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Sozialistenkongress 1907 in Stuttgart

Der Stuttgarter Kongress (7. Kongress der II. Internationale – Lenin nennt ihn den 12. Kongress, die Kongresse der I. Internationale mitgerechnet) tagte vom 18. bis 23. August 1907.

Bereits auf dem Londoner Parteitag wurde die „Organisationskommission" beauftragt, die Frage des Stuttgarter Kongresses durchzuarbeiten, sie arbeitete aber nur eine Resolution über den 1. Mai aus, die vom Parteitag nicht erörtert und zu den Akten gelegt wurde. Die Delegation der SDAPR zum Stuttgarter Kongress war ziemlich zahlreich. Es gehörten ihr an von den Bolschewiki Meschkowski, Lenin, Lunatscharski (Woinow), Ruben (Knunjanz), Litwinow, E. Bosch u. a„ von den Menschewiki Deutsch. Plechanow, Martow, Mandelberg, Martynow, Potressow (Starower), Chrustaljow, Trotzki u.a. Insgesamt bestand die russische Delegation aus 63 Mitgliedern, die nationalen sozialdemokratischen Parteien (Letten, Armenier, Jüdischer Arbeiterbund usw.) und die Sozialrevolutionäre inbegriffen. Zum ersten Male waren die Gewerkschaften vertreten. Lenin nahm lebhaften Anteil an den Arbeiten des Kongresses und wurde von der russischen Delegation ins Präsidium delegiert.

Besonders charakteristisch war die Erörterung der Kolonialfrage, womit der Leninsche Artikel auch beginnt. In dieser Frage trat das Wesen des Opportunismus besonders deutlich zutage. Die Chauvinisten – Van Kol und David – behaupteten: der eine, dass es auch unter dem Sozialismus Kolonien geben werde, der andere, dass der Kapitalismus in den Kolonien eine zivilisatorische Rolle spiele. Die stärkste Delegation, die deutsche, verfolgte auf diesem Kongress eine opportunistische Linie. Zur Hälfte aus Gewerkschaftsbürokraten bestehend, beantragte sie eine Resolution, in der die Notwendigkeit der Kolonialpolitik damit gerechtfertigt wurde, dass die Sozialisten bestrebt seien, die Produktivkräfte überall in der Welt zu entwickeln. Die Kommissionsmehrheit stellte sich auf den opportunistischen Standpunkt der deutschen Delegationsmehrheit. Für den Abänderungsantrag der Kommissionsminderheit stimmten, außer Russland, die kleinen Länder: Rumänien, Norwegen, Serbien, Bulgarien sowie ein kleiner Teil der Delegationen von Frankreich, England und Italien. Gegen den Abänderungsantrag waren die Delegationen der Länder mit Kolonien: die ganze deutsche Delegation, die Mehrheit der französischen und der englischen, ein Teil der italienischen Delegation usw. Später schrieb Lenin über diese Abstimmung: „Schon damals war der internationale Opportunismus für den Imperialismus."

Die Resolution dieses Kongresses über den Militarismus wurde in der Literatur der Zeit des Weltkrieges besonders häufig zitiert und spielte eine große Rolle in der Vorgeschichte der Komintern (siehe Anhang des vorliegenden Bandes, „Dokumente und Materialien", Nr. 2, Resolutionen des Kongresses). Diese Resolution erhielt ihre Gestalt im Ergebnis der Abänderungsanträge von Lenin und Rosa Luxemburg zu der von Bebel beantragten Resolution. Nachstehend ihr Text:

