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Karl Liebknecht 19160600 Betrachtungen und Erinnerungen aus der „großen Zeit"

Karl Liebknecht: Betrachtungen und Erinnerungen aus der „großen Zeit"1

[Handschriftliches Manuskript, IML, ZPA, NL 1/23, Bl. 398-426. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 261-295]

(Eilig niedergeschrieben – nicht durchgesehen!)

1. Von den Kreditabstimmungen

a) Zum 4. August 1914

Heute ist es nur bei Anspannung aller Gedächtniskraft möglich, sich in die taktische Lage zurückzuversetzen, die am 4. August 1914 für die Fraktionsmitglieder von der Minderheit bestand. Der Abfall der Fraktionsmehrheit kam selbst für den Pessimisten überraschend; die Atomisierung des bisher überwiegenden radikalen Flügels nicht minder. Die Tragweite der Kreditbewilligung für die Umschwenkung der gesamten Fraktionspolitik ins Regierungslager lag nicht auf der Hand: Noch bestand die Hoffnung, der Beschluss vom 3. August2 sei das Ergebnis einer vorübergehenden Panik und werde alsbald korrigiert, jedenfalls nicht wiederholt und gar übertrumpft werden. Aus diesen und ähnlichen Erwägungen, allerdings auch aus Unsicherheit und Schwäche erklärte sich das Misslingen des Versuchs, die Minderheit für ein öffentliches Separatvotum zu gewinnen.

Nicht übersehen werden darf dabei aber auch, welche heilige Verehrung damals noch der Fraktionsdisziplin entgegengebracht wurde, und zwar am meisten vom radikalen Flügel, der sich bis dahin in immer zugespitzterer Form gegen Disziplinbrüche oder Disziplinbruchsneigungen revisionistischer Fraktionsmitglieder hatte wehren müssen. Ein Separatvotum war eine in der Geschichte der deutschen Reichstagsfraktion seit Menschengedenken unerhörte, bei der damaligen parlamentarischen Durchschnittspsychologie schlechthin unfassbare Sache. Nach aller Überlieferung gab es nur ein Mittel, seine von der Mehrheit abweichende Meinung zu vertreten und nach Kräften zur Geltung zu bringen: den Kampf in der Fraktion. Dass deren Mehrheitsentscheidung zu respektieren sei, galt als ausgemacht. Die süddeutschen Vorgänge hatten diese Psychologie wenigstens für die Reichstagsfraktion nicht erschüttert; gerade bei den Radikalen sogar befestigt. Und diese Disziplin wurde rein formell-organisatorisch aufgefasst. Das praktische Verständnis für ihre notwendigen Grenzen war völlig unentwickelt.

Noch andre Gesichtspunkte spielten eine Rolle: Haase3 hatte sich auf Drängen gerade bisher als radikal geltender Genossen – Hoch, Kautsky usw. (vor dem 2. Dezember wiederum besonders Hilferding)4 – zur Verlesung der Erklärung im Plenum bestimmen lassen: Die Abstimmung der Fraktion darüber wurde bei der Verwirrung der Gemüter gar als eine Kraftprobe zwischen dem „radikalen" (dessen völlige Zerstörung man noch nicht begriff) und dem revisionistischen Flügel und das Ergebnis dieser Abstimmung als ein Erfolg des ersteren aufgefasst: Man gönnte dem revisionistischen Flügel die Vertretung der Fraktion auch bei dieser Gelegenheit [nicht]; der „radikale Flügel" scheute das öffentliche Hervortreten seiner Niederlage, seiner Sprengung, seiner Vernichtung. Die Aufrechterhaltung des Wahns von seiner Fortexistenz nach dem Tode war sein letzter Ehrgeiz.

Manche meinten auch: Der Gegensatz in der Fraktion werde doch bekannt werden (man war ja an die Zensur noch nicht gewöhnt!) und das innere Gewicht der Fraktionsabstimmung klarstellen; die Abtrennung einiger weniger von der Fraktion im Plenum werde das Gewicht der Übrigen nur erhöhen.

Auch in Bezug auf die Technik der Separatabstimmung fehlte jede klare Vorstellung und Übung.

Zum Verständnis der sich kreuzenden Erwägungen, die auch verhinderten, dass ich mich am 4. August im Plenum des Reichstags als einzelner von der Fraktion trennte, dient die Tatsache, dass Rosa Luxemburg mir am 1. Dezember die Botschaft überbrachte, sowohl Mehring wie Karski5 rieten mir, falls ich allein bliebe, von einem Separatvotum für den 2. Dezember ab.

Nach alledem ist zu begreifen, dass noch am 4. August, wenigstens für die nicht in württembergischen Erfahrungen Bewanderten, alles, was gegen die Kreditbewilligung getan werden konnte, ihre Bekämpfung in der Fraktion zu sein schien, ein Standpunkt, über den die Stuttgarter Opposition allerdings damals bereits hinausgewachsen war. So kam es, dass die Fraktionsopponenten am 4. August 1914 im Plenum Fraktionsdisziplin übten.

Die Vorgänge in der Partei, die sich nach dem 4. August abspielten, klärten die Situation gründlich und wiesen den einzig möglichen Kurs der Opposition.

Im übrigen vgl. „Klassenkampf", S. 6 und 57.6

Auch ich beschränkte mich unter diesen Umständen bei der ersten Kreditvorlage auf ihre Bekämpfung in der Fraktion, ohne zunächst – aus vielen Gründen, noch war der innere Zusammenbruch der Partei nicht klar zutage getreten; noch schien ein Einzelfall der Verwirrung vorzuliegen, die Fraktionsdisziplin wurde damals auch von mir noch hochgestellt – den Kampf auch ins Plenum des Reichstags zu tragen. Im Dezember ging ich dann, die programmzerstörerische Fraktionsdisziplin zum Teufel jagend, zur öffentlichen Ablehnung der Kredite im Plenum des Reichstags über.

b) Das Hinauslaufen

Der Ausweg, der Plenarsitzung heimlich fernzubleiben oder sich vor der Abstimmung hinauszuschleichen, ist kein Ausweg, sondern Drückebergerei, ein parlamentarisches Sich-tot-stellen. Einen gewissen politischen Sinn – als eine sehr unklare und schwachmütige Demonstration – bekam dieses Verfahren durch die zuerst im März – bei der Budgetabstimmung – praktizierte Veröffentlichung der Namen der solchergestalt Geflüchteten. Auch damit wurde sie kein ablehnendes Votum, wie manche zu deklarieren versuchten, noch nicht einmal eine Stimmenthaltung: Denn Stimmenthaltung bedeutet eine Meinungs- und Willensäußerung bei der Abstimmung, eine Art der Abstimmung. Die Stimme des Stimmenthaltenden existiert, der Hinauslaufende existiert parlamentarisch überhaupt nicht.7

Das Hinauslaufen ist an sich nichts, weder parlamentarisch noch überhaupt politisch. Es begann, wie bemerkt, eine gewisse politische Bedeutung zu bekommen, als aus dem bloßen heimlich-verstohlenen Drücken ein unverstohlenes, öffentliches Drücken wurde – d. h. durch die sofortige prononcierte Bekanntgabe in der Presse. Zwar nicht das Hinauslaufen, aber diese Veröffentlichung bildete von da an eine – „außerparlamentarische" – Demonstration, wenn auch nur eine Demonstration der Halbheit und Fadheit.

c) Kredit- und Budgetabstimmung

Am 2. Dezember 1914 stimmte ich im Plenum gegen die Kreditvorlage. Im März 1915 schloss sich Rühle8 mir bei der Abstimmung gegen das Budget, das die 3. Kreditvorlage enthielt, an, aber – nach seiner an den Fraktionsvorstand gerichteten schriftlichen Motivierung – nur, weil es sich um das Budget handle, zu dessen Ablehnung er durch Parteitagsbeschlüsse verpflichtet sei. Im August 1915 – bei der 4. Kreditvorlage – blieb ich wiederum allein – Rühle hatte die Abstimmung aus äußeren Gründen versäumt und erklärte in der Presse, dass er, wenn anwesend, gegen die Kredite gestimmt haben würde. Im Dezember 1915 – bei der 5. Kreditvorlage – folgte die Aktion der Dezembermänner.

d) Vor und nach dem 2. Dezember 1914

Im November 1914 hatte ich eine ausführliche Darlegung (Thesen) für ein Separatvotum ausgearbeitet, die ich den anderen 13 der Fraktionsminderheit vom August 1914 und einigen weiteren Fraktionsmitgliedern übersandte. In persönlichen Besprechungen (wie ich sie auch Mitte September in mehreren Orten – u. a. Nürnberg – hatte) mit Henke (Stendal), Bock (Gotha), Albrecht (Halle), Geyer (Leipzig), Rühle und Vogtherr (Dresden) sicherten Henke, Bock, Bühle, Vogtherr auf das bestimmteste zu, die nächsten Kredite zu verweigern; Rühle versprach dies auch für den Fall, dass er mit mir allein bleiben würde. Albrecht verhielt sich ablehnend, Geyer zweifelhaft. Herzfeld erklärte sich bei einer Rücksprache in meiner Wohnung gleichfalls für ein Separatvotum, wollte jedoch zuvörderst noch mit Ledebour reden, mit dem ich dann eine peinliche Auseinandersetzung hatte, weil ich angeblich geplant hätte, vor dem 2. Dezember eine Konferenz der Minderheit nach Herzfelds Büro zusammenzuberufen, während traditionell die Einberufung durch ihn und nach seiner Zehlendorfer Wohnung stattfinden müsse. Ledebour, den ich aufsuchte, verhielt sich gegen mein Votum (Thesen) von vornherein kritisch. Lensch, der inzwischen seine berüchtigten Artikel in der „Frankfurter Volksstimme" verbrochen hatte, schrieb mir eine eigenartig verklausulierte Absage.

