Schwarzerdegebiet

4733,9

70

1115,6

16

267

4

6764,3

Westgebiet

1242,1

43

1282,2

44

48,1

2

2961,0

Ost-Uralgebiet

1547,7

43 (62)B

443,9

12

181,3

5

3583,5

Sibirien

2094,8

75

273,9

10

87,5

3

2786,7

Ukraine

1878,1

25 (77)C

754

10

277,5

4

7581,3

Heer und Flotte …

1885,1

43

1671,3

38

51,9

1

4363,6

Aus diesen Angaben ist ersichtlich, dass die Bolschewiki während der Wahlen in die Konstituierende Versammlung die Partei des Proletariats, die Sozialrevolutionäre die Partei der Bauernschaft waren. In den rein bäuerlichen Gegenden, in großrussischen Gebieten (Wolga- und Schwarzerdegebiet, Sibirien, Ost- und Uralgebiet) und in der Ukraine, hatten die Sozialrevolutionäre 62–77 Prozent der Stimmen. In den Industriezentren aber hatten die Bolschewiki das Übergewicht über die Sozialrevolutionäre. Dieses Übergewicht ist in den Angaben Swjatizkis nach Gebieten zu niedrig bezeichnet, da er vorwiegend industrielle Bezirke mit wenig oder gar nicht industriellen vereint. Die Einteilung der Stimmenzahl nach Gouvernements, die Swjatizki über die Sozialrevolutionäre, die Bolschewik!, die Kadetten und die „nationalistischen und anderen Gruppen“ bringt, zeigt z. B. das Folgende:

Im Nordgebiet erscheint das Übergewicht der Bolschewik! gering: es sind bloß 40 Prozent gegen 38 Prozent. Doch diesem Gebiet sind nichtindustrielle Bezirke (die Gouvernements Archangelsk, Wologda, Nowgorod, Pskow), wo die Sozialrevolutionäre das Übergewicht hatten, und Industriebezirke einverleibt, wie: die Stadt Petrograd mit 45 Prozent Bolschewiki (nach der Stimmenzahl) und 16 Prozent Sozialrevolutionären, das Gouvernement Petrograd mit 50 Prozent Bolschewiki und 26 Prozent Sozialrevolutionären, Livland mit 72 Prozent Bolschewiki und 0 Prozent Sozialrevolutionären.

Von den Gouvernements des Zentralen Industriegebiets gab Moskau 56 Prozent Bolschewiki, 25 Prozent Sozialrevolutionäre; der Moskauer Stadtbezirk 50 Prozent Bolschewiki, 8 Prozent Sozialrevolutionäre, das Gouvernement Twer 54 Prozent Bolschewiki, 39 Prozent Sozialrevolutionäre; das Gouvernement Wladimir 56 Prozent Bolschewiki, 32 Prozent Sozialrevolutionäre.

Nebenbei bemerkt; wie lächerlich ist angesichts solcher Tatsachen das Gerede darüber, dass die Bolschewiki die „Minderheit“ des Proletariats auf ihrer Seite gehabt hätten und noch hätten! Und doch hören wir solche Redensarten sowohl von den Menschewiki (668.000 und, unter Hinzurechnung Transkaukasiens, noch weitere 700–800.000 Stimmen gegen 9 Millionen der Bolschewiki) als auch von den Sozialverrätern der II. Internationale.

II

Wie aber konnte ein derartiges Wunder geschehen wie der Sieg der Bolschewiki, die ein Viertel der Stimmen besaßen, über die kleinbürgerlichen Demokraten, die ein Bündnis (Koalition) mit der Bourgeoisie gebildet hatten und zusammen mit ihr über drei Viertel der Stimmen verfügten? Denn die Tatsache des Sieges jetzt abzustreiten, nachdem die Entente, die allmächtige Entente sämtliche Gegner der Bolschewiki zwei Jahre lang unterstützt hat, ist einfach lächerlich.

Das ist es ja aber gerade, dass der wütende politische Hass der Besiegten, darunter auch sämtlicher Anhänger der II. Internationale, ihnen nicht einmal gestattet, ernsthaft die historisch und politisch höchst interessante Frage zu stellen, worin die Ursachen des Sieges der Bolschewiki liegen. Das ist es ja eben, dass ein „Wunder“ hier bloß vom Standpunkt der vulgären kleinbürgerlichen Demokratie vorhanden ist. Frage und Antwort enthüllen die ganze Tiefe der Unwissenheit und der Vorurteile dieser Demokratie.

Vom Standpunkt des Klassenkampfes und des Sozialismus, von dem Standpunkt, den die II. Internationale aufgegeben hat, findet die Frage eine Lösung, die keinem Zweifel unterliegen kann.

Der Sieg der Bolschewiki erklärt sich vor allem dadurch, dass sie die gewaltige Mehrheit des Proletariats hinter sich hatten, und zwar dessen vorgeschrittensten, tatkräftigsten, revolutionärsten Teil, die wahre Vorhut dieser vorgeschrittenen Klasse.

Nehmen wir die beiden Hauptstädte, Petrograd und Moskau. Insgesamt wurden hier 1.765.100 Stimmen für die Konstituierende Versammlung abgegeben. Davon erhielten:

Sozialrevolutionäre 218.000

Bolschewiki 837.000

Kadetten 515.400

Wie tief die kleinbürgerlichen Demokraten, die sich Sozialisten und Sozialdemokraten nennen (die Tschernow , Martow , Kautsky , Longuet , MacDonald und Konsorten), auch den Göttinnen „Gleichheit“, „allgemeines Wahlrecht“, „Demokratie“, „reine Demokratie“ oder „konsequente Demokratie“ huldigen mögen, das kann doch nicht die wirtschaftliche und politische Tatsache aus der Welt schaffen, dass zwischen Stadt und Land eine Ungleichheit besteht. Diese Tatsache ist unvermeidlich unter dem Kapitalismus im Allgemeinen und beim Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus im Besonderen.

Unter den geschichtlichen Bedingungen dieser Epoche kann die Stadt nicht dem Lande, das Land nicht der Stadt gleich sein. Es ist unvermeidlich, dass die Stadt das flache Land hinter sich herführt, dieses aber der Stadt folgt. Es handelt sich bloß um die Frage, welche der „städtischen“ Klassen es vermag, das flache Land hinter sich herzuführen, diese Aufgabe zu bewältigen, und welche Form die Führung durch die Stadt annimmt.

Die Bolschewiki hatten im November 1917 die gewaltige Mehrheit des Proletariats auf ihrer Seite. Die Partei der Menschewiki, die mit ihnen unter dem Proletariat wetteiferte, war zu jener Zeit bereits aufs Haupt geschlagen (9 Millionen Stimmen gegenüber 1,4, wenn wir ihre 668.000 mit den 700–800.000 Transkaukasiens addieren). Und zwar war diese Partei in einem fünfzehnjährigen Kampfe (1903–1917) geschlagen worden, einem Kampfe, der die Vorhut des Proletariats gestählt, aufgeklärt, organisiert und eine im wahren Sinne des Wortes revolutionäre Vorhut aus ihr geschmiedet hatte. Hierbei hatte die erste Revolution, die von 1905, die fernere Entwicklung vorbereitet, die wechselseitigen Beziehungen der beiden Parteien praktisch festgelegt und die Rolle einer Generalprobe für die großen Ereignisse von 1917 bis 1919 gespielt.

