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Wladimir I. Lenin 19160325 Über das „Friedensprogramm“

Wladimir I. Lenin: Über das „Friedensprogramm“

[Sozialdemokrat Nr. 52 vom 25. März 1916. Nach Sämtliche Werke, Band 19, 1930, S. 56-64]

Eine der wichtigsten Fragen auf der Tagesordnung der zweiten internationalen Konferenz der „Zimmerwalder ist die Frage des sozialdemokratischen „Friedensprogramms“. Um den Leser sofort in das Wesen dieser Frage einzuführen, wollen wir die sich darauf beziehende Erklärung Kautskys anführen, des maßgebendsten Vertreters der Internationale und des hervorragendsten Verteidigers der Sozialchauvinisten aller Länder.

Die Internationale ist kein wirksames Werkzeug im Kriege, sie ist im wesentlichen ein Friedensinstrument … Kampf für den Frieden, Klassenkampf im Frieden“ (Neue Zeit, 27. November 19141). „Sämtliche Friedensprogramme, die innerhalb der Internationale bisher formuliert wurden, das von Kopenhagen, von London, von Wien, sie alle fordern die Anerkennung der Selbständigkeit der Nationen und mit Recht. Diese Forderung hat unsern Kompass zu bilden im jetzigen Weltkrieg“ (ebenda, 21. Mai 19152).

In diesen wenigen Worten ist das „Programm“ der internationalen Vereinigung und Aussöhnung der Sozialchauvinisten vortrefflich zum Ausdruck gebracht. Jedermann weiß, dass in Wien die Freunde und Anhänger Südekums tagten, die ganz in dessen Sinne wirken, die unter dem Schein der „Vaterlandsverteidigung“ den deutschen Imperialismus verteidigen. Und in London tagten die französischen, englischen und russischen Südekums, die „ihren“ nationalen Imperialismus unter demselben Vorwand verteidigen. Die wirkliche Politik sowohl der Londoner wie der Wiener Helden des Sozialchauvinismus besteht in der Rechtfertigung der Teilnahme am imperialistischen Kriege, in der Rechtfertigung der Niedermetzelung deutscher Arbeiter durch französische und umgekehrt, um der Entscheidung willen, welche nationale Bourgeoisie bei der Ausplünderung fremder Länder den Vorrang haben soll. Und zur Bemäntelung dieser wirklichen Politik, zur Irreführung der Arbeiter dient den Londoner und Wiener Helden die Phrase, dass wir ja die „Selbständigkeit der Nationen“ „anerkennen“ oder, mit anderen Worten, das Selbstbestimmungsrecht der Nationen anerkennen, Annexionen ablehnen usw. usf.!

Es ist sonnenklar, dass diese „Anerkennung“ eine empörende Lüge, die niederträchtigste Heuchelei ist, denn es wird die Teilnahme am Kriege gerechtfertigt, der auf beiden Seiten der Versklavung der Nationen und nicht ihrer Selbständigkeit dient. Und da kommt Kautsky mit seiner ganzen Autorität und sanktioniert die Heuchelei, anstatt sie zu enthüllen, bloßzulegen, zu brandmarken. Das einmütige Bestreben der zu Verrätern am Sozialismus gewordenen Chauvinisten, die Arbeiter zu betrügen, ist für Kautsky ein Beweis für die „Einmütigkeit“ und die Lebensfähigkeit der Internationale in der Frage des Friedens!!! Die nationale, plumpe, anschauliche, augenfällige Heuchelei, die für die Arbeiter klar zu sehen ist, verwandelt Kautsky in eine internationale, raffinierte, verhüllte Heuchelei, die den Arbeitern Sand in die Augen streut. Die Politik Kautskys ist für die Arbeiterbewegung hundertmal schädlicher und gefährlicher als die Südekums, die Heuchelei Kautskys ist hundertmal widerwärtiger.

