X. Das „Werk“ des deutschen Bulgakow, Ed. David

X. Das „Werk“ des deutschen Bulgakow, Ed. David

Das Buch Ed. Davids „Sozialismus und Landwirtschaft“ stellt eine besonders plumpe und verworrene Sammlung jener fehlerhaften Methoden und Auffassungen dar, die wir bei den Herren Bulgakow, Hertz und Tschernow kennengelernt haben. Wir könnten daher David ganz mit Stillschweigen übergehen. Da sein „Werk“ jedoch gegenwärtig zweifellos das Hauptwerk des Revisionismus in der Agrarfrage ist, halten wir es für notwendig, nochmals zu kennzeichnen, wie die Herren Revisionisten gelehrte Arbeiten schreiben.

Der Frage der Maschinen in der Landwirtschaft widmet David das ganze vierte Kapitel seines, Buches (S. 163253), abgesehen von zahlreichen gelegentlichen Bemerkungen zum gleichen Thema in anderen Kapiteln. Der Verfasser behandelt auf das ausführlichste Hunderte von technischen Einzelheiten und ertränkt in ihnen den politisch-ökonomischen Kern der Sache. In der Landwirtschaft spielen die Maschinen nicht die gleiche Rolle wie in der Industrie; in der Landwirtschaft gibt es keine zentrale Antriebsmaschine; die meisten Maschinen befinden sich nur zeitweilig in Betrieb; ein Teil der Maschinen gibt keine Ersparnisse an Produktionskosten usw. usw. Dergleichen Schlussfolgerungen (siehe S. 250–253, Zusammenfassung der Frage der Maschinen) hält David für eine Widerlegung der marxistischen Theorie! Aber das ist doch eine Verdunkelung und keine Klärung der Frage. Die Rückständigkeit der Landwirtschaft im Vergleich zur verarbeitenden Industrie unterliegt nicht dem geringsten Zweifel. Diese Rückständigkeit braucht nicht erst bewiesen zu werden. Dadurch, dass David nach Punkten aufzählt, worin sich diese Rückständigkeit äußert, und Beispiele auf Beispiele, Fälle auf Fälle häuft, schiebt er nur den eigentlichen Gegenstand der Untersuchung in den Hintergrund: hat die Maschinenanwendung kapitalistischen Charakter? Hängt die zunehmende Maschinenanwendung mit dem Wachstum der kapitalistischen Landwirtschaft zusammen?

David begreift ganz und gar nicht, wie ein Marxist die Frage zu stellen hat. Der Standpunkt Davids ist im Grunde genommen der eines Kleinbürgers, der sich mit dem verhältnismäßig langsamen Fortschritt des Kapitalismus tröstet und sich fürchtet, die gesellschaftliche Evolution in ihrer Gesamtheit zu betrachten. So z. B. zitiert David in der Frage der landwirtschaftlichen Maschinen Bensing, zitiert ihn unzählige Male (S. 176, 187, 239241, 244246). Den Leser bringt David sozusagen geradezu zur Verzweiflung, indem er von einer Einzelheit zur andern übergeht, ohne Bearbeitung des Materials, ohne Zusammenhang, ohne durchdachte Fragestellung, ohne Ziel. Deshalb zieht David aus den Schlussfolgerungen Bensings keinerlei Fazit. Das, was ich im Jahre 1901 gegen Herrn Bulgakow gesagt habe, gilt voll und ganz auch für David. Erstens, das Fazit der Schlussfolgerungen Bensings zeigt die unbestreitbare Überlegenheit der Wirtschaften, die Maschinen verwenden, über die Wirtschaften, die keine Maschinen verwenden. Diese Schlussfolgerung wird durch keinerlei „Korrekturen“ an Bensing in Kleinigkeiten, mit denen David sein Buch vollgepfropft hat, geändert. David verschweigt diese allgemeine Schlussfolgerung völlig, genau so wie Herr Bulgakow! Zweitens hat David, der Bensing endlos, sinnlos, zusammenhanglos zitiert, genau wie Herr Bulgakow die bürgerlichen Anschauungen Bensings über die Maschinen sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft nicht wahrgenommen. Mit einem Wort, die sozial-ökonomische Seite der Frage versteht David überhaupt nicht. Das Tatsachenmaterial, das von einer Überlegenheit des Großbetriebs über den Kleinbetrieb zeugt, versteht er nicht zu verallgemeinern und zu verknüpfen. Im Resultat bleibt nichts übrig als das reaktionäre Lamentieren eines Spießbürgers, der auf die .Rückständigkeit der Technik, auf die langsame Entwicklung des Kapitalismus seine Hoffnung setzt. Der rechte Kadett und „christliche“ Renegat Herr Bulgakow ist theoretisch dem sozialdemokratischen Opportunisten David völlig ebenbürtig.

