Kapitel I. Die Erkenntnistheorie des Empiriokritizismus und des dialektischen Materialismus

Kapitel I. Die Erkenntnistheorie des Empiriokritizismus und des dialektischen Materialismus

1. Empfindungen und Empfindungskomplexe.

2. „Die Entdeckung der Weltelemente".

3. Prinzipialkoordination und „naiver Realismus".

4. Hat die Natur vor dem Menschen existiert?

5. Denkt der Mensch mit dem Gehirn?

6. Über den Solipsismus von Mach und Avenarius.

1. Empfindungen und Empfindungskomplexe.

Da Mach und Avenarius die Grundvoraussetzungen ihrer Erkenntnistheorie in ihren ersten philosophischen Werken aufrichtig, einfach und klar dargestellt haben, wenden wir uns diesen Werken zuerst zu, indem wir uns die Analyse ihrer späteren Korrekturen und Streichungen für die weitere Darstellung vorbehalten.

Die Aufgabe der Wissenschaft – schrieb Mach im Jahre 1872 – kann es nun sein:

1. Die Gesetze des Zusammenhanges der Vorstellungen zu ermitteln (Psychologie).

2. Die Gesetze des Zusammenhanges der Empfindungen (Wahrnehmungen) aufzufinden (Physik).

3. Die Gesetze des Zusammenhanges der Empfindungen und Vorstellungen klarzustellen (Psychophysik)."A

Das ist ganz klar. Gegenstand der Physik ist also der Zusammenhang der Empfindungen, nicht aber der Zusammenhang der Dinge oder Körper, deren Abbilder unsere Empfindungen sind. Im Jahre 1883 wiederholt Mach in seiner „Mechanik" den gleichen Gedanken:

Die Empfindungen sind auch keine ,Symbole der Dinge'. Vielmehr ist das ,Ding' ein Gedankensymbol für einen Empfindungskomplex von relativer Stabilität. Nicht die Dinge (Körper), sondern Farben, Töne, Drucke, Räume, Zeiten (was wir gewöhnlich Empfindungen nennen) sind eigentliche Elemente der Welt."B

Auf dieses Wörtchen „Elemente", das Produkt einer „Überlegung" von zwölf Jahren, werden wir später noch zurückkommen. Jetzt interessiert uns nur Machs eindeutige Erklärung, dass die Dinge oder Körper Empfindungskomplexe sind, und ferner die Tatsache, dass er seine philosophische Auffassung jener entgegengesetzten Theorie klar gegenüberstellt, nach der die Empfindungen „Symbole" der Dinge (richtiger müsste es heißen: Bilder oder Abbilder der Dinge) sind. Diese letztere Theorie ist der philosophische Materialismus. Der Materialist Friedrich Engels z. B., der nicht unbekannte Mitarbeiter von Marx und Mitbegründer des Marxismus, spricht in allen seinen Werken ständig und ausschließlich von den Dingen und ihren Gedankenabbildern oder -abbildungen, wobei es selbstverständlich ist, dass jene Gedankenabbilder nicht anders als aus den Empfindungen entstehen. Man könnte meinen, dass diese Grundauffassung der „Philosophie des Marxismus" jedem, der darüber spricht, bekannt sein sollte, besonders aber jedem, der im Namen dieser Philosophie literarisch auftritt. Doch sind wir infolge der außerordentlichen Verwirrung, die unsere Machisten angerichtet haben, gezwungen, allgemein Bekanntes zu wiederholen. Schlagen wir Kapitel 1 (der Einleitung) des „Anti-Dühring" nach und lesen wir: „… Dinge und ihre Gedanken-Abbilder …"C, oder den ersten Teil des philosophischen Abschnittes. Da heißt es:

Aber woher nimmt das Denken diese Grundsätze? (hier ist von den Grundsätzen jeder Erkenntnis die Rede. L.). Aus sich selbst? Nein Die Formen des Seins… kann das Denken niemals aus sich selbst, sondern eben nur aus der Außenwelt schöpfen und ableiten … Die Prinzipien sind nicht der Ausgangspunkt der Untersuchung (wie es sich bei Dühring ergibt, der ein Materialist sein möchte, aber den Materialismus nicht konsequent durchführen kann. L.), sondern ihr Endergebnis; sie werden nicht auf Natur und Menschengeschichte angewandt, sondern aus ihnen abstrahiert; nicht die Natur und das Reich des Menschen richten sich nach den Prinzipien, sondern die Prinzipien sind nur insoweit richtig, als sie mit Natur und Geschichte stimmen. Das ist die einzige materialistische Auffassung der Sache, und die entgegenstehende des Herrn Dühring ist idealistisch, stellt die Sache vollständig auf den Kopf und konstruiert die wirkliche Welt aus den Gedanken…" (Ebenda, S. 21.)

