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rechte Bolschewiki

Diese Aufforderung „Vom ZK der SDAPR. An die Genossen Kamenew, Sinowjew, Rjasanow und Larin“ und die folgende Aufforderung des ZK „An alle Parteimitglieder und an alle werktätigen Klassen Russlands“ wurden dadurch veranlasst, dass eine Gruppe der rechten Bolschewiki im verantwortungsvollsten Augenblick der proletarischen Revolution von ihren führenden Posten zurücktrat. Schwankungen nach rechts hatten sich schon früher gezeigt, in der Zeit der Aprilkonferenz der Partei und am Vorabend des Oktoberumsturzes selbst (siehe die Briefe Lenins „Brief an die Genossen“, „An die Mitglieder der Partei der Bolschewiki“ und „Brief an das ZK der SDAPR“). Die rechten Bolschewiki glaubten nicht an die Möglichkeit des Sieges der proletarischen Revolution, an die Möglichkeit ihrer Unterstützung durch die Dorfarmut, an die Möglichkeit des sozialistischen Aufbaus in Russland. Darum gerieten sie beim ersten Druck der kleinbürgerlichen Parteien, die die Bildung einer „homogenen“ sozialistischen Regierung von den Halbkadetten, den Volkssozialisten bis zu den Bolschewiki forderten, ins Schwanken. Die Sozialrevolutionäre und die Menschewiki, die zwar in Petrograd aufs Haupt geschlagen waren, aber im ganzen Lande fortfuhren, mit der Waffe in der Hand gegen die proletarische Revolution zu kämpfen, sowie das Exekutivkomitee des Eisenbahnerverbandes forderten von den Bolschewiki die Einstellung des Bürgerkrieges und die Bildung einer Regierung zusammen mit den aktivsten Feinden der proletarischen Revolution in den Reihen der kleinbürgerlichen „Sozialisten“. Die linken Sozialrevolutionäre, die diese Forderungen unterstützten, drohten mit dem vollständigen Bruch mit den Bolschewiki, während das Zentralexekutivkomitee der Eisenbahner mit dem Streik drohte. Am 27. Oktober/9. November berieten das ZK der Partei und dann auch das Zentralexekutivkomitee der Sowjets über die Lage und erklärten sich mit einer Ergänzung der Sowjetregierung durch Vertreter der kleinbürgerlichen „sozialistischen“ Parteien nur unter der Bedingung einverstanden, dass diese alle vom II. Rätekongress beschlossenen Dekrete, die Verantwortlichkeit gegenüber dem Zentralexekutivkomitee und damit die Oktoberrevolution und die Diktatur des Proletariats anerkennen. Aber schon bei den Beratungen mit den Vertretern dieser Parteien trat Kamenew, der Führer der vom Zentralexekutivkomitee zu diesen Unterhandlungen entsendeten Delegationen, nicht einmal gegen so offenkundig provokatorische Forderungen auf wie die, Lenin müsse aus dem Rat der Volkskommissare austreten und die rechten Sozialrevolutionäre Awksentjew oder Tschernow sollen den Vorsitz der Regierung übernehmen. Kamenew setzte die Verhandlungen auch nach Erhebung dieser Forderung fort. In der erweiterten Sitzung des Zentralkomitees der Partei vom 1./14. November sprach sich die Mehrheit für den Abbruch der Verhandlungen oder zumindest für eine scharfe Änderung ihres Charakters aus. Die Minderheit (Kamenew, Rykow, Rjasanow und Miljutin) bestand auf der Bildung einer Regierung unter Teilnahme der kleinbürgerlichen Parteien und auf der Fortsetzung der Verhandlungen in der bisherigen Richtung, wobei sie behaupteten, dass die Staatsmacht anders nicht behauptet werden könne. Das Zentralkomitee setzte diesen Schwankungen der Rechten einen entschiedenen Widerstand entgegen und wies die Delegation, die zu den Unterhandlungen über die Bildung der Regierung entsendet wurde, an, zum letzten Male aufzutreten, die Unmöglichkeit der Bildung einer Regierung aus allen sogenannten sozialistischen Parteien aufzudecken und die Verhandlungen abzubrechen. An demselben Tage beschloss das Zentralexekutivkomitee der Sowjets, dass seine Vertreter bei den Verhandlungen mit dem Exekutivkomitee des Eisenbahnerverbandes auf jenen Bedingungen einer Übereinkunft beharren sollen, die vom ZK aufgestellt worden waren. Am 2./15. November stellte das ZK seinerseits in einer besonderen Resolution die Unmöglichkeit eines Zurückweichens vor dem Ultimatum der kleinbürgerlichen Parteien fest. Alles das genügte aber der Gruppe der rechten Bolschewiki im ZK und im Rate der Volkskommissare nicht. In der Sitzung des Zentralexekutivkomitees der Sowjets vom 2./15. November forderten die linken Sozialrevolutionäre eine Revision der Beschlüsse des Zentralexekutivkomitees mit der Begründung, dass „nur der sofortige Zusammenschluss der ganzen revolutionären Front die werktätigen Klassen vor der Wirtschaftskatastrophe und der drohend herannahenden Konterrevolution retten kann“. Als Antwort darauf erklärten die rechten Bolschewiki in der Person Sinowjews, der kurz vorher die Resolution des ZK vom 2./15. November vorgelegt hatte, dass diese Resolution von der Fraktion der Bolschewiki noch nicht durch beraten worden sei, und setzten in der nachfolgenden Fraktionssitzung gegen den Willen des ZK eine Reihe von Änderungen in dieser Resolution durch, die darauf hinausliefen, dass sich die Fraktion mit einer Vertretung des Exekutivkomitees der Eisenbahner, einer Vertretung der Stadtduma, einer Vertretung des noch nicht neugewählten Rates der Bauerndeputierten usw. im Zentralexekutivkomitee der Sowjets einverstanden erklärt. Das war eine ausgesprochene Sabotage der Linie des ZK der Partei. Die Mehrheit des ZK beschloss dann am nächsten Tage ein von Lenin geschriebenes und vorgelegtes Ultimatum an die rechte Minderheit. In diesem Ultimatum hieß es:

