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Leo Trotzki 19180209 Sitzung der russischen, deutschen und österreichisch-ungarischen Delegationen

Leo Trotzki: Sitzung der russischen, deutschen und

österreichisch-ungarischen Delegationen

(Politische Kommission)

[Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 17, часть 1. Москва-Ленинград, 1926, S. 97-106, verglichen mit den auszugsweisen englischen und deutschen Übersetzungen]

I. Sitzung vom 9. Februar 1918

[Czernin erklärt zusammenfassend, dass angesichts der Unmöglichkeit einer Einigung über territoriale Veränderungen versucht werden müsse, ungeachtet der Lösung dieses Problems Frieden zu finden.]

Trotzki. Wir hielten es auch für notwendig, nach der letzten Pause – ich meine die von uns verursachte Pause, und nicht die Pause, die von den deutschen und österreichisch-ungarischen Delegationen verursacht wurde – unsere bisherigen Arbeiten zusammenzufassen. Ausgangspunkt der Friedensverhandlungen waren unsere Erklärung vom 9./22. Dezember und die Antworterklärung des Vierbundes am 12./25. Dezember. Mit diesen beiden Erklärungen wurden die Verhandlungen formal auf die Grundlage des Prinzips der Selbstbestimmung der Völker gestellt. Nach einer kurzen Zeit, als es schien, dass mit dem von beiden Seiten anerkannten Prinzip die durch den Krieg gestellten nationalen und territorialen Fragen gelöst wären, wurde unerwartet festgestellt, dass nach dem Austausch formulierter Erklärungen am 14./27 Dezember das Problem noch komplizierter wurde, da aus unserer Sicht, die Anwendung, die dem Prinzip der Selbstbestimmung durch die Gegenseite gegeben wurde, gleichbedeutend damit war, das Prinzip selbst zu leugnen. Die weitere Debatte hatte daher rein akademischen Charakter, war praktisch hoffnungslos, da die Gegenseite auf dem Wege komplexer logischer Operationen versuchte, aus dem Prinzip der Selbstbestimmung genau jene Schlussfolgerungen zu ziehen, die nach ihrer Auffassung vom aktueller Stand der Dinge in Übereinstimmung mit der Militärkarte vorbestimmt waren. Die Frage des Schicksals der besetzten Gebiete, die im Mittelpunkt dieser Debatte stand, reduzierte sich nach einer Reihe von Sitzungen auf die Frage der Räumung dieser Gebiete von Besatzungstruppen und in dieser Kardinalfrage ließ sich infolge des oben erwähnten Charakters der Debatte nur allmählich und mit großen Schwierigkeiten Klarheit erreichen. Der ursprüngliche Wortlaut der Gegenseite, soweit wir ihn verstanden – und wir wollten ihn mit aller Gewissenhaftigkeit verstehen – war, dass vor dem Ende des allgemeinen Krieges aus militärisch-strategischen Überlegungen für Deutschland und Österreich-Ungarn von der Räumung der besetzten Gebiete keine Rede sein könne. Unsere Delegation kam zu dem Schluss, dass die Gegenseite von der Räumung der besetzten Gebiete nach dem Abschluss eines allgemeiner Friedens ausgehe, d. h. nachdem diese strategischen Überlegungen hinfällig sind. Die Schlussfolgerung war jedoch falsch. Die deutsche und die österreichisch-ungarische Delegation weigerten sich kategorisch, verbindliche Aussagen über den Abzug der Truppen aus den besetzten Gebieten zu machen, wenn man von dem kleinen Bezirk, der Russland voraussichtlich zurückgegeben wird, absieht. Erst in diesem Stadium der Verhandlungen wurde die erforderliche Klarheit erreicht. Die Frage wurde noch deutlicher, als General Hoffmann im Namen der beiden Delegationen uns diese Grenzlinie zeigte, die Russland weiter von seinen westlichen Nachbarn trennen sollte1, d.h. faktisch von Deutschland und Österreich-Ungarn, da die Besatzungstruppen in den besetzten Gebieten für eine unbestimmte, durch keinerlei Klausel begrenzte Zeit bleiben sollen.