Diese „einzige materialistische Auffassung" führt Engels, wir wiederholen es, überall und ohne Ausnahme durch, indem er Dühring für die geringfügigste Abweichung vom Materialismus zum Idealismus schonungslos bekämpft. Jeder, der nur etwas aufmerksam den „Anti-Dühring" und den „Ludwig Feuerbach" liest, wird auf zahlreiche Beispiele stoßen, wo Engels von den Dingen und ihren Abbildern im menschlichen Kopf, in unserem Bewusstsein, Denken usw. spricht. Engels sagt nicht, dass Empfindungen oder Vorstellungen „Symbole" der Dinge seien, denn der konsequente Materialismus muss hier „Abbilder", Bilder und Abspiegelungen statt „Symbole" setzen, wie wir es an gegebener Stelle noch ausführlich zeigen werden. Aber hier handelt es sich einstweilen nicht um die eine oder andere Formulierung des Materialismus, sondern um die Gegenüberstellung von Materialismus und Idealismus, um die Unterscheidung der beiden philosophischen Grundrichtungen. Sollen wir von den Dingen aus zur Empfindung und zum Gedanken gehen? Oder vom Gedanken und von der Empfindung zu den Dingen? An die erste, d. h. die materialistische, Richtung hält sich Engels. An die zweite, d. h. die idealistische, Mach. Keine Ausflüchte, keine Sophismen (und wir werden noch einer Unmenge von Sophismen begegnen) können die klare und unbestreitbare Tatsache aus der Welt schaffen, dass die Machsche Lehre von den Dingen als Empfindungskomplexen subjektiver Idealismus, einfaches Wiederkäuen des Berkeleyanismus ist. Wenn die Körper „Empfindungskomplexe" sind, wie Mach sich ausdrückt, oder „Empfindungskombinationen", wie Berkeley sich ausgedrückt hat, so folgt hieraus mit Notwendigkeit, dass die ganze Welt nur eine Vorstellung von mir ist. Von dieser Voraussetzung ausgehend, ist es unmöglich, zu der Existenz anderer Menschen außer mir selbst zu kommen: dies ist der reinste Solipsismus. Mögen Mach, Avenarius, Petzoldt und Co. diesen Solipsismus noch so sehr verleugnen, sie können ihn tatsächlich nicht abstreifen, ohne zu den schreiendsten logischen Absurditäten zu gelangen. Um dieses Grundelement der Machschen Philosophie noch anschaulicher klarzustellen, wollen wir einige ergänzende Zitate aus Machs Werken anführen. Hier ein Muster aus der „Analyse der Empfindungen": „Wir sehen einen Körper mit einer Spitze S. Wenn wir S berühren, zu unserem Leib in Beziehung bringen, erhalten wir einen Stich. Wir können S sehen, ohne den Stich zu fühlen. Sobald wir aber den Stich fühlen, werden wir S an der Haut finden. Es ist also die sichtbare Spitze ein bleibender Kern, an den sich der Stich nach Umständen wie etwas Zufälliges anschließt. Bei der Häufigkeit analoger Vorkommnisse gewöhnt man sich endlich, alle Eigenschaften der Körper als von bleibenden Kernen ausgehende, durch Vermittlung des Leibes dem Ich beigebrachte ,Wirkungen', die wir Empfindungen nennen, anzusehen." (S. 9 u. 10.)