Die kleinbürgerlichen Demokraten, die sich „Sozialisten“ der II. Internationale nennen, lieben es, diese allerwichtigste historische Frage mit süßlichen Redensarten von dem Nutzen der „Einheit“ des Proletariats zu umgehen. Über diesen süßlichen Phrasen vergessen sie die geschichtliche Tatsache, dass sich in der Arbeiterbewegung von 1871–1914 ein Opportunismus angehäuft hatte, sie vergessen, über die Ursachen, die den Opportunismus im August 1914 zu Falle brachten, über die Ursachen der Spaltung im internationalen Sozialismus in den Jahren 1914–1917 nachzudenken (oder sie wollen nicht darüber nachdenken).

Ohne den revolutionären Teil des Proletariats aufs Ernsthafteste und allseitig zur Ausrottung und Unterdrückung des Opportunismus vorbereitet zu haben, wäre es unsinnig, an die Diktatur des Proletariats auch nur zu denken. Diese Lehre der russischen Revolution sollten sich die Führer der „unabhängigen“ deutschen Sozialdemokratie , des französischen Sozialismus u. a. m. hinters Ohr schreiben, die sich jetzt durch bloße Anerkennung der Diktatur des Proletariats in Worten aus der Patsche ziehen wollen.

Ferner: die Bolschewiki hatten nicht nur die Mehrheit des Proletariats, nicht nur die in langem, hartem Kampfe mit dem Opportunismus gestählte revolutionäre Vorhut des Proletariats auf ihrer Seite. Sie hatten – wenn ein militärischer Ausdruck gebraucht werden darf – eine machtvolle „Stoßtruppe“ in den Hauptstädten.

Im entscheidenden Augenblick an entscheidender Stelle eine erdrückende Übermacht besitzen – dieses „Gesetz“ des militärischen Erfolges ist auch das Gesetz des politischen Erfolges, insbesondere in dem erbitterten, hitzigen Klassenkrieg, den man Revolution nennt.

Die Hauptstädte oder überhaupt die größten Handels- und Industriezentren (bei uns in Russland fielen die beiden Begriffe zusammen, das geschieht aber nicht immer) entscheiden in bedeutendem Maße das politische Schicksal des Volkes, natürlich unter der Bedingung, dass die Zentren durch ausreichende örtliche, ländliche Kräfte unterstützt werden, wenn diese Unterstützung auch keine sofortige ist.

In den beiden Hauptstädten, den beiden bedeutendsten Handels- und Industriezentren Russlands, verfügten die Bolschewiki über eine erdrückende, entscheidende Übermacht. Wir hatten hier beinahe viermal mehr Anhänger als die Sozialrevolutionäre. Wir hatten hier mehr als die Sozialrevolutionäre und Kadetten zusammen. Zudem waren unsere Gegner zersplittert, denn die „Koalition“ der Kadetten mit den Sozialrevolutionären und Menschewiki (diese besaßen in Petrograd und Moskau insgesamt bloß 3 Prozent der Stimmenzahl) war unter den werktätigen Klassen im höchsten Grade verschrien. Von einer tatsächlichen Einheit der Sozialrevolutionäre und Menschewiki mit den Kadetten gegen uns konnte in jenem Augenblick nicht einmal die Rede sein.D Selbst die Führer der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki, die der Idee eines Blocks mit den Kadetten hundertmal näher standen als die sozialrevolutionären und die menschewistischen Arbeiter und Bauern, dachten bekanntlich (und sie verhandelten im November 1917 mit uns darüber) an eine Koalition mit den Bolschewiki ohne die Kadetten.1

Die Hauptstädte hatten wir im Oktober-November 1917 ganz sicher erobert, denn wir besaßen die erdrückende Übermacht und waren sowohl durch die Rekrutierung, Konzentrierung, Einübung, Erprobung und Stählung der bolschewistischen „Armeen“ als auch infolge der Zersetzung, Erschlaffung, Uneinigkeit und Demoralisation der „Armeen“ des „Feindes“ politisch auf die solideste Weise vorbereitet.

Hatten wir aber die Möglichkeit, mit einem schnellen, entscheidenden Schlage die beiden Hauptstädte, die beiden Zentren der gesamten kapitalistischen Staatsmaschine (das sind Petrograd und Moskau wirtschaftlich wie politisch) mit Sicherheit zu erobern, so konnten wir, trotz dem verzweifelten Widerstand der Bürokratie und der „Intelligenz“, trotz Sabotage u. a., mit Hilfe des zentralen Apparats der Staatsmacht den werktätigen nichtproletarischen Massen durch Taten beweisen, dass das Proletariat ihr einziger zuverlässiger Verbündeter, Freund und Führer ist.

III

Allein bevor wir zu dieser allerwichtigsten Frage kommen – zum Verhältnis des Proletariats gegenüber den nichtproletarischen werktätigen Massen, müssen wir noch der Armee einige Aufmerksamkeit zuwenden.

Während des imperialistischen Krieges hat die Armee die ganze Blüte der Volkskraft in sich aufgesaugt. Und während das Opportunistenpack der II. Internationale (nicht allein die Sozialchauvinisten, d. h. jene, die direkt auf die Seite der „Vaterlandsverteidigung“ übergingen, die Scheidemann und Renaudel , sondern auch die „Zentrumsmänner *“) in Wort und Tat die Unterordnung der Armee unter die Führung der imperialistischen Räuber der deutschen sowie der englisch-amerikanischen Gruppe befestigten, vergaßen die wahren proletarischen Revolutionäre niemals die Worte, die Marx im Jahre 1870 schrieb: Die Bourgeoisie übt das Proletariat in den Waffen.2 Von „Vaterlandsverteidigung“ während eines imperialistischen, d. h. beiderseitig räuberischen Krieges konnten bloß die österreichisch-deutschen und englisch-französisch-russischen Verräter des Sozialismus sprechen. Die proletarischen Revolutionäre aber richteten (seit August 1914) alle Aufmerksamkeit auf die Revolutionierung des Heeres, auf seine Ausnutzung gegen die imperialistischen Räuber der Bourgeoisie, auf die Verwandlung des ungerechten und räuberischen Krieges zwischen den beiden Gruppen imperialistischer Räuber in einen gerechten, berechtigten Kampf der Proletarier und der unterdrückten werktätigen Massen eines jeden Landes gegen die ..eigene“, „nationale“ Bourgeoisie.

Die Verräter des Sozialismus unterließen es während der Jahre 1914 bis 1917, die Ausnutzung der Truppen gegen die imperialistischen Regierungen einer jeden Nation vorzubereiten.

Die Bolschewiki aber hatten das seit August 1914 durch ihre gesamte Propaganda, ihre Agitation, ihre illegale organisatorische Arbeit vorbereitet. Es versteht sich, dass die Verräter des Sozialismus, die Scheidemann und Kautsky aller Nationen, sich davon durch Redensarten über die Zersetzung der Armee durch die bolschewistische Agitation abgrenzten. Wir aber sind stolz darauf, dass wir unsere Pflicht erfüllt, die Reihen unseres Klassenfeindes zersetzt und ihm die bewaffneten Massen der Arbeiter und Bauern abgewonnen haben für den Kampf gegen die Ausbeuter.