Das Verständnis für die sozial-ökonomische Seite der Sache geht David auch in anderen Fragen völlig ab. Der Fall ist hoffnungslos. Man nehme seine Hauptthese, seinen Lieblingsgedanken, den „Clou“ seines Werkes: die Lebensfähigkeit des Kleinbetriebs in der Landwirtschaft und seine Überlegenheit über den Großbetrieb. Man frage David, was ein Kleinbetrieb ist?

Auf Seite 49, Anmerkung, findet man die akkurate Antwort: „Wo immer wir vom Kleinbetrieb kurzweg reden, meinen wir diese, ohne ständige fremde Hilfskräfte und ohne Nebenerwerb arbeitende Betriebskategorie.“ Das .ist plump ausgedrückt und von Herrn Großmann schauderhaft übersetzt, aber immerhin einigermaßen klar. Man hätte hiernach von David erwarten können, dass er die Bedingungen des (der Fläche nach) kleinen landwirtschaftlichen Betriebs vom Standpunkt der Anwendung von Lohnarbeit oder ihres Verkaufs durch den Landwirt untersuchen würde.

Nichts dergleichen.

In nichts kommt das bürgerliche Wesen Davids so krass zum Ausdruck, wie in der völligen Ignorierung der Frage der Verwendung von Lohnarbeit durch die „kleinen“ Landwirte und der Verwandlung dieser letzteren in Lohnarbeiter. Völlige Ignorierung – das ist buchstäblich richtig. Statistische Angaben hierüber liegen in der deutschen Statistik vor; sie werden von Kautsky in seiner „Agrarfrage“ kurz angeführt (ich habe diese Angaben ausführlich zitiert), David kennt diese Statistik und analysiert diese Angaben nicht, David führt einen Haufen Hinweise auf einzelne Monographien an und ignoriert völlig ihre Angaben über diese Frage. Kurz, der Kleinbürger verschweigt völlig die Frage der beim gut gestellten Bauern beschäftigten „kleinen Arbeitsleute“.

Hier einige Beispiele.

Auf Seite 152 lesen wir: „Im Allgemeinen prosperiert in der Gärtnerei wie in der Landwirtschaft der Kleinbetrieb.“

Man erwartet Beweise? Man erhält die folgenden und nur die folgenden:

Nach der Betriebszählung von 1895 entfielen von den 32.540 Kunst- und Handelsgärtnereien 13.247 = 40 Prozent in der Größenklasse von unter 20 Ar; 8257 – 25 Prozent in der Klasse von 20-50 Ar; 5707 = 14 Prozent in der Klasse von 50 Ar bis 1 Hektar; 3397 = 10 Prozent der Betriebe hatten eine Größe von 1-2 Hektar; und nur bei 1932 = 6 Prozent betrug das gärtnerisch benutzte Areal zwei Hektar und mehr.“

Das ist alles. Das soll die Prosperität des Kleinbetriebs in der Gärtnerei beweisen. Das soll als gelehrte Arbeit des in der Agronomie belesenen David betrachtet werden. Wenn dem so ist, so können wir nicht begreifen, was Quacksalberei in der Wissenschaft heißt.