Am Abend vor der Fraktionssitzung fand die Zusammenkunft bei Ledebour statt, an der Albrecht, Bock, Geyer, Henke, Herzfeld, Kunert, Ledebour, Lensch, Liebknecht, Vogtherr teilnahmen und der ich die der folgenden Fraktionssitzung unterbreitete Erklärung als Vorschlag vorlegte. Ledebour lehnte diese Erklärung und ihren Gedankengang ab, bestritt, dass es sich um eine prinzipielle Frage handle, und schlug vor, so zu prozedieren, wie er es dann in der Fraktionssitzung tat („Klassenkampf", S. 36„ein Genosse" ist dort wie Seite 53: Ledebour). Diese Auffassung wurde von allen übrigen bekämpft. Lensch meinte, die Kreditablehnung halte er zwar nach wie vor für richtig; nachdem aber durch den Augustbeschluss der Fraktion eine bestimmte politische Situation geschaffen sei, bleibe nichts übrig, als diese Situation von nun an zur Grundlage zu nehmen, worauf ihm erwidert wurde, er scheine sich die Konsequenz der Anschauungen und Handlungen – andrer zur Aufgabe zu machen.

Die übrigen – außer Lensch und Ledebour – bezeichneten die Kreditablehnung als prinzipielle Pflicht. Nachdem sich die meisten anfangs für ein Separatvotum ausgesprochen hatten, wurde von Geyer und dann auch von Bock die Bereitschaft dazu davon abhängig gemacht, dass wenigstens 15 Mann daran teilnehmen würden. Dies war das Signal auch für alle übrigen – außer Henke und mir –, den Plan fallen zulassen Die Besprechung nahm plötzlich ein chaotisches Ende. Meine beträchtlichen Hoffnungen waren zerschlagen. Verzweifelte Versuche, einige Trümmer zu retten, misslangen.

An den Tagen der Fraktionssitzungen bemühte ich mich in stundenlangen Zwiegesprächen mit Herzfeld, Henke, Rühle. Mein letzter Mohikaner war Henke, mit dem ich am 30. November frühmorgens unter Radeks, als seines Mitarbeiters, Zuziehung im Café Fürstenhof nochmals weitläufig konferierte – das Ergebnis war der „Klassenkampf", S. 40 erwähnte Antrag, den Henke dann in der Fraktion stellte und – wieder fallenließ.

In der Fraktionssitzung bekämpfte u. a. Haase die Zulassung eines Separatvotums, so wie Hilferding Haase zur Abgabe der Erklärung vom 2. Dezember beredete, weil die Haupteigenschaft des Parteiführers – Nachgiebigkeit im rechten Momente sei. Haase und Kautsky suchten mich noch in persönlichen Besprechungen von dem Entschluss zu einem Separatvotum abzubringen. Nur Bernstein9 stimmte mir privatim zu.

Nach dem 2. Dezember wurde ich von Genossen der Fraktionsminderheit vielfach heftig angegriffen, besonders von Ledebour (vgl. besondere Darstellung); aber auch von Henke und Rühle, die mir geradewegs Vorwürfe machten und den Vorwurf des Herostratentums gegen mich aufnahmen.

Die Wandlung Rühles zu dem Entschluss, im März gegen das Budget zu stimmen, dürfte auf die erste Reichskonferenz der Opposition zurückzuführen sein (Anfang März – oder Februar? – 1915 in Steglitz)10, in der ihm scharf zugesetzt wurde.

e) Vom März 1915

Bei einer Besprechung der Fraktionsminderheit, zu der auch einige süddeutsche „Radikale" – bisher Kreditbewilliger (z. B. Hoffmann (Kaiserslautern), Hierl) – zugezogen waren, wurde mitgeteilt, dass einige 30 Fraktionsmitglieder bereit seien, sich bei der Budgetabstimmung aus dem Saale zu entfernen. Ich wurde kategorisch aufgefordert, mich diesem Verfahren anzuschließen; unter keinen Umständen dürfe ich wieder im Saal bleiben und gegen die Kredite stimmen; das hieße, die geplante machtvolle Kundgebung durch Eigenbrötelei usw. stören. Einige – die süddeutschen – Genossen würden auch nur dann den Saal verlassen, wenn – ich mit hinausginge; anderenfalls würden sie im Saale bleiben und für das Budget stimmen.

Ich lehnte das Ansinnen entschieden ab; diejenigen, die ihr Verhalten so wie beschrieben von dem meinigen abhängig machten, seien Fallobst der Opposition, auf die Rücksicht zu nehmen sich von vornherein verbiete; man möge mit mir im Saale bleiben und gegen das Budget stimmen; keinesfalls würde ich für die Lächerlichkeit des Hinauslaufens zu haben sein. Haase meinte, wenn man sich dem Vorschlag fügte, würde es überall heißen, die übrigen seien mir gefolgt. Ich entgegnete, derlei Gerede sei mir gleichgültig; es komme darauf an, das politisch Richtige und Notwendige zu tun. Geyer betonte erregt, nun ziehe er seine Hand von mir, das Tischtuch sei zerschnitten usw.

Die süddeutschen „Radikalen" stimmten dann tatsächlich für das Budget, weil ich – dagegen stimmte!

f) Um den 21. Dezember 1915

Während sich im August 1915 mein Kampf mit der Fraktions-„Opposition" um meine Friedensanfrage vom 31. Juli gruppierte (vgl. später), spitzte er sich im Dezember wieder bei der Kreditfrage zu, allerdings unter den Auspizien meines Anfragenfeldzugs.

Da es mir richtig schien, die „Opposition", wenn sie ernste Initiative zeigen würde, zu unterstützen – ohne mich natürlich zu binden oder hemmen zu lassen –, unterschrieb ich – trotz schwerer Bedenken und erst nach Zureden Ernst Meyers11 in der Redaktion des „Vorwärts" – die bekannte Erklärung vom 9. Dezember12, deren Veröffentlichung durch die Zensur verhindert wurde: Bei der bisherigen Leichenfäule der Opposition schien sie mir – als erste öffentliche Kampfansage an die Fraktionsmehrheit – immerhin der Anfang eines aus Verwesung sprießenden neuen Lebens werden zu können; trotz verschiedener auch prinzipieller Kaum-Erträglichkeiten. Diese Haltung wurde auch von Mehring und Karski ausdrücklich gebilligt.

Mehrere Tage vor dem 21. Dezember beschloss die Opposition, diesmal im Plenum gegen die Kredite zu stimmen. Haase, Ledebour, ich wurden mit der Ausarbeitung einer Erklärung betraut. In diesem Kollegium suchte ich eine scharfe, prinzipielle Fassung zu erzielen. Vergeblich. Ledebours Entwurf wurde zugrunde gelegt, prinzipiell sehr bedenkliche Wendungen wurden aufgenommen (von der Sicherung unsrer Grenzen usw.). In der Sitzung der Gesamtopposition vom 19. Dezember bemühte ich mich, die Streichung dieser Sätze zu erzielen, ohne jedoch Erfolg zu haben, da einige, z. B. Wurm und Dittmann, erklärten, ihre prinzipielle Stellung zur Landesverteidigung sei noch die frühere bejahende, sie müssten auf einer Begründung bestehen, die mindestens auch in ihrem Sinne zu deuten sei. Schließlich wurde beschlossen, den ganzen Entwurf nach den verschiedenen Anregungen nochmals durchzuarbeiten und am nächsten Tage zu beraten. Nun folgte ein Ketzergericht. Es war bekannt geworden, dass ich zwei neue Anfragen – wegen der armenischen Gräuel und wegen der Lage der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten – gestellt hatte. Voller Entrüstung wurde diese Eigenmächtigkeit (gegen wen?) gegeißelt. Wurm erklärte, jetzt sei es klar, dass mein Auftreten nur durch persönliche Eitelkeit diktiert sei. Einer übertraf den anderen in der Heftigkeit der Vorwürfe gegen mich. Die Anfragen würden am Beginn der Sitzung vom 21. Dezember, d. h. derselben Sitzung, die die Haupt- und Staatsaktion des Separatvotums bringen werde, zur Verhandlung kommen und den ganzen Eindruck zerstören. Von allen wurde die sofortige Zurückziehung der Anfragen verlangt. Worauf ich bemerkte: ob sie denn so wenig Zutrauen zu ihrer großen Aktion hätten, dass sie fürchteten, meine Anfragen könnten sie verdunkeln oder zunichte machen! Dieses Vorgehen gegen mich sei ein Armutszeugnis. Ich würde meine Anfragentaktik keinesfalls aufgeben, doch sei ich bereit, ihnen den 21. Dezember völlig zu überlassen und die Anfragen auf die nächste Sitzung zu verschieben.

Haase erwiderte kategorisch: Das genüge nicht, ich müsse die Anfragen dauernd zurückziehen.

Auf Antrag Wurms und Geyers wurde beschlossen: Wenn ich bis zum folgenden Morgen die Anfragen nicht vorbehaltlos zurückziehen würde, solle ich künftig zu den Sitzungen der Fraktionsopposition nicht mehr hinzugezogen werden und an der gemeinsamen Erklärung vom 21. Dezember nicht teilhaben dürfen.

Für diesen Antrag stimmten alle Anwesenden, auch Rühle und Henke – nur Ledebour und Herzfeld enthielten sich.

