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Kurland unter deutscher Besatzung

In der Rede, die der Rede des Genossen Trotzki vorausging, stellte Kühlmann fest, dass die Entscheidung, sich von Russland zu trennen, in den besetzten Gebieten „von faktisch zur Vertretung der jeweiligen Völker bevollmächtigten Organen" getroffen worden sei. Zu diesen „faktisch bevollmächtigten Organe Kühlmanns zählten in der Besatzungszone mit Unterstützung deutscher Truppen und auf Anweisung der deutschen Regierung geschaffenen Regierungen, wie die Kurländische Volksversammlung, der litauischen Landrat, die Stadtregierung von Riga usw. Wie diese „faktisch bevollmächtigten Organe“ geschaffen wurden, geht aus der Beschreibung des Prozesses der „Selbstbestimmung“ Kurlands hervor, der in der damaligen Jurjewschen Zeitung Dorpater Nachrichten veröffentlicht wurde:

Am 5./18. September fand eine Sitzung von Adligen und Bezirksbeamten Kurlands statt. Sie begann ihre Arbeit mit der Diskussion eines Berichts über die Einberufung einer erweiterten Semstwo-Versammlung. Der Bericht wurde einstimmig angenommen, und zwei Tage später fand das erste Treffen dieses erweiterten Landtages im feierlich dekorierten Thronsaal der Burg Mitava unter dem Vorsitz von R. F. Horner-Ilena statt. Einstimmig wurde eine Adresse an den Oberbefehlshaber der deutschen Ostfront, Prinz Leopold von Bayern, und den Leiter des Zivilverwaltung Kurland, F. Goßler, angenommen. Die Adresse drückte ihre Dankbarkeit dafür aus, dass die von der „gesamten Bevölkerung" Kurland bevollmächtigte Semstwo-Versammlung Gelegenheit erhalten hatte, ihre Wünsche für die Zukunft des Landes zu äußern. „Als Vertreter des kurländischen Volkes bitten wir um Schutz und Schirmherrschaft Seiner Majestät des deutschen Kaisers und des mächtigen deutschen Reiches. Wir vertrauen voll und ganz unserem Schicksal den Händen Seiner Majestät und der von ihm bereitgestellten deutschen Militärmacht an. Wir bitten Sie demütig darum, dass wir in Gestalt des Semstworates als unserer einberufenen Mitte, die sich aus allen Berufen, allen Kreisen des Volkes zusammensetzt, r die Gelegenheit haben sollten, bei der Schaffung unserer historischen (?) Regierung zugunsten unseres geliebten Landes mitzuwirken.“ Am 22. September kam eine Antwort von Prinz Leopold von Bayern. Diese Antwort, die bei der Versammlung des Landtags von Major F. Goßler verlesen wurde, lautete wie folgt:

"Kurland hat stark unter dem Krieg gelitten, aber seine kulturellen und wirtschaftlichen Kräfte lassen hoffen, dass es den aufblühenden Staatsorganismus zu neuer Stärke und auf neuen Fundamenten wiederbeleben kann. In gemeinsamer Arbeit mit den Einwohnern des Landes wird man vorbereitende Maßnahmen für den Wiederaufbau treffen. Dazu wird nach Ihrem Vorschlag der Semstworat geschaffen, der, unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung von Kurland, unter der Führung des Leiters der Militärverwaltung Kurlands die Rechte des zukünftigen Staates und die Hauptmerkmale der zukünftigen Verwaltung und Wirtschaft des Landes diskutieren sollte. Die freie Entwicklung Kurlands auf der Grundlage der Gerechtigkeit ist es, was unser Ziel sein sollte. Seine Majestät der deutsche Kaiser und König von Preußen, der über Ihre Erklärung informiert ist, sendet seine gnädigsten Grüße an Kurland und seine Semstwoversammlung und ruft großmütig Gottes Gnade für die Arbeit zum Wohle des Landes an.“

Die Antwort war ein einstimmiges Hoch! an der Adresse des deutschen Kaisers, und dann wurde der Semstworat einstimmig gewählt.

Die Zusammensetzung des „erweiterten Landtages", der Kurland „selbstbestimmte", war interessant. Es bestand aus 27 Vertretern des Großgrundbesitzes, der gleichen Anzahl von Kleinbauern, 17 Vertretern von Städten (5 aus Libau, 3 aus Mitau und 9 aus anderen Städten), 4 Vertretern des Adels und 5 Vertretern des evangelischen Klerus. Die nationale Zusammensetzung der Sitzung: 49 Deutsche, 28 Letten, 2 Juden, 1 Litauer, nur 80 Abgeordnete. Diese Vertretung wählte ebenfalls den Landrat mit 20 Mitgliedern (6 Großgrundbesitzer, 6 Kleinbauern, 4 Städtevertreter, 3 Geistliche und 1 aus dem Ritterstand). „Den Ritterstand", informierten die „Dorpater Nachrichten" respektvoll, „vertritt Prinz Wilhelm Lieven-Neuhof."

Dass diese ganze Komödie auf Bitte des deutschen Generalstabs aufgeführt wurde, geht aus Ludendorffs folgendem Bericht in seinen Memoiren über den Krieg hervor:

Im September gelang es Major von Goßler, nach dem Beschluss des Oberbefehlshabers des Ostens, den Semstworat (Landrat) in Mitau zu bilden … Der Adel folgte ihm ganz einmütig" (S. 109). [Trotzki, Sotschinenija 17.1]

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