Mit anderen Worten, die Menschen „gewöhnen sich", auf dem materialistischen Standpunkt zu stehen, sie „gewöhnen sich", die Empfindung für das Resultat der Wirkung der Körper, der Dinge, der Natur auf unsere Sinnesorgane zu halten. Diese für die philosophischen Idealisten schädliche „Gewohnheit" (die sich die ganze Menschheit und die gesamte Naturwissenschaft angeeignet hat!) missfällt Mach sehr, und er unternimmt es, sie zu zerstören:

Hiermit verlieren aber diese Kerne den ganzen sinnlichen Inhalt, werden zu bloßen Gedankensymbolen …"

Eine alte Leier, verehrtester Herr Professor! Es ist eine buchstäbliche Wiederholung von Berkeley, für den die Materie ein bloßes abstraktes Symbol ist. Bloß läuft aber in Wirklichkeit nur Ernst Mach herum, denn wenn er nicht zugeben will, dass die objektive, unabhängig von uns existierende Realität den „sinnlichen Inhalt" ausmacht, so bleibt ihm nur ein „bloßes abstraktes" Ich übrig, ein unbedingt groß geschriebenes und gesperrt gedrucktes ICH, – „das wahnsinnige Klavier, das sich einbildete, allein auf der ganzen Welt zu existieren". Wenn der „sinnliche Inhalt" unserer Empfindungen nicht die Außenwelt ist, so existiert also nichts außer diesem bloßen Ich, das sich mit eitlen „philosophischen" Schrullen beschäftigt. Eine unsinnige und fruchtlose Beschäftigung!

„… Es ist dann richtig, dass die Welt nur aus unseren Empfindungen besteht. Wir wissen aber dann eben nur von den Empfindungen, und die Annahme jener Kerne, sowie einer Wechselwirkung derselben, aus welcher erst die Empfindungen hervorgehoben würden, erweist sich als gänzlich müßig und überflüssig. Nur dem halben Realismus oder dem halben Kritizismus kann eine solche Ansicht zusagen."

Wir haben nun den ganzen Paragraph 6 der „Antimetaphysischen Vorbemerkungen" Machs exzerpiert. Es ist ein einziges Plagiat an Berkeley. Keine einzige Erwägung, kein einziger Einfall, außer dass „wir nur unsere Empfindungen empfinden". Daraus aber lässt sich nur eine Folgerung ziehen, nämlich, dass „die Welt nur aus meinen Empfindungen besteht". Mach ersetzt das Wort „meine" ganz unberechtigterweise durch das Wort „unsere". Er zeigt durch dieses eine Wort dieselbe „Halbheit", deren er die anderen beschuldigt. Denn wenn die „Annahme" der Außenwelt „müßig" sein soll, wenn die Annahme, dass die Nadel unabhängig von mir existiere und dass zwischen meinem Leib und der Spitze eine Wechselwirkung bestehe, wenn diese ganze Annahme wirklich „müßig und überflüssig" sein soll, so ist auch vor allem die „Annahme" der Existenz anderer Menschen müßig und überflüssig. Nur das Ich existiert, alle anderen Menschen sowie die Außenwelt dagegen geraten in die Kategorie der müßigen „Kerne". Von „unseren" Empfindungen darf man von diesem Standpunkt aus nicht sprechen, und wenn Mach doch davon spricht, so bezeugt das nur seine offenkundige Halbheit. Was nur beweist, dass seine Philosophie aus müßigen und leeren Worten besteht, an die ihr Verfasser selbst nicht glaubt.

Nachstehend ein besonders anschauliches Beispiel der Halbheit und Konfusion bei Mach. In derselben „Analyse der Empfindungen" lesen wir in Paragraph 6 des XI. Kapitels:

Denke ich mir, dass während ich empfinde, ich selbst oder ein anderer mein Gehirn mit allen physikalischen und chemischen Mitteln beobachten könnte, so würde es möglich sein, zu ermitteln, an welche Vorgänge des Organismus Empfindungen von bestimmter Art gebunden sind …" (S. 198.)