So begann die Arbeitsgemeinschaft schon als Fötus zu – exkommunizieren. Ihre erste Tat, noch ehe sie ihre historische Laufbahn begonnen hatte, war – meine Ausschließung! Ich hatte natürlich keinen Anlass, mich dem tyrannischen und sachlich törichten, nur die innere Unsicherheit verratenden Verlangen zu fügen, sondern tat, was ich für zweckmäßig hielt – verschob die Anfragen und erklärte am nächsten Tag dem Genossen Herzfeld, der mich umzustimmen suchte, und dem Genossen Rühle, dem ich mich bemühte, meine politische Auffassung auseinanderzusetzen, dass ich im Grunde sehr zufrieden sei, auf diese Weise aller Verantwortung für die zu erwartende Abstimmungsbegründung enthoben zu sein.

An einer weiteren Sitzung der Opposition nahm ich nicht teil.

Zu meinem Erstaunen gab Haase dann die Erklärung doch auch in meinem Namen ab, und zwar ohne dass ich von ihrer schließlichen Fassung Kenntnis erhalten hatte.

Eine öffentliche Verwahrung dagegen einzulegen schien mir nicht am Platze. Ich meinte den Eindruck einer beabsichtigten Einspännerei vermeiden zu müssen. Ich richtete jedoch sofort am 21. Dezember an die übrigen 19 ein Schreiben, in dem ich meine Stellung zu der Erklärung präzisierte. Auf dieses Schreiben trafen Entgegnungen von Haase und Rühle ein, auf die ich replizierte – die Korrespondenz befindet sich unter meinen Papieren. Auch Henke antwortete in einem langen Brief – mit ihm besprach ich mich mündlich.

g) Material

Über die Sitzungen der Reichstagsfraktion – auch einige der Landtagsfraktion – bis März 1915 vgl. „Klassenkampf" und 1. Heft der „Internationale" …

Über die gemeinsame Sitzung von Reichstagsfraktion und Parteiausschuss – Verhandlung der Thesen! – vom August 1915 vgl. Informationsmaterial.

Über die Sitzung vom Januar, in der ich ausgeschlossen wurde (Anfragen-Frage etc.), vgl. den 2. Spartakusbrief – auch als Flugblatt gedruckt („Parlamentarische Taktik" oder ähnlich betitelt).

Im übrigen meine – wohl für jeden Dritten unleserlichen – Notizen unter meinen Papieren.

h) Nach dem 21. Dezember13

Die werdenden Arbeitsgemeinschaftler suchten nach dem 21. Dezember nicht nur ihre Abstimmung, sondern die abgegebene Erklärung (deren Schlussfassung von Haase stammt) zur Fahne und Sammelparole der Opposition zu machen. Im Schoße der gemeinsamen Sitzungen der Großberliner Opposition entspann sich Ende Dezember ein hitziger Streit. Wir bezeichneten als Hauptaufgabe der Propaganda, die schweren Mängel der Aktion vom 21. Dezember zu kritisieren und die Dezembermänner mitsamt der ganzen Opposition zu einer klaren, prinzipiellen Taktik, zum entschlossenen und rücksichtslosen parlamentarischen und außerparlamentarischen Kampf auf der ganzen Linie voranzutreiben. Ledebour und andere vertraten den eingangs umschriebenen Standpunkt. Das bekannte Flugblatt war das Produkt eines Kompromisses nach endlosen Auseinandersetzungen, in denen wiederholt der Bruch unvermeidlich schien.

Im Januar 1916 befasste sich der Berliner Zentralvorstand mit dem 21. Dezember. Die Niederbarnimer legten eine Resolution vor, die die Zustimmung zur Erklärung vom 21. Dezember aussprach und den dahinterstehenden Abgeordneten Unterstützung verhieß. Ich beantragte, nicht die Erklärung, sondern die Kreditverweigerung als selbstverständliche Pflichterfüllung zu billigen und für die Zukunft die oben gekennzeichnete parlamentarische und außerparlamentarische Politik zu fordern.

Ich wurde unter den erstaunlichsten Begründungen von verschiedenen – privatim – bestürmt, meine Amendements fallen zulassen (die Zensur werde ihren Abdruck doch nicht dulden; ihre zu erwartende Ablehnung werde den Eindruck der Kundgebung schwächen oder aufheben usw.). Da ich nicht nachgab, wurde mir das Wort abgeschnitten, so dass ich meine Anträge nicht mit einer Silbe motivieren konnte: Dennoch erhielten sie, besonders der über die künftige Taktik, eine beträchtliche Stimmenzahl (etwa 13 und einige zwanzig). Einzelne Daten über diese Sitzung bringt, ein Spartakusbrief von Ende März oder Anfang April 1916in Anknüpfung an den Parallelvorgang bei der Stellungnahme zum 24. März 1916 und zur Bildung der Arbeitsgemeinschaft, wobei Rosa Luxemburg in ähnlicher Weise vergewaltigt wurde.

Nach der geschilderten Sitzung hatte ich – auf dem Weg zum Bahnhof – mit Ströbel14, der mich wütend attackierte, einen heftigen Zusammenstoß!

2. Allerhand Erlebnisse mit Oppositionshelden

Kurz nach dem 4. August 1914 erschien Lensch bei mir, um mich wegen der Unterschrift unter eine von Rosa Luxemburg und Mehring vorgeschlagene Erklärung zu befragen (etwa: „Wir treten nur darum nicht aus der Partei, weil …"!). Ich lehnte ab, nicht „weil sie mir zu radikal war", wie die Legende sagt, sondern weil ich noch damit rechnete, dass die Partei baldigst in schwerste Verfolgungen geraten würde, so wollte ich ihr nicht „in den Rücken fallen"; sodann weil ich diese Erklärung als Halbheit empfand: Dann hätte man schon austreten müssen. Lensch bemerkte, er sei ganz meiner Auffassung.

Ende August forderte ich den Berliner Zentralvorstand zur Abhaltung von Protestversammlungen auf (vgl. „Klassenkampf"). Falls sie abgelehnt würden, plante ich, Ledebour, Lensch und Rosa Luxemburg dafür zu gewinnen, dass wir 4 auf eigne Faust, über den Kopf des Zentralvorstands, unter unseren Namen Protestversammlungen einberufen. Noch ehe mein Antrag an den Zentralvorstand entschieden war, traf ich zufällig Lensch im „Vorwärts" und schlug ihm eine Zusammenkunft vor. Er teilte mir mit, dass Rosa Luxemburg ihn und Ledebour gerade für diesen Abend zu sich gebeten habe; ich möchte dorthin kommen. Mit Rosa hatte ich leider bis dahin noch keine nähere Fühlung. Ich befolgte Lenschs Vorschlag und – blieb mit Rosa allein, weder Lensch noch Ledebour erschienen! Wir beide beschlossen, zum nächsten Tag (Sonntag) Lensch und Ledebour in meine Wohnung zu bestellen. Bei dieser Zusammenkunft zeigte sich Ledebour bereits sehr zurückhaltend und empfindlich. Meinen Vorschlag wegen der Versammlungen wies er energisch zurück; über meinen Antrag beim Berliner Zentralvorstand war er ärgerlich. Da auch Lensch für diese Aktion nicht zu haben war, gingen wir ohne Ergebnis auseinander. Ledebour hatte vorgeschlagen, Versammlungen über die – Mietsfrage abzuhalten. Die Folge dieser Besprechung war, dass wir zwei, Rosa und ich, nun allein vorgingen (Reise nach West- und Süddeutschland, Stuttgart, Frankfurt, Nürnberg, Gotha usw. Mitte September etc.; Rosa musste – als Presskommissionsmitglied – wegen des „Vorwärts"-Konflikts15 vorzeitig nach Berlin zurück).

Im September fand in Berlin eine Referentensitzung statt, in der es zu so heftigen Zusammenstößen kam, dass sie ohne Beschlüsse auseinander lief (Roheste Äußerungen besonders Bauers und Kaliskis; ihre Verhöhnung Bernsteins, der hier zuerst sein oppositionelles Bekenntnis ablegte – er hatte sein Damaskus gefunden!)

Aus Anlass einer Redakteurkonferenz und einer Parteiausschusssitzung trafen wir mit einstmals oppositionellen Genossen aus dem Reich und dem alten Berliner Oppositionskreis (Niederbarnimer! Referentenmaterial!) zusammen. Als Rosa bemerkte und ich unterstrich, dass auch die 14 Abgeordneten der Fraktionsopposition zur Verantwortung gezogen werden würden – weil sie nicht zum öffentlichen Separatvotum geschritten seien, brauste Ledebour mit hitzigstem Zorne auf. Die Stellung zur Politik des 4. August dürfe nicht in den Vordergrund gerückt werden; das ergebe eine falsche Bruchlinie usw.

Vor oder nach der letzterwähnten Szene beschlossen Mehring, Rosa und ich, die bekannte, auch von Clara Zetkin bereits unterzeichnete Erklärung vom 10. September zu publizieren.

Auf Anstoß von dritter Seite suchte ich noch Ledebour in einer langen Unterredung in seiner Wohnung zur Unterschrift zu bewegen. Ohne Erfolg. Er erhob tausend Einwendungen – wollte erst versuchen, mindestens die 14 Männer zur Teilnahme zu bestimmen usw.

Im September Versammlung in Stuttgart; im Oktober und November Versammlungen in Potsdam-Spandau, u. a. über die „Schwerindustrie und der Krieg".

Im Oktober: Preußische Landeskommission – Abgeordnetenhaus (22. 10.) – meine Berichtigungen an „Vorwärts", „Tageblatt" und „Deutsche Tageszeitung".

Die Schilderung der Vorgänge vor dem 2. Dezember vgl. oben.