Die Ergebnisse unserer Arbeit traten übrigens auch bei den Wahlen in die Konstituierende Versammlung im November 1917 zutage, an denen auch das Heer teilnahm.

Wir bringen die Hauptergebnisse dieser Wahlen, wie N. W. Swjatizki sie anführt:

Zahl der im November 1917 bei den Wahlen in die Konstituante abgegebenen Stimmen (in Tausenden)

Heer und Flotte

Für die Soz.-Rev.

Für die Bolschewiki

Für die Kadetten u. anderen

Für die nationalen Gruppen

Insgesamt

Nordfront

240,0

480,0

?

60,0E

780,0

Westfront

180,6

653,4

16,7

125,2

976,0

Südwestfront

402,9

300,1

13,7

290,6

1007,4

Rumänische Front

679,4

167,0

21,4

260,7

1128,6

Kaukasische Front

360,0

60,0

?

420,0

Baltische Flotte

(120,0F)

(120,0*)

Schwarzmeerflotte

22,2

10,8

19,5

52,5

Insgesamt

1885,1

1371,3

+ (120,0F)

1791,3

51,8

+ ?

756,0

4364,5

+ (120,0*)

4484,5

Das Ergebnis ist: für die Sozialrevolutionäre 1.885.100 Stimmen, für die Bolschewiki – 1.671.300. Fügen wir der zweiten Zahl 120.000 (ungefähr) der Baltischen Flotte hinzu, so erhalten wir 1.791.300 Stimmen für die Bolschewiki.

Folglich erhielten die Bolschewiki etwas weniger Stimmen als die Sozialrevolutionäre.

Die Armee war folglich bereits im Oktober-November 1917 zur Hälfte bolschewistisch.

Wäre das nicht der Fall gewesen, so hätten wir nicht siegen können.

Jedoch während wir im Heer fast die Hälfte der gesamten Stimmenzahl überhaupt besaßen, hatten wir eine überwiegende Mehrheit an den Fronten, die sich in der Nähe der Hauptstädte befanden oder überhaupt nicht zu sehr entlegen waren. Schließen wir die kaukasische Front aus, so ergibt sich eine Mehrheit der Bolschewiki über die Sozialrevolutionäre. Nehmen wir aber die Nord- und die Westfront, so sind es über 1 Million Stimmen für die Bolschewiki gegenüber 420.000 Stimmen für die Sozialrevolutionäre.

Folglich besaßen die Bolschewiki im November 1917 im Heer ebenfalls bereits eine politische „Stoßtruppe“, die ihnen am entscheidenden Orte und im entscheidenden Augenblick eine ausschlaggebende Übermacht sicherte. Von einem Widerstand des Heeres gegen die Oktoberrevolution des Proletariats, gegen die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat kann gar nicht die Rede sein angesichts dessen, dass die Bolschewiki an der Nord- und der Westfront eine kolossale Übermacht besaßen, an den übrigen, vom Zentrum weiter entfernten Fronten aber Zeit und Möglichkeit hatten, die Bauern den Sozialrevolutionären abzugewinnen. Doch darüber später.

IV

Auf Grund der Angaben über die Wahlen in die Konstituierende Versammlung haben wir drei Bedingungen untersucht, die dem Bolschewismus zum Siege verhalfen: 1) die erdrückende Mehrheit im Proletariat; 2) fast die Hälfte des Heeres; 3) ein erdrückendes Übergewicht im entscheidenden Augenblick an den entscheidenden Stellen, nämlich: in den Hauptstädten und an den dem Zentrum nahegelegenen Fronten.

Allein diese Bedingungen hätten den Bolschewiki bloß einen ganz kurz dauernden, ganz unsicheren Sieg bringen können, wenn sie nicht imstande gewesen wären, die Mehrheit der nichtproletarischen werktätigen Massen auf ihre Seite zu ziehen, sie den Sozialrevolutionären und den anderen kleinbürgerlichen Parteien abzugewinnen.

Das ist eben die Hauptsache.

Und die Hauptursache, dass die „Sozialisten“ (lies: kleinbürgerlichen Demokraten) der II. Internationale die Diktatur des Proletariats nicht verstehen, besteht darin, dass sie nicht begreifen, dass die Staatsmacht in den Händen einer Klasse, des Proletariats, zur Waffe werden kann und muss, um die nichtproletarischen werktätigen Massen auf die Seite des Proletariats zu ziehen, um diese Massen der Bourgeoisie und den kleinbürgerlichen Parteien abzugewinnen.

Die Herren „Sozialisten“ von der II. Internationale, die voll kleinbürgerlicher Vorurteile stecken und die Hauptsache in Marx’ Lehre vom Staat vergessen haben, betrachten die Staatsmacht als irgendein Heiligtum oder einen Abgott, als die Resultante formeller Abstimmungen, als das Absolutum der „folgerichtigen Demokratie“ (oder wie solcher Unsinn noch anders heißen mag). Sie sehen in der Staatsmacht nicht einfach ein Werkzeug, das verschiedene Klassen für ihre Klassenziele gebrauchen können und müssen (und zu gebrauchen verstehen müssen).

Die Bourgeoisie bediente sich der Staatsmacht als Waffe der Kapitalistenklasse gegen das Proletariat, gegen alle Werktätigen. Das war selbst in den am meisten demokratischen bürgerlichen Republiken der Fall. Nur die Verräter des Marxismus haben das „vergessen“.

Das Proletariat muss (nachdem es genügend starke, politische und militärische, „Stoßtruppen“ gesammelt hat) die Bourgeoisie stürzen und ihr die Staatsmacht nehmen, um dieses Werkzeug im Interesse seiner eigenen Klassenziele zu gebrauchen.

Was aber sind die Klassenziele des Proletariats?

Die Unterdrückung des Widerstandes der Bourgeoisie.

Die „Neutralisierung“ der Bauernschaft und nach Möglichkeit die Gewinnung der Bauern, oder wenigstens ihrer Mehrheit, ihres arbeitenden, nicht ausbeutenden Teils.

Die Organisierung einer maschinellen Großproduktion in den der Bourgeoisie abgenommenen Fabriken und mit ihr abgenommenen Produktionsmitteln überhaupt.

Die Organisierung des Sozialismus auf den Trümmern des Kapitalismus.

Die Herren Opportunisten, darunter auch die Kautskyaner, „lehren“ das Volk eine Verhunzung der Lehre von Marx: das Proletariat müsse zuvörderst durch das allgemeine Wahlrecht die Mehrheit erobern, nachher auf Grund dieser Abstimmung der Mehrheit die Staatsmacht erlangen und dann erst, auf dieser Grundlage der „folgerichtigen“ (manche sagen: „reinen“) Demokratie den Sozialismus errichten.