Und es handelt sich gar nicht um Kautsky allein, denn die gleiche Politik machen im Grunde genommen auch Axelrod, Martow, Tschcheïdse in Russland, Longuet und Pressemane in Frankreich, Treves in Italien usw. Die objektive Bedeutung dieser Politik ist, dass sie dazu dient, die bürgerliche Lüge in der Arbeiterklasse zu unterstützen, bürgerliche Ideen ins Proletariat hinein zu tragen. Dass Südekum auf der einen und Plechanow auf der anderen Seite nur die bürgerliche Lüge der Kapitalisten der „eigenen“ Nation wiederholen, ist offensichtlich, aber nicht so offensichtlich ist, dass Kautsky dieselbe Lüge sanktioniert und zur „höheren Wahrheit“ der „einmütigen“ Internationale erhebt. Und die Bourgeoisie braucht es gerade, dass die Arbeiter die Südekums und Plechanows für maßgebende, einmütige „Sozialisten“ halten, die nur vorübergehend auseinander geraten sind. Die Bourgeoisie braucht es gerade, dass die Arbeiter durch heuchlerische Phrasen über Frieden, durch leere, zu nichts verpflichtende Phrasen abgelenkt werden vom revolutionären Kampfe während des Krieges, dass man sie einlullt, sie auf einen „Frieden ohne Annexionen“, auf einen demokratischen Frieden vertröstet usw. usf.

Huysmans hat das Kautskysche Friedensprogramm nur popularisiert, indem er es durch Schiedsgerichte, Demokratisierung der Außenpolitik usw. ergänzte. Der erste und grundlegende Punkt des sozialistischen Friedensprogramms muss indes die Aufdeckung der Heuchelei des Kautskyschen Friedensprogramms sein, das eine Festigung des bürgerlichen Einflusses auf das Proletariat bedeutet.

Rufen wir uns die Grundbegriffe der sozialistischen Lehre ins Gedächtnis, die von den Kautskyanern entstellt werden. Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik, die die herrschenden Klassen der kriegführenden Mächte lange vor dem Kriege getrieben haben, mit den Mitteln der Gewalt. Der Friede ist die Fortsetzung der gleichen Politik, unter Berücksichtigung jener Veränderungen im Kräfteverhältnis der Gegner, die durch die Kriegshandlungen entstanden sind. Der Krieg ändert an sich nicht die Richtung, in der sich die Politik vor dem Kriege entwickelt hat, er beschleunigt nur diese Entwicklung.

Der Krieg 1870/71 war die Fortsetzung der bürgerlich-fortschrittlichen (jahrzehntelang währenden) Politik der Befreiung und Einigung Deutschlands. Die Zertrümmerung und der Sturz Napoleons III. haben diese Befreiung beschleunigt. Das Friedensprogramm der Sozialisten jener Epoche trug diesem fortschrittlich-bürgerlichen Resultat Rechnung und unterstützte die demokratische Bourgeoisie: kein Raub an Frankreich, ehrenvoller Friede mit der Republik.

Man sehe doch, zu welcher Farce der Versuch wird, dieses Beispiel in der Situation des imperialistischen Krieges von 1914 bis 1916 sklavisch zu „wiederholen“. Dieser Krieg setzt die Politik der überreifen, reaktionären Bourgeoisie fort, die die Welt ausplünderte, sich Kolonien aneignete usw. Dieser Krieg kann auf dem Boden bürgerlicher Verhältnisse zu keinem demokratischen „Fortschritt“ führen – kraft der objektiven Lage kann er es nicht –, sondern nur zu einer Stärkung und Erweiterung jeder Unterdrückung überhaupt und der nationalen insbesondere, und zwar bei beliebigem Ausgang des Krieges.

Jener Krieg beschleunigte die Entwicklung in demokratischer, bürgerlich-progressiver Richtung: Sturz Napoleons III., Einigung Deutschlands. Dieser Krieg beschleunigt die Entwicklung nur zur sozialistischen Revolution. Damals hatte das Programm des demokratischen (bürgerlichen) Friedens eine objektive geschichtliche Grundlage. Jetzt fehlt diese Grundlage, und das leere Geschwätz vom demokratischen Frieden ist ein bürgerliches Lügengewebe, dessen objektiver Sinn die Ablenkung der Arbeiter vom revolutionären Kampf für den Sozialismus ist! Damals unterstützten die Sozialisten durch ein demokratisches Friedensprogramm die vorhandene, tiefgehende, jahrzehntelang sich offenbarende demokratisch-bürgerliche Bewegung der Massen (zum Sturz Napoleons III., zur Einigung Deutschlands). Jetzt unterstützen die Sozialisten durch ein demokratisches Friedensprogramm auf dem Boden bürgerlicher Verhältnisse die Irreführung des Volkes durch die Bourgeoisie, die das Proletariat von der sozialistischen Revolution ablenken möchte.