Im Januar 1915 fand eine Reihe Sitzungen des Berliner Zentralvorstands statt, in denen über mich zu Gericht gesessen wurde. Die weit überwiegende Mehrheit dieser Körperschaft stand damals gegen mich. Zubeil übergoss mich mit hämischen Anwürfen und – im Bunde mit Eichhorn – mit niedrigem Reichsverbandsklatsch („Kaiserhoch" in Lüttich – vgl. Presspolemik); die hinterlistigen Infamien wegen meiner Büroverhältnisse verbreitete man nur hinter meinem Rücken (vgl. die Feststellungen, die dann nach einer langen Prüfung unter dem Vorsitz von Katzenstein selbst von den Vertretern der Büroangestellten-Organisation – Krüger, Giebel – getroffen wurden). Auch Ledebour richtete seine Rede hauptsächlich gegen mich; ich verwische die Spur, scheine auf die Zustimmung der ausländischen Presse zu spekulieren usw. Er war derart patriotisch, dass ihm Haenisch Beifall zollte und Richard Fischer auf das Wort verzichtete. – An diesen Sitzungen, außer einer, nahm auch Rosa Luxemburg teil.

Bei einer späteren, mehrere Abende währenden Versammlung des VI. [Berliner Reichstagswahlkreises] (Januar und Februar 1915), in der Ledebour Referent, Schöpflin Korreferent war, polemisierte Ledebour wieder umständlich gegen mich, während er den Unterschied zwischen sich und Schöpflin in Bezug auf die Kriegspolitik wiederum zur Zweckmäßigkeitsfrage reduzierte. Die Versammlung stellte sich weit überwiegend auf meine Seite.

Sowohl im Berliner Zentralvorstand wie in den letzt berührten Versammlungen hielt ich mich in der Polemik gegen Ledebour aufs Äußerste zurück, nahm ihn sogar – als einen nur vorübergehend versprengten Soldaten der Opposition – gegen heftige Angriffe in Schutz.

3. Von den „Kleinen Anfragen"

Die erste meiner „Anfragen", die ich beim Schippen konzipierte, schickte ich am 31. Juli 1915 unter gleichzeitiger Benachrichtigung an den Fraktionsvorstand und Ledebour, mit dem sich während meines Mai/Juni-Urlaubs ein gutes Verhältnis entwickelt hatte. Ich zweifelte damals, ob ich mit Reichstagsbeginn – bei der Entfernung meines Aufenthalts – in Berlin sein würde. Schon wegen dieser Entfernung kam eine vorherige Verständigung mit andren über die Anfrage nicht in Betracht. Später wurde der Beginn der Tagung um einige Tage verschoben.

In Berlin angekommen (am 12. August), unterrichtete mich das Reichstagsbüro, Haase habe die Verschiebung der Drucklegung und weiteren Geschäftsbehandlung der Anfrage bis nach einer geplanten Rücksprache mit mir veranlasst. Ich protestierte und ersuchte um sofortige Erledigung. Mehring und Duncker, mit denen ich mich kurz beriet, billigten mein Vorgehen. Von Haase erfuhr ich, dass er auf Parteivorstandsbeschluss gehandelt habe.

Bei einer Besprechung Großberliner Oppositionsvertreter und auswärtiger Parteiausschussmitglieder wurden mir von mehreren, besonders Ledebour, lebhafte Vorwürfe gemacht, die sich mit denen vom Januar 1916 (vgl. Spartakusbrief ) deckten. Ströbel legte sich leidenschaftlich für mich ins Zeug. – Ich bat vergeblich, sich der Anfrage anzuschließen, erklärte mich auch vergeblich bereit, die gestellte Anfrage zurückzuziehen, wenn andre bereit seien, eine inhaltlich gleiche neue Anfrage sogleich mit mir zusammen zu stellen. Die geforderte bedingungslose Zurückziehung lehnte ich ab.

In der Fraktion wurde ich gleichfalls zur Zurückziehung aufgefordert und scharf angegriffen. Ledebour rückte auch hier von mir ab.

Meine 6 Anfragen vom November 1915von denen eine (über den Winterfeldzug) vom Präsidenten abgelehnt war – hatte ich aus Königsberg eingereicht. In Berlin erfuhr ich, dass sich das Präsidium weigerte, sie während der Vertagung des Reichstags in Geschäftsgang zu nehmen und auf die Tagesordnung der ersten Sitzung zu bringen, dass auch die eine vom Präsidenten beanstandet sei.

Ich führte aus dem Krankenhaus – Gesellschaftshaus des Westens – eine Korrespondenz mit dem Direktor und dem Präsidenten, die ich, zusammengefasst, den sämtlichen Mitgliedern des Reichstags und noch besonders dem sozialdemokratischen Fraktionsvorstand zugehen ließ (Exemplare davon müssen sich in meinen Papieren befinden – zu der ersten „Denkschrift" kamen einige Nachträge, neu hinzugekommene Briefe enthaltend).

Die Fraktion behandelte mein Vorgehen, während ich noch im Krankenhaus lag (wegen Ischias und Neuritis).

Der Fraktionsvorstand schickte Haase zu mir, um mich zur Zurückziehung zu bestimmen. Ich lehnte ab.

Darauf beschloss die Fraktion, die Verantwortung für meine Anfragen abzulehnen usw.

Das Schicksal der 5 Anfragen im Plenum, die an meine späteren Anfragen anknüpfenden Erlebnisse in der Fraktionsminderheit vor dem 21. Dezember und in der Januarfraktionssitzung, die zu meinem Ausschluss aus der Fraktion führten, sind bekannt – vgl. auch oben.

Seit dem Januar wurden mir alle wesentlichen Anfragen unmöglich gemacht. Das Anfragerecht – als ernste politische Waffe – war mir vom Seniorenkonvent unter eifriger Beihilfe der Fraktionsmehrheit und Förderung durch die Fraktionsminderheit aus der Hand geschlagen.

Auch nicht bei einem Fraktionsmitglied, auch nicht bei Rühle, fand ich die geringste Unterstützung; allenthalben nur Ablehnung und Verurteilung.

Im Plenum wurde mir bei der infamen Behandlung der Anfragen durch Regierung, Präsidenten und Haus von der Fraktionsminderheit so wenig Unterstützung zuteil wie bei den sonstigen mechanischen, akustischen und Geschäftsordnungsinsulten, denen ich seit dem 2. Dezember 1915 – unter hervorragender Mitwirkung von Mehrheitsgenossen – im Hause ausgesetzt war.

Der alte Horn16 war der erste, der bei einer besonders pöbelhaften Lärmszene, die meine Worte ersticken sollte, einen zornigen Zwischenruf wagte. In den letzten Wochen griff Ledebour zweimal geschäftsordnungsmäßig für mich ein; bei den Sturmangriffen in der Sitzung vom 8. April traten mehrere Arbeitsgemeinschaftler den Angreifern entgegen.

4. Reichskonferenzen unserer Gruppe

fanden statt

a) im Februar (oder März,) 1915 (bei Pieck),

b) im Januar 1916 (in meinem Büro),

c) im März 1916 (im Abgeordnetenhaus – im Fraktionszimmer der Polen),

d) im September 1916 (zur Zeit der Reichskonferenz der Partei).

5. „Lusitania"

Im Mai 1915 kam die „Lusitania"-Torpedierung17 in der Fraktion zur Sprache. Ledebour – dessen im März (wohl 20. 3. 1915)18 gegen die Hindenburgsche Vergeltungspolitik gerichtete, viel missverstandene Polemik nach ihrem Wort und seiner damaligen Erklärung in der Fraktion patriotisch und nicht prinzipiell gemeint war, wie übrigens auch seine „Baralong"-Rede19 vom Januar 1916 zeigt – entwickelte damals, ganz ähnlich seiner „Baralong"-Rede, dass England der Hauptverantwortliche auch für die Versenkung der „Lusitania" sei, man könne sogar die Frage aufwerfen, ob England diese Versenkung nicht absichtlich provoziert habe, um Stoff zu einem neuen Kesseltreiben gegen Deutschland zu haben.

Seine Ausführungen waren dermaßen englandfeindlich, dass fast jeder Satz von den David, Südekum, Noske, Peus usw. applaudiert wurde und David sich ihm einfach anschloss.

6. Protest vom 9. Juni 1915

Die Fraktionssitzungen der Maitagung 1915 endeten mit einer solchen Steigerung der Korruption der Mehrheitspolitik, die sich immer mehr und immer ungenierter zur reinen Kriegervereinspolitik entwickelte und im Fahrwasser der immer offenherziger annexionistischen Regierung segelte, dass sich nach der letzten Fraktionssitzung (auf meine Anregung) eine größere Anzahl oppositioneller Fraktionsmitglieder versammelte, um sich über eine Gegenaktion zu beraten. Der Vorschlag, einen gemeinsamen Protest zu veröffentlichen, wurde als die gefürchtete „Spaltung" bekämpft – nur Henke und ich verharrten bei ihm. Ein andrer Vorschlag: einen Protestbrief an den Fraktionsvorstand zu richten, wurde abgelehnt, weil auch da die Gefahr der Veröffentlichung bestehe. Auch die Idee eines solchen mit allen Kautelen der Geheimhaltung zu umgebenden Briefs fand keine Gegenliebe. Wieder erwies sich die Fraktionsminderheit als ein Korb voll Flöhe.