Wir aber sagen auf Grund der Lehre von Marx und der Erfahrung der russischen Revolution:

Das Proletariat muss zuerst die Bourgeoisie stürzen und die Staatsmacht für sich selbst erobern, dann aber diese Staatsmacht, d. h. die Diktatur des Proletariats, als Waffe seiner Klasse ausnützen, um die Sympathie der Mehrheit der Werktätigen zu gewinnen.

Auf welche Weise kann die Staatsmacht in den Händen des Proletariats zur Waffe werden in seinem Klassenkampf um den Einfluss auf die nichtproletarischen werktätigen Massen? Zur Waffe, um diese Massen auf seine Seite zu ziehen? Um sie der Bourgeoisie zu entreißen, abzugewinnen?

In erster Linie erzielt das Proletariat dies dadurch, dass es den alten Apparat der Staatsmacht nicht in Gang setzt, sondern ihn zertrümmert, kein Stein von ihm auf dem anderen lässt (trotz dem Gezeter der erschreckten Kleinbürger und den Drohungen der Saboteure) und einen neuen Staatsapparat schafft. Dieser neue Staatsapparat ist der Diktatur des Proletariats, seinem Kampfe gegen die Bourgeoisie um die nichtproletarischen werktätigen Massen angepasst. Dieser neue Apparat ist nicht von irgend jemand erdacht, er entsteht aus dem Klassenkampf des Proletariats, aus der Verbreitung und Vertiefung dieses Kampfes. Dieser neue Apparat der Staatsgewalt, dieser neue Typus der Staatsmacht ist die Sowjetmacht.

Als das russische Proletariat die Staatsmacht erobert hatte, erklärte es den alten Staatsapparat (der, wie Marx zeigte, selbst in den am meisten demokratischen Republiken jahrhundertelang den Klasseninteressen der Bourgeoisie angepasst war) sofort, nach wenigen Stunden, für aufgelöst und übergab alle Macht den Räten. In die Räte aber wurden nur die Werktätigen und Ausgebeuteten zugelassen, unter Ausschluss aller und jeglicher Ausbeuter.

Auf diese Weise entreißt das Proletariat der Bourgeoisie mit einem Schlage, sofort nach der Eroberung der Staatsmacht, eine gewaltige Masse ihrer Anhänger unter den kleinbürgerlichen und „sozialistischen“ Parteien, denn diese Masse besteht aus Werktätigen und Ausgebeuteten, die von der Bourgeoisie (und von deren Handlangern, den Tschernow, Kautsky, Martow und Konsorten) betrogen wurden und nun durch die Sowjetregierung zum ersten Mal die Waffe des Massenkampfes für ihre Interessen, gegen die Bourgeoisie in die Hand bekommen.

Zweitens kann und muss das Proletariat sofort oder zum mindesten sehr bald der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Demokratie „ihreMassen, d. h. die Massen, die ihnen gefolgt sind, abgewinnen, und zwar dadurch, dass es auf revolutionäre Weise, durch Enteignung der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie, die allerwichtigsten wirtschaftlichen Bedürfnisse der Massen befriedigt.

Die Bourgeoisie kann das nicht tun, möge sie auch eine noch so „machtvolle“ Staatsgewalt besitzen.

Das Proletariat dagegen kann das sofort am Tage nach der Eroberung der Staatsmacht tun, denn es hat sowohl den erforderlichen Apparat (die Sowjets) als auch die ökonomischen Mittel (Enteignung der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie).

Eben auf diese Weise hat das russische Proletariat den Sozialrevolutionären die Bauernschaft abgewonnen, und zwar buchstäblich in wenigen Stunden nach Eroberung der Staatsmacht. Denn wenige Stunden nach der Besiegung der Bourgeoisie in Petrograd erließ das siegreiche Proletariat ein „Dekret über den Grund und Boden “. Und durch dieses Dekret hat es mit einem Schlage und vollständig, mit revolutionärer Geschwindigkeit, Energie und Weitsichtigkeit sämtliche wichtigsten wirtschaftlichen Bedürfnisse der Mehrheit der Bauern befriedigt, die Großgrundbesitzer aber gänzlich und ohne Entschädigung enteignet.

Um den Bauern zu beweisen, dass die Proletarier sie nicht majorisieren, sie nicht befehligen, sondern ihnen helfen und ihre Freunde sein wollen, fügten die siegreichen Bolschewiki dem Dekret kein einziges eigenes Wort hinzu, sondern schrieben es Wort für Wort von den Bauerninstruktionen (den revolutionärsten natürlich) ab, die die Sozialrevolutionäre in der sozialrevolutionären Zeitung veröffentlicht hatten.

Die Sozialrevolutionäre waren aufgeregt, entrüstet, empört, sie schrien, die „Bolschewiki hätten ihr Programm gestohlen“. Allein sie wurden dafür bloß ausgelacht: was ist denn das für eine Partei, die man besiegen und aus der Regierung verjagen muss, um alles Revolutionäre, alles den Werktätigen Nützliche aus ihrem Programm zu verwirklichen! Diese Dialektik aber konnten die Verräter, Dummköpfe und Pedanten der II. Internationale nie begreifen: dass das Proletariat nicht siegen kann, ohne die Mehrheit der Bevölkerung für sich zu gewinnen. Allein eine solche Eroberung auf die Erzielung einer Stimmenmehrheit bei den Wahlen unter der Herrschaft der Bourgeoisie beschränken oder sie dadurch bedingen, zeugt von unverbesserlicher Geistesbeschränktheit oder läuft auf einen glatten Betrug an den Arbeitern hinaus. Um die Mehrheit der Bevölkerung für sich zu gewinnen, muss das Proletariat erstens die Bourgeoisie stürzen und die Staatsmacht ergreifen; zweitens muss es die Sowjetmacht organisieren, nachdem es den alten Staatsapparat zertrümmert hat, denn dadurch untergräbt es mit einem Male die Herrschaft, die Autorität, den Einfluss der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Kompromissler unter den nichtproletarischen werktätigen Massen; drittens muss es dem Einfluss der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Kompromissler auf die Mehrheit der nicht-proletarischen werktätigen Massen durch revolutionäre Befriedigung ihrer wirtschaftlichen Bedürfnisse auf Kosten der Ausbeuter den Todesstoß versetzen.

Die Möglichkeit für alles das wird selbstredend erst durch eine gewisse Höhe der kapitalistischen Entwicklung geschaffen. Ohne diese grundlegende Bedingung kann es weder eine Herausbildung des Proletariats als besondere Klasse geben, noch können ohne diese Vorbedingung lange Vorbereitung, Erziehung, Schulung und Erprobung im Kampfe in langen Jahren von Aufständen und Demonstrationen oder Entlarvung und Vertreibung von Opportunisten Erfolg haben. Ohne diese grundlegende Bedingung können die Zentren keine so große wirtschaftliche und politische Rolle spielen, dass das Proletariat mit ihrer Eroberung auch die gesamte Staatsmacht oder vielmehr deren Lebensnerv, deren Herzkammer, deren Knotenpunkt erobert. Ohne diese grundlegende Bedingung kann es nicht diese Verwandtschaft und Nähe und dieses Band zwischen der Lage des Proletariats und derjenigen der nichtproletarischen werktätigen Massen geben, die für den Einfluss des Proletariats auf diese Massen und für den Erfolg dieser Einwirkung unerlässlich sind.