Wir haben wiederholt gesagt, dass, wenn wir die neue Grenze Russlands nach dem Prinzip der Selbstbestimmung ziehen würden, dann unter den gegebenen Bedingungen die zuverlässigste Garantie gegen die Möglichkeit neuer militärischer Auseinandersetzungen geschaffen würde, da die angrenzenden Völker direkt an der Bewahrung der neuen Grenze interessiert wären. Aber die deutschen Bedingungen schließen wie die gesamte deutsche Politik eine solche demokratische Garantie friedlicher Beziehungen zwischen Russland einerseits und Deutschland und Österreich-Ungarn andererseits völlig aus. Die von der Gegenseite angenommene neue Front wird primär von militärisch-strategischen Überlegungen diktiert und sollte unter diesem Gesichtspunkt bewertet werden. Die Trennung nicht nur Polens und Litauens, sondern auch des lettischen Randes und Estlands von Russland würde – wenn dies der Wille der Bevölkerung dieser Gebiete wäre – für die Russische Republik keine Gefahr darstellen; im Gegenteil, freundschaftliche Beziehungen zu diesen neuen Staaten, die frei den Weg unabhängiger Staatlichkeit beträten, wären durch die Bedingungen ihres Ursprungs und ihrer Existenz gesichert. Bei einer solchen Fragestellung wäre der strategische Charakter der neuen Grenze für uns nicht von großer Bedeutung. In einem völlig anderen Licht erscheint jedoch diese neue Grenze, die die Gegenseite vorschlägt. Da Deutschland und Österreich-Ungarn ihre Streitkräfte in den besetzten Bezirken zurücklassen und das Recht behalten, diese besetzten Bezirke durch Eisenbahn- und andere Konventionen an sich zu binden, sollten wir eine neue Grenze praktisch nicht als Grenze zu Polen, Litauen, Kurland usw. betrachten, sondern als Grenze zu Deutschland und Österreich-Ungarn. Da beide dieser Staaten als Staaten erscheinen, die eine Politik des „militärischen Erwerbs" betreiben, was am deutlichsten in ihrer Haltung gegenüber den besetzten Bezirken zum Ausdruck kommt, stellt sich eine neue Frage: Welche Art Schicksal wird für das republikanische Russland, das heißt die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit seines Volkes, von den Regierungen Deutschlands und Österreich-Ungarns mit der neuen Grenze vorbereitet, die sie schaffen wollen? Mit anderen Worten, welche strategischen Ziele diktierten eine neue Grenze? Um diese neue Frage aus der Sicht der führenden militärischen Institutionen der Russischen Republik zu klären, bitte ich Sie, unseren Militärberatern das Wort zu erteilen.2