In den ersten Tagen des Juni erfolgte eine neue skandalöse Gewerkschaftskundgebung, die einer Anzahl von Genossen (Meyer, Ströbel, Karski, Duncker, mir) Anlass gab, eine Kundgebung zu arrangieren. Ich fertigte einen Entwurf, der Ströbel zu scharf war, da er auf Hinzuziehung von Kautsky, Bernstein und andren bestand. Er machte einen Gegenentwurf, von dem einiges in meinen Entwurf übernommen wurde. Ich legte diesen Entwurf Bernstein vor, der sich Bedenkzeit erbat und später absagte; das „Gebot der Stunde" keimte auf.

Am 9. Juni wurde in meiner Wohnung die letzte Hand angelegt. Anwesend waren außer den Genannten: Mehring – der natürlich auch vorher bereits zu Rate gezogen war –, Laukant, Laufenberg20der zufällig nach Berlin und in meine Hände geraten war –, Ledebour, der erst am Tag vorher den Entwurf zugesandt erhalten hatte. Ledebours Bemühung, die Angriffe auf die Politik des 4. August zu Falle zu bringen, scheiterte. Er fügte sich schließlich. Es wurden nur wenige geringfügige Änderungen vorgenommen. An den folgenden Tagen versandten Duncker und ich Tausende von Abzügen und Abdrucken an fast alle Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre Deutschlands: Der Plan, die Protestbewegung auf so breite Basis zu stellen, wurde von Duncker und mir am Beginn der Versendungsarbeit gefasst.

Herzfelds Adresse – die bekanntlich durch ein Parteiblatt der Mehrheit denunziert wurde – war eine von mehreren für die Übersendung der Unterschrift aufgegeben Rückadressen. In Herzfelds Büro stellte ich die ersten Unterschriften zusammen, die ich dann sukzessiv dem Parteivorstand schickte.

Der Erfolg waren bekanntlich etwa tausend Unterschriften von Funktionären. Der Protest mit den Unterschriften wurde dann in vielen Tausenden von Exemplaren verbreitet.

Wenn es in dem vom Parteivorstand herausgegebenen „Material zur Fraktionsspaltung" (April 1916), S. 1, heißt: Bei der Herausgabe des Unterschriftenflugblatts vom 9. Juni 1915 seien besonders Herzfeld und Ledebour als Akteure aufgetreten, so ist das nach alledem unrichtig.

7. Preußisches

Nach der Hurrasitzung des Reichstags vom 4. August sollte am 22. Oktober eine Hetz- und Hurrasitzung des Landtags folgen. Einige Tage vorher trat die preußische Landeskommission (= preußischer Parteiausschuss) zusammen, um die verdächtige Landtagsfraktion am Zügel zu nehmen. Die Verhandlungen zeigten: die Kriegs- und Regierungsbegeisterung Volldampf voraus. Mit geblähtem Stolz bekannte sich Bauer (Generalkommission) nicht zu den Hintertreppen, sondern zu den Vordertreppen der Minister und meinte: Nach dem Kriege würden sie schon, wenn nötig, den Klassenkampf wieder aufnehmen. Der Landtagsfraktion wurde mit großer Mehrheit „untersagt", gegen die Politik der Reichstagsfraktion zu frondieren; selbst vom Frieden dürfe nicht geredet werden. Den ganzen Tiefstand der bornierten Kleinlichkeit zeigte ein Beschluss, der es der Fraktion förmlich verbot, meinem Vorschlag auf ein Eintreten für menschliche Behandlung der Kriegsgefangenen zu entsprechen!

Betrachtungen und Erinnerungen aus der „großen Zeit"

Den Schluss bildete eine wütende Schimpferei Eberts gegen mich wegen meiner belgisch-holländischen Reise.21

Die Mehrheit der Landtagsfraktion erachtete sich durch diese Beschlüsse der Landeskommission wenn nicht formell, so „moralisch" gebunden; dennoch wurde die Ablehnung des Etats beschlossen.

Die Ausarbeitung der „Erklärung" wurde Hofer, Hirsch und mir übertragen. Hirschs Entwurf, den Hofer im wesentlichen billigte – ich war an der ersten Besprechung verhindert –, enthielt nichts vom Wahlrecht usw. Ich erreichte in einer Besprechung mit Hirsch eine wesentliche Umarbeitung und Verschärfung.

Um diese Fassung entspannen sich in der Fraktion lange Kämpfe; besonders suchte die Gruppe Braun, Haenisch, Hué, Leinert den – wahrlich sanften – Friedenspassus zu Fall zu bringen.

In einer Zusammenkunft der Fraktionsführer wurde – am Morgen des 22. Oktober – unsere Erklärung vorgelegt; die bürgerlichen Parteien forderten die Einfügung des Wortes „sicheren" hinter „baldigen" („Friedens"). Dagegen wandte ich mich – wegen des imperialistischen Sinnes des Wortes. Die Erklärung wurde jedoch mit diesem Zusatz angenommen. Ich enthielt mich der Abstimmung.A

In der Plenarsitzung trat die oppositionelle Haltung der Hälfte der Landtagsfraktion deutlich hervor. Wegen der Einzelheiten vgl. den in der „Gleichheit" erschienenen Artikel.22

Den Versuchen, diese Vorgänge – das erste öffentliche Hervortreten einer parlamentarischen Opposition in Deutschland – in der Presse – unter chauvinistisch-hurrapatriotischen Rodomontaden – zu vertuschen, trat ich in Berichtigungen an den „Vorwärts", die „Deutsche Tageszeitung" und das „Berliner Tageblatt" entgegen. Diese Berichtigungen wurden in der Mehrheitspresse als Pronunziamento gegen die Reichstagsfraktion heftig angegriffen.

Über die Vorgänge in den Landtagsfraktionssitzungen vom Februar 1915 vgl. „Klassenkampf", S. 61-65.

Über die Juni-1915-Tagung des Abgeordnetenhauses23 kann ich ohne Material nichts Wesentliches bemerken.

Die nächste Tagung begann Mitte Januar 1916. Ich regte bei den oppositionellen Fraktionsmitgliedern und dem Vorsitzenden Hirsch schon vor Weihnachten 1915 eine Zusammenkunft – zur Vorbereitung der Fraktionssitzungen – an und erhielt die Zusage. Trotz mehrfacher Erinnerungen wurde die Zusammenkunft nicht einberufen. Unter der Hand teilte mir Ströbel mit, dass er, Hofer, Paul und Adolph Hoffmann, Hirsch konferiert hätten und eine der Fraktion vorzuschlagende „Erklärung" vorbereiteten, die er mir in Abschrift mitteilte. Von meiner Zuziehung sei auf A. Hoffmanns Vorschlag abgesehen, weil dann eine so radikale Fassung zu gewärtigen sei, dass Hirsch – das schwankende Zünglein an der Waage – dafür nicht zu gewinnen sei.

Der Entwurf war dann auch ein Hirsch vom trübsten Wasser, ein geradezu unglaublicher Rückschritt hinter die Erklärung vom Februar 1915, ja selbst vom Oktober 1914.24 Auf meine Vorhaltungen und den Hinweis: dieses Verfahren bedeute, dass die „radikalen" Fraktionsgenossen Hirschs Haltlosigkeit zur Achse ihrer Politik machen und es vorziehen, die Erklärung ihm, nicht aber mir mundgerecht zu machen, hatte Ströbel ein Achselzucken. Ihm war die Affäre nicht angenehm!

Kurz darnach wurde ich plötzlich telefonisch zu Hirsch gebeten, wo auch die anderen 4 versammelt waren. Ich war verhindert; die Zusammenkunft fand dann im Abgeordnetenhause statt. Es kam zu ungemein lebhaften und langwierigen Debatten, da ich den Fünfmänner-Entwurf im Ganzen und in fast jedem Satz verwarf. Ich arbeitete ihn vollständig um und erreichte durch die entschiedene Drohung, anderenfalls in der Fraktion dagegen zu stimmen, eine Form, der gegenüber ich wenigstens Stimmenthaltung in Aussicht stellte. Einige Schlusswendungen, die den Klassenkampf der proletarischen Massen zur Erzwingung des Friedens und Bezwingung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung als einzige Rettung forderten, bildeten eine wertvolle Errungenschaft. Die Auseinandersetzung – bei der ich ganz allein stand – spitzte sich schließlich auf zwei Wendungen besonders zu, eine, die die Erhaltung des Deutschen Reiches als Kriegsziel aufstellte (wodurch u. a. die elsass-lothringische Frage in unmöglicher Weise präjudiziert worden wäre), und eine, die die Gefahren einer Niederlage für die Arbeiterschaft hervorhob. Nach wiederholten Ultimaten und Abbrüchen kam schließlich das erwähnte „Resultat" zustande. Die Fraktion nahm die so gestaltete Erklärung mit 5 (Hirsch, Hofer, Paul Hoffmann, Adolph Hoffmann, Ströbel) gegen 4 (Braun, Haenisch, Hué, Leinert) Stimmen bei meiner Enthaltung an. Die Erklärung sollte im Namen der „Mehrheit der Fraktion" abgegeben werden; anderenfalls wollten die Hué und Genossen im Plenum eine Minderheitserklärung abgeben – wogegen ich natürlich nichts einzuwenden hatte.

Um die Ausführung dieses Beschlusses zu verhindern, trat nunmehr die rasch zusammengetrommelte Landeskommission in Tätigkeit, deren Mehrheit natürlich Zeter und Mordio schrie – besonders über den erwähnten Schlusspassus. Die Mehrheit der Fraktion verfocht ihre Selbständigkeit. Doch fand sich eine Mehrheit von Fraktionsmitgliedern für eine nochmalige Beratung der Fraktion über die Erklärung. Die Landeskommission vertagte sich auf den folgenden Morgen.