Kriege zwischen Staaten, die auf der kapitalistischen Wirtschaftsordnung beruhen, sind in der Regel Folgen ihres Konkurrenzkampfes auf dem Weltmarkt; denn jeder Staat ist bestrebt, seine Absatzgebiete sich nicht nur zu sichern, sondern auch neue zu erobern, wobei Unterjochung fremder Völker und Länderraube eine Hauptrolle spielen. Begünstigt werden die Kriege durch die bei den Kulturvölkern im Interesse der herrschenden Klassen systematisch genährten Vorurteile des einen Volkes gegen das andere. Kriege liegen also im Wesen des Kapitalismus; sie werden erst aufhören, wenn die kapitalistische Wirtschaftsordnung beseitigt ist oder wenn die Größe der durch die militärtechnische Entwickelung erforderlichen Opfer an Menschen und Geld und die durch die Rüstungen hervorgerufene Empörung der Völker zur Beseitigung dieses Systems treibt. Insbesondere ist die Arbeiterklasse, die vorzugsweise die Kämpfer stellt und hauptsächlich die materiellen Opfer zu bringen hat, die natürliche Gegnerin der Kriege, weil diese im Widerspruch stehen zu ihrem Ziel: Schaffung einer auf sozialistischer Grundlage beruhenden Wirtschaftsordnung, die die Solidarität der Völker verwirklicht. Der Kongress betrachtet es deshalb als Pflicht aller Arbeiter und insbesondere ihrer Vertreter in den Parlamenten, unter Kennzeichnung des Klassencharakters der bürgerlichen Gesellschaft und der Triebfedern für die Aufrechterhaltung der nationalen Gegensätze, mit allen Kräften die Rüstungen zu Wasser und zu Lande zu bekämpfen und die Mittel hierfür zu verweigern. Der Kongress sieht in der demokratischen Organisation des Wehrwesens, das alle Waffenfähigen umfasst, eine wesentliche Garantie, dass Angriffskriege unmöglich werden und die Überwindung nationaler Gegensätze erleichtert wird. Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um durch Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern oder, falls ein solcher dennoch ausbrechen sollte, für seine rasche Beendigung einzutreten."

In der Kommission für Militarismus und internationale Konflikte sprach Rosa Luxemburg. In dieser Kommission stellten R. Luxemburg, Lenin und Martow im Namen der russischen und der polnischen sozialdemokratischen Delegationen folgende Abänderungsanträge:

I. Dem ersten Passus der Resolution Bebel ist folgende Fassung zu geben:

Der Kongress bestätigt von neuem die Resolutionen der früheren internationalen Kongresse gegen Militarismus und Imperialismus."

Folgt der erste Passus der Resolution Bebel und anschließend daran folgt der Zusatz:

Diese Kriege ergeben sich mit Naturnotwendigkeit aus den unaufhörlichen Wettrüstungen des Militarismus, der ein Hauptwerkzeug der bürgerlichen Klassenherrschaft und der wirtschaftlichen und politischen Unterjochung der Arbeiterklasse ist."

II. Dem zweiten Passus der Bebelschen Resolution ist folgender Passus beizufügen:

Um dadurch die Massen des Proletariats von ihren eigentlichen Klassenaufgaben sowie von den Pflichten der internationalen Klassensolidarität abzulenken."

III. Dem fünften Absatz der Bebelschen Resolution sollen die Worte folgen:

Sowie dahin zu wirken, dass die Jugend der Arbeiterklasse im Geiste der Völkerverbrüderung und des Sozialismus erzogen und systematisch mit Klassenbewusstsein erfüllt wird, so dass die herrschenden Klassen es nicht wagen, sie als Werkzeuge für die Festigung ihrer Klassenherrschaft gegen das kämpfende Proletariat zu gebrauchen."

IV. Dem letzten Passus der Bebelschen Resolution ist die folgende Fassung zu geben:

Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern und steigern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen."

