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Leo Trotzki 19180217 Bericht im Petrograder Komitee

Leo Trotzki: Bericht im Petrograder Komitee

[„Iswestija SRiSD" Nr. 27, 28, 17. und Februar 1918. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 17, часть 1. Москва-Ленинград, 1926, S. 111-116]

Am 7. November 1917 begannen wir offiziell mit Friedensverhandlungen und schickten Funktelegramme nach Berlin und Wien sowie nach England, Frankreich und Amerika mit dem Vorschlag, Friedensverhandlungen zu beginnen. Ende Januar dieses Jahres wurden unsere Verhandlungen abgebrochen. So dauerten diese Verhandlungen mehr als zwei Monate, und jetzt können wir bereits zusammenfassen.

Die ersten Stadien der Verhandlungen sind euch bereits berichtet worden, und ich werde jetzt einen kurzen Bericht über die Fakten der letzten zwei Wochen geben, als wir den Kongress verließen, um unsere Antwort an die Deutschen zu übermitteln.

Es muss gesagt werden, dass sich alle Verhandlungen um die Losung der „Selbstbestimmung" drehten. Diese Losung wurde erstmals von der russischen Revolution auf die Weltbühne gehoben.

Wie ihr euch erinnert, Genossen, haben sie dieses Prinzip angenommen. Wir erkannten natürlich, dass sie nur die Worte annahmen, um es in der Praxis zu töten. Und die nachfolgenden Ereignisse rechtfertigten dies. Sie stellten sich die Aufgabe, die besetzten Gebiete direkt oder indirekt in Besitz zu nehmen und diese Inbesitznahme mit einer roten Phrase zu verdecken.

Ihr Betrug war zu grob und offensichtlich, um nicht entlarvt zu werden. Aber sie hatten folgende Berechnung: Russland braucht Frieden, und die russische Delegation wird diesen Frieden schönreden müssen, um die deutschen und russischen Arbeiter beruhigen zu helfen.

Und als wir begannen, offen und ehrlich ihre Streiche zu enthüllen, rissen sie, wie die Franzosen sagen, ihre Augen weit auf, denn angeblich gab es eine stillschweigende Übereinkunft zwischen uns … und ihr widersprecht uns und handelt gegen euch selbst.

In der ersten Epoche der Verhandlungen bemühte sich die deutsche Delegation, ihre Annexionswünsche zu heiligen, die Inbesitznahme Polens, Litauens usw. durch das demokratische Prinzip zu decken, und wir mussten sie natürlich entlarven; als Ergebnis der Debatte haben wir sie gezwungen, uns ohne Phrasen zu sagen, welche Art von Grenze sie für Russland anbieten. Wir sagten ihnen danach, dass ihr Programm für uns klar sei und baten um eine Pause, um unseren Regierungsorganen zu berichten, und die Entscheidung, die von beiden im Lande regierenden Fraktionen getroffen wurde, wurde nach Brest-Litowsk gebracht.

Wir haben erwartet, dass die Deutschen uns jetzt auf der ersten Sitzung fragen würden: Akzeptieren Sie unsere Forderungen oder nicht? Die erste Sitzung wurde vom zweiten um zwei Tage verzögert. Aber es war nicht unsere Schuld, sondern die Schuld der Deutschen, die inzwischen hinter den Kulissen Verhandlungen mit der Rada hatten.

Ihr erinnert euch, Genossen, dass wir an allen Fronten einen Waffenstillstand geschlossen haben, und aus dieser Sicht war keine besondere Hervorhebung der Ukraine erforderlich. Aber dann verlangte die bürgerliche Rada einen Platz für ihren Vertreter in Brest. Wir haben ihr gesagt, dass wir kein beschämendes Spektakel präsentieren wollen, in dem die beiden brüderlichen werktätigen Völker vor den Augen der gesamten imperialistischen Welt durch Meinungsverschiedenheiten und Hass auseinander gerissen werden. Und wir haben zu diesem Zweck aus eigener Initiative der Delegation der Rada in Brest versprochen, nichts zurückzuhalten, ihr die Protokolle der Sitzungen zu zeigen, und dasselbe von ihr verlangt. Sie antwortete mit einer Ablehnung. Und das ukrainische Volk selbst weiß nicht, was und mit wem dann die Rada verhandelt hat, und das wird wahrscheinlich für immer ein Geheimnis für es bleiben.