V

Gehen wir weiter.

Das Proletariat kann die Staatsmacht erobern, die Sowjetordnung verwirklichen, die Mehrheit der Werktätigen auf Kosten der Ausbeuter ökonomisch befriedigen.

Genügt das aber zu einem vollen und endgültigen Sieg?

Nein.

Bloß die kleinbürgerlichen Demokraten, die „Sozialisten“ und „Sozialdemokraten“ als ihre hauptsächlichen jetzigen Vertreter, können sich einbilden, dass die werktätigen Massen unter dem Kapitalismus imstande sind, eine dermaßen hohe Entwicklungsstufe und Charakterfestigkeit, einen solchen Scharfblick und weiten politischen Gesichtskreis zu gewinnen, dass sie die Möglichkeit haben, sich durch bloße Abstimmung oder überhaupt auf irgendwelche Weise im Voraus, ohne lange Kampferfahrung für die eine oder die andere Klasse oder Partei zu entscheiden.

Das ist eine Illusion. Das ist eine süßliche Fabel der Pedanten und süßlichen Sozialisten von der Art Kautskys, Longuets, MacDonalds.

Der Kapitalismus wäre kein Kapitalismus, wenn er nicht einerseits die Massen zu einem Zustand der Unterwürfigkeit, Unterdrücktheit, Einschüchterung, Zersplitterung (im Dorfei) und Unwissenheit verurteilte und anderseits der Bourgeoisie den machtvollen Lügen- und Betrugsapparat in die Hände gäbe, den Apparat, mittels dessen sie die Arbeiter und Bauern betrügen und verdummen kann.

Deshalb ist allein das Proletariat in der Lage, die Werktätigen vom Kapitalismus zum Kommunismus zu führen. Es ist gar nicht daran zu denken, dass die kleinbürgerlichen und halb kleinbürgerlichen Massen der Werktätigen im Voraus die höchst komplizierte politische Frage entscheiden, ob sie mit der Arbeiterklasse oder mit der Bourgeoisie gehen sollen. Unvermeidlich ist das Schwanken der nichtproletarischen werktätigen Schichten, unerlässlich ist ihre eigene praktische Erfahrung, die ihnen gestattet, die Führung der Bourgeoisie mit derjenigen des Proletariats zu vergleichen.

Gerade diesen Umstand aber lassen die Anhänger der „folgerichtigen Demokratie“ stets aus dem Auge, wenn sie sich einbilden, die wichtigsten politischen Fragen könnten durch Abstimmungen gelöst werden. Tatsächlich aber werden solche Fragen, wenn sie akut und durch den Kampf zugespitzt sind, durch den Bürgerkrieg entschieden. In einem solchen Kriege jedoch ist Erfahrung der nichtproletarischen werktätigen Massen (der Bauernschaft in erster Reihe), Erfahrung im Vergleichen, im Gegenüberstellen der Macht des Proletariats und derjenigen der Bourgeoisie von gewaltiger Bedeutung.

In dieser Beziehung ist eine Gegenüberstellung der Wahlen in die Konstituierende Versammlung in Russland im November 1917 und des zweijährigen Bürgerkrieges 1917–1919 überaus lehrreich.

Welche Gebiete erwiesen sich als am wenigsten bolschewistisch? Erstens das Ost-Uralgebiet und Sibirien, die 12 Prozent bzw. 10 Prozent der Stimmenzahl für die Bolschewiki gaben. Zweitens die Ukraine mit 10 Prozent der Stimmen für die Bolschewiki. Von den übrigen Gebieten weist das Bauerngebiet Großrusslands, das Wolga- und Schwarzerdegebiet, den kleinsten Prozentsatz der Stimmen für die Bolschewiki auf; doch auch hier erhielten die Bolschewiki 16 Prozent der Stimmen.

Und eben in diesen Gebieten, in denen der Prozentsatz der bolschewistischen Stimmen im November 1917 am geringsten war, beobachten wir den größten Erfolg der gegen revolutionären Bewegungen, der Aufstände, der Organisierung der Kräfte der Konterrevolution. Eben in diesen Gebieten hat die Herrschaft Koltschaks und Denikins sich monatelang gehalten.

Die Unschlüssigkeit der kleinbürgerlichen Bevölkerung da, wo der Einfluss des Proletariats am kleinsten war, zeigte sich in diesen Gebieten besonders deutlich:

Erst waren sie für die Bolschewiki, als diese ihnen Grund und Boden gaben und die demobilisierten Soldaten die Friedenskunde brachten. Dann waren sie gegen die Bolschewiki, als diese im Interesse der internationalen Entwicklung der Revolution und der Erhaltung ihres Herdes in Russland auf den Brester Frieden eingingen und dadurch das Kleinbürgertum in seinen tiefsten Gefühlen, den patriotischen, „verletzten“. Insbesondere missfiel die Diktatur des Proletariats den Bauern dort, wo der größte Getreideüberschuss vorhanden ist, und zwar als die Bolschewiki zu verstehen gaben, dass sie streng nachdrücklichst die Übergabe dieses Überschusses zu festen Preisen an die Regierung fordern werden. Die Bauernschaft des Urals, Sibiriens und der Ukraine machte kehrt und wendete sich Koltschak und Denikin zu.

Dann aber bewies die Erfahrung der „Demokratie“ von Koltschak und Denikin, die jeder Tintenkleckser in jeder Ausgabe der weißgardistischen Zeitungen ausschrie, den Bauern, dass die Redensarten über Demokratie und Konstituierende Versammlung tatsächlich bloß ein Deckmantel für die Diktatur des Großgrundbesitzers und des Kapitalisten sind.

Aufs Neue beginnt ein Umschwung zugunsten des Bolschewismus; im Rücken von Koltschak und Denikin entflammen Bauernaufstände. Die roten Truppen werden von den Bauern als Befreier aufgenommen.

Im Endergebnis hat gerade dieses Hin- und Herschwanken der Bauernschaft als des Hauptvertreters der kleinbürgerlichen Masse der Werktätigen das Schicksal der Sowjetmacht und der Herrschaft von Koltschak-Denikin entschieden. Doch bis zu diesem „Endergebnis“ verlief eine recht langwierige Zeitspanne schweren Kampfes und qualvoller Prüfungen, mit denen Russland im Laufe von zwei Jahren nicht fertig wurde, die auch noch jetzt gerade in Sibirien und in der Ukraine fortdauern. Und niemand kann dafür bürgen, dass sie, sagen wir, binnen Jahresfrist oder in einem ähnlichen Zeitraum endgültig zu Ende sein werden.

Die Anhänger der „folgerichtigen“ Demokratie haben sich in die Bedeutung dieser geschichtlichen Tatsachen nicht vertieft. Sie ersannen und ersinnen sich das Kindermärchen, dass das Proletariat unter dem Kapitalismus durch Abstimmungen die Mehrheit der Werktätigen „überzeugen“ und fest auf seine Seite bringen könne. Die Wirklichkeit aber zeigt, dass erst Erfahrung in langem, hartem Kampfe das schwankende Kleinbürgertum nach Anstellung eines Vergleichs zwischen der Diktatur des Proletariats und der Diktatur der Kapitalisten zu der Schlussfolgerung führt, dass jene dieser vorzuziehen ist.