Nur 6 Prozent besitzen je 2 Hektar und mehr, sagt David. Daneben stehen, in der gleichen Statistik, der er diese Zahlen entnimmt, Angaben über die Bodenmenge, die diese 6 Prozent besitzen, David verschweigt diese Angaben und verschweigt sie deshalb, weil sie seine Theorie zerstören, „Über die Hälfte dieser Fläche (51,39 Prozent) des gesamten Bodens, auf dem Handelsgärtnerei betrieben wird – schrieb ich anlässlich eben dieser Angaben ist jedoch in den Händen von 1932 Besitzern, d. h. von 5,94 Prozent aller Gärtner, konzentriert.“ Von diesen 1932 Gärtnereibesitzern verfügen 1441 über je 25 Hektar Gartenland; auf sie entfallen durchschnittlich je 2,76 Hektar Gartenland und je 109,6 ha Land überhaupt. 491 Gärtnereibesitzer verfügen über je 5 und mehr ha Gartenland, und zwar durchschnittlich über je 16,54 ha Gartenland und je 134,7 ha Gesamtland (ebenda).

Somit sind also bei nur 6 Prozent Gärtnereibesitzern 51,39 Prozent des gesamten Gartenlandes konzentriert. Das sind Großkapitalisten, bei denen die Gärtnerei eine Ergänzung der kapitalistischen Landwirtschaft (Betriebe mit 100–135 ha) ist. Die Handelsgärtnerei ist folglich in gewaltigem Maße kapitalistisch konzentriert. David aber hat … die Kühnheit zu behaupten, dass „der Kleinbetrieb prosperiert“, d. h. die Produktion ohne Lohnarbeit. Darüber, welche Größenklassen in der Handelsgärtnerei die Hilfe von Lohnarbeitern erheischen, macht er keine Angaben.

So geht der gelehrte David mit der Statistik um. Ein Beispiel dafür, wie er mit Monographien umgeht, ist der berüchtigte Hecht, auf den sich die Herren Bulgakow, Hertz rund Tschernow beriefen. David gibt in seinem „Werk“ Hecht auf zwei Seiten wieder (S. 515/16). Und wie gibt er ihn wieder? Keinen Ton über die Lohnarbeit, keinen Ton darüber, dass Hecht die „Ansässigkeit“ des Fabrikarbeiters, der einen Landfetzen besitzt, beschönigt und die Arbeiter mit der wohlhabenden Bauernschaft zusammen wirft. Keinen Ton darüber, dass angesichts der „Prosperität“ einer kleinen Anzahl wohlhabender Bauern die Masse sich in einer solchen Lage befindet, dass sie sogar gezwungen ist, die Milch zu verkaufen und sie durch die billigere Margarine zu ersetzen.

David schweigt nicht nur darüber, sondern erklärt sogar, „über die Höhe der Lebenshaltung dieser Kleinbauern bringt Hecht hochinteressante Belege“ (S. 516). Einen gröberen bürgerlichen Apologetismus kann man sich schwer vorstellen.

Was übrigens diesen Hinweis Hechts, betrifft, dass die Bauern Milch verkaufen, um die billigere Margarine zu kaufen, so sollte man meinen, dass dies für den Ökonomen eine ganz allgemein bekannte Tatsache ist. (Marx wies schon im Jahre 1847 im „Elend der Philosophie“ auf diese Verschlechterung der Volksernährung durch den Kapitalismus hin. In Russland wurde diese Erscheinung schon seit der Zeit Engelhardts, (70er Jahre) sehr, sehr oft von allen denen festgestellt, die den Fortschritt des Kapitalismus in der Molkereiwirtschaft einigermaßen gewissenhaft untersuchten. Der „gelehrte“ David hat dies nicht bemerkt. Er spottet sogar über solche Hinweise der Sozialisten.

