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Aprilkonferenz

Die Allrussische Aprilkonferenz der Bolschewiki tagte vom 24.-29. April/7.-12. Mai neuen Stils) 1917 in Petrograd. Nach dem Charakter der dort behandelten Fragen wie nach der Bedeutung, die sie für die weitere Entwicklung der ganzen russischen Revolution gewonnen hatte, sowie infolge des Umstandes, dass auf dieser Konferenz ein neues Zentralkomitee gewählt wurde, war diese Konferenz eigentlich ein Parteitag. Die Tagesordnung umfasste folgende wichtige Punkte: Die politische Lage (Beurteilung der Perspektiven der russischen Revolution), der Krieg, die Vorbereitung der III. Internationale, die Agrarfrage, die Programmfrage und die nationale Frage. An der Konferenz nahmen teil 151 Delegierte, die 79.204 Parteimitglieder vertraten, trotzdem seit der Februarrevolution, wo die Partei aus ihrem unterirdischen Dasein hervorkam, erst zwei Monate vergangen waren.

Auf der Konferenz gab es eine kleine Gruppe, die sich vorwiegend aus einem Teil der Delegierten des Moskauer Komitees und der Moskauer Bezirksorganisation zusammensetzte (Nogin, Rykow, Smidowitsch, Owsjannikow, Angarski und andere); ihre Auffassung der Revolution deckte sich ungefähr mit der Stellung der Bolschewiki im Jahre 1905 (die Formel „Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft"). Auf der kurz vorher stattgefundenen Moskauer Stadtkonferenz wurden Resolutionen angenommen, die fast vollständig die Gedankengänge von 1905 zum Ausdruck brachten. (Die „Resolution der Moskauer", von der Lenin in seinem Referat spricht, war übrigens nicht die Resolution der Moskauer Stadtkonferenz, sondern die der Konferenz des Moskauer Gebiets) Kamenew, der in seinen Auffassungen dieser Gruppe nahestand, wurde von ihr beauftragt, ein Koreferat zu halten.

Auch ein „linkerer" Standpunkt war vertreten. Dieser wurde von der Moskauer Gebietsleitung unterstützt, deren Mitglieder Bubnow, Oppokow (Lomow) und Sokolnikow Delegierte waren.

Eine besondere Stellung in der nationalen Frage nahmen die polnischen Delegierten mit Felix Dzierżyński an der Spitze ein. Die polnischen Genossen, die gewohnt waren, gegen den polnischen Nationalismus zu kämpfen, hielten die Resolution, die das Selbstbestimmungsrecht der Nationen bis zur Anerkennung des Rechtes auf Lostrennung von Russland verkündete, für unannehmbar und opportunistisch. Auch Pjatakow war mit den Ansichten Lenins in der nationalen Frage nicht einverstanden. Diese Debatten waren die Fortsetzung der Diskussion, die die Partei seit 1913 beschäftigte.

Große Debatten gab es in den Kommissionen. In der Kommission zur Revision des Parteiprogramms schlugen die Genossen von der Moskauer Gebietsleitung (Oppokow) vor, den theoretischen Teil des Programms umzuarbeiten, womit Lenin jedoch nicht einverstanden war. In der Kommission über die Internationale hielt die Mehrzahl der Mitglieder es für möglich, die III. Internationale nicht nur aus den Elementen der Zimmerwalder Linken, sondern aus den Elementen von Zimmerwald und Kienthal überhaupt aufbauen zu können. In die von Sinowjew beantragte Resolution fügte die Kommission gegen den Vorschlag Sinowjews entsprechende Abänderungen ein, die später vom Plenum abgelehnt wurden. Andererseits gab es in dieser Frage eine Differenz zwischen Sinowjew und Lenin. Lenin vertrat die Auffassung, dass man mit der Zimmerwalder Vereinigung sofort brechen müsse, und wollte in dieser nur „zu Informationszwecken" bleiben. Die Konferenz stellte sich nach der Diskussion auf den Standpunkt Sinowjews.

Der Konferenz ging am 23. April/6. Mai eine private Zusammenkunft der Delegierten voraus. In dieser Zusammenkunft wurde die Tages- und Geschäftsordnung der Konferenz festgelegt.