Alle Abänderungsanträge der russischen Delegation wurden im Wesentlichen angenommen. Über den letzten Absatz, die Ausnutzung der Krise betreffend, schrieb Lenin später: „Ich erinnere mich genau, dass der endgültigen Abfassung dieses Zusatzantrags langwierige, unmittelbare Besprechungen mit Bebel vorausgingen. Die erste Fassung sprach viel direkter von der revolutionären Propaganda und der revolutionären Aktion. Wir zeigten sie Bebel, er antwortete: ,Das kann ich nicht unterschreiben, denn die Staatsgewalt wird dann unsere Parteiorganisation auflösen, das aber wollen wir umgehen, solange noch nichts Ernstes vorhanden ist'. Nach Beratungen mit Juristen und vielfacher Umarbeitung des Textes, die dem Zweck verfolgten, denselben Gedanken in legale Form zu bringen, wurde eine endgültige Formulierung gefunden, deren Unterzeichnung Bebel zusagte" (Anm. N. Lenins zu Sinowjews „Der Krieg und die Krise des Sozialismus", S. 619, Verlag für Literatur und Politik 1924). Auf dem Stuttgarter Kongress fand augenscheinlich eine kleine Konferenz revolutionärer Sozialdemokraten statt, Sinowjew schreibt darüber: „In seinen Berichten und Unterhaltungen erzählte uns Genosse Lenin, wie er und R. Luxemburg während des Stuttgarter Kongresses den ersten Versuch machten, eine illegale (illegal nicht im polizeilichen Sinne, sondern gegenüber den Führern der II. Internationale) Beratung von Marxisten zu organisieren, die mit dem Standpunkt von Lenin und Rosa Luxemburg sympathisierten" (G Sinowjew Bd. XV, S. 252).

Das ZK der SDAPR propagierte die Ideen des Stuttgarter Kongresses, im Besonderen den Beschluss über die Beziehungen zwischen Partei und Gewerkschaften. In einem speziellen Brief an alle Parteiorganisationen über die Kampagne zur Rekruteneinziehung empfiehlt das ZK, dem Militärdienst nicht aus dem Wege zu gehen und antimilitaristische Arbeit im Geiste der Resolution des Stuttgarter Kongresses zu leisten. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 12]

Stuttgarter Kongress: der 7. Internationale Sozialisten-Kongress tagte vom 18. bis 24. August 1907. Der erste und wichtigste Punkt der Tagesordnung hieß: „Der Militarismus und die internationalen Konflikte.“ Eine Diskussion über diesen Punkt fand ausschließlich in einer aus 67 Mitgliedern bestehenden, zu vorbereitender Debattierung der Resolution eingesetzten Kommission statt. In der Frage nach der Haltung der internationalen Sozialdemokratie im drohenden Krieg standen in der Kommission vier Hauptströmungen einander gegenüber. Die Anarchosyndikalisten (Hervé) empfahlen in ihrem Resolutionsentwurf den Militärstreik und den bewaffneten Aufstand gegen jeden Krieg ohne Rücksicht auf seinen Charakter und seine Eigentümlichkeiten. Jules Guesde vertrat den Standpunkt, dass die Behandlung der antimilitaristischen Arbeit als einer besonderen Frage die allgemeine sozialistische Propaganda schwäche und dass daher die sozialistischen Parteien ihre ganze Aufmerksamkeit auf die allgemeine Propaganda zu richten hätten, ohne zu irgendwelchen besonderen Kampfmaßnahmen gegen die Kriegsgefahr zu greifen. Die Zentristen spalteten sich in eine deutsche (Bebel, Vollmar) und in eine französische Gruppe (Jean Jaurès, É. Vaillant). Bebel schlug vor, dass man sich in der Resolution auf die Bestätigung der Beschlüsse der vorhergegangenen Internationalen Kongresse beschränke, und ließ in seinen Reden die Möglichkeit einer Vaterlandsverteidigung zu. Die französischen Zentristen sprachen in ihrem Resolutionsentwurf offen von der Notwendigkeit der Vaterlandsverteidigung in den Ländern der „bedrohten“ Nationen. Der revolutionär-marxistische Flügel war in der Kommission durch die russische und polnische Delegation vertreten (Lenin und Rosa Luxemburg).