Aber hier stehen wir vor einer neuen Schwierigkeit; es handelt sich um den uns unbekannten Teil der Grenze, der südlich von Brest-Litowsk verlaufen muss. Die Gegenseite ging von der Überlegung aus, dass dieser Teil der Grenze gemeinsam mit der Delegation der Kiewer Rada festgelegt werden sollte. Wir haben einmal gesagt, dass, selbst unabhängig vom ungeklärten staatlich-rechtlichen Status der Ukraine, von einer einseitigen Festlegung der Grenzen durch die Kiewer Rada ohne Zustimmung der Delegation des Rates der Volkskommissare keine Rede sein könne. Nach unserer Aussage wurde der staatlich-rechtliche Status der ukrainischen Republik geklärt: sie wurde Teil der Russischen Föderativen Republik. Die Delegationen der Mittelmächte beeilten sich, entgegen ihrer ursprünglichen Erklärung, dass sie sich das Recht vorbehalten, ihre Haltung zur internationalen Lage der Ukraine zum Zeitpunkt des Abschlusses des Friedensvertrages endgültig zu bestimmen, die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine gerade in dem Moment anzuerkennen, als die Ukraine offiziell dem Bestand der Russischen Föderation beigetreten ist. Danach fanden Ereignisse statt, die für das Schicksal der Separatverhandlungen der Gegenseite mit der Kiewer Rada entscheidend sein sollten. Letztere fiel unter den Ansturm der ukrainischen Sowjets, und der an sich unvermeidliche Sturz wurde durch die Tatsache beschleunigt, dass die Rada im Kampf um die Macht mit der Hilfe der Mittelmächte den Versuch unternahm, die Ukraine zwangsweise von den Russischen Föderativen Republik abzuspalten. Wir haben die Gegenseite offiziell über den Fall der ukrainischen Rada informiert. Dennoch wurden die Verhandlungen mit der nicht existierenden Regierung fortgesetzt. Dann boten wir der österreichisch-ungarischen Delegation – zwar im privaten Gespräch, aber ganz förmlich – an, einen Vertreter in die Ukraine zu entsenden, damit er persönlich sehen könne, dass die Kiewer Rada gefallen war und Verhandlungen mit ihrer Delegation keine praktische Bedeutung hätten. Die Delegationen der Mittelmächte benötigten eine Überprüfung der Tatsachen, und es schien uns, dass sie auf jeden Fall die Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit der Kiewer Rada verschieben müssten, bis die von ihnen gesandten Personen zurückkehrten. Aber uns wurde gesagt, dass die Unterzeichnung des Vertrags dringend sei. So haben die Regierungen der Mittelmächte am 1. Februar nicht nur die Verhandlungen mit der Regierung der Russischen Föderativen Republik fortgesetzt, sondern auch trotz ihrer ursprünglichen Erklärung die Unabhängigkeit der Ukrainischen Republik zum Zeitpunkt ihres freiwilligen Beitritts zur Russischen Föderation anerkannt – aber jetzt unterzeichneten sie, so weit wir wissen, hastig eine Vereinbarung mit einer Regierung, die, wie wir der Gegenseite kategorisch erklärten, nicht mehr existiert.3 Solch eine Vorgehensweise kann nur Zweifel am Bestehen des Wunsches nach friedlichen Beziehungen mit der Russischen Föderativen Republik bei der Gegenseite wecken, um die wir uns derzeit nicht weniger als zu Beginn der Verhandlungen bemühen. Die ganze Vorgehensweise der Gegenseite in dieser Angelegenheit erweckt überdies den Eindruck, dass die Mittelmächte sich mit der Anerkennung der Rada sozusagen einen künstlichen Ausgangspunkt für die Intervention in die inneren Angelegenheiten der Ukraine und ganz Russland schaffen wollten.

Es versteht sich von selbst, dass es in Bezug auf dasselbe Territorium nicht zwei verschiedene Friedensverträge geben kann. Wir erklären deshalb, dass das Abkommen, das vielleicht bereits mit der nicht existierenden Regierung der Rada geschlossen wurde, keine Kraft haben kann und wird, weder für das ukrainische Volk noch für die Regierung ganz Russlands. Die Delegation des Rates der Volkskommissare, zu der auch offizielle Vertreter des Volkssekretariats der Ukraine gehören, ist die einzige legale und bevollmächtigte Vertretung der Russischen Republik. Die Russische Föderation wird nur den für sich und ihre Bestandteile verbindlichen Friedensvertrag in Betracht ziehen, der hoffentlich von unserer Delegation unterzeichnet wird. Was die Grenze betrifft, bedeutet dies, dass wir sie im Interesse der Sache nur im Ganzen betrachten können. Daher bitten wir die Gegenseite, die von General Hoffmann vorgelegte Grenzlinie vollständig auf unseren Karten zu ziehen.

[Ohne eine direkte Antwort auf die gestellte Frage zu geben, polemisieren Kühlmann und Czernin mit dem Genossen Trotzki zu verschiedenen Einzelfragen, insbesondere zur Ukraine.]