Wie die Phrasen von der „Vaterlandsverteidigung“ hinterrücks die Ideologie des nationalen Befreiungskrieges in die Massen tragen, so wird auch durch die Phrasen vom demokratischen Frieden auf Umwegen dieselbe bürgerliche Lüge eingeschmuggelt!

Ihr habt also kein Friedensprogramm, seid also gegen demokratische Forderungen“, erwidern die Kautskyaner, die darauf spekulieren, dass unaufmerksame Leute nicht bemerken werden, dass in diesem Einwand die bestehenden sozialistischen Aufgaben mit nicht bestehenden bürgerlich-demokratischen Aufgaben vertauscht werden.

O nein, ihr Herren, antworten wir den Kautskyanern. Wir sind für demokratische Forderungen, wir allein kämpfen für sie ohne Heuchelei, denn die objektive historische Situation gestattet nicht, sie ohne Zusammenhang mit der sozialistischen Revolution zu stellen. Man nehme z. B. den „Kompass“, dessen sich Kautsky und Konsorten zur bürgerlichen Irreführung der Arbeiter bedienen.

Südekum und Plechanow sind „einmütig“ in Bezug auf das „Friedensprogramm“: Gegen Annexionen! Für die Selbständigkeit der Nationen! Und man beachte, dass die Südekums Recht haben, wenn sie sagen, dass Russlands Verhältnis zu Polen, Finnland usw. ein annexionistisches ist. Auch Plechanow hat recht, wenn er das gleiche von dem Verhältnis Deutschlands zu Elsass-Lothringen, Serbien, Belgien usw. behauptet. Sie haben beide recht, nicht wahr? Und Kautsky „söhnt“ den deutschen Südekum mit dem russischen Südekum aus.

Aber jeder vernünftige Arbeiter merkt sofort, dass sowohl Kautsky als auch beide Südekums heucheln. Das ist klar. Um Sozialist zu sein, darf man sich nicht mit dem heuchlerischen Demokratismus abfinden, sondern muss ihn entlarven. Wie aber soll man ihn entlarven? Sehr einfach: die „Anerkennung“ der Selbständigkeit der Nationen kann nur dann als nicht heuchlerisch betrachtet werden, wenn der Vertreter der unterdrückenden Nation schon vor dem Kriege und während des Krieges die Freiheit der Lostrennung für das Volk verlangt hatte, das von seinem eigenen „Vaterlande“ unterdrückt wird.

Nur diese Forderung entspricht dem Marxismus. Marx stellte sie im Interesse des britischen Proletariats auf, als er die Freiheit Irlands forderte, wobei er nach der Lostrennung Irlands eine Föderation für wahrscheinlich hielt, d. h. er forderte die Freiheit der Lostrennung nicht um der Zersplitterung und Isolierung willen, sondern zum Zwecke einer solideren und demokratischeren Verbindung. In allen Fällen, wo es unterdrückte und unterdrückende Nationen gibt, wo keine besonderen Umstände vorliegen, die die Nationen in revolutionär-demokratische und reaktionäre scheiden (solche Umstände hat es z. B. in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts gegeben), muss Marx’ Politik in Bezug auf Irland zum Musterbeispiel proletarischer Politik werden. Der Imperialismus aber ist gerade die Epoche, in der die Einteilung der Nationen in unterdrückende und unterdrückte wesentlich und typisch, eine Scheidung in reaktionäre und revolutionäre Nationen in Europa jedoch absolut unmöglich ist.

Unsere Partei hat bereits im Jahre 1913, in ihrer Resolution zur nationalen Frage, den Sozialdemokraten zur Pflicht gemacht, den Begriff der Selbstbestimmung in dem hier angedeuteten Sinne anzuwenden. Und der Krieg 1914-1916 hat uns vollauf recht gegeben.

Man nehme den letzten Artikel Kautskys in der Neuen Zeit vom 3. März 19163. Er erklärt sich direkt einverstanden mit dem extremen deutschen Chauvinisten Austerlitz in Österreich, dem Redakteur der chauvinistischen Wiener „Arbeiter=Zeitung“, einverstanden darin, dass man nicht „die Selbständigkeit einer Nation mit ihrer Souveränität verwechseln“ dürfe. Mit anderen Worten: für die unterdrückten Nationen genügt die nationale Autonomie innerhalb eines „Nationalitätenstaates“, es ist nicht unbedingt notwendig, für sie gleiches Recht auf politische Selbständigkeit zu fordern. Und im selben Artikel behauptet Kautsky, man könne nicht beweisen, dass die „Zugehörigkeit zum russischen Staatsverband eine Notwendigkeit für die Polen“ sei.

Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Kautsky den Hindenburg, Südekum, Austerlitz und Konsorten zuliebe die Freiheit der Lostrennung Polens von Russland anerkennt, obwohl Russland ein „Nationalitätenstaat“ ist, aber über die Freiheit der Lostrennung der Polen von Deutschland geht er mit Schweigen hinweg!!! Die französischen Sozialisten erklärt Kautsky im gleichen Artikel für Abtrünnige vom Internationalismus, und zwar weil sie durch den Krieg die Befreiung Elsass-Lothringens erreichen wollen. Dass die deutschen Südekums und Konsorten den Internationalismus preisgeben, wenn sie sich weigern, die Freiheit der Lostrennung Elsass-Lothringens von Deutschland zu fordern, das verschweigt Kautsky!

Das Wörtchen „Nationalitätenstaat“ – dieses Wörtchen kann man sowohl auf England anwenden, wenn man Irland im Auge hat, als auch auf Deutschland, wenn man an Polen, das Elsass usw. denkt – benutzt Kautsky zur offenkundigen Verteidigung des Sozialchauvinismus. Den „Kampf gegen Annexionen“ hat Kautsky in ein „Programm des Friedens“ … mit den Chauvinisten, in empörende Heuchelei verwandelt. In demselben Artikel wiederholt Kautsky die süßlichen Juduschka-Reden:

Die Internationale hat nie davon abgelassen, für Verschiebungen der Landesgrenzen die Zustimmung der betroffenen Bevölkerungen zu fordern.“

Ist es nicht klar, dass Südekum und Konsorten die „Zustimmung“ der Elsässer und Belgier zu ihrem Anschluss an Deutschland, Austerlitz und Konsorten die „Zustimmung“ der Polen und Serben zum Anschluss an Österreich verlangen?

Und der russische Kautskyaner Martow? Er versucht im Blatt der Gwosdjew-Leute „Nasch Golos (Samara), die unbestrittene Wahrheit zu beweisen, dass aus der Selbstbestimmung der Nationen sich noch nicht die Vaterlandsverteidigung im imperialistischen Kriege ergibt4. Darüber aber, dass der russische Sozialdemokrat das Prinzip der Selbstbestimmung verrät, wenn er nicht die Freiheit der Lostrennung der von den Großrussen unterdrückten Nationen fordert, darüber geht Martow mit Schweigen hinweg – und reicht damit Alexinski, Gwosdjew, Potressow und Plechanow die Hand zum Frieden! Martow schweigt sich darüber auch in der illegalen Presse aus! Er polemisiert gegen den Holländer Gorter, obwohl Gorter, der, was falsch ist, das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Nationen ablehnt, es aber richtig anwendet, indem er die politische Unabhängigkeit Holländisch-Indiens fordert und den Verrat der damit nicht einverstandenen holländischen Opportunisten am Sozialismus entlarvt5. Aber Martow will nicht gegen seinen Sekretär Sjemkowski polemisieren, der in den Jahren 1912-1915 als einziger in der Liquidatorenpresse über diese Frage schrieb und das Recht auf Lostrennung, die Selbstbestimmung überhaupt ablehnte!

Ist es denn nicht klar, dass Martow ebenso heuchlerisch wie Kautsky die Selbstbestimmung „verteidigt“? Dass er ebenso seinen Wunsch bemäntelt, sich mit den Chauvinisten auszusöhnen?

Und Trotzki? Er ist Feuer und Flamme für die Selbstbestimmung, aber das ist bei ihm eine hohle Phrase, denn er fordert nicht die Lostrennung der Nationen, die vom „Vaterlande“ des betreffenden Sozialisten unterdrückt werden; er geht über die Heuchelei Kautskys und der Kautskyaner mit Schweigen hinweg!

Ein solcher „Kampf gegen Annexionen“ ist ein Betrug an den Arbeitern und keine Erläuterung des sozialdemokratischen Programms, – ist ein Abtun der Sache mit Worten und kein konkreter Hinweis auf die Pflicht der Internationalisten, – ist ein Zugeständnis an die Vorurteile des Nationalismus und seine eigennützigen Interessen („wir“ alle, sowohl Bourgeois wie Sozialchauvinisten, ziehen „Nutzen“ aus der Unterdrückung einer Nation durch „unser“ Vaterland!) und kein Kampf gegen den Nationalismus.