Theoretisch geben sämtliche Sozialisten, die den Marxismus studiert haben und mit der Erfahrung der politischen Geschichte in den vorgeschrittenen Ländern während des 19. Jahrhunderts zu rechnen wünschen, zu, dass das Schwanken des Kleinbürgertums zwischen dem Proletariat und der Kapitalistenklasse unvermeidlich ist. Die wirtschaftlichen Wurzeln dieses Schwankens werden von der ökonomischen Wissenschaft bloßgelegt, deren Wahrheiten in den Zeitungen, Flugblättern, Broschüren der Sozialisten der II. Internationale unzählige Male wiederholt worden sind.

Jedoch diese Wahrheiten auf die eigenartige Epoche der proletarischen Diktatur anzuwenden, sind die Leute nicht imstande. Kleinbürgerliche demokratische Vorurteile und Illusionen (über „Gleichheit“ der Klassen, „folgerichtige“ oder „reine“ Demokratie, Entscheidung großer historischer Probleme durch Abstimmungen usw.) setzen sie an die Stelle des Klassenkampfes. Sie wollen nicht begreifen, dass das Proletariat nach Eroberung der Staatsmacht seinen Klassenkampf nicht aufgibt, sondern ihn in anderer Form, mit anderen Mitteln fortsetzt. Die Diktatur des Proletariats ist der Klassenkampf des Proletariats mittels einer solchen Waffe, wie es die Staatsmacht ist, der Klassenkampf, zu dessen Aufgaben es gehört, durch lange Erfahrung, durch eine lange Reihe von praktischen Beispielen den nichtproletarischen werktätigen Bevölkerungsschichten zu beweisen, dass es vorteilhafter für sie ist, auf der Seite der proletarischen Diktatur als auf der Seite der bürgerlichen Diktatur zu stehen, und dass es ein Drittes nicht geben kann.

Die Angaben über die Ergebnisse der Wahlen in die Konstituierende Versammlung im November 1917 geben uns den Grundton des Bildes, das uns die Entwicklung des Bürgerkrieges in den zwei darauffolgenden Jahren zeigt. Die Hauptstreitkräfte in diesem Kriege treten bereits bei den Wahlen in die Konstituante klar zutage: wir sehen die Rolle der „Stoßtrupps“ des proletarischen Heeres, die Rolle der schwankenden Bauernschaft, die Rolle der Bourgeoisie. „Die Kadetten – so schreibt Swjatizki in seinem Artikel – hatten den größten Erfolg in den gleichen Gebieten wie die Bolschewiki: im Nordgebiet und im Zentralen Industriegebiet“ (S. 116). Es versteht sich, dass die zwischen Proletariat und Bourgeoisie stehenden Zwischenelemente in den meist entwickelten kapitalistischen Zentren am schwächsten waren. Es versteht sich, dass der Klassenkampf in diesen Zentren am schärfsten war. Gerade hier waren die Hauptkräfte des Bürgertums, gerade hier, und hier allein, konnte das Proletariat die Bourgeoisie aufs Haupt schlagen. Und erst nachdem das Proletariat sie aufs Haupt geschlagen hatte, konnte es, unter Ausnutzung einer solchen Waffe, wie die Staatsmacht sie bietet, für immer die Sympathie und Unterstützung der kleinbürgerlichen Bevölkerungsschichten erobern.

Die Angaben über die Wahlen in die Konstituierende Versammlung zeigen uns, wenn man sie zu benutzen, zu deuten versteht, aber und abermals die Grundwahrheiten der marxistischen Lehre vom Klassenkampf.

Nebenbei gesagt, zeigen diese Angaben auch die Rolle und die Bedeutung der nationalen Frage. Nehmen wir die Ukraine. Der Schreiber dieser Zeilen wurde bei den letzten Beratungen über die ukrainische Frage von einigen Genossen beschuldigt, die nationale Frage in der Ukraine zu sehr „aufgebauscht“ zu haben. Die Angaben über die Wahlen in die Konstituante zeigen, dass in der Ukraine bereits im November 1917 die Stimmenmehrheit auf die ukrainischen Sozialrevolutionäre und Sozialisten entfiel (3,4 Millionen Stimmen + 0,5 = 3,9 Millionen gegenüber 1,9 Millionen für die russischen Sozialrevolutionäre bei einer Gesamtstimmenzahl von 7,6 Millionen in der Ukraine). Bei den Truppen an der südwestlichen und der rumänischen Front erhielten die ukrainischen Sozialisten 30 Prozent bzw. 34 Prozent der gesamten Stimmenzahl (gegenüber 40 Prozent bzw. 59 Prozent für die russischen Sozialrevolutionäre).

Bei solcher Sachlage die Bedeutung der nationalen Frage in der Ukraine absichtlich übersehen – darin sündigen recht oft die Großrussen (und vielleicht nicht viel weniger oft Juden) –, hieße einen schweren, gefährlichen Fehler begehen. Die Absonderung der russischen von den ukrainischen Sozialrevolutionären kann in der Ukraine im Jahre 1917189 unmöglich bloßer Zufall sein. Und als Internationalisten sind wir verpflichtet, erstens mit besonderer Energie die (oft unbewussten) Überreste des großrussischen Imperialismus und Chauvinismus bei den „russischen“ Kommunisten zu bekämpfen. Zweitens sind wir verpflichtet, gerade in der nationalen Frage, als einer verhältnismäßig weniger wichtigen (für die Internationalisten ist die Frage der Staatsgrenzen eine Frage zweiten, wenn nicht letzten Ranges) Frage, auf Kompromisse einzugehen. Wichtig sind andere Fragen, wichtig sind die grundlegenden Interessen der proletarischen Diktatur, wichtig sind die Interessen der Einheit und Disziplin in der gegen Denikin kämpfenden Roten Armee, wichtig ist die führende Rolle des Proletariats gegenüber der Bauernschaft; bedeutend weniger wichtig ist die Frage, ob die Ukraine einen eigenen Staat bilden soll oder nicht. Uns kann keineswegs die Aussicht in Verwunderung setzen – noch darf sie uns erschrecken –, dass die Arbeiter und die Bauern der Ukraine verschiedene Systeme erproben und im Laufe von, sagen wir, einigen Jahren in der Praxis sowohl die Verschmelzung mit der Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik Russlands als auch die Absonderung von dieser als selbständige Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik und schließlich verschiedene Formen eines engen Bündnisses der beiden usw. usw. versuchen werden.

Diese Frage im Voraus, ein für allemal, „fest“ und „unwiderruflich“ entscheiden wollen, wäre Beschränktheit oder einfach Stumpfsinn, denn die Unschlüssigkeit der nichtproletarischen werktätigen Massen in einer solchen Frage ist durchaus natürlich, sogar unvermeidlich, jedoch dem Proletariat nicht im geringsten gefährlich. Ein Vertreter des Proletariats, der wahrhaft versteht, Internationalist zu sein, muss solche Unschlüssigkeit mit der größten Vorsicht und Duldsamkeit behandeln, muss es den nichtproletarischen werktätigen Massen selbst überlassen, dieses Schwanken durch eigene Erfahrung zu überwinden. Unduldsam und erbarmungslos, unversöhnlich und unerbittlich müssen wir in anderen, bedeutsameren Fragen sein, auf die ich zum Teil oben bereits hingewiesen habe.