Die Fünfmänner hielten eine Konferenz ab, in der sie einige formale Änderungen und die Preisgabe des letzten, schärfsten Satzes beschlossen. An dieser Konferenz weigerte ich mich teilzunehmen, obwohl man mich durch Hinzuziehung Haases zu „locken" suchte. In der Fraktionssitzung legte Braun einen Entwurf vor, der die „feindlichen Regierungen" brandmarkte, die deutsche ob ihrer Friedensliebe herausstrich und auch sonst in aller Schroffheit den Mehrheitsstandpunkt ausdrückte.

Ich protestierte vergeblich gegen das schlappe Zurückweichen der Fünf, deren Vorschlag wiederum mit 5 gegen 4 Stimmen bei meiner Enthaltung angenommen wurde. Dieses Ergebnis wurde am nächsten Morgen der Landeskommission mitgeteilt, die dann einen Beschluss nach ihrem Herzen fasste.

Im März sprach ich zum Kultusetat; den Schluss der Rede bildete die Wendung: Auch die geistige Befreiung der Arbeiterklasse könne nur ihr eigenes Werk sein; die Proletarier in der Heimat und in den Armeen sollten ans Werk gehen, die zum Brudermord erhobenen Waffen senken und sich gegen den gemeinsamen Feind wenden, der ihnen Licht und Luft nimmt.

Hué forderte, dass die Fraktion diese Wendung, zumal sie gegen den Fraktionsbeschluss vom Januar (auf Streichung des ursprünglichen Schlusssatzes der Erklärung) verstoße, im Plenum des Hauses oder in der Presse desavouiere. Nach hitzigen Debatten wurde die Forderung mit Mühe und Not zurückgewiesen (nachdem Hirsch versucht hatte, mich zu einer Abschwächung meiner Worte zu bewegen!). Hué und Genossen erließen nun in der Presse eine Erklärung, in der sie von mir abrückten. Die Fünf beschlossen auf Hirschs und Adolph Hoffmanns Anregung, eine Entgegnung des Inhalts zu veröffentlichen, dass ich die fragliche Wendung nur für mich persönlich, nicht im Namen der Fraktion gebraucht und dabei nur den gleichen Spielraum benutzt hätte wie Haenisch bei seiner Kultusrede von 1915. Ich stellte fest, dass diese Entgegnung das von Hué und Genossen geforderte Desaveu sei und eine schmähliche Kapitulation vor ihnen bedeute – besonders charakterisiert durch die Anwendung des Maßstabs Haenisch auf mich. Trotz alledem hielten sie ihren Beschluss aufrecht. Die Entgegnung erschien jedoch nicht.

Nach dem Raub des „Vorwärts" durch Oberkommando und Parteivorstand25 und der Gründung der Großberliner Mehrheits-Gegen-Organisation (Verein „Vorwärts") scheint Hirsch völlig auf die Lindenstraßen-Sonnenseite26 gefallen zu sein. Die Ersatzwahl für mich wird verschleppt. Die Majoritätsverhältnisse in der Fraktion sind bedroht.

Aus dem Plenum des Abgeordnetenhauses vergleiche wegen meiner speziellen Haltung – außer den erwähnten Vorgängen vom 22. Oktober 1914 – meinen gegen Heydebrand (bei der ersten Rede aus dem Hause seit Kriegsausbruch) gerichteten Zwischenruf: „Sie haben kein Recht, im Namen des deutschen Volks zu sprechen" (wohl Februar 1915, oder Okt. 1914?)27; sodann den bald folgenden Zwischenruf-Kampf gegen Friedberg usw.28; vgl. weiter meine Reden zum Etat des Ministeriums des Innern, Februar 1915 (über Demokratisierung der inneren und auswärtigen Politik), zum Justiz und Kultus (März 1916). Unsere mehrfachen energischen Zwischenruf-Kundgebungen für den Frieden, gegen Annexionen sind aus der Presse ersichtlich.

Die Hoferschen Reden waren vielfach vortrefflich. A. Hoffmann wie immer, Ströbel in Einzelheiten oft sehr gut, in der politischen Spitze durch die Verständigungsmanie meist verbogen, die Wahlrechtsrede Paul Hoffmanns erfreulich.

8. Miszellanea vom Reichstag und vom Parteivorstand

a) David war Ende August 1914 zu der gleichen Parteivorstandssitzung geladen wie ich (wegen der geforderten Versammlungen), und zwar wegen seines Verlangens, dass der Parteivorstand nunmehr von der Regierung den Lohn für den 4. August, das demokratische Wahlrecht für Preußen, einheimsen solle! Ich wurde zuerst – im Beisein Davids – abgefertigt. David ergriff sogar das Wort gegen mich und sprach sich dabei rückhaltlos mindestens für koloniale Eroberungen aus – bekanntlich hatte er bereits am 3. August in der Fraktion eine Zurückweisung österreichischer Eroberungspläne bekämpft – vgl. „Klassenkampf", S. 6.

Die weitere Entwicklung der Annexionsbegeisterung in der Mehrheit – vgl. u. a. die Verhandlung über die Thesen vom August 1915, Landsbergs offenes Eintreten für die Narewlinie (Dezember 1915)29, die vielfachen ebenso offenen und noch viel weitergehenden Ausbrüche in Zwischenrufen usw. während der Fraktionssitzungen – ist hier zu übergehen; sie müsste im Zusammenhang mit der Haltung der Presse, mit den Gesellschaften von 1914 und ähnlichen Gesellschaften – so auch die Pikanterie der Zugehörigkeit eines Heinrich Schulz, des Leiters des sozialdemokratischen Bildungswesens, zum Gesamtausschuss des hoch patriotischen „Verbandes zur Förderung der Theaterkultur" gehört hierher – und überhaupt der gesamten offiziellen Parteipolitik dargestellt werden.

b) Zu Scheidemanns und des Parteivorstands Entwicklung – vgl. die „Schüchternheit" der Anfänge in der Korrespondenz – „Klassenkampf", S. 21 ff. und S. 19 ff.

c) Wendel, der Kriegsfreiwillige zur Rettung der Menschlichkeit; Wels, der „missverstandene" Kriegsfreiwillige und seit dem ernüchternden Missverständnis dauernd Reklamierte; Lensch, der spätgeborene Struwe- und Miquel-Jünger, der am Ende nicht sein Glück als Politiker, höchstens als Streber machte; Emmel, der bombensichere Radikale von einst, der im Kriegsbeginn den moralischen Halt verlor und infolge des unsauberen politischen Handels im Fall Martin zur Maus der Parteivorstands-Katze wurde; Hoch, der sich vom Radikalissimus zum Prototyp politisch-staatsmännischer Knochenerweichung umbildete, sind einige charakteristische Kriegsopfer aus der Fraktion. Auch Albrecht und Antrick, die, obwohl zu den 14 vom 3. August 1914 gehörig, ebenso in der Schlinge der alten Fraktion geblieben sind wie Peirotes, der elsässische Nationalist, und die süddeutschen Genossen, die im März 1915 das Budget bewilligten, weil ich es ablehnte, bilden Typen aus der alten Fraktion.

Über die bunte Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft, die aber nicht den Rückhalt eines festen Stamms zielbewusster Mitglieder hat wie die alte Fraktion im Sinne der Mehrheitspolitik, ist in den Spartakusbriefen gehandelt.

d) Die Reklamationstätigkeit des Parteivorstandes und der Generalkommission verdient eine Spezialgeschichte.

e) In jeder Fraktionssitzung, die über Kredite zu beraten hatte, tauchte ein Quidam auf, der die deutsche Kriegslage möglichst gräulich darstellte, um die etwa halb zur Besinnung gekommenen Genossen wieder in Panik zu jagen. Oft war es ein Mitglied des Fraktionsvorstands, der dieses Verblödungswerk verrichtete, im November 1914 war es besonders Heine. Stets hatten die Betreffenden allerneueste, ganz authentische Nachrichten. Und in der Tat waren sie stets Werkzeuge der Regierung, die sie für die Stimmungsmache in den Fraktionssitzungen mit Tratsch und Klatsch vollpumpte. Am drastischsten trat diese bauernschlaue Geschichtenträgerei bei der Sitzung von Fraktion und Parteiausschuss im August 1915 hervor: Die Mehrheit hatte sich dem Genossen Müller-München verschrieben, der einen ganzen Sack schranzengeschwätziger Kriegs- und Hofhistörchen ausschüttete – mit dem Finger an den Lippen Münchener Bilderbogen tiefster Staatsgeheimnisse zeigte und mit dem Possenspiel für Kinder und für Affen wirklich Eindruck machte.

f) Im Herbst 1914 ging das Gerücht, dass die Regierung eine besondere Flottenvorlage plane. Es war ein offenes Parteigeheimnis, dass die Mehrheit der Fraktion für ihre Bewilligung zu haben sein würde. Immerhin wollte das trotz der Kreditbewilligung vom 4. August sehr vielen noch zweifelhaft scheinen; so wie im März 1915 trotz zweier Kreditbewilligungen sehr vielen die Budgetbewilligung undenkbar schien.