Auf Seite 555 seines Buches macht sich David über Kautsky lustig, der sagt, dass die Molkereien dadurch, dass sie den Milchverkauf der Bauern fördern, deren Ernährung verschlechtern. Damit der Leser den deutschen Narodnik David nach Gebühr würdigen kann, führen wir seine eigenen Worte an:

„ … Andere Menschen pflegen, wenn sie bessere Einnahme erhalten, auch ihrem Magen etwas zugute kommen zu lassen. Es liegt das sozusagen in der Natur des Menschen, dass er gern etwas Gutes hat, wenn er das nötige Kleingeld dazu hat. Da ist es doch höchst seltsam, dass der Bauer, der für seine Milch und seine Schweine zugestandenermaßen infolge der Genossenschaft mehr Geld erhält wie vordem, es nicht auch so macht, wie andere Menschenkinder“ usw. usw. usw.

Auf diese Narretei eines reaktionären Spießbürgers lohnt es sich selbstverständlich nicht zu antworten. Es genügt, sie dem lesenden Publikum zur Schau zu stellen, es genügt, sie aus einem Haufen zusammenhangloser, auf 700 Seiten verstreuter agronomischer Zitate ans Tageslicht zu ziehen. Es genügt die Feststellung, dass selbst der von David zitierte bürgerliche Apologet Hecht die Verschlechterung der Ernährung infolge der Ersetzung der verkauften Milch durch die billige Margarine als eine Tatsache anerkennt. Das bezieht sich auf Süddeutsch]and, auf ein Gebiet, in dem die kleinbäuerliche Wirtschaft vorherrscht. Über ein anderes Gebiet Ostpreußen liegen uns die völlig analogen Angaben Klawkis vor, dass nämlich die Kleinbauern „sehr wenig Butter und Vollmilch verbrauchen“.

Die bürgerliche Apologetik Davids kann man entschieden an allen von ihm berührten Fragen verfolgen. So ergeht er sich z. B. auf Dutzenden von Seiten (539–562 u. a.) in Lobpreisungen über die Genossenschaftsmolkereien Deutschlands und Dänemarks. Er führt auch eine Statistik an … aber nur zur Frage des Anwachsens der Zahl der Genossenschaften! Die Angaben der deutschen Statistik über die Konzentrierung des „genossenschaftlichen“ Molkereiwesens in den Händen der kapitalistischen Großwirtschaften führt er nicht an. Solche Angaben werden von den Davids in der Statistik, die sie benutzen, nicht bemerkt!

Die genossenschaftlich organisierten dänischen Bauern sagt David haben auch die einzelbetrieblichen Meiereien der größeren Gutsbesitzer … geschlagen.“ Als Beispiel folgt ein Zitat aus dem 46. Bericht eines Versuchslaboratoriums, der besagt, dass die Butter der Genossenschaft besser sei als die des Gutsbesitzers. Und David fährt fort:

Das haben dieselben Bauern fertiggebracht, die ehemals nur Butter zweiter und dritter Qualität in ihren kleinen Betrieben erzeugten, für die sie nur die Hälfte des Preises erzielten, der für die Butter der großen Hofbesitzer bezahlt wurde. Und hier handelt es sich im Wesentlichen um Mittel- und Kleinbauern. (Von David hervorgehoben.) Im Jahre 1898 gab es in Dänemark 179.740 Viehställe, von denen nur 7544 = 4 Prozent 30 Kühe und mehr enthielten. 49.371 = 27,82 Prozent hatten je 10-29 Stück. Unter 10 Stück Vieh enthielten 122.589 = 68,97 Prozent der Ställe. Weit über die Hälfte von diesen, nämlich 70 218 Ställe, das macht 39,85 Prozent von sämtlichen, beherbergten nur 1-3 Stück, gehörten also zu ganz kleinen Wirtschaften. Dass selbst von den letzteren die große Mehrheit in die genossenschaftliche Organisation aufgenommen ist, beweist die Tatsache, dass im Jahre 1900 von den insgesamt ca. 1.110.000 Milchkühen Dänemarks ca. 900.000 ihre Milch an die genossenschaftlichen Molkereien abgaben.“ (S. 550/551.)