Die Protokolle der Konferenz wurden nicht systematisch geführt. Es sind teils Stenogramme (die von Lücken und Fehlern strotzen), teils bloße Aufzeichnungen der Schriftführer. An diesen Protokollen sind nur einige stilistische und grammatikalische Korrekturen vorgenommen worden. Die von der Konferenz angenommenen Resolutionen wurden von einer auf der Konferenz gewählten Kommission unter unmittelbarster Mitwirkung Lenins ausgearbeitet. Es gab auch einen „Aufruf an die Soldaten aller Länder". [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.1, Anm. 133]

Die Allrussische Konferenz der SDAPR vom April/Mai 1917 fand in Petrograd statt, kurz nachdem sich die Petrograder Organisation auf ihrer Stadtkonferenz in ihren Resolutionen (über die Provisorische Regierung, über den Krieg, über das Verhalten zu den „sozialistischen“ Parteien der anderen Richtungen usw.) auf den Standpunkt Lenins gestellt und den Standpunkt Kamenews und seiner Gesinnungsgenossen abgelehnt hatte. An der Konferenz nahmen 151 Delegierte teil, die 79.204 Parteimitglieder vertraten. Es fanden 9 Sitzungen statt, in denen die folgenden Fragen behandelt wurden: 1. die politische Lage, Referent Lenin, Korreferent Kamenew; 2. der Vorschlag Borgbjergs, Referent Nogin (es handelte sich hier um einen Vorschlag des dänischen Sozialdemokraten Borgbjerg, an dem internationalen „Sozialistenkongress des Friedens“ teilzunehmen, den die deutschen Sozialchauvinisten, die auf Anweisung der deutschen Regierung handelten, angeregt hatten und an dem teilzunehmen die französischen und englischen Sozialchauvinisten im Einvernehmen mit ihren Regierungen abgelehnt hatten; die Konferenz der Bolschewiki lehnte die Teilnahme an diesem Kongress natürlich ab); 3. Berichte aus den örtlichen Organisationen; 4. der Krieg, Referent Lenin; 5. die Stellung zur Provisorischen Regierung, Referent Sinowjew; 6. die Agrarfrage, Referent Lenin; 6. die Koalitionsregierung, Referent Sinowjew; 7. die Revision des Parteiprogramms, Referent Lenin; 8. Bericht des Petrograder Parteikomitees, Referent Schmidt. 9. Wahl des ZK; 10. die nationale Frage, Referent Stalin (siehe die Rede Lenins über diese Frage); 11. die Lage in der Internationale und die Aufgaben der Partei, Referent Sinowjew. Zu allen diesen Fragen wurden Resolutionen beschlossen, denen der Leninsche Entwurf einer „Plattform der proletarischen Partei“ zugrunde lag. Eine wesentliche Abweichung von der Haltung Lenins beging die Konferenz nur beim letzten Punkt ihrer Tagesordnung. Lenin trat gegen die von Sinowjew zu diesem Punkt vorgelegte Resolution auf. Die hauptsächliche Meinungsverschiedenheit bestand hier in der Frage des Verhaltens zur Zimmerwalder Vereinigung mit ihrer zentristischen Mehrheit. Ausgehend von den in den Punkten 17 und 18 der Thesen „Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution" entwickelten Gesichtspunkten, hielt Lenin im Gegensatz zu Sinowjew ein Verbleiben in der Zimmerwalder Vereinigung nur zu Informationszwecken für möglich. In dem Sinne beantragte er auch eine Änderung des Resolutionsentwurfes von Sinowjew, der keinen solchen Vorbehalt enthielt. Lenins Verbesserungsantrag wurde von der Konferenz abgelehnt, und er stimmte gegen die ganze Resolution. Aber in allen Fragen der Revolution in Russland erhielten die örtlichen Parteiorganisationen im Ergebnis der Konferenz für ihre Arbeit die Leninschen Direktiven, und von diesem Augenblick an entfaltete sich die ganze Arbeit der bolschewistischen Partei im ganzen Lande auf der Grundlage der Leninschen politischen Plattform. Darin liegt die gewaltige Bedeutung der Konferenz der Partei vom April/Mai 1917. Entscheidende Bedeutung hatte auf der Konferenz das erste Referat Lenins über die politische Lage. Es gab der ganzen Arbeit der Konferenz und ihren Resolutionen die allgemeine Grundlage. Kamenew vertrat in seinem Koreferat in dieser Frage gegen Lenin in der Hauptsache jene Ansichten, die er bereits aus Anlass der Aprilthesen Lenins in den Artikeln „Unsere Meinungsverschiedenheiten“ und „Über die Thesen Lenins“ vorgebracht hatte. Nach wie vor schlug er vor, den Kurs nur auf die Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution zu halten. „Es wäre“ – sagte er – „der größte Irrtum, wenn wir den voreiligen Schluss zögen, dass diese Revolution keine bürgerlich-demokratische sei, dass sie sich der sozialistischen nähere.