Eine solche unerhörte Verletzung der Disziplin durch Mitglieder des ZK, hinter dem Rücken des ZK, nach langen Diskussionen im ZK, die durch dieselben Vertreter der Opposition hervorgerufen worden waren, zeigt uns ganz klar, dass die Opposition die Parteiinstitutionen zermürben will, dadurch, dass sie die Arbeit der Partei in einem Moment sabotiert, wo von dem unmittelbaren Ausgang dieser Arbeit das Geschick der Partei, das Geschick der Revolution abhängt … Wir fordern in schriftlicher Form eine kategorische Antwort auf die Frage, ob die Minderheit sich verpflichtet, sich der Parteidisziplin unterzuordnen und die Politik durchzuführen, die in der vom ZK angenommenen Resolution des Genossen Lenin festgelegt worden ist. Sollte eine ablehnende oder unbestimmte Antwort auf diese Frage erfolgen, so werden wir uns sofort an die Petersburger Parteileitung, an die Moskauer Parteileitung, an die bolschewistische Fraktion des Zentralexekutivkomitees, an die Petrograder Stadtkonferenz und an den außerordentlichen Parteitag mit dem folgenden alternativen Antrag wenden. Entweder muss die Partei die jetzige Opposition beauftragen, eine neue Regierung zusammen mit denjenigen ihrer Verbündeten zu bilden, in deren Interesse die Opposition jetzt unsere Arbeit sabotiert – dann werden wir gegenüber dieser neuen Regierung, die außer Schwankungen, Ohnmacht und Chaos nichts bringen kann, uns für vollkommen frei von allen Verpflichtungen halten. Oder – und daran zweifeln wir nicht – die Partei wird die einzig mögliche revolutionäre Politik, die in dem gestrigen Beschluss des ZK zum Ausdruck gekommen ist, gutheißen, und dann muss die Partei die Vertreter der Opposition in energischer Form anhalten, ihre desorganisatorische Arbeit außerhalb unserer Parteiorganisation zu verlegen. Einen anderen Ausweg gibt es nicht und kann es nicht geben. Selbstverständlich wäre eine Spaltung eine außerordentlich traurige Tatsache. Aber eine ehrliche und offene Spaltung ist jetzt unvergleichlich besser als Sabotage innerhalb der Partei, als Durchkreuzung der eigenen Beschlüsse, Desorganisation und Ohnmacht. Wir zweifeln ebenfalls keinen Augenblick daran, dass wir uns durch die Hinaustragung unserer Streitfragen vor das Gericht der Massen (es sind im Grunde genommen die gleichen Meinungsverschiedenheiten wie die mit der Gruppe ,Nowaja Schisn' und der Gruppe Martow) die unbedingte und selbstlose Unterstützung unserer Politik durch die revolutionären Arbeiter, Soldaten und Bauern sichern und in kürzester Frist die schwankende Opposition isolieren und zur Ohnmacht verurteilen werden“.