Als wir die bürgerliche ukrainische Rada nach dem gefragt haben, was die bürgerlichen deutschen Zeitungen über die Verhandlungen schreiben, haben sie geantwortet: das stimmt nicht. Aber wir haben alles erraten, wir haben verstanden, dass der bürgerliche Haufen, der in der Ukraine an der Macht war und diese Macht in seinen Händen behalten will, einen verräterischen Schlag gegen das ukrainische und brüderliche russische Volk vorbereitet. Um die Verhandlungen mit der Rada zu beenden, hat die deutsche Delegation unsere Treffen verschoben. Am 9. Februar um 2 Uhr morgens wurde der Frieden mit der bürgerlichen Rada unterzeichnet. Und wie üblich in monarchischen Ländern, wurde diese beschämende Tat vollbracht zum Geburtstag von Leopold von Bayern am 9. Februar. Und zur gleichen Zeit, als die bürgerliche Rada in Brest-Litowsk ihren „Besitz" erhielt – nur in Worten, weil die Deutschen noch da sind – verloren sie in dieser Zeit Kiew und fast die ganze Ukraine und übergaben sie den Sowjettruppen, und so verlor die Rada das Recht, Kiewer genannt zu werden, und konnte nur noch Brester Rada genannt werden.

Heute habe ich mit einigen Mitgliedern der französischen [Militär-]Mission gesprochen, und sie raufen sich die Haare – warum gaben sie ihr, der Rada, Unterstützung in der Hoffnung, dass sie gegen die Deutschen kämpfen werde. Und die Tatsache ist bezeichnend, dass, wie ihr euch erinnert, als wir erklärten, dass die Kiewer Rada nicht existiert, die Rada uns antwortete, dass Frankreich, England, Deutschland und Österreich sie anerkennen. Zu einer Zeit, als Sowjettruppen tief in die Ukraine eindrangen, schrieb die bürgerliche deutsche Presse, die Truppen der Rada hätten Charkow eingenommen. Als wir gewannen, schrieben sie, dass unsere Leute flohen, dass Krylenko gefangen genommen worden sei. Mit einem Wort, nach ihren Berichten konnte man denken, dass es in Russland nichts mehr gebe außer Rada. Als wir Kühlmann und Czernin anboten, nachdem wir Informationen über die Einnahme von Kiew durch rote Abteilungen erhalten hatten, Delegierte in die Ukraine zu schicken und dies zu sehen, stimmten sie zuerst zu, aber als wir sie fragten, ob das bedeutet, dass sie zustimmen, auch mit dem Friedensschluss mit der Rada bis zur Rückkehr der Delegation zu warten, antworteten sie negativ, denn sie hatten nicht nur Angst, den Geburtstag von Leopold von Bayern zu verpassen, sondern auch die Gelegenheit zu verpassen, die ukrainische Rada überhaupt zu sehen. Und wir sagten ihnen dann, wenn sie daran denken, Brot von der Kiewer Rada auf Kosten der Niederlage der russischen Revolution zu bekommen, dann würden wir, auch wenn wir jetzt in jeder Hinsicht geschwächt sind, die Revolution mit allen Mitteln verteidigen, solange rotes Blut in den Adern jedes ehrlichen Arbeiters fließt. Danach hat es Graf Czernin in der nächsten Sitzung für notwendig erachtet zu erklären, dass sie nicht beabsichtigen, sich in die inneren Beziehungen zwischen Russland und der Rada einzumischen. Dies beweist, dass die innere Lage von Österreich-Deutschland nicht geeignet ist, ihre Intervention zu erleichtern.

Als wir nach dem Kongress in Brest ankamen, tauchten in Deutschland die ersten drohenden Anzeichen der Aufregung der arbeitenden Massen auf. Es war nur die erste Bö, nicht die neunte Welle. Ich weiß nicht, ob es eine zweite und dritte geben wird, aber zumindest war die erste da. Wir wussten, dass die Militärclique, angeführt von Hindenburg und Hoffmann, danach noch viel unverfrorener zu uns sprechen würde und sagen würde: es gibt in imperialistischen Pulverbeuteln immer noch genug Schießpulver, um euch zu zwingen, die Angebote anzunehmen.

Kühlmann wollte uns unter dem Druck dieser Clique ein Ultimatum stellen, aber die österreichische, friedliebendere Delegation hielt ihn zurück. Wir haben unsererseits versucht, den Österreichern klarzumachen, was die Sowjetmacht ist, welche Parteien bei uns an der Macht stehen und dass für uns nicht die Karriere Kühlmanns obenan steht, sondern die Revolution, für die unsere Partei bis zum Ende kämpfen wird.