So argumentiert der gelehrte David. Genaue Angaben über die Verteilung der Zahl der Kühe in den Wirtschaften der verschiedenen Gruppen vermeidet er, es ist ihm unangenehm, sie anzuführen. Doch schon aus den von ihm angeführten fragmentarischen Zahlen ist zu ersehen, wie er die Wirklichkeit völlig entstellt. Vergleichen wir die Gesamtzahl der Kühe mit der Verteilung der Ställe nach der Gesamtviehzahl in ihnen, so erhalten wir folgendes, zwar annäherndesA, im Großen und Ganzen aber zweifellos der Wirklichkeit entsprechendes Bild.

Dänemark

Zahl der Wirtsch. in 1000

Ihr Kuhbestand in 1000

Zahl der Kühe pro Wirtsch.

Wirtschaften mit 1– 3 Kühen

70

100

1,43

„ „ 4- 9 „

52

250

4,81

„ „ 10–29

49

550 .

11,22

„ „ 30 u. m. „

8

200

25,00

Insgesamt

179

1100

6,14

Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, erstens, dass die Konzentration der Milchviehwirtschaft in Dänemark sehr stark ist. Von 1.100.000 gehören 750.000 Kühe, d. h. über zwei Drittel der Gesamtzahl, Großwirtschaften, und zwar 57.000 von 179.000, d. h. weniger als einem Drittel der Gesamtzahl der Wirtschaften, Da diese Wirtschaften je 10 und mehr Kühe besitzen, so kommen sie bestimmt nicht ohne Lohnarbeit aus. Folglich hat David „nicht bemerkt“, dass der Umfang der Viehwirtschaft hier durchaus kein kleiner ist; nach der Bodenmenge kann man die dänischen Landwirte nicht beurteilen. David „hat nicht bemerkt“, dass eine gewaltige Zahl von Kleinwirtschaften hier, wie stets und überall in der kapitalistischen Landwirtschaft, einen ganz geringfügigen Anteil an der Gesamtproduktion hat. Kleine Wirtschaften gibt es 70.000, d. h. fast 40 Prozent, während sie nur ein Elftel der Gesamtzahl der Kühe besitzen.

Zweitens zeigen die angeführten Zahlen, dass die Vorteile der Genossenschaften auch in Dänemark ebenso wie in Deutschland hauptsächlich den Kapitalisten zugute kommen. Wenn die Milch von 900.000 unter 1.100.000 Kühen an die Molkereien abgeliefert wird, so bedeutet das, dass 200.000 Kühe sich nicht der „Wohltaten“ des genossenschaftlichen Absatzes erfreuen. Dies sind vorwiegend Kühe der kleinsten Wirte, denn wir sahen an den Angaben über Deutschland, dass von den Wirtschaften unter 2 ha nur 0,3 Prozent aller Wirtschaften an den Genossenschaftsmolkereien beteiligt sind, von den Wirtschaften mit 100 ha und mehr dagegen 35,1 Prozent. Danach muss man annehmen, dass die Kleinwirte (70.000 Wirte mit 100.000 Kühen) am wenigsten an den Vorteilen des genossenschaftlichen Absatzes beteiligt sind.

Das Beispiel Dänemarks schlägt David vollständig, denn es beweist, dass weder die kleinen noch die mittleren, sondern gerade die großen Wirtschaften in der Produktion von Milchprodukten vorherrschen.