Trotzki. Ich habe leider keine Antwort auf eine von mir gestellte praktische Frage erhalten. Da wir der Frage der vorgesehenen Grenze aus einem neuen Blickwinkel gegenüberstehen müssen, nämlich einem militärisch-strategischen Blickwinkel, sollten wir diese neue Grenze in ihrer Gesamtheit abschätzen. Wenn wir bedingt den Ansichten des Grafen Czernin willkürlich zustimmen würden – was der Sache nach im Wesentlichen unzulässig ist –, selbst dann muss die Gegenseite vielleicht in ein oder zwei Wochen selbst zugeben, dass sich die Macht des Rates der Volkskommissare über dieses Territorium erstreckt in deren Namen die Regierung der Rada spricht, deren einziges Territorium … Brest-Litowsk ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist für uns natürlich die Grenze zwischen dem ukrainischen Teil der Russischen Föderativen Republik und der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht gleichgültig. Deshalb müssen wir eine Darstellung der Grenzen in ihrer Gesamtheit bekommen.

[Kühlmann schlägt vor, das Thema an die militärisch-technische Kommission zu übergeben, in der er einen entsprechenden Bericht erstatten wird.]

Trotzki. Nachdem festgestellt wurde, dass es keine vernünftigen Gründe gibt und keine geben kann, die die Klärung der angenommenen Grenze jenes Teils Russlands verhindern, der dank der Energie und Entschlossenheit der ukrainischen Arbeiter und Bauern unter der Herrschaft der ukrainischen Sowjets steht, denke ich, dass es keine grundsätzlichen Einwände gegen die Schaffung einer militärisch-technischen Kommission geben kann; man wird daher von der Bekanntheit mit der projizierten Grenze als Ganzes ausgehen können.

[Nach einem Beschluss zur Frage einer Pause, erklärt Kühlmann in einem Ultimatum, dass die endgültige Form des relevanten Absatzes des Friedensvertrags lauten sollte: „Russland akzeptiert die folgenden territorialen Änderungen, die zusammen mit der Ratifizierung dieses Friedensvertrags in Kraft treten: die Bezirke zwischen den Grenzen von Deutschland und Österreich-Ungarn und der Linie, die … verläuft, unterliegen fortan nicht der territorialen Oberhoheit Russlands. Aus der Tatsache ihrer Zugehörigkeit zum ehemaligen Russischen Reich entspringen für sie keinerlei Verpflichtungen gegenüber Russland. Das künftige Schicksal dieser Regionen werden im Einvernehmen mit diesen Völkern entschieden – nämlich auf der Grundlage jener Abkommen, die Deutschland und Österreich-Ungarn mit ihnen schließen werden.“

Konkret sollte die Frage der Grenzen in der territorialen Unterkommission gelöst werden, die am 10. Februar zusammentrat. Nachdem eine Verständigung dort nicht erreicht worden war, wurde das Thema erneut auf die Sitzung der politischen Kommission am selben Tag verschoben.4]

II. Sitzung am 10. Februar 1918

[Nach einer kurzen Debatte über Spezialfragen erklärt Genosse Trotzki in seiner Rede den Abbruch der Verhandlungen.]