Zur Redigierung des endgültigen Resolutionstextes wurde eine Subkommission (aus 15 Mitgliedern) eingesetzt, in der Rosa Luxemburg den linken Flügel, auf Antrag Lenins auch die russischen Bolschewiki vertrat. Dem von der Subkommission vorgelegten, von der Kommission dann einstimmig angenommenen Resolutionsentwurf war der Antrag Bebels zu Grunde gelegt. Fünf Ergänzungsanträge von Lenin, Rosa Luxemburg u. a. wurden in vollem Umfange in die Resolution aufgenommen. Einer dieser Ergänzungsanträge bildet die letzten zwei Absätze des endgültigen Resolutionstextes. Über diese zwei Absätze schreibt Lenin: „Ich weiß mich sehr wohl zu erinnern, dass der endgültigen Redigierung dieser Abänderung längere unmittelbare Verhandlungen zwischen uns und Bebel vorausgingen. Die erste Fassung sprach viel offener von revolutionärer Agitation und revolutionären Aktionen. Wir zeigten sie Bebel, er erwiderte: Ich nehme sie nicht an, denn die Staatsanwaltschaft wird dann unsere Organisation auflösen, und das wollen wir nicht, solange es noch nichts Ernstes gibt. Nach Beratung mit Juristen von Fach und nach mehrmaliger Umänderung des Textes in der Absicht, demselben Gedanken legalen Ausdruck zu geben, wurde die endgültige Formel gefunden, zu deren Annahme sich Bebel bereit erklärte.“ (Anmerkung Lenins in dem Buche Sinowjews: „Der Krieg und die Krise des Sozialismus“; Werke Sinowjews, Bd. VIII, Leningrader Staatsverlag, 1926, S. 582; deutsch erschienen im Verlag für Literatur und Politik. Wien-Berlin 1924). Berichterstatter im Plenum des Kongresses war Vandervelde. Die Resolution wurde im Plenum einstimmig und ohne Debatte angenommen. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 18, Anm. 19]

Der Stuttgarter Kongress der Zweiten Internationale wurde 1907 (16.-24. August) einberufen. Auf dem Kongress waren 25 Nationen und alle fünf Erdteile vertreten. Russland wurde von 39 Delegierten vertreten, darunter Plechanow, Lenin und Trotzki. Insgesamt gab es 886 Delegierte. Die wichtigsten Themen auf der Tagesordnung des Kongresstages waren: die Kolonialfrage, die Beziehungen zwischen Partei und Gewerkschaften, Emigration und Immigration, Militarismus und internationale Konflikte. Die letzte Frage stand im Mittelpunkt des Kongresses. Als Ergebnis hitziger Debatten wurde mit einer Mehrheitsentscheidung eine Resolution angenommen, in der die militärischen Vorbereitungen der bürgerlichen Länder entschieden verurteilt und das Verhältnis der Sozialdemokratie zu den imperialistischen Kriegen bestimmt wurde. Indem sie vor allem erklärt, dass Kriege ein notwendiger Teil des kapitalistischen Systems sind und dass die Arbeiterklasse der natürliche Feind aller Kriege ist, erklärt die Resolution:

Der Kongress betrachtet es deshalb als Pflicht aller Arbeiter und insbesondere ihrer Vertreter in den Parlamenten, unter Kennzeichnung des Klassencharakters der bürgerlichen Gesellschaft und der Triebfedern für die Aufrechterhaltung der nationalen Gegensätze, mit allen Kräften die Rüstungen zu Wasser und zu Lande zu bekämpfen und die Mittel hierfür zu verweigern. Der Kongress sieht in der demokratischen Organisation des Wehrwesens, das alle Waffenfähigen umfasst, eine wesentliche Garantie, dass Angriffskriege unmöglich werden und die Überwindung nationaler Gegensätze erleichtert wird.“

Der Beschluss endete mit den folgenden Worten:

Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern und steigern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen."

Auf dieser in der Bebel-Kommission vorgeschlagenen Resolution schrieb Lenin:

Die Resolution Bebels, die von den Deutschen eingebracht wurde und sich in allen wesentlichen Punkten mit der Resolution von Guesde deckte, litt gerade an dem Mangel, dass in ihr jeder Hinweis auf die aktiven Aufgaben des Proletariats fehlte. Dies gab die Möglichkeit, die orthodoxen Formulierungen Bebels durch die opportunistische Brille zu lesen. Vollmar setzte diese Möglichkeit sofort in die Wirklichkeit um.