Um diese toten Zahlen und Tabellen etwas zu beleben und den Klassencharakter der bürgerlichen Landwirtschaft (der von dem stumpfsinnigen Spießbürger David völlig ignoriert wird) aufzuzeigen, wollen wir eine bemerkenswerte Tatsache aus der Geschichte der dänischen Arbeiterbewegung anführen. Im Jahre 1902 senkten die dänischen Schiffsreeder die Löhne der Heizer. Diese antworteten mit dem Streik. Der Zentralverband der Hafenarbeiter unterstützte sie, indem er alle ihm angeschlossenen Hafenarbeiter aufforderte, die Arbeit niederzulegen. Aber … den Streik allgemein zu machen, ihn auf alle dänischen Häfen auszudehnen gelang nicht. „Das für die Ausfuhr dänischer Landwirtschaftsprodukte so überaus bedeutsame Esbjerg (an der Westküste Dänemarks, wichtig im Handel mit England) in den Streik einzubeziehen gelang aber nicht, da die dänischen landwirtschaftlichen Genossenschaften erklärten, sie würden dann sofort von ihren Mitgliedern eine genügende Anzahl entsenden, um die Schiffe zu laden; ihren Export wollten die dänischen Bauern sich nicht stören lassen.“B

Die dänischen Genossenschaften traten also auf die Seite der Schiffsreeder gegen die Arbeiter und brachten den Streik zum Scheitern. Es ist natürlich durchaus begreiflich, dass die kapitalistischen Farmer, die je 10 und mehr Kühe besitzen, eben die Kapitalisten gegen die Arbeiter unterstützten. Unbegreiflich ist nur, dass Schriftsteller wie David, die den Klassenkampf vertuschen, sich Sozialisten nennen.

In der Frage der Verbindung landwirtschaftlicher Betriebe mit technischen Betriebszweigen (Zuckerfabrikation, Branntweinbrennerei usw.) begeht David genau denselben Fehler wie Herr Bulgakow. Gleich dem russischen Professor hat der deutsche „gelehrte“ Opportunist die Tabellen aus der deutschen Statistik einfach abgeschrieben, ohne zu überlegen, worauf sich diese Tabellen beziehen! Kautsky behauptet, dass die Zuckerfabrikation das klassische Beispiel einer landwirtschaftlichen Großindustrie ist. Zur Widerlegung dieser Behauptung führt David genau wie Bulgakow Zahlen an, die zeigen, dass die Zahl der mit technischen Betriebszweigen verbundenen Kleinbetriebe größer ist als die der Großbetriebe (S. 527, 530531 bei David). Dass es überhaupt mehr Kleinbetriebe als Großbetriebe gibt, das hat der gelehrte Statistiker vergessen. Anstatt den Prozentsatz der mit technischen Betrieben verbundenen Wirtschaften im Verhältnis zur Gesamtzahl der Wirtschaften der gegebenen Größenklasse festzustellen, hat er eine Tabelle abgeschrieben, die den Prozentsatz solcher Wirtschaften nach Größenklassen im Verhältnis zu ihrem Gesamtresultat angibt. Weiter oben habe ich diesen Fehler des Herrn Bulgakow bereits ausführlich aufgezeigt. Es bleibt nur zu bemerken, dass der wissenschaftlich so gewissenhafte Ed. David sich ebenso wenig Mühe gegeben hat, auf die Angaben über den Anteil des mit Rüben bestellten Bodens, der sich in den Händen der Kapitalisten befindet, einen Blick zu werfen.

