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Kienthaler Konferenz

Die zweite Internationale Sozialistische Konferenz der Anhänger der Zimmerwalder Vereinigung fand vom 24. bis 30. April im schweizerischen Dorf Kienthal statt. Auf der Tagesordnung standen neben den Berichten der ISK und der Mandatskommission: 1. der Kampf für die Beendigung des Krieges; 2. die Stellung des Proletariats zu den Friedensfragen; 3. Agitation und Propaganda: a) parlamentarische Tätigkeit; b) Massenaktion; 4. die Frage der Einberufung des Internationalen Sozialistischen Büros in Den Haag.

An der Konferenz nahmen die Vertreter folgender Länder teil; 1. Deutschland – 7 Delegierte, von diesen als Vertreter der „Arbeitsgemeinschaft“ (spätere USPD) Adolf Hoffmann und Hermann Fleißner, von der Gruppe „Internationale“ Ernst Meyer und Berta Thalheimer, von den Bremer Linksradikalen Paul Frölich; die Identität von zwei weiteren Delegierten konnte nicht festgestellt werden; 2. Italien – 7 Delegierte: Morgari, Modigliani, Lazzari, Prampolini, Musatti, Serrati und Dugoni; 3. Russland – 8 Delegierte: vom ZK der SDAPR (Bolschewiki) Lenin , Sinowjew , Petrowa (Inès Armand), vom OK der SDAPR (Menschewiki) Martow und Axelrod, vom internationalistischen Flügel der Sozialisten-Revolutionäre Bobrow (Natanson) und zwei Delegierte unter den Pseudonymen Saweljew und Wlassow (einer von ihnen wahrscheinlich Tschernow); 4. Polen – 5 Delegierte, und zwar von der Landesleitung der Sozialdemokratischen Partei Polens und Litauens (Anhänger der Zimmerwalder Linken) K. Radek, Bronski und Dombrowski, von der Gruppe der Zentralleitung der Partei Warski und von der PPS-Linken Łapiński; 5. Frankreich – 4 Delegierte: die zentristischen Abgeordneten Pierre Brizon, Alexandre Blanc und Raffin-Dugens und der linke Syndikalist Henri Guilbeaux; 6. Schweiz – 5 Delegierte: Gräber, Naine, Nobs, Platten und Robmann (die drei letzteren gehörten zur Zimmerwalder Linken); 7. Serbien – Kazlerowitsch; 8. ÖsterreichKoritschoner; 9. Portugal – Peluso; 10. England – ein Gast. Außer diesen nahmen von der ISK Robert Grimm und Angelica Balabanowa teil und der Sekretär der Internationalen Verbindung sozialistischer Jugendorganisationen Willy Münzenberg. Von den 43 Teilnehmern der Konferenz gehörten 12 zur Zimmerwalder Linken. Sinowjew übte außerdem das Mandat der Sozialdemokratie Lettlands und Radek das Mandat des Revolutionär-Sozialistischen Vereins Hollands (Roland-Holst) aus. In Teilfragen unterstützten die Zimmerwalder Linke Serrati, Bobrow (Natanson), Warski, Peluso und andere.

Der Hauptpunkt der Konferenz war die Frage der Einberufung des Internationalen Sozialistischen Büros in Den Haag, da diese Frage mit dem Problem der Spaltung der Internationale im Zusammenhang stand. Die Konferenz übertrug die Behandlung dieses Problems ohne vorhergehende Abstimmung einer Kommission zur Ausarbeitung einer Resolution, die sich aus Lazzari, Naine, Hoffmann, Axelrod, Lenin, Warski und einem deutschen Delegierten von der Gruppe „Internationale“ (Ernst Meyer) zusammensetzte. Die vier erstgenannten sprachen sich für die Organisierung einer Agitationskampagne für die Einberufung des ISB aus, die Minderheit dagegen. Gleichzeitig sprach sich die Mehrheit der Kommission für die Verurteilung des ISB aus, da es sich unfähig erwiesen habe, „die Prinzipien der Internationale während des Krieges zu verfechten und anzuwenden“. Das Exekutivkomitee des ISB müsse durch ein anderes, aus Sozialisten der nicht kriegführenden Länder zusammengesetztes abgelöst werden („Sozialdemokrat“ Nr. 54/55, S. 3). Im selben Entwurf ist von der Ausschließung der Sozialisten, die in kriegführenden Ländern an Regierungen teilgenommen haben, die Rede. Der Entwurf der Zimmerwalder Rechten kennzeichnete somit eine gewisse Linksentwicklung der Zentristen unter dem Drucke der wachsenden Massenbewegung, was auch bei der Abstimmung zu dieser Frage zum Ausdruck kam: für den Entwurf der Mehrheit stimmten 10, für den der Minderheit der Kommission 12, für einen Antrag Łapińskis, der die Frage der Einberufung des ISB offen ließ – 15, für den Antrag Sinowjews (im Falle der Einberufung des ISB sollen die Zimmerwalder von neuem Zusammenkommen) – 19, für den Antrag Hoffmanns (für Einberufung) – 2, für den Antrag Serratis (dem Entwurf der Mehrheit nahestehend) – 10. Nach der Abstimmung wurde die Ausarbeitung der Resolution neuerlich der Kommission übergeben, die durch zwei Linke, Nobs und Sinowjew, ergänzt wurde. Die Linken erklärten in der Kommission, dass sie, um die Einmütigkeit nicht zu verhindern, sich gegen die Annahme der Resolution Łapińskis nicht wenden würden. Daraufhin wurde mit allen Stimmen gegen die Stimme Dugonis und bei Stimmenthaltung Axelrods die Resolution Łapińskis von der Konferenz angenommen (siehe diesen Band, Anhang, „Dokumente und Materialien“, Nr. 2). Zur Resolution wurden 2 Abänderungsanträge angenommen: ein Antrag Sinowjews, der lautet: „Sollte das Exekutivkomitee des ISB die Einberufung des Büros beschließen, so hat die ISK, wenn irgend möglich, die erweiterte Kommission einzuberufen, um ein gemeinsames Vorgehen der auf dem Boden der Zimmerwalder Beschlüsse stehenden Vertreter zu besprechen“, und ein Antrag Modiglianis: „Die Konferenz anerkennt das Recht der der ISK angeschlossenen nationalen Sektionen, von sich aus die Einberufung des ISB zu verlangen“.