VI

Die Gegenüberstellung der Wahlen in die Konstituante im November 1917 und der Entwicklung der proletarischen Revolution in Russland vom Oktober 1917 bis zum Dezember 1919 gibt die Möglichkeit, für den bürgerlichen Parlamentarismus und die proletarische Revolution in jedem beliebigen kapitalistischen Lande Schlüsse zu ziehen. Wir wollen versuchen, die hauptsächlichsten dieser Schlussfolgerungen in aller Kürze darzulegen oder sie wenigstens zu bezeichnen.

1. Das allgemeine Wahlrecht ist ein Gradmesser für die Reife des Verständnisses, das die verschiedenen Klassen ihren Aufgaben entgegenbringen. Es zeigt, wie die verschiedenen Klassen geneigt sind, ihre Aufgaben zu lösen. Die Lösung der Aufgaben selbst aber erfolgt nicht durch Abstimmung, sondern durch alle Formen des Klassenkampfes bis zum Bürgerkrieg.

2. Die Sozialisten und Sozialdemokraten der II. Internationale stehen auf dem Standpunkt der vulgären kleinbürgerlichen Demokratie und teilen deren Vorurteil, dass die grundlegenden Fragen des Klassenkampfes durch Abstimmung entschieden werden können.

3. Die Beteiligung der Partei des revolutionären Proletariats am bürgerlichen Parlamentarismus ist notwendig zwecks jener Aufklärung der Massen, die durch Wahlen und den Kampf der Parteien im Parlament erzielt wird. Jedoch den Klassenkampf auf einen Kampf innerhalb des Parlaments beschränken oder einen derartigen Kampf als höchsten, entscheidenden, alle anderen Formen sich unterordnenden betrachten, heißt tatsächlich auf die Seite der Bourgeoisie, zum Kampf gegen das Proletariat übergehen.

4. Solch einen Übergang auf die Seile der Bourgeoisie vollziehen tatsächlich sämtliche Vertreter und Anhänger der II. Internationale und auch alle Führer der deutschen sog. „unabhängigen“ Sozialdemokratie, die zwar in Worten die Diktatur des Proletariats anerkennen, in der Tat aber durch ihre Propaganda dem Proletariat den Gedanken einschärfen, es müsse zuvörderst den formellen Willensausdruck der Mehrheit der Bevölkerung unter dem Kapitalismus (d. h. die Stimmenmehrheit im bürgerlichen Parlament) erzielen; erst dann könne der Übergang der politischen Macht an das Proletariat sich vollziehen.

Alles von dieser Voraussetzung ausgehende Gezeter der deutschen „unabhängigen“ Sozialdemokraten und anderer Führer des faulen Sozialismus gegen die „Diktatur der Minderheit“ und was dergleichen mehr ist beweisen bloß, dass diese Führer die sogar in den am meisten demokratischen Republiken tatsächlich herrschende Diktatur der Bourgeoisie nicht verstehen und die Bedingungen der Vernichtung dieser Diktatur durch den Klassenkampf nicht begreifen.

5. Dieser Mangel an Verständnis besteht insbesondere im Folgenden; sie vergessen, dass die Herrschaft der bürgerlichen Parteien zum großen Teil auf Betrug, durch den sie weite Schichten der Bevölkerung irreführen, und auf dem Druck des Kapitals beruht, wozu noch der Selbstbetrug über das Wesen des Kapitalismus kommt, ein Selbstbetrug, der am meisten die kleinbürgerlichen Parteien kennzeichnet, die gewöhnlich an die Stelle des Klassenkampfes mehr oder minder verschleierte Formen von Klassenversöhnung setzen wollen.

Möge die Mehrheit der Bevölkerung sich unter Wahrung des Privateigentums, d. h. unter Wahrung der Herrschaft und des Drucks des Kapitals, zugunsten der Partei des Proletariats aussprechen, dann erst kann und muss sie die Macht an sich nehmen“ – so sprechen die kleinbürgerlichen Demokraten„ die tatsächlichen Lakaien der Bourgeoisie, die sich „Sozialisten“ nennen.

Möge das revolutionäre Proletariat zuerst die Bourgeoisie stürzen, den Druck des Kapitals brechen, den bürgerlichen Staatsapparat zertrümmern, dann wird das siegreiche Proletariat rasch die Sympathie und Unterstützung der Mehrheit der werktätigen nichtproletarischen Massen gewinnen, und zwar dadurch, dass es diese Massen auf Kosten der Ausbeuter zufriedenstellt“ – so sprechen wir. Das Gegenteil wird eine seltene Ausnahme in der

Geschichte sein (doch auch bei einer solchen Ausnahme kann die Bourgeoisie zum Bürgerkrieg Zuflucht nehmen, wie das Beispiel Finnland gezeigt hat).

6. Oder mit anderen Worten:

Wir wollen uns zuerst verpflichten, das Prinzip der Gleichheit oder der folgerichtigen Demokratie anzuerkennen, unter Beibehaltung des Privateigentums und des kapitalistischen Joches (d. h. tatsächlich eine Ungleichheit bei formeller Gleichheit), und wollen auf dieser Grundlage einen Mehrheitsbeschluss herbeiführen“ – so sprechen die Bourgeoisie und ihre Handlanger, die kleinbürgerlichen Demokraten, die sich Sozialisten und Sozialdemokraten nennen.

Zuerst zerstört der Klassenkampf des Proletariats mit der Eroberung der Staatsmacht die Pfeiler und Grundlagen der tatsächlichen Ungleichheit, und dann führt das Proletariat, nach Besiegung der Ausbeuter, die gesamten werktätigen Massen zur Vernichtung der Klassen, d. h. zu der einzig wahren sozialistischen Gleichheit, die kein Betrug ist“ – so sprechen wir.

7. In allen kapitalistischen Ländern gibt es neben dem Proletariat oder demjenigen Teile des Proletariats, der seine revolutionären Aufgaben erkannt hat und imstande ist, für ihre Erfüllung zu kämpfen, zahlreiche unbewusst proletarische, halb proletarische halb kleinbürgerliche Schichten der werktätigen Bevölkerung, die der Bourgeoisie und der bürgerlichen Demokratie (darunter auch den „Sozialisten“ der II. Internationale) folgen, von ihnen betrogen werden, weder an ihre eigene Kraft noch an die des Proletariats glauben und die Möglichkeit nicht einsehen, auf Kosten der Enteignung der Ausbeuter ihre dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen.

Diese Schichten der Werktätigen und Ausgebeuteten liefern der Vorhut des Proletariats Verbündete, mit denen im Verein es eine feste Mehrheit der Bevölkerung besitzt. Doch kann das Proletariat diese Verbündeten bloß mittels einer solchen Waffe, wie es die Staatsmacht ist, d. h. erst nach dem Sturz der Bourgeoisie und nach der Zertrümmerung ihres Staatsapparats gewinnen.