Als es notwendig war, eine entscheidende, endgültige Antwort zu geben, berichteten die Österreicher, die Vermittler zwischen uns und ihnen waren, dass die Deutschen ein Zugeständnis machen würden: Sie würden zustimmen, eine Militärkommission zu schaffen. Diese Vermittlung der Österreicher führte zu nichts. Die Deutschen wollten keine einzige Spanne des besetzten Landes räumen, stimmten aber zu, uns einen offenen Weg nach Riga zu lassen. Am letzten Tag berichtete der ehemalige österreichische Finanzminister Graz im Auftrag der Militärkommission mit einem Satz: „In der Militärkommission wurde keine Einigung erzielt."

Wie weiter? Wenn wir mit den Vaterlandsverteidigern kompromisseln würden, in Zukunft unter den Verhältnissen von vor der Revolution Krieg zu führen, dann würden wir nur eine unterstützende Rolle in der Entente spielen, und – täuscht euch nicht – wegen der extremen Schwäche in militärtechnischer und auch in jeder anderen Hinsicht, müssten wir zehn eigene Soldaten auf einen deutschen verlieren. Und wir mussten uns daher die Aufgabe stellen, unser Volk aus dem Gemetzel zu holen, in dem die imperialistischen Giganten in blutiger Schlacht gegeneinander antreten.

Wir steigen aus diesem Gemetzel aus, sagten wir in Brest. Wir müssen eine neue sozialistische Wirtschaft aufbauen. Und als wir diese erste Hälfte unserer Erklärung verlesen haben, dachten die Deutschen, dass ihr Fall gewonnen sei. Aber nachdem sie den zweiten Teil unserer Erklärung gehört hatten, waren sie überzeugt, dass dieser Frieden nicht durch das Siegel der russischen Revolution geheiligt werden würde. Wir haben ehrlich und offen gesagt: Wir können nicht kämpfen, aber wir können keinen imperialistischen Frieden schließen. Und ich denke, dass unsere internationale Stellung nur davon profitiert hat. Warum haben Kühlmann und die Hohenzollern zwei Monate lang auf dem grünem Tuch [eines Billlardtisches] mit uns gesprochen? Sie brauchten unser Siegel. Sie hassen uns nicht weniger als wir sie. Aber wenn ihr euch erinnert, sie haben uns immer beglückwünscht und haben bedingungslos zugestimmt, mit der Sowjetmacht zu verhandeln, die sie hassten, weil sie den Stempel der russischen Arbeiter und Bauern für ihre Arbeiter haben mussten, um ihnen zu zeigen, dass wir ihren Frieden unterzeichnet haben, den selben Frieden, aus Protest gegen den sie, die deutschen Arbeiter, auf die Straße gingen. Und wir konnten deshalb doppelt, dreifach einen solchen Frieden nicht unterzeichnen.

Möge Kühlmann nach Deutschland gehen, seinen Arbeitern seinen Frieden zeigen und ihnen erklären, warum es unsere Unterschrift nicht gibt.

Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass es eine deutsche Offensive gegen uns gibt, und wenn die Möglichkeit einer Offensive in Prozente übersetzt würde, dann steht es 90 Prozent dagegen und 10 Prozent dafür.

Und vom Standpunkt des Militärs und der Ernährung aus ist eine Offensive ihrerseits schwierig; was die innenpolitische Seite betrifft: jetzt deutsche Soldaten gegen Russland zu schicken, das laut erklärte, es habe sich aus dem Kriegszustand zurückgezogen, würde zweifellos einen starken revolutionären Protest der deutschen Arbeiter hervorrufen, um sie zum Kampf gegen den Versuch der deutschen Imperialisten erwecken, unsere Revolution zu erwürgen. Und dieser unser Schritt in Bezug auf den Schutz unseres Landes ist im Moment der beste.

Gleichzeitig mit der Aussage zum Rückzug aus dem Krieg wandten wir uns an die Arbeiter Deutschlands und Österreichs:

Hört!“ haben wir ihnen gesagt. „Wir verlassen den Krieg. Wenn es aber den deutschen Militaristen gelingt, ihre konterrevolutionären Abteilungen gegen uns zu stellen, wenn die deutschen Annexionisten versuchen, unsere Revolution anzugreifen, dann übertragen wir alle Verantwortung der deutschen Sozialdemokratie, die alle ihre Anstrengungen und ihren ganzen Einfluss darauf richten muss, die Imperialisten zu hindern, uns zu erdrosseln. Und wir werden tun, was wir können. Jeder Arbeiter, jeder ehrliche Bürger, dem das Leben und die Entwicklung unserer Bewegung, unserer Revolution, teuer ist, tritt für ihren Schutz ein, schätzt sein eigenes Leben nicht, und durch unsere gemeinsamen Anstrengungen, unsere gemeinsamen Opfer werden wir uns und unser Recht, ein neues Leben aufzubauen, verteidigen.

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