Als Antwort auf das Ultimatum des ZK überreichten die rechten Bolschewiki dem ZK und dem Zentralexekutivkomitee eine Erklärung über die Niederlegung ihrer verantwortlichen Funktionen, in dieser Erklärung beschuldigten sie die Partei und die Sowjetregierung der Anwendung eines politischen Terrors, „der zur Verdrängung der proletarischen Massenorganisationen von der Führung des politischen Lebens, zur Aufrichtung eines verantwortungslosen Regimes und zum Zusammenbruch der Revolution und des Landes führen wird“. So bemäntelten die rechten Bolschewiki durch Geschrei über die Rettung der Revolution ihr Kapitulantentum gegenüber den Schwierigkeiten des Kampfes. Die Erklärungen der rechten Bolschewiki waren unterschrieben von Kamenew, Sinowjew, Rykow, Schljapnikow, Rjasanow, Larin und Nogin; Lunatscharski gab eine eigene Erklärung über seine Demission ab. Die beiden Aufforderungen des ZK sowie das Ultimatum zwangen Sinowjew, seinen Austritt aus dem ZK öffentlich zu widerrufen. Kamenew, Rjasanow und Larin jedoch unterbreiteten dem ZK als Antwort auf dieses Ultimatum und auf den Aufruf des ZK an die Partei und die Werktätigen Russlands eine parteiwidrige Erklärung, die ihre wahre Einstellung zur Partei und zur bolschewistischen ehernen Parteidisziplin enthüllte. Sie schrieben in dieser Erklärung vom „Pogromstil“ der gegen sie gerichteten „Proklamationen des ZK“, von der Unzulässigkeit, irgendwelche besonderen Unterschriften von ihnen zu fordern, und nannten gleichzeitig die Forderung, „in allen Reden die Politik des ZK durchzuführen“, eine „unerhörte Zumutung, gegen die eigene Überzeugung aufzutreten“. Dieser Erklärung schlossen sich damals auch W. Miljutin und N. Derbyschew an (siehe alle diese Dokumente im Buch „Protokolle des ZK der SDAPR“, August 1917 bis Februar 1918, Ausg. Lenin-Institut 1929, S. 175-177, russ.). [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 136]

Gemeint ist die Gruppe der Rechtsabweichler – Kamenew, Sinowjew, Rykow, Miljutin, Nogin, Larin, Schljapnikow und Rjasanow, die im Jahre 1917, im entscheidenden Augenblick der proletarischen Revolution, von ihren führenden Posten zurücktraten. Siehe darüber „Brief an die Genossen“, „Brief an die Mitglieder der Partei der Bolschewiki“, „Brief an das ZK der SDAPR“ vom 19. Oktober/1. November 1917, „Vom Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki). An die Genossen Kamenew, Sinowjew, Rjasanow und Larin“ und „Vom Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki). An alle Parteimitglieder und an alle werktätigen Klassen Russlands“ sowie die dazugehörigen Anmerkungen. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 59]

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