So war der Weg in den Morast der uneingeschränkten Bethmännerei, den die Mehrheit strammen Schritts verfolgte, mit Illusionen der Minderheit gepflastert.

g) Im August 1914 wurde von Partei- und Fraktionsvorstand in Verbindung mit der preußischen Landtagsfraktion unter Zuziehung u. a. von Kautsky ein Programm für die Volksernährung ausgearbeitet. Man vergleiche damit die spätere Ernährungspolitik der offiziellen Parteiinstanzen, die immer tiefer sank – bis zum reinen Batocki-Offi-ziösentum30 eines Cunow.

h) Wegen der Stellung der Fraktion zur Friedensfrage – vgl. „Klassenkampf", S. 66. Der Hinweis auf die günstige deutsche Kriegslage war das Vehikel, auf dem der Haasesche Friedens„wunsch"-Passus vom März 1915 unter Dach gebracht wurde; man sieht die Wurzel des Übels in der Erklärung vom 21. Dezember 1915; die internationale Unmöglichkeit selbst solcher Wunschmethode.

i) Obwohl sich die Klagen über Soldatenbeschimpfungen und -misshandlungen trotz aller Bemühungen auf Hinter- und Vordertreppen immer mehr häuften und auch die Budgetkommissionsverhandlungen vom Dezember 1914 („freie Kommission") und März 1915 [sich als] wirkungslos erwiesen hatten, lehnte die Fraktion im Mai mein Verlangen nach einer öffentlichen Aussprache im Plenum ausdrücklich ab.

Charakteristisch war das Bestreben auch-„sozialdemokratischer" Vertreter in der Budgetkommission (Noske, Südekum usw.), die Berufsoffiziere von der Schuld zu entlasten, alles auf die Reserveoffiziere und Unteroffiziere abzuladen. Dass diese Mameluken auch in den berüchtigten „Kameradschaftlichkeits"-Schwindel einstimmten, nimmt nicht wunder. Dabei ließen sie sich nicht viel von dem Fortschrittler Haas überbieten, der sich in jeder Budgetkommissionssitzung – voll jüdischer Reserveoffiziersseligkeit – als Star der verlogen-süßlichsten Kameradschaftlichkeits-Verherrlichung produzierte. (An der Front geht von Mund zu Mund: „Ja, wenn die Herren Offiziere uns in gemeinsamer Gefahr zu ihrer Hilfe brauchen, dann heißt's: ,Kamerad, Kamerad'; sind sie außer Gefahr, dann geht das Schurigeln wieder los, und alles ist vergessen.")

k) Im Mai 1915 – nach dem Eingreifen Italiens in den Krieg – brachte Ebert es fertig, für seine Rede im Plenum ein begeistertes Lob der kriegsfeindlichen Haltung der italienischen Genossen zu präparieren. Ich geißelte dieses starke Stück nach Gebühr. Ob die Scheu vor dem von mir angekündigten Protest der italienischen Genossen das schamlose Vorhaben verhinderte, ist mir nicht gegenwärtig.

l) Dass die Zusammenarbeit des Parteivorstands und der Generalkommission mit der Regierung auch durch die Aufhebung aller Arbeiterschutzbestimmungen, durch die ungeheuer vermehrte Frauen- und Kinderarbeit, in Dauer und Intensität der Arbeit ungeheuer gesteigerte Ausbeutung, durch die zur Herabdrückung der Arbeitsbedingungen benutzte Konkurrenz der Gefangenenarbeit und den systematischen Polenimport, durch die gewaltsame Einschleppung und Einspannung belgischer und französischer Proletarier und auch durch den Jugendsparzwang und die andren Methoden der wirtschaftlichen Auspressung der Arbeiterklasse nicht gestört wurde, tritt heute, nach ihrer eifrigen Mitarbeit beim Arbeitszwang-Zuchthaus-Gesetz, weit in den Hintergrund. All dies bedarf einer Spezialuntersuchung, die zeigen wird, wie auch hier die offizielle deutsche Sozialdemokratie von Stufe zu Stufe sank.

m) Für die Politik der Arbeitsgemeinschaft (früheren Fraktionsminderheit) sind zu beachten: die zunehmenden Möglichkeiten und Pflichten, die dazu führen, dass es noch längst keine Wendung zum Besseren ist, wenn das, was vor einem Jahr hätte geschehen sollen, nach einem Jahre geschieht.

Die schematische Feststellung, wie sich die Politik der Arbeitsgemeinschaft in diesem und jenem Punkt entwickelt hat, gibt keinen Beurteilungsmaßstab. Die Frage hat zu lauten: Wie hat sie sich im Verhältnis zu dem, was in jeder Situation Pflicht und Möglichkeit war, entwickelt?

Beispiel: Was heißt Kreditverweigerung heute! Was eine „radikale" Rede, eine „Anfrage" usw.!

Bei diesem Maßstab kann von einem Aufstieg der Arbeitsgemeinschaft nicht die Rede sein. Die tastenden Schritte, die sie tat, sind nicht mehr, ja weniger als Stillstand im Vergleich zu den gesteigerten Pflichten.

n) Die Umregissierung der Reichstagstagungen aus reinem Theater in Theater plus Rialto und aus reinem Bumbum in Bumbum plus Geschaftlhuberei; die Herausbildung des Kommissionswesens (von der „freien Kommission" 1914 bis zur 15er Kommission des Zwangsgesetzes) ist [ein] besonderes Kapitel – ebenso die Entwicklung der praktisch[en] Geschäftsordnungs[gepflogenheiten im Plenum] während des Kriegs.31

Soweit Plenargeschäftssitzungen und schließlich sogar die öffentliche Diskussion von Gegensätzen unvermeidlich, wurden auch sie raffiniert, wenn irgend möglich, zur Demagogie gestaltet. Die Plenarverhandlungen wurden nach Kräften ausgehöhlt.

Alles Wichtige möglichst in Kommissionen geschoben, das Geheime in geheime Kommissionssitzungen, das Geheimste in Spezialsitzungen der Kommissionen – ohne Zutritt der Nichtkommissionsmitglieder, das Allergeheimste in vertraute Tete-à-Tetes mit dem Kanzler und seinen Amanuenses.

Dazu als Retuscheur für die Pressöffentlichkeit die Zensur – deren Zusammenwirken mit dem Reichstagspräsidium und der Journalistentribüne des Reichstags bei Gelegenheit der Vorgänge vom 9. April 1916 (meiner Ausschließung aus der Sitzung) offenbar wurde: Vgl. die Maiverhandlung des Reichstags über den Antrag der Arbeitsgemeinschaft.32

o) Anekdota. Bei einem jetzigen Mitglied der Arbeitsgemeinschaft vollzog sich die Umwandlung zur Kreditverweigerung im Herbst 1914 unter dem Gesichtspunkt: Die 5 Millionen vom 4. August seien genug für einen Krieg. Damit müsse die Regierung auskommen; mehr gäbe er für die Chose nicht her.

p) Scheidemanns jetzige „Friedensaktion" ist keine Aktion für den Frieden, sondern eine lügenhafte Verherrlichung der vorgeschwindelten Friedensliebe der deutschen Regierung – und zwar zu dem doppelten Zwecke: die deutsche Kriegsstimmung zu heben und, wenn möglich, die Kriegsstimmung im Ausland trügerisch zu schwächen; also, je nachdem das letztere gelingt oder nicht gelingt, eine Aktion für den deutschen Sieg oder eine Aktion für die Verschärfung und Verlängerung des Kriegs, d. h. jedenfalls eine Aktion für das Gegenteil des Friedens.

Der freche Humbug von den „Bemühungen" der offiziellen deutschen Partei- und Gewerkschaftsinstanzen auf Wiederanknüpfung der internationalen Fäden ist glücklicherweise zu plump, um im Ausland zu verfangen.

q) Zwischenrufe. Die Praxis der Stenographen wurde im Reichstag im Winter 1915/1916 (ganz ähnlich wie 1909 im Abgeordnetenhaus), um die Aufnahme meiner Zwischenrufe in das Stenogramm zu verhindern, dahin geändert33

1 Originalüberschrift. – Große Teile dieses Manuskriptes wurden zum ersten mal als Anhang zu Karl Liebknecht: Klassenkampf gegen den Krieg, Berlin [1919], veröffentlicht. Die Red.

2 Am 3. August 1914 beschloss die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nach heftigen Auseinandersetzungen mit 78 gegen 14 Stimmen (A. Albrecht, O. Antrick, W. Bock, F. Geyer, H. Haase, A. Henke, J. Herzfeld, F. Kunert, G. Ledebour, P. Lensch, K. Liebknecht, J. Peirotes, O. Rühle, E. Vogtherr), für die Kriegskredite zu stimmen. Die Red.

3 Hugo Haase (1863-1919) neben Friedrich Ebert Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Zentrist, später Mitbegründer und einer der Führer der USPD. Die Red.

4 Karl Kautsky (1854-1938) und Rudolf Hilferding (1877-1941), führende Vertreter der zentristischen Strömung in der deutschen Sozialdemokratie. – Gustav Hoch (1862-1942) stimmte vor 1914 in verschiedenen Fragen mit den deutschen Linken überein, bezog dann jedoch zentristische Positionen. Die Red.

5 Julian Marchlewski-Karski (1866-1925), führender Vertreter der polnischen Sozialdemokratie, lebte seit 1896 vorwiegend in Deutschland und entwickelte sich zu einem Führer der deutschen Linken; Mitbegründer der Spartakusgruppe; befand sich vom 22. Mai 1916 bis Mai 1918 in „Schutzhaft". Die Red.

6 Siehe Karl Liebknecht: Gesammelte Reden …, Bd. VIII, S. 7/8 u. S. 88. – Der folgende Absatz ist eine Ergänzung Karl Liebknechts und wurde nach seinen Angaben von uns an dieser Stelle eingefügt. Die Red.

7 Der folgende Absatz ist eine Ergänzung Karl Liebknechts und wurde nach seinen Angaben von uns an dieser Stelle eingefügt. Die Red.

8 Otto Rühle (1874-1945), führender Vertreter der Gruppe „Internationale", dann der linksradikalen Gruppe in Dresden; wurde bei Gründung Mitglied der KPD, in der er kleinbürgerliche, linkssektiererische Ansichten vertrat. Die Red.