Daher brachten Rosa Luxemburg und die russischen sozialdemokratischen Delegierten zur Bebelschen Resolution Abänderungsanträge ein. Diese Anträge besagten erstens, dass der Militarismus das Hauptwerkzeug der Klassenunterdrückung ist, verwiesen zweitens auf die Aufgabe der Agitation unter der Jugend und betonten drittens die Aufgabe der Sozialdemokratie, nicht nur gegen die Entstehung von Kriegen oder für schleunige Beendigung bereits ausgebrochener Kriege zu kämpfen, sondern auch die durch den Krieg hervorgerufene Krise für die Beschleunigung des Sturzes der Bourgeoisie auszunutzen.“ (Band VIII, S. 503).

In Stuttgart unternahmen Lenin und Rosa Luxemburg den Versuch, eine fraktionelle Konferenz revolutionärer Marxisten einzuberufen. Dies war der erste Versuch, einen linken Flügel in der International zu bilden. [Trotzki, Sotschinenija 8]

Der Stuttgarter Kongress (1907) verwies in der Resolution über die Beziehungen zwischen den politischen Parteien und den Gewerkschaftsorganisationen darauf, dass zur vollen Befreiung des Proletariats der politische und der Wirtschaftskampf in gleicher Weise notwendig sind. „Partei und Gewerkschaft haben also – heißt es in der Resolution – im Emanzipationskampf des Proletariats gleichwertige revolutionäre Aufgaben zu erfüllen“. „Partei und Gewerkschaften haben sich in ihren Aktionen moralisch zu fördern und zu unterstützen“ … „Die Gewerkschaften werden ihre Pflicht im Emanzipationskampfe der Arbeiterklasse nur dann zu erfüllen vermögen, wenn sie sich bei allen Aktionen vom sozialistischen Geiste leiten lassen". („Internationaler Sozialistenkongress in Stuttgart 1907‘‘, Verlag „Vorwärts“ in Berlin, S. 100.) [Ausgewählte Werke, Band 4]

Auf dem Stuttgarter Kongress der II. Internationale (1907) wurde, dank einer von der Gruppe der revolutionären Sozialdemokraten mit Lenin und Rosa Luxemburg an der Spitze zur Resolution über den Militarismus eingebrachten und vom Kongress beschlossenen Verbesserung, die strategische Hauptaufgabe, auf welche die Sozialisten aller Länder die Anstrengungen des Proletariats zu konzentrieren hatten, sorgfältig formuliert. Die Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Herrschaft, die Vorbereitung der Massen zur sozialistischen Revolution als Antwort auf die Vorbereitung des Weltkrieges durch die Kapitalisten – das war die Hauptlosung des Stuttgarter Kongresses in der Frage des Krieges. Diese Losung wurde vom Kongress entgegen den Wünschen und Stimmungen der Delegation der deutschen Sozialdemokratie angenommen, die damals die führende Partei der II. Internationale war. Die deutsche Delegation, die aus 300 Mitgliedern bestand, vertrat auf dem Kongress eine opportunistische Politik und Taktik. In den Kommissionen des Kongresses, die für die Fragen des Militarismus, der Auswanderung, der Kolonialpolitik eingesetzt waren, war die deutsche Delegation durch so geriebene Opportunisten, wie David, Bernstein, Paeplow u. a. vertreten, die Lenin als Leute bezeichnete, die mit dem Sozialismus nichts gemein haben. Mit dem Artikel Lenins „Der Internationale Sozialistenkongress zu Stuttgart“, der in dem von den Bolschewiki herausgegebenen „Kalender für alle auf das Jahr 1908“ veröffentlicht wurde, begann eine ganze Reihe von Artikeln Lenins, die er dem Kampfe gegen den Opportunismus in der europäischen Arbeiterbewegung widmete. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 138]