8. In jedem beliebigen kapitalistischen Lande ist die Kraft des Proletariats unvergleichlich größer als der Anteil der Proletarier an der Gesamtbevölkerung. Das kommt daher, dass das Proletariat die ökonomische Herrschaft über das Zentrum und den Nerv des ganzen wirtschaftlichen Systems des Kapitalismus besitzt, aber auch daher, dass das Proletariat ökonomisch und politisch die wahren Interessen der bedeutenden Mehrheit der Werktätigen unter dem Kapitalismus zum Ausdruck bringt.

Daher ist das Proletariat, selbst wenn es eine Minderheit der Bevölkerung bildet (oder wenn die vorgeschrittene und wahrhaft revolutionäre Vorhut des Proletariats eine Minderheit der Bevölkerung vorstellt), imstande, sowohl die Bourgeoisie zu stürzen als auch hinterher zahlreiche Verbündete aus der Masse von Halbproletariern und Kleinbürgern zu werben, die sich nie und nimmer im Voraus für die Herrschaft des Proletariats aussprechen, die Bedingungen und Aufgaben dieser Herrschaft nicht verstehen und sich erst aus der späteren eigenen Erfahrung von der Unerlässlichkeit, Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der proletarischen Diktatur überzeugen werden.

9. Endlich gibt es in jedem kapitalistischen Lande stets sehr breite kleinbürgerliche Schichten, die unaufhörlich zwischen Kapital und Arbeit schwanken. Um zu siegen, muss das Proletariat vor allen Dingen den Moment für den entscheidenden Angriff auf die Bourgeoisie richtig wählen, unter anderem unter Berücksichtigung der Uneinigkeit zwischen der Bourgeoisie und deren kleinbürgerlichen Verbündeten oder der Haltlosigkeit ihres Bündnisses usw. Zweitens muss das Proletariat nach seinem Siege diese Unschlüssigkeit des Kleinbürgertums dazu ausnutzen, es zu neutralisieren und es daran zu hindern, sich auf die Seite der Ausbeuter zu stellen. Das Proletariat muss imstande sein, sich trotz des Hin- und Herschwankens des Kleinbürgertums eine gewisse Zeitlang zu halten usw. usw.

10. Eine der unerlässlichsten Bedingungen für die Vorbereitung des Sieges des Proletariats ist ein langwieriger, beharrlicher, erbarmungsloser Kampf gegen Opportunismus, Reformismus, Sozialchauvinismus und ähnliche bürgerliche Einflüsse und Richtungen, die unausbleiblich sind, solange das Proletariat in kapitalistischen Verhältnissen tätig ist. Ohne diesen Kampf, ohne vorherige restlose Besiegung des Opportunismus in der Arbeiterbewegung kann von einer Diktatur des Proletariats nicht die Rede sein. Der Bolschewismus hätte die Bourgeoisie in den Jahren 1917–1919 nicht besiegen können, wenn er vorher, in den Jahren 1903–1917, nicht gelernt hätte, die Menschewiki, d. h. die Opportunisten, Reformisten, Sozialchauvinisten zu besiegen und sie schonungslos aus der Partei der proletarischen Vorhut zu vertreiben.

Und der gefährlichste Selbstbetrug – manchmal aber auch eine ganz gewöhnliche Beschwindelung der Arbeiter – besteht jetzt in der Anerkennung der Diktatur des Proletariats durch die Führung der deutschen „Unabhängigen“ oder der französischen Longuetisten u. a. in Worten, während sie in Wirklichkeit ihre altgewohnte Politik der großen und kleinen Zugeständnisse an den Opportunismus, der Aussöhnung mit ihm, der Kriecherei vor den Vorurteilen der bürgerlichen Demokratie (der „folgerichtigen Demokratie“ oder der „reinen Demokratie“, wie sie es nennen), vor dem bürgerlichen Parlamentarismus usw. fortsetzen.

A Der Verfasser teilt Russland etwas ungewöhnlich in die folgenden Bezirke: Nordgebiet: Gouv. Archangelsk, Wologda, Petrograd, Nowgorod, Pskow, Livland. — Zentrales Industriegebiet: Gouv. Wladimir, Kostroma, Moskau, Nischni-Nowgorod, Rjasan, Tula, Twer, Jaroslawl. — Wolga- und Schwarzerdegebiet: Gouv. Astrachan, Woronesch, Kursk, Orel, Pensa, Samara, Saratow. Simbirsk, Tambow. — Westgebiet: Gouv. Witebsk, Minsk, Mohilew, Smolensk. — Oberes Uralgebiet: Gouv. Wjatka, Kasan, Perm, Ufa. — Sibirien: Gouv. Tobolsk, Tomsk, Altai, Jenissejsk, Irkutsk, Transbaikal, Amur. — Ukraine: Gouv. Wolhynien, Jekaterinoslaw, Kiew, Poltawa, Taurien, Charkow, Cherson, Tschernigow.

B Die in Klammern stehende Ziffer, 62%, erhält Swjatizki durch Hinzuzählung der muselmanischen und tschuwaschischen Sozialrevolutionäre.

C Die Ziffer in Klammer, 77%, gebe ich selbst durch Hinzufügung der ukrainischen Sozialrevolutionäre.

D Von Interesse ist es, die auch aus den vorher angeführten Angaben hervorgehende Einheit und Geschlossenheit der Partei des Proletariats bei gewaltiger Zersplitterung der Parteien des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie zu vermerken.

1 Lenin meint hier jenen „Kuhhandel“, den die Führer der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki unter Vermittlung des alten Exekutivkomitees des Eisenbahnerverbandes und der linken Sozialrevolutionäre unmittelbar nach dem Oktoberumsturz über die Bildung einer Koalitionsregierung aus allen „sozialistischen“ Parteien führten .

2 Lenin meint hier den Brief, den Marx am 13. Dezember 1870 an Kugelmann schrieb und in welchem er im Anschluss an eine Bewertung der Siege der preußischen Armee im deutsch-französischen Kriege sagte: „Wie aber der Krieg immer ende, er hat das französische Proletariat in den Waffen geübt, und das ist die beste Garantie der Zukunft.“

E Welche Partei 19.500 Stimmen von der Schwarzmeerflotte erhielt, ist nicht gesagt. Die übrigen Ziffern dieser Kolonne beziehen sich augenscheinlich fast ganz auf die ukrainischen Sozialisten, da 10 ukrainische Sozialisten und 1 Sozialdemokrat (d. h. Menschewik) gewählt wurden.

F Die Ziffer ist nicht genau: es wurden zwei Bolschewiki gewählt. Im Durchschnitt rechnet Swjatizki 60.000 Wahlstimmen auf einen Gewählten. Deshalb nehme ich auch die Ziffer 12.000.

F Die Ziffer ist nicht genau: es wurden zwei Bolschewiki gewählt. Im Durchschnitt rechnet Swjatizki 60.000 Wahlstimmen auf einen Gewählten. Deshalb nehme ich auch die Ziffer 12.000.

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