Welchen Grad von Komik die Seelenverwandtschaft des deutschen Opportunisten und des russischen liberalen Professors erreicht, ist daraus ersichtlich, dass sie sich nicht nur mit gleicher Nachlässigkeit und Ungeschicklichkeit der Statistik bedienen, sondern auch mit gleicher Nachlässigkeit Marx zitieren. Gleich Bulgakow erkennt David das „Gesetz des abnehmenden Bodenertrags“ an. Zwar versucht er, dies Gesetz mit besonderen Einschränkungen darzulegen und es von besonderen Bedingungen abhängig zu machen, doch davon wird die Sache nicht im Geringsten besser. Zum Beispiel sagt David auf Seite 615, dass „das Gesetz überhaupt nichts über die Produktivitätsbewegung im Übergang von einer wissenschaftlich-technischen Stufe des Landbaus zur anderen aussagt. Es sagt lediglich etwas über die Produktivitätsbewegung auf der gleichen wissenschaftlich-technischen Stufe.“ Das ist gerade die Einschränkung des berüchtigten Gesetzes, die ich gegen Herrn Bulgakow anführte, wobei ich gleichzeitig hinzufügte, dass dies „ein in so hohem Maße relatives ,Gesetz'“ wäre, „dass weder von einem Gesetz, noch auch nur von einer grundlegenden Eigentümlichkeit der Landwirtschaft die Rede sein kann“.

Und doch fährt David fort, dies Gesetz zu einer Eigentümlichkeit der Landwirtschaft zu erheben. Es ergibt sich eine unvorstellbare Konfusion, denn bei gleichbleibenden „wissenschaftlich-technischen“ Bedingungen sind auch in der Industrie zusätzliche Kapitalanlagen äußerst begrenzt.

Das Zurückbleiben der Landwirtschaft“ sagt David im Schlusskapitel – „erklärt sich erstens aus dem Konservatismus der organischen Natur, der im Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag zur Geltung kommt“ (645). In dieser Schlussfolgerung ist bereits die soeben aufgestellte Behauptung, das „Gesetz“ beziehe sich nicht auf Übergänge zu einer höheren technischen Stufe, über Bord geworfen! Der „Konservatismus der organischen Natur“ ist nichts als eine Wortklauberei des reaktionären Spießertums, das unfähig ist. die gesellschaftlichen Bedingungen, die besonders die Entwicklung der Landwirtschaft hemmen, zu begreifen. David begreift nicht, dass zu diesen gesellschaftlichen Bedingungen gehören: erstens die Überreste des Feudalismus in der Landwirtschaft, die Nichtgleichberechtigung der Tagelöhner usw. usw., und zweitens die Bodenrente, die die Preise hochschraubt und die hohen Renten im Bodenpreis fixiert.

Wir sind also der Meinung – schreibt David , dass die heimische Landwirtschaft das gesamte benötigte Quantum Brotgetreide… nicht mit der Produktivität herstellen kann, die dank der überseeischen Produktion als weltwirtschaftliche Produktionsnorm gelten kann. Das Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag steht der beliebigen Produktmehrung auf begrenzter Fläche ohne Produktionsminderung im Wege…“ (667) -– der letzte Satz ist bei David hervorgehoben.

Man sehe sich diesen Ökonomen an! Er erklärt, dass das „Gesetz“ des abnehmenden Bodenertrags „lediglich etwas über die Produktivitätsbewegung auf der gleichen wissenschaftlich-technischen „Stufe sagt“ (515). Die Schlussfolgerung aber lautet: „Das Gesetz steht der „beliebigen Produktmehrung auf begrenzter Fläche im Wege“ (667)! Woraus folgt denn, dass die deutsche Landwirtschaft nicht auf die folgende „wissenschaftlich-technische Stufe“ gehoben werden könnte, wenn nicht das Privateigentum an Grund und Boden, wenn nicht die aufgeblähte Rente, wenn nicht die Rechtlosigkeit, Kulturlosigkeit und die gedrückte Lage des Landarbeiters, wenn nicht die fürchterlichen mittelalterlichen Privilegien des Junkertums hinderlich wären??