Ausgezeichnet! Also sind unsere Empfindungen an bestimmte Vorgänge im Organismus überhaupt und in unserem Gehirn insbesondere gebunden? Ja, Mach macht diese „Annahme" ganz unzweideutig – es wäre auch recht sonderbar, dies vom Standpunkt der Naturwissenschaft nicht zu tun. Aber mit Verlaub, das ist doch dieselbe „Annahme" eben jener „Kerne, sowie der Wechselwirkung derselben", die unser Philosoph für „müßig und überflüssig" erklärt hat! Die Körper, sagt man uns, seien Empfindungskomplexe; darüber hinauszugehen, versichert uns Mach, die Empfindungen für das Resultat der Wirkungen der Körper auf unsere Sinnesorgane zu halten, sei Metaphysik, eine müßige und überflüssige Annahme usw. – ganz nach Berkeley. Das Gehirn ist aber ein Körper. Also ist das Gehirn auch nicht mehr als ein Empfindungskomplex. Es ergibt sich nun, dass ich (welches „ich" aber selbst nichts anderes ist als ein Empfindungskomplex) mittels eines Empfindungskomplexes andere Empfindungskomplexe empfinde. Eine entzückende Philosophie! Zuerst erklärt man die Empfindungen für die „eigentlichen Elemente der Welt" und baut darauf einen „originellen" Berkeleyanismus auf, dann aber schmuggelt man heimlich die entgegengesetzte Auffassung ein, nämlich dass die Empfindungen an bestimmte Vorgänge im Organismus gebunden sind. Stehen aber diese „Vorgänge" nicht in Beziehung zum Stoffwechsel zwischen dem „Organismus" und der Außenwelt? Könnte dieser Stoffwechsel stattfinden, wenn die Empfindungen des gegebenen Organismus ihm keine objektiv richtige Vorstellung von dieser Außenwelt geben würden?

Mach stellt sich keine so unbequemen Fragen. Er vereinigt mechanisch Fragmente des Berkeleyanismus mit den Ansichten der Naturwissenschaft, die instinktiv auf dem Standpunkt der materialistischen Erkenntnistheorie steht.

„…Zuweilen wird auch gefragt“ – schreibt Mach in demselben Paragraph – „ob die (unorganische) ,Materie' empfindet…"

Dass die organische Materie empfindet, wird also nicht einmal in Frage gestellt? Die Empfindungen sind also nicht etwas Primäres, sondern eine der Eigenschaften der Materie? Mach hüpft über alle diese Ungereimtheiten des Berkeleyanismus hinweg!

Wenn man von den geläufigen, verbreiteten physikalischen Vorstellungen ausgeht, nach welchen die Materie das unmittelbar und zweifellos gegebene Reale ist, aus dem sich alles, Unorganisches und Organisches, aufbaut, so ist die Frage natürlich …"

Heben wir uns dieses wirklich wertvolle Zugeständnis von Mach auf, dass nach den verbreiteten und geläufigen physikalischen Vorstellungen die Materie für die unmittelbare Realität gehalten wird, wobei nur eine Unterart dieser Realität (die organische Materie) die klar ausgesprochene Eigenschaft zu empfinden besitzt.

„… Die Empfindung muss ja dann – fährt Mach fort – in diesem Bau irgendwo plötzlich entstehen, oder von vornherein in den Grundsteinen vorhanden sein. Auf unserem Standpunkt ist die Frage eine Verkehrtheit. Die Materie ist für uns nicht das erste Gegebene. Dies sind vielmehr die Elemente (die in gewisser bekannter Beziehung als Empfindungen bezeichnet werden) …"

Die Empfindungen erweisen sich also als das erste Gegebene, obzwar sie nur an bestimmte Vorgänge in der organischen Materie „gebunden" sind! Und nun möchte Mach, nachdem er eine solche Absurdität vorgebracht hat, dem Materialismus („den geläufigen, verbreiteten physikalischen Vorstellungen") einen Vorwurf daraus machen, dass die Frage nach dem „Ursprung" der Empfindungen nicht gelöst ist. Dies ist ein Musterbeispiel, wie der Materialismus von den Fideisten und ihrer Gefolgschaft „widerlegt" wird. Gibt es irgendeinen anderen philosophischen Standpunkt, der die Frage „löst", bevor man für diese Lösung eine genügende Menge von Daten gesammelt hat? Sagt doch Mach selbst in demselben Paragraph:

Solange diese Aufgabe (wie weit die Empfindung in der organischen Welt reicht) auch nicht in einem einzigen Spezialfall gelöst ist, kann hierüber nicht entschieden werden."