Trotzki. Die Aufgabe der Unterkommission, wie wir sie verstanden, bestand darin, die Frage zu beantworten, inwieweit die von der anderen Seite vorgeschlagene Grenze dem russischen Volk zumindest ein Mindestmaß an Selbstbestimmung sichern könne. Wir haben den Berichten unserer Vertreter zugehört, die Mitglieder der Unterkommission für territoriale Fragen waren, und wir sind der Ansicht, dass nach einer langen Debatte und einer gründlichen Prüfung der Fragen die Stunde der Entscheidungen gekommen ist. Die Völker warten auf Ergebnisse der Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk. Die Völker fragen, wann diese beispiellose Selbstzerstörung der Menschheit durch Eigeninteresse und Machthunger der herrschenden Klassen aller Länder zu einem Ende kommen wird? Wenn der Krieg jemals zur Selbstverteidigung geführt wurde, war das für beide Lager schon lange nicht mehr der Fall. Wenn Großbritannien afrikanische Kolonien, Bagdad und Jerusalem in Besitz nimmt, dann ist das kein Verteidigungskrieg; wenn Deutschland Serbien, Belgien, Polen, Litauen und Rumänien besetzt und die Moonsund-Inseln in Besitz nimmt, dann ist das kein Verteidigungskrieg. Dies ist ein Kampf um die Aufteilung der Welt. Jetzt ist es klar, klarer denn je.

Wir wollen nicht mehr an diesem rein imperialistischen Krieg teilnehmen, wo die Ansprüche der besitzenden Klassen eindeutig mit menschlichem Blut bezahlt werden. Wir verhalten uns zu den Imperialismen beider Lager mit der gleichen Unversöhnlichkeit, und wir sind nicht länger damit einverstanden, das Blut unserer Soldaten zur Verteidigung der Interessen eines Lagers der Imperialisten gegen ein anderes zu vergießen.

In Erwartung der, wie wir hoffen, nahen Stunde, wenn die unterdrückten werktätigen Klassen aller Länder wie das werktätige Volk Russlands die Macht in die eigenen Hände nehmen, ziehen wir unsere Armee und unser Volk aus dem Krieg zurück. Unser Pflüger-Soldat muss zu seinem Acker zurückkehren, um das Land in diesem Frühling friedlich zu bearbeiten, das die Revolution aus den Händen des Gutsbesitzers in die Hände des Bauern übergeben hat. Unser Arbeiter-Soldat muss in die Werkstatt zurückkehren, um dort nicht Werkzeuge der Zerstörung, sondern Werkzeuge des Aufbaus zu produzieren und zusammen mit dem Pflüger eine neue sozialistische Wirtschaft aufzubauen.

Wir verlassen den Krieg. Wir informieren alle Völker und ihre Regierungen darüber. Wir geben den Befehl zur vollständigen Demobilisierung unserer Armeen, die jetzt den Truppen Deutschlands, Österreich-Ungarns, der Türkei und Bulgariens gegenüberstehen. Wir erwarten und glauben fest daran, dass andere Nationen bald unserem Beispiel folgen werden. Gleichzeitig erklären wir, dass die von den Regierungen Deutschlands und Österreich-Ungarns vorgeschlagenen Bedingungen von Grund auf den Interessen aller Völker zuwiderlaufen. Diese Bedingungen werden von den arbeitenden Massen aller Länder einschließlich der Völker Österreich-Ungarns und Deutschlands abgelehnt. Die Völker Polens, der Ukraine, Litauens, Kurlands und Estlands betrachten diese Bedingungen als Gewalt gegen ihren Willen; für das russische Volk bedeuten diese Bedingungen eine ständige Bedrohung. Die Volksmassen der ganzen Welt, geleitet von politischem Bewusstsein oder moralischem Instinkt, lehnen diese Bedingungen in Erwartung des Tages ab, an dem die werktätigen Klassen aller Länder ihre eigenen Normen des friedlichen Zusammenlebens und der freundschaftlichen Zusammenarbeit der Völker schaffen werden. Wir lehnen es ab, die Bedingungen zu sanktionieren, die der deutsche und der österreichisch-ungarische Imperialismus mit dem Schwert auf den Körper lebender Völker schreiben. Wir können die Unterschriften der russischen Revolution nicht unter Bedingungen setzen, die Unterdrückung, Trauer und Unglück für Millionen von menschlichen Wesen mit sich bringen.

Die Regierungen Deutschlands und Österreich-Ungarns wollen Länder und Völker durch das Recht auf militärische Eroberung beherrschen. Mögen sie ihre Arbeit offen tun. Wir können die Gewalt nicht heiligen. Wir ziehen uns aus dem Krieg zurück, aber wir müssen uns weigern, den Friedensvertrag zu unterzeichnen.