Das „Friedensprogramm“ der Sozialdemokraten muss vor allem bestehen in der Entlarvung des heuchlerischen Charakters der bürgerlichen, sozialchauvinistischen und kautskyanischen Phrasen über den Frieden. Das ist das Erste und Wesentliche. Sonst werden wir zu freiwilligen oder unfreiwilligen Komplizen beim Betruge an den Massen. Unser „Friedensprogramm“ fordert, dass der Hauptpunkt der Demokratie in dieser Frage – die Ablehnung der Annexionen – in der Tat und nicht in Worten zur Anwendung gelange, dass er der internationalistischen Propaganda und nicht der nationalen Heuchelei diene. Zu diesem Zweck muss man den Massen klarmachen, dass die Ablehnung der Annexionen, das heißt die Anerkennung der Selbstbestimmung, nur dann aufrichtig ist, wenn der Sozialist einer jeden Nation die Freiheit der Lostrennung der Nationen fordert, die von seiner Nation unterdrückt werden. Als positive Losung, die die Massen in den revolutionären Kampf hineinzieht und die Notwendigkeit revolutionärer Maßnahmen für den „demokratischen Frieden“ aufzeigt, muss die Losung aufgestellt werden: Verweigerung der Zahlung der Staatsschulden.

Unser „Friedensprogramm“ muss schließlich darin bestehen, klarzumachen, dass die imperialistischen Mächte und die imperialistische Bourgeoisie keinen demokratischen Frieden schließen können. Diesen muss man suchen und erstreben, aber nicht in der Vergangenheit, in der reaktionären Utopie eines nicht imperialistischen Kapitalismus oder eines Bundes gleichberechtigter Nationen im Kapitalismus, sondern in der Zukunft, in der sozialistischen Revolution des Proletariats.

Keine einzige demokratische Grundforderung ist in den fortgeschrittenen imperialistischen Ländern auch nur halbwegs dauerhaft und in breitem Umfange anders zu verwirklichen als durch revolutionäre Kämpfe unter dem Banner des Sozialismus.

Wer aber den Völkern einen „demokratischen“ Frieden verheißt, ohne gleichzeitig die sozialistische Revolution zu propagieren, wer den Kampf für diese Revolution, den Kampf schon jetzt, während des Krieges, ablehnt, – der betrügt das Proletariat.

1 Gemeint ist Kautskys Artikel „Die Internationalität und der Krieg“, „Die Neue Zeit“ Nr. 8 vom 27. November 1914.

2 Lenin hat hier Kautskys Artikel „Nochmals unsere Illusionen“ im Auge (Die Neue Zeit Nr. 8 vom 21. Mai 1915, S. 230-241), in dem Kautsky, gegen Cunow polemisierend, seine Auffassungen über das Wesen des Imperialismus, das Friedensprogramm, das Selbstbestimmungsrecht der Nationen usw. darlegt.

3 Gemeint ist Kautskys Artikel „Noch einige Bemerkungen über nationale Triebkräfte“, „Die Neue Zeit“ Nr. 23 vom 3. März 1916, S. 705-713, der eine Antwort auf den Artikel „Die nationalen Triebkräfte“ von Friedrich Austerlitz, „Die Neue Zeit“ Nr. 21 vom 18. Februar 1916 ist. Die zitierte Stelle findet sich auf S. 171.

4 Gemeint ist Martows Artikel „Was folgt aus dem ,Recht auf die nationale Selbstbestimmung'?“, „Nasch Golos Nr. 3 (17) und 4 (18) vom 17. und 24. Januar 1916, in dem er gegen die holländischen Marxisten Gorter und Pannekoek polemisierte, die die Aufnahme der Forderung des Selbstbestimmungsrechtes in das Minimalprogramm ablehnten.

5 Die Stellung Gorters zur Frage der Selbstbestimmung ist dargelegt in seinem Buche „Der Imperialismus, der Weltkrieg und die Sozialdemokratie“, Amsterdam 1915. In diesem Buch spricht sich Gorter u. a. in einer Polemik gegen den holländischen Opportunisten Troelstra für die Unabhängigkeit Holländisch-Indiens aus.

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