Der Unterschied zwischen dem Materialismus und dem „Machismus" kann also in dieser Frage auf folgendes zurückgeführt werden. Der Materialismus nimmt in vollem Einklang mit der Naturwissenschaft als das ursprünglich Gegebene die Materie und als das Sekundäre Bewusstsein, Denken, Empfindung; denn die Empfindung ist in klar ausgesprochener Gestalt nur mit den höchsten Formen der Materie (der organischen Materie) verbunden, und in den „Grundsteinen des Gebäudes der Materie" kann man nur die Existenz einer Fähigkeit, die der Empfindung ähnlich ist, vermuten. Dies ist z. B. die Hypothese des bekannten deutschen Naturwissenschaftlers Ernst Haeckel, des englischen Biologen Lloyd Morgan und anderer, ganz abgesehen von der oben zitierten Vermutung Diderots. Der Machismus steht auf dem entgegengesetzten idealistischen Standpunkt und verleitet sofort zu einer Absurdität, denn erstens wird die Empfindung für das Primäre gehalten, trotzdem sie nur mit bestimmten Vorgängen in der in bestimmter Weise organisierten Materie verbunden ist; zweitens aber wird die Grundvoraussetzung, nämlich dass die Körper Empfindungskomplexe seien, durch die Annahme der Existenz anderer lebender Wesen und überhaupt anderer „Komplexe", außer dem gegebenen großen ICH, zunichte gemacht.

Das Wörtchen „Element", das, wie wir später sehen werden, von vielen naiven Leuten für eine neue Entdeckung gehalten wird, verwirrt tatsächlich nur die Frage durch einen nichtssagenden Terminus und gibt den falschen Schein irgendeiner Lösung oder eines Fortschritts. Der Schein ist trügerisch, denn in Wirklichkeit steht noch die eigentliche Untersuchung bevor, wie die angeblich durchaus nicht empfindende Materie mit einer anderen Materie verbunden wird, die aus den gleichen Atomen (oder Elektronen) zusammengesetzt ist, zugleich aber eine klar ausgesprochene Fähigkeit des Empfindens hat. Der Materialismus stellt unmissverständlich die noch nicht gelöste Frage, wodurch er auf ihre Lösung hin drängt und die Wissenschaft zu weiteren Experimentaluntersuchungen veranlasst. Der Machismus, d. h. eine Abart des konfusen Idealismus, verwischt die Frage und lenkt sie vermittelst einer leeren Ausflucht, wie sie das Wort „Element" darstellt, vom richtigen Weg ab.

Hier ein Auszug aus dem letzten, zusammenfassenden und abschließenden philosophischen Werk Machs, um die ganze Verkehrtheit dieser idealistischen Schrulle aufzuzeigen. In „Erkenntnis und Irrtum"D heißt es:

Während es keiner Schwierigkeit unterliegt, jedes physische Erlebnis aus Empfindungen, also psychischen Elementen aufzubauen, ist keine Möglichkeit abzusehen, wie man aus den in der heutigen Physik gebräuchlichen Elementen: Massen und Bewegungen (in ihrer für diese Spezialwissenschaft allein dienlichen Starrheit) irgendein psychisches Erlebnis darstellen könnte."

Engels spricht wiederholt mit größter Eindeutigkeit von der Starrheit der Begriffe vieler moderner Naturwissenschaftler, von ihren metaphysischen (im marxistischen Sinne des Wortes, d. h. antidialektischen) Auffassungen. Wir werden weiterhin sehen, dass Mach gerade in diesem Punkte in die Irre ging, weil er die Beziehung zwischen dem Relativismus und der Dialektik entweder nicht verstanden oder nicht gekannt hat. Doch ist jetzt nicht davon die Rede. Hier ist uns wichtig, festzustellen, wie offenkundig Machs Idealismus, ungeachtet der konfusen, angeblich neuen Terminologie, hervortritt. Da soll es auf einmal keine Schwierigkeit sein, jedes physische Element aus den Empfindungen, d. h. aus psychischen Elementen aufzubauen! O gewiss, schwierig sind solche Konstruktionen nicht, denn es sind ja nur reine Wortkonstruktionen, leere Scholastik im Dienste der fideistischen Schmuggelei. Es ist nach alledem kein Wunder, dass Mach seine Werke den Immanenzphilosophen widmet, und dass die Immanenzphilosophen, d. h. die Anhänger des reaktionärsten philosophischen Idealismus, Mach um den Hals fallen. Nur dass sich dieser „neueste Positivismus" von Ernst Mach um zwei Jahrhunderte verspätet hat: Berkeley schon hat zur Genüge bewiesen, dass man „aus Empfindungen, also psychischen Elementen", nichts als den Solipsismus „aufbauen" kann. Was den Materialismus betrifft, dem Mach auch hier, ohne den „Feind" aufrichtig und klar zu nennen, seine Auffassung entgegenstellt, so haben wir die wirkliche Auffassung der Materialisten schon an dem Beispiel Diderots gesehen. Diese Auffassung besteht nicht darin, dass man die Empfindung aus der Bewegung der Materie ableitet oder auf die Bewegung der Materie reduziert, sondern vielmehr darin, dass die Empfindung als eine der Eigenschaften der sich bewegenden Materie anerkannt wird. In dieser Frage teilte Engels die Ansicht von Diderot und er grenzte sich von den „vulgären" Materialisten Vogt, Büchner und Moleschott unter anderem gerade deswegen ab, weil sie sich zu der Auffassung verleiten ließen, als ob unser Gehirn die Gedanken ebenso absondere, wie die Leber die Galle. Doch ignoriert Mach, der seine Anschauung beständig dem Materialismus entgegensetzt, selbstverständlich alle großen Materialisten, sowohl Diderot als auch Feuerbach, Marx und Engels, genau so, wie es alle übrigen offiziellen Professoren der offiziellen Philosophie tun.

Um die ursprüngliche Grundanschauung von Avenarius zu charakterisieren, nehmen wir seine erste selbständige philosophische Arbeit: „Philosophie als Denken der Welt gemäß dem Prinzip des kleinsten Kraftmaßes. Prolegomena zu einer Kritik der reinen Erfahrung", die 1876 erschienen ist. In seinem „Empiriomonismus" (Buch I, 2. Auflage 1905, S. 12, Anmerkung) sagt Bogdanow, dass „in der Entwicklung der Machschen Anschauungen der philosophische Idealismus als Ausgangspunkt diente, während für Avenarius von Anfang an die realistische Färbung charakteristisch ist". Dies sagte Bogdanow deshalb, weil er Mach aufs Wort glaubte (siehe „Analyse der Empfindungen", S. 295). Er hat Mach aber zu Unrecht Glauben geschenkt. Seine Behauptung widerspricht vollkommen der Wahrheit. Im Gegenteil, der Idealismus von Avenarius tritt in der genannten Arbeit aus dem Jahre 1876 so klar in Erscheinung, dass Avenarius selbst im Jahre 1891 gezwungen war, dies einzugestehen. Im Vorwort zum „Menschlichen Weltbegriff" sagt Avenarius:

Der Leser meiner ersten systematischen Schrift ,Philosophie als Denken der Welt gemäß dem Prinzip des kleinsten Kraftmaßes' wird von vornherein vermuten, dass ich die Behandlung der Aufgaben einer Kritik der reinen Erfahrung zuerst vom ,idealistischen' Standpunkt aus versucht haben werde … Die Einsicht in die Unfruchtbarkeit des philosophischen theoretischen Idealismus brachte mich zum Zweifel an der Richtigkeit meines bisherigen Weges …".E

In der philosophischen Literatur ist dieser idealistische Ausgangspunkt von Avenarius allgemein anerkannt; ich berufe mich unter den französischen Schriftstellern auf F. van Couwelaert, der sagt, dass der philosophische Gesichtspunkt der „Prolegomena" von Avenarius ein „monistischer Idealismus" sei.F Von deutschen Schriftstellern nenne ich den Schüler von Avenarius, Rudolf WillyG, der meint, dass „Avenarius in seiner Jugend – und insbesondere noch in seiner Präliminarschrift (Das kleinste Kraftmaß, 1876) ganz im Banne des sogenannten erkenntnistheoretischen Idealismus war."

Es wäre auch lächerlich, den Idealismus der „Prolegomena" von Avenarius zu leugnen, denn dort heißt es ganz klar, dass „nur die Empfindung als das Seiende gedacht werden darf" (S. 10 und 65 der zweiten deutschen Auflage; Sperrungen in den Zitaten stammen überall von uns). So stellt Avenarius selbst den Inhalt des Paragraph 116 seiner Arbeit dar.

Hier der ganze Paragraph:

Das Seiende war anerkannt worden als mit Empfindung begabte Substanz; die Substanz fällt weg (siehe da, es ist ,ökonomischer', es beansprucht weniger Kraftaufwand, zu denken, dass es keine Substanz und keine Außenwelt gibt! L.), es bleibt die Empfindung: das Seiende wird demnach als Empfindung zu denken sein, welcher nichts Empfindungsloses mehr zugrunde liegt."

Also existiert die Empfindung ohne „Substanz", d. h. der Gedanke existiert ohne Gehirn! Gibt es nun wahrhaftig Philosophen, die imstande sind, diese hirnlose Philosophie zu verteidigen? Es gibt solche. Zu ihnen gehört auch Professor Richard Avenarius. Und bei dieser Verteidigung, so schwer es einem Menschen mit gesunden Sinnen fallen mag, sie ernst zu nehmen, müssen wir uns etwas aufhalten. In der Betrachtung von Avenarius, § 89 und 90 desselben Werkes, heißt es:

„…So beruht auch der Satz, dass Bewegung Empfindung hervorrufe, auf einer nur scheinbaren Erfahrung. Diese, die Wahrnehmung als Akt umfassend, bestünde darin, dass in einer gewissen Art Substanz (dem Hirn) durch übertragene Bewegung (den Reizen) und unter Mitwirkung anderer materieller Bedingungen (z. B. des Blutes) Empfindung erzeugt werde. Allein – abgesehen davon, dass diese Erzeugung niemals selbst erfahren worden ist – es würde zur Konstituierung der angegebenen Erfahrung, als einer in allen ihren Teilen wirklich vorliegenden, wenigstens der empirische Nachweis erforderlich sein, dass die Empfindung, welche durch eine übertragene Bewegung in einer Substanz hervorgerufen sein soll, auch nicht schon vorher in dieser irgendwie vorhanden war; so dass ihr Auftreten nicht anders denn durch einen Schöpfungsakt seitens der eingetretenen Bewegung aufgefasst werden kann. Nur durch den Nachweis also, dass irgendwo keine Empfindung, etwa als minimale, vorhanden war, wo jetzt solche angetroffen ist, würde eine Tatsache sichergestellt sein, welche, insofern sie einen Schöpfungsakt bedeutet, aller sonstigen Erfahrung widerspricht und alle sonstige Naturanschauung fundamental abändern würde. Jener Nachweis ist jedoch durch keine Erfahrung erbracht und durch keine Erfahrung erbringbar; vielmehr ist der absolut empfindungsentbehrende Zustand der später empfindenden Substanz nur hypothetisch. Diese Hypothese aber kompliziert und verdunkelt unsere Einsicht, statt sie zu vereinfachen und aufzuhellen.

Hat sich somit die sogenannte Erfahrung, es entstünde durch übertragene Bewegung in der alsdann empfindenden Substanz die Empfindung, bei näherem Zusehen als eine nur scheinbare erwiesen, so bliebe doch immer noch in dem restierenden Erfahrungsinhalt, dass nämlich zwar vorhandene, aber latente oder minimale oder sonstwie dem Bewusstsein entzogene Empfindung durch hinzutretende Bewegung befreit oder gesteigert oder bewusst werde, Erfahrungsmaterial genug, ein mindestens relatives Hervorgehen einer Empfindungsbestimmung aus Bewegungsverhältnissen zu konstatieren. Allein auch dieses Stück des restierenden Erfahrungsinhaltes ist nur scheinbar vorhanden. Verfolgen wir durch eine ideale Beobachtung die von der bewegten Substanz A ausgehende, sich über die Reihe der dazwischenliegenden Medien fortpflanzende Bewegung, bis sie die mit Empfindung begabte Substanz B erreicht hat, so finden wir bestenfalls nur, dass gleichzeitig mit der Aufnahme der anlangenden Bewegung die Empfindung in der Substanz B entwickelt oder gesteigert ist – nicht aber, dass dies durch die Bewegung geschehen sei …"

Wir haben diese Widerlegung des Materialismus durch Avenarius absichtlich ganz wiedergegeben, um dem Leser zu zeigen, mit welch wahrhaft armseligen Sophismen die „neueste" empiriokritische Philosophie zu operieren pflegt. Vergleichen wir jetzt mit der Betrachtung des Idealisten Avenarius die materialistische Betrachtung von – Bogdanow, sei es auch nur zur Strafe für seinen Verrat am Materialismus.

Es ist schon lange her, ganze neun Jahre, als Bogdanow zur Hälfte „naturwissenschaftlicher Materialist" war (d. h. Anhänger der materialistischen Erkenntnistheorie, auf deren Boden die erdrückende Mehrheit der modernen Naturwissenschaftler instinktiv steht) und nur zu andern Hälfte von dem Wirrkopf Ostwald verwirrt war. Damals schrieb er:

Seit alten Zeiten und noch heute hält man in der beschreibenden Psychologie an der Einteilung der Bewusstseinstatsachen in drei Gruppen fest: in das Gebiet der Empfindungen und Vorstellungen, das Gebiet des Gefühls und das Gebiet der Triebe Zu der ersten Gruppe gehören die isoliert betrachteten Bewusstseinsbilder der Erscheinungen der Außen- und Innenwelt … Solch ein Bild wird als Empfindung bezeichnet, wenn es vermittels der äußeren Sinnesorgane durch eine ihm entsprechende äußere Erscheinung unmittelbar erzeugt wird."H

Etwas weiter heißt es:

Die Empfindung… entsteht in dem Bewusstsein als Resultat irgendeines Anreizes der äußeren Umgebung, der von den Organen der äußeren Sinne übertragen wird." (S. 222.)

Oder ferner:

Die Empfindungen bilden die Grundlage des Bewusstseinslebens, dessen unmittelbare Verbindung mit der Außenwelt." (S. 240.) „Auf Schritt und Tritt findet im Prozesse der Empfindung der Übergang der Energie des äußeren Reizes in eine Tatsache des Bewusstseins statt." (S. 133.)

Und sogar im Jahre 1905, als Bogdanow es fertig bekam, unter wohlwollendem Beistand von Ostwald und Mach, von dem materialistischen Standpunkt in der Philosophie zum idealistischen überzulaufen, schrieb er (aus Vergesslichkeit!) in seinem „Empiriomonismus":

„… wie bekannt, erreicht die Energie eines äußeren Reizes, die im Endapparat der Nerven in eine noch ungenügend erforschte, doch jeglichem Mystizismus fremde ,telegraphische' Form des Nervenstroms umgewandelt wird, zuerst die Neurone, die in den sogenannten ,niederen', d. h. in den gangliösen, spinalmedullären subkortikalen Zentren liegen." (Buch I, 2. Aufl., 1905, S. 118.)

Für jeden Naturwissenschaftler, der sich durch die Professorenphilosophie nicht verwirren lässt, sowie für jeden Materialisten ist die Empfindung tatsächlich die unmittelbare Verbindung des Bewusstseins mit der Außenwelt, die Verwandlung der Energie des äußeren Reizes in eine Bewusstseinstatsache. Diese Verwandlung beobachtet jeder Mensch Millionen Mal und beobachtet sie wirklich auf Schritt und Tritt. Das Sophistische der idealistischen Philosophie liegt gerade darin, dass die Empfindung nicht für die Verbindung des Bewusstseins mit der Außenwelt gehalten wird, sondern für eine Scheidewand, für eine Mauer, die das Bewusstsein von der Außenwelt trennt, nicht für das Abbild einer der Empfindung entsprechenden äußeren Erscheinung, sondern für das „einzig Seiende". Avenarius gab diesem alten, schon von Bischof Berkeley abgegriffenen Sophismus nur eine etwas andere Form. Da wir noch nicht alle Bedingungen der von uns jeden Augenblick beobachteten Verbindung der Empfindung mit der auf bestimmte Weise organisierten Materie kennen, nehmen wir als das Seiende nur die Empfindung an, – darauf eben läuft der Sophismus von Avenarius hinaus.

Um die Charakteristik der idealistischen Grundvoraussetzungen des Empiriokritizismus abzuschließen, wollen wir noch kurz auf die englischen und französischen Vertreter dieser philosophischen Richtung hinweisen. Was den Engländer Karl Pearson betrifft, so erklärt Mach eindeutig, dass er sich „mit dessen erkenntniskritischen Ansichten in allen wesentlichen Punkten in Übereinstimmung befinde" („Mechanik", zit. Auflage, S. IX). K. Pearson seinerseits drückt sein Einverständnis mit