Im Zusammenhang mit dieser Erklärung übermittle ich den verbündeten alliierten Delegationen folgende schriftliche und unterzeichnete Erklärung:

Im Namen des Rates der Volkskommissare bringt die Regierung der Russischen Föderativen Republik hiermit den Regierungen und Völker der mit uns Krieg führenden, verbündeten und neutralen Ländern zur Kenntnis, dass Russland sich weigert, den annexionistischen Vertrag zu unterzeichnen, und seinerseits den Kriegszustand mit Deutschland, Österreich-Ungarn, der Türkei und Bulgarien für beendet erklärt.

Die russischen Truppen erhalten gleichzeitig den Befehl zur vollständigen Demobilisierung entlang der gesamten Front.“5

[Kühlmann fragt, ob die Sowjetregierung nach Beendigung des Krieges beabsichtigt, zu erklären, wo die Außengrenze der RSFSR genau verlaufen, und ob die Sowjetregierung Handel und Rechtsbeziehungen wieder aufnehmen wird, die dem Friedenszustand zwischen den Ländern entsprechen?]

Trotzki. Es bleibt für mich wenig zu dem hinzuzufügen, was in unserer Erklärung gesagt wurde. Die russische Regierung erklärt in dieser schriftlichen Erklärung, dass sie ihrerseits den Kriegszustand für beendet erklärt und dass sie aufgrund dieser Entscheidung eine vollständige Demobilisierung der Armee an allen Außenfronten anordnet. Bezüglich der praktischen Schwierigkeiten, die sich aus der Lage ergeben, kann ich keine Rechtsformel für ihre Lösung anbieten. Dieses Fehlen einer notwendigen Rechtsformel ist kein zufälliges Missverständnis; der ganze Verlauf der Friedensverhandlungen hat gezeigt, dass es angesichts der tiefen Meinungsverschiedenheiten bei den Hauptgesichtspunkten unmöglich ist, eine Formel zu finden, die das Verhältnis zwischen der russischen Regierung und den Mittelmächten bestimmt. Soviel ich den Herrn Vorsitzenden der deutschen Delegation verstand, schien er zumindest theoretisch die Möglichkeit zuzugeben, die fehlende Formel in der Praxis zu finden und sich fortan auf die Hilfe von Gewehren und Bajonetten zu stützen. Ich glaube das nicht. Egal, wie sehr das Konzept der Landesverteidigung während dieses Krieges missbraucht wurde, egal wie die Idee des Schutzes des Vaterlandes vergewaltigt wurde, kein ehrlicher Mensch auf der ganzen Welt wird sagen, dass die Fortsetzung der Feindseligkeiten durch Deutschland und Österreich-Ungarn unter den gegebenen Bedingungen ein Schutz des Vaterlandes sein würde. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das deutsche Volk und die Völker von Österreich-Ungarn dies nicht zulassen werden; und wenn unsere grundlegenden Aussagen für jeden offenkundig werden, dann werden praktische Schwierigkeiten auf die eine oder andere Weise gelöst werden. Das von uns übermittelte Dokument lässt keinen Zweifel an unseren Absichten. Wir erklären den Kriegszustand für beendet und geben unsere Soldaten für friedliche Arbeit zurück.

[Kühlmann schlägt vor, am 11. Februar eine Plenarsitzung einzuberufen, auf der die alliierten Delegationen ihre Meinung zur geschaffenen Situation äußern werden.]

Trotzki. Was uns angeht, haben wir alle Vollmachten erschöpft, die wir haben und die man noch aus Petrograd bekommen kann. Wir halten es für notwendig, nach Petrograd zurückzukehren, wo wir gemeinsam mit der Regierung der Russischen Föderativen Republik alle Mitteilungen, die wir den verbündeten Delegationen gemacht haben, besprechen und ihnen eine angemessene Antwort geben werden.