Eine andere Resolution von großer prinzipieller Bedeutung war die über die Stellung des Proletariats zur Friedensfrage. Auch hierbei zeigte sich das Überwiegen der „linken“ Zentristen. In § 6 des ersten Abschnitts heißt es, dass „die Arbeiterklasse die utopischen Forderungen des bürgerlichen oder sozialistischen Pazifismus ablehnen“ muss (siehe diesen Band, Anhang, „Dokumente und Materialien“, Nr. 3). Die Linke hatte einen eigenen Entwurf eingebracht.

Die Kienthaler Konferenz war im Vergleich zur Zimmerwalder ein Schritt vorwärts, sowohl deshalb, weil die Bedeutung der Linken zugenommen hatte, als auch deshalb, weil die zentristische Mehrheit unter dem Drucke der nach links gehenden Massen sich zu einer Verurteilung des Sozialpazifismus und zu einer scharfen Kritik des ISB entschloss. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 19, Anm. 59]

Die zweite Konferenz der Zimmerwalder fand in Kienthal (Schweiz) 24.–30. April 1916 statt. Anwesend waren über 40 Delegierte aus verschiedenen Ländern, und zwar: Deutschland 7 Delegierte, Frankreich 4, England 1, Italien 8, Russland 8, Polen 5, Serbien 1, Portugal 1, Schweiz 5, ferner 1 Delegierter des Internationalen sozialistischen Jugendsekretariats. Von Deutschland erschienen für die Ledebour-Gruppe Adolf Hoffmann und Hermann Fleißner, für die Spartakus-Gruppe wieder Ernst Meyer und Bertha Thalheimer; Paul Frölich vertrat die Gruppe der Bremer Linksradikalen. Von Russland waren im Wesentlichen die gleichen Vertreter anwesend, wie auf der ersten Konferenz. Die Letten übertrugen ihr Mandat Lenin. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.1, Anm. 47]

Die zweite Internationale Sozialistische Konferenz der Anhänger der Zimmerwalder Vereinigung fand am 24. bis 30. April im schweizerischen Dorfe Kienthal statt. An ihr nahmen 45 Delegierte aus verschiedenen Ländern teil: 12 Linke, 5 bis 7 Schwankende, die sich oft den Linken anschlossen, die anderen waren Zentristen. Somit blieben die Linken auch diesmal in der Minderheit. Doch nahmen jetzt die Zentristen, unter dem Druck der Linken und unter dem Einfluss der anwachsenden Massenbewegung, einen linkeren Standpunkt ein als in Zimmerwald. Die Resolutionen der Kienthaler Konferenz waren klarer und bestimmter als die von Zimmerwald. Den Bruch mit den Sozialchauvinisten führte die Konferenz aber nicht herbei. In einem Brief an Genossin Kollontai vom Mai 1916 beurteilte Lenin die Arbeiten der Kienthaler Konferenz folgendermaßen: „Das Kienthaler Manifest ist ein Schritt vorwärts … es wurde eine Resolution angenommen mit einer Kritik des Pazifismus sowie eine Resolution mit einer scharfen Kritik des ISB. Im allgemeinen ist das, trotz einer Unmenge von Mängeln, doch ein Schritt zum Bruch mit den Sozialpatrioten“. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 5, Anm. 72]

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