“ Lenins Idee, dass die Hauptaufgabe der Partei im Interesse des Übergangs von der bürgerlichen zur proletarischen Revolution die Absonderung des Proletariats als selbständige Klassenkraft und der Anschluss der Dorfarmut an es sein müsse, stellte Kamenew im Interesse der Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution die Idee eines „Blocks der kleinbürgerlichen und proletarischen Kräfte“ entgegen. Gegen die Leninsche Losung „Keinerlei Unterstützung der Provisorischen Regierung“ und gegen den Kurs Lenins auf den Sturz dieser Regierung unter der Bedingung der vorausgehenden Eroberung der Mehrheit durch eine geduldige Aufklärungsarbeit, die diese Regierung und ihre Verbündeten, die kleinbürgerlichen Parteien, entlarvt, stellte Kamenew die absolut unfruchtbare, ihrem Wesen nach menschewistische Losung der Kontrolle der Provisorischen Regierung durch die Räte auf. Da Kamenew nichts anderes als die bürgerlich-demokratische Revolution sah, erschien ihm die Leninsche Linie des Übergangs zur proletarischen Revolution bar jedes konkreten Hinweises darauf, „woran wir jetzt arbeiten müssen, um welche Arbeit wir uns zusammenschließen müssen“. Lenin „gibt Erläuterungen, aber nichts Tatsächliches“. Mit einer ebensolchen „Kritik“ Lenins traten andere Teilnehmer der Konferenz zur Unterstützung Kamenews auf. Unter ihnen war Rykow, der in seiner Rede besonders hartnäckig den menschewistischen Leitgedanken vertrat, dass Russland ein rückständiges Land sei, in welchem nicht der Anfang mit der sozialistischen Revolution gemacht werden könne. Rykow sagte: „Können wir hoffen, bei den Massen Unterstützung zu finden, wenn wir die Losung der proletarischen Revolution aufstellen? Russland ist das kleinbürgerlichste Land Europas. Auf die Sympathie der Massen für die sozialistische Revolution zu rechnen, ist unmöglich, und deshalb wird die Partei, insofern sie auf dem Standpunkt der sozialistischen Revolution stehen wird, sich in einen Propagandazirkel verwandeln. Der Anstoß zur sozialistischen Revolution muss vom Westen her kommen“ Rykow war der Ansicht, dass die Revolution Russland nicht über den Rahmen der bürgerlichen Ordnung hinausführen könne. Er sagte: „Vor uns stehen gewaltige revolutionäre Aufgaben, aber die Verwirklichung dieser Aufgaben führt uns noch nicht über den Rahmen der bürgerlichen Ordnung hinaus.“ Seine Rede beendete Rykow mit dem Hinweis darauf, dass in Russland die objektiven Bedingungen einer sozialistischen Revolution fehlen; er rief aus: „Wo wird die Sonne der sozialistischen Umwälzung aufgehen? Ich glaube, dass die Initiative zur sozialistischen Umwälzung, wenn man alle Umstände und das kleinbürgerliche Niveau berücksichtigt, nicht uns gehört. Wir haben weder die Kraft noch die objektiven Bedingungen dazu. Im Westen aber erhebt sich diese Frage ungefähr ebenso wie bei uns die Frage des Sturzes des Zarismus.“ Lenin erteilte in seinem Schlusswort Rykow die folgende Antwort: „Genosse Rykow meint, der Sozialismus müsse aus anderen Ländern mit einer entwickelteren Industrie kommen. Das ist nicht richtig. Man kann nicht sagen, wer anfangen und wer vollenden wird. Das ist kein Marxismus, sondern eine Parodie auf den Marxismus“.

Die Leninsche Linie wurde auf der Konferenz gegen die opportunistische Linie Kamenews, Rykows und der sich ihnen anschließenden Delegierten in der Debatte nach dem Referat Lenins von Stalin, Sinowjew und anderen vertreten. Nachdem sich die Konferenz den Standpunkt Lenins zu eigen gemacht hatte, wählte sie ein ZK, das einen festen leninistischen Kern aufwies [...] [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 28]

Aprilkonferenz: Siebte gesamtrussische Konferenz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) in Petrograd 24. bis 29. April (nach dem westlichen Kalender 7. bis 12. Mai) 1917. 133 Delegierte mit beschließendem Stimmrecht vertraten 80.000 Mitglieder. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil setzte Lenin den Kurswechsel der Partei von der Unterstützung der Provisorischen Regierung („insoweit wie“ sie die Revolution verteidigt) hin zur Kampagne für eine Machtübernahme durch die Sowjets im Sinne seiner Aprilthesen durch.

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