9 Eduard Bernstein (1850-1932), „Stammvater des Revisionismus" (Lenin), stand während des ersten Weltkrieges auf sozialpazifistischen Positionen, trat 1917 der USPD bei, ging später wieder in die SPD. Die Red.

10 Die Reichskonferenz fand am 5. März 1915 in der Wohnung Wilhelm Piecks in Berlin-Steglitz statt. Die Red.

11 Ernst Meyer (1887-1930), bis 1916 Redakteur am „Vorwärts", einer der Führer der deutschen Linken; befand sich vom 3. August bis 50. Dezember 1916 in „Schutzhaft"; Mitbegründer der KPD. Die Red.

123 Anlässlich einer sog. Friedensinterpellation der Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion am 9. Dezember 1915 im Reichstag sandte die Fraktionsminderheit eine Erklärung gegen das Vorgehen der Fraktionsmehrheit und gegen die Regierungspolitik an den „Vorwärts". Die Red.

13 Der folgende Abschnitt ist eine Ergänzung Karl Liebknechts und wurde nach seinen Angaben von uns an dieser Stelle eingefügt. Die Red.

14 Heinrich Ströbel (1869-1944), bis 1916 Redakteur am „Vorwärts", Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, Mitarbeiter an der ersten Nummer der Zeitschrift „Internationale"; trat 1917 in die USPD ein und ging 1919 in die SPD zurück. Die Red.

15 Am 27. September 1914 wurde der „Vorwärts" vom Oberkommando in den Marken auf unbestimmte Zeit verboten, weil er in dem Artikel „Deutschland und das Ausland" angedeutet hatte, dass die deutschen Arbeiter wie die Arbeiter der anderen Länder gegen ihren Willen zum Kriege gezwungen worden seien. Nachdem sich der Parteivorstand schriftlich verpflichtet hatte, die Zeitung so zu redigieren, dass während des Krieges das Thema „Klassenhass und Klassenkampf" nicht in ihr berührt werde, wurde das Verbot am 30. September wieder aufgehoben. Damit unterwarf sich der Parteivorstand offen der Militärdiktatur.

16 Georg Horn (1841-1919) gehörte zur sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, dann zur Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft und zur Fraktion der USPD. Die Red.

17 Am 7. Mai 1915 wurde das englische Passagierschiff „Lusitania" von einem deutschen U-Boot ohne Warnung torpediert und versenkt. Dabei ertranken mehr als 1000 Menschen.

18 Gemeint ist die 8. Sitzung des Reichstags vom 20. März 1915. Die Red.

19 Am 19. August 1915 versenkte der britische Hilfskreuzer „Baralong" ein deutsches U-Boot. Die schiffbrüchige Besatzung wurde getötet. Diesen Vorfall nahmen deutsche Kriegspolitiker zum Anlass für eine verschärfte Hetze gegen England.

20 Gustav Laukant (geb. 1869), Mitglied des Zentralvorstandes des Verbandes der Sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins und Umgegend; vertrat zentristische Positionen, wurde 1917 Mitglied der USPD und ihrer zentralen Leitung. – Heinrich Laufenberg (1872-1932), führender Vertreter der linksradikalen Gruppe in Hamburg; wurde bei Gründung Mitglied der KPD, in der er kleinbürgerliche, linkssektiererische Auffassungen vertrat. Die Red.

21 Vom 4. bis 12. September 1914 unternahm Karl Liebknecht eine Reise durch Belgien, um, wie er offiziell als Zweck angegeben hatte, Nachforschungen über den Verbleib eines nahen Verwandten anzustellen, der bei Kriegsausbruch in Lüttich studierte und seitdem verschollen war. Auf seiner Fahrt, bei der Liebknecht Lüttich, Namur, Andenne u. a. Städte besuchte, traf er mit führenden Vertretern der Arbeiterbewegung zusammen, so u. a. mit Troclet (Deputierter für Lüttich), Clajot (Sekretär des Bergarbeiterverbandes) und Bologne (Deputierter für Namur). In Brüssel besuchte Liebknecht das Büro der belgischen Sozialdemokratie und das Internationale Sozialistische Büro der II. Internationale, dessen Sekretär, Camille Huysmans, ihn nach Löwen begleitete. Von dort aus begab sich Liebknecht am 13. September nach Amsterdam. Der Parteivorstand führte wegen dieser Reise eine Verleumdungskampagne gegen ihn.

A Die obige Darstellung der Vorgänge in der Landtagsfraktionssitzung vom Morgen des 22. Oktober 1914 (soweit die Besprechung der Parteiführer u. die Stimmenthaltung wegen des Wortes vom „sicheren" Frieden in Frage [kommt]) stimmt nach meiner Erinnerung. Danach nahmen an der Besprechung der Parteiführer Hirsch u. Adolph Hoffmann teil; der Vorschlag, das Wort „sicheren" einzuschalten, ging von dem Nationalliberalen Friedberg (oder Schiffer?) aus. Indessen ist dieser Vorgang im „Klassenkampf", S. 62 ff., vom 8./9. Februar 1915 berichtet.

Ich vermag – ohne Einsicht meiner Notizen u. der stenographischen Berichte – nicht zu entscheiden, welche von meinen beiden Versionen zutrifft. Wenn die letztere, so kann Hoffmann, der im Februar im Krankenhaus lag, nicht bei der Besprechung gewesen sein. Allerdings habe ich, wie ich mich jetzt zu erinnern glaube, im Oktober 1914 gegen die Fassung der Erklärung gestimmt. [Diese Berichtigung Karl Liebknechts wurde nach seinen Angaben von uns hier angefügt. Die Red.]

22 Die Kriegssitzung des preußischen Abgeordnetenhauses. In: Die Gleichheit (Stuttgart), Nr. 4 vom 13. November 1914. Die Red.

23 Das preußische Abgeordnetenhaus hielt im Juni 1915 sechs Sitzungen ab, Liebknecht sprach in keiner. In der Sitzung vom 24. Juni 1915, zu Fragen der Volksernährung und Festsetzung von Höchstpreisen, sprachen Braun, Leinert und Ströbel von der sozialdemokratischen Fraktion.

24 In der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses am 22. Oktober 1914, der ersten nach Kriegsbeginn, hatte Paul Hirsch im Namen der sozialdemokratischen Fraktion eine Erklärung abgegeben, in der zwar dem Notstandskredit von 1½ Milliarden Mark zugestimmt, aber zugleich gefordert worden war, in Preußen ein demokratisches Wahlrecht einzuführen, die Ausnahmegesetze aufzuheben und den Frieden wiederherzustellen. Am 9. Februar 1915 war die Forderung, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht in Preußen einzuführen, von Hirsch im Namen der sozialdemokratischen Fraktion wiederholt worden.

25 Der sozialdemokratische Parteivorstand hatte im Oktober 1916 ein Verbot des „Vorwärts" durch das Oberkommando in den Marken ausgenutzt, um sich in statutenwidriger Ausschaltung des Zentralvorstandes der Berliner Wahlvereine und der Berliner Presskommission des „Vorwärts" diese Zeitung anzueignen und eine sozialchauvinistische Redaktion einzusetzen. Bei diesem Gewaltakt berief sich der Parteivorstand auf die Weisung des Oberkommandos in den Marken, die das Wiedererscheinen des „Vorwärts" von einer personellen Veränderung in der Leitung der Redaktion abhängig machte.

26 In der Lindenstr. 3 befand sich der Parteivorstand. Die Red.

27 Karl Liebknecht machte diesen Zwischenruf in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses am 9. Februar 1915. Die Red.

28 In der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses am 2. März 1915, zum Etat des Ministeriums des Innern. Die Red.

29 In einer Sitzung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion im Dezember 1915 hatte Otto Landsberg geäußert: „Wenn wirklich zur besseren Verteidigung Deutschlands im Osten die Annexion der Narewlinie verlangt würde, dürfte irgendein Deutscher dagegen Widerspruch erheben?" Die Red.

30 Unter der Leitung des ostpreußischen Oberpräsidenten und Großagrariers Adolf Tortilowicz von Batocki-Friebe wurde am 23. Mai 1916 ein Kriegsernährungsamt gebildet. Die Red.

31 Dieser in der Quelle verstümmelte Satz wurde durch von Karl Liebknecht ursprünglich gestrichene Worte ergänzt. Die Red.

32 Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vom 2. Mai 1916, „das gegen den Abgeordneten Dr. Liebknecht eingeleitete Verfahren für die Dauer der Sitzungsperiode auszusetzen und die über ihn verhängte Haft aufzuheben", wurde am 9. Mai vom Reichstag zusammen mit einem ähnlich lautenden Antrag der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft vom 8. Mai einer Geschäftsordnungskommission zur Behandlung überwiesen. Am 11. Mai beantragte diese Kommission, die beiden ihr überwiesenen Anträge abzulehnen, was in namentlicher Abstimmung mit 230 gegen 110 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen auch geschah.

In der Begründung des Antrages der sozialdemokratischen Fraktion hatte Otto Landsberg die Unterstützung der Kriegspolitik bekräftigt und sich vom Kampf Karl Liebknechts distanziert. Durch den Antrag solle nicht der Abgeordnete Liebknecht verteidigt oder gar der Militärgerichtsbarkeit entzogen, sondern lediglich ein ausgesprochenes Recht des Reichstages gewahrt werden, hatte Landsberg betont.

33 Manuskript bricht hier mit Ende der Seite 29 ab. Die Fortsetzung war bisher unauffindbar. Die Red.

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