Der bürgerliche Apologet bemüht sich natürlich, die gesellschaftlichen und historischen Ursachen der Rückständigkeit der Landwirtschaft zu ignorieren und die Schuld auf den „Konservatismus der organischen Natur“ und auf das „Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag“ abzuwälzen. Apologetik und Stumpfsinn sind der einzige Inhalt dieses berüchtigten Gesetzes.

Um aber seinen schmachvollen Rückzug zu den alten Vorurteilen der bürgerlichen Ökonomie zu verschleiern, tischt uns David genau wie Bulgakow einen verlogenen Hinweis auf Marx auf. David zitiert dieselbe Seite des dritten Bandes des „Kapital“ (Bd. III, Teil 2, S. 277), die auch Herr Bulgakow angeführt hat! (Siehe S. 620/21 bei David und weiter oben die Kritik an Herrn Bulgakow.)

Das, was ich über die wissenschaftliche Gewissenhaftigkeit des Herrn Bulgakow gesagt habe, bezieht sich voll und ganz auch auf David. Herr Bulgakow hat das Zitat aus Marx entstellt. David hat sich darauf beschränkt, die ersten Worte desselben Zitats anzuführen: „Über die abnehmende Produktivität des Bodens bei sukzessiven Kapitalanlagen ist Liebig nachzusehen.“ („Das Kapital“. III, 2, S. 277.) Gleich Bulgakow hat David Marx entstellt, indem er dem Leser die Sache so darstellt, als ob dies der einzige Hinweis von Marx sei. In Wirklichkeit, wiederholen wir, ist jedem, der den dritten Band des „Kapital“ (und den zweiten Teil des zweiten Bandes der „Theorien über den Mehrwert“) gelesen hat, das Gegenteil bekannt. Marx zeigt Dutzende Male auf, dass er den Fall der abnehmenden Produktivkraft der zusätzlichen Kapitalanlagen für durchaus gleichberechtigt und für ebenso möglich hält wie den Fall der steigenden Produktivkraft zusätzlicher Kapitalanlagen.

In der Anmerkung auf Seite 620 verspricht David, später auf den Zusammenhang dieses Gesetzes mit der Rente einzugehen und auch „den Marxschen Versuch, die Rententheorie unter Verwerfung der Malthus-Ricardoschen Grundlage zu entwickeln und zu erweitern, einer kritischen Prüfung zu unterziehen“.

Wir können voraussagen, dass die kritische Prüfung Davids eine Wiederholung der bürgerlichen Vorurteile à la Herr Bulgakow oder … à la Genosse Maslow sein wird.

Gehen wir zur Untersuchung einer weiteren von Grund auf falschen Behauptung Davids über. Seine Apologetik oder seine Entstellungen der Statistik zu widerlegen, ist eine viel zu undankbare Arbeit. Zu der Frage, die wir gleich behandeln werden, besitzen wir einige neue Angaben, die es uns erlauben, das tatsächliche Bild der Wirklichkeit den Theorien des heutigen Spießertums gegenüberzustellen.

A Annähernd sind diese Zahlen erstens deshalb, weil die Zahl der Kühe für das Jahr 1900, die Zahl der Wirtschaften aber für 1898 gegeben ist; zweitens deshalb, weil die Zahl der Kühe nach Wirtschaftsgruppen annähernd bestimmt werden musste, da bei David keine genauen Zahlen vorliegen. Den Anteil der Großwirtschaften haben wir niedriger genommen als er in Wirklichkeit ist: 7544 Wirtschaften besitzen je 30 und mehr Kühe. Das ergibt, selbst wenn man das Minimum, d, h. je 30 Kühe pro Wirtschaft, nimmt, 7544 X 30 = 226.320 Kühe. Wir haben eine geringere Zahl genommen, da sich sonst die Größe der Kleinwirtschaften allzu sehr den Minimal-, nicht aber den Maximalgrenzen der Gruppen nähert.

B Emil Helms: „Die sozialdemokratische und gewerkschaftliche Bewegung in Dänemark“. Leipzig 1907, S. ,138.

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