III. Erklärung der Delegation der RSFSR zur Beendigung des Krieges6

Im Namen des Rates der Volkskommissare bringt die Regierung der Russischen Föderativen Republik hiermit den Regierungen und Völker der mit uns Krieg führenden, verbündeten und neutralen Ländern zur Kenntnis, dass Russland sich weigert, den annexionistischen Vertrag zu unterzeichnen, und seinerseits den Kriegszustand mit Deutschland, Österreich-Ungarn, der Türkei und Bulgarien für beendet erklärt.

Die russischen Truppen erhalten gleichzeitig den Befehl zur vollständigen Demobilisierung entlang der gesamten Front.

Brest-Litowsk.

10. Februar 1918

Vorsitzender der russischen Friedensdelegation

Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten

L. Trotzki.

Mitglieder der Delegation:

Volkskommissar für Staatseigentum

W. Karelin.

A. Joffe. M. Pokrowski. A. Bizenko.

Vorsitzender der gesamtukrainischen ZEK

Medwedjew.

1 Dies ist die Grenzlinie, die Hoffmann auf der Morgensitzung der politischen Kommission am 5./18. Januar im Namen der Delegationen des Vierbundes vorgeschlagen hat.

2 Die Militärberater der Sowjetdelegation waren: Konteradmiral V. Altfater, Hauptmann V. Lipski und General A. Samoilo. Die allgemeine militärisch-strategische Bewertung der von der Vierbund-Delegation vorgeschlagenen Grenze wurde von Altfater und Lipski in einer Sitzung der Territorialkommission am 10. Februar vorgenommen.

3 Der Separatvertrag der Ukraine mit den Vierbundmächten wurde am 9. Februar 1918 unterzeichnet.

4Im englischen Text gibt es noch eine längere Ausführung Trotzkis: „Hinsichtlich der Räumung der türkischen Provinzen finden wir in unseren Grundsätzen genügend gewichtige Erwägungen für unsere Erklärungen, dass die Räumung der armenischen Gebiete nicht einfach als ein Austausch für die Räumung des einen der anderen Teile der besetzten russischen Gebiete angesehen werden kann. Wenn wir unsere Truppen aus Persien abziehen, werden wir sie – wir haben es bereits begonnen – auch aus Armenien abziehen. Es steht außer Zweifel, dass wir dies in unserem Friedensvertrag mit der Türkei klar zum Ausdruck bringen werden, wenn unsere Verhandlungen so weit voranschreiten sollten. Was die Ålandinseln anbelangt, muss ich sagen, dass ich nicht verstanden habe, von welchem Minimum an Rechten der Herr Staatssekretär sprach. Hätte er die Verpflichtung Russlands, diese Inseln nicht zu befestigen, im Auge gehabt, so erschiene mir das Vorbringen des Herrn Staatssekretärs unabhängig von der Kernfrage als nicht ganz richtig, soweit Rechte Deutschlands entstanden und soweit Deutschland auf diese Rechte nicht verzichtet hat. Vielleicht helfen uns die Informationen im Besitz des Herrn Staatssekretärs, diese Frage von anderen Standpunkten aus zu klären. Bekanntlich haben wir Dokumente, die beweisen, dass im Jahre 1907 Von Schoen für Deutschland und Gibastow für das zaristische Russland einen Vertrag unterzeichnet haben, der nicht veröffentlicht werden kann, in dem Von Schoen erklärte, dass es Deutschland nicht als Verstoß gegen den Vertrag von Paris betrachtete, wenn Russland die Ålandinseln befestigte. Bevor diese Frage diskutiert werden kann, sollte sie meines Erachtens aus einem technische Blickwinkel durch die Militärkommission vorbereitet werden.“

5 * 91

6 Die Erklärung wird erneut wiedergegeben. Verlesen wurde die Erklärung des Genossen Trotzki über den Abbruch der Gespräche am 10. Februar.

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