Über den Stuttgarter Kongress von 1907 siehe den Artikel Lenins „Der internationale Sozialistenkongress zu Stuttgart" und die Anmerkungen dazu. Wie bereits gesagt, wurde auf diesem Kongress zu der zentristischen Resolution Bebels über „Militarismus und internationale Konflikte“ ein Zusatzantrag Lenins und der linken Kongressdelegierten, die in dieser Frage den Leninschen Standpunkt teilten, angenommen, und so kam eine Resolution zustande, die die Arbeiterklasse und ihre Vertreter in den Parlamenten aufforderte, in energischer Weise und in Übereinstimmung miteinander gegen den Ausbruch eines Krieges zu kämpfen. Für den Fall, dass dennoch der Krieg ausbrechen sollte, forderte die Resolution auf, alle Anstrengungen darauf zu richten, um „für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen“. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 5, Anm. 45]

Der Stuttgarter Kongress der II. Internationale wurde im Jahre 1907 (16.-24. VIII.) einberufen. Auf dem Kongress waren 25 Nationen und alle fünf Weltteile vertreten. Russland vertraten 39 Delegierte, einschließlich Plechanow, Lenin, Trotzki. Insgesamt waren es 886 Delegierte. Die wichtigsten Fragen auf der Tagesordnung des Kongresses waren: die koloniale Frage, die Beziehungen zwischen Partei und Gewerkschaften, Auswanderung und Einwanderung, Militarismus und internationale Konflikte. Die letzte Frage nahm auf dem Kongress den zentralen Platz ein. Als Resultat einer heißen Debatte wurde mit der Mehrheit der Stimmen eine Resolution angenommen, die die Kriegsvorbereitungen der bürgerlichen Länder entschieden missbilligte und den Charakter der Beziehung der Sozialdemokratie zu imperialistischen Kriegen bestimmte. Die Resolution konstatierte zuallererst, dass Kriege notwendige Bestandteile des kapitalistischen Systems sind und dass die Arbeiterklasse der natürliche Feind jedes Krieges ist, und erklärt:

Der Kongress betrachtet es deshalb als Pflicht der arbeitenden Klasse und insbesondere ihrer Vertreter in den Parlamenten, unter Kennzeichnung des Klassencharakters der bürgerlichen Gesellschaft und der Triebfeder für die Aufrechterhaltung der nationalen Gegensätze, mit allen Kräften die Rüstungen zu Wasser und zu Lande zu bekämpfen und die Mittel hierfür zu verweigern sowie dahin zu wirken, dass die Jugend der Arbeiterklasse im Geiste der Völkerverbrüderung und des Sozialismus erzogen und mit Klassenbewusstsein erfüllt wird."

Die Resolution endete mit folgenden Worten:

Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitenden Klassen und deren parlamentarische Vertretungen in den beteiligten Ländern verpflichtet, unterstützt durch die zusammenfassende Tätigkeit des Internationalen Büros, alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der Verschärfung der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern.

Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen."

Aus Anlass dieser von Bebel in der Kommission vorgeschlagenen Resolution schrieb Lenin:

Die Resolution Bebels […] litt gerade an dem Mangel, dass in ihr jeder Hinweis auf die aktiven Aufgaben des Proletariats [(„mit den am meisten tatsächlichen Mitteln" kämpfen)] fehlte. Dies gab die Möglichkeit, die orthodoxen Formulierungen Bebels durch die opportunistische Brille zu lesen. Vollmar setzte diese Möglichkeit sofort in die Wirklichkeit um.

Daher brachten Rosa Luxemburg und die russischen sozialdemokratischen Delegierten zur Bebelschen Resolution Abänderungsanträge ein. Diese Anträge besagten erstens, dass der Militarismus das Hauptwerkzeug der Klassenunterdrückung ist, verwiesen zweitens auf die Aufgabe der Agitation unter der Jugend und betonten drittens die Aufgabe der Sozialdemokratie, nicht nur gegen die Entstehung von Kriegen oder für schleunige Beendigung bereits ausgebrochener Kriege zu kämpfen, sondern auch die durch den Krieg hervorgerufene Krise für die Beschleunigung des Sturzes der Bourgeoisie auszunutzen.".

In Stuttgart machten Lenin und Rosa Luxemburg den Versuch eine Fraktionsberatung der revolutionären Marxisten einzuberufen. Dies war erste Versuch der Bildung eines linken Flügels in der Internationale. [Trotzki, Sotschinenija, Band 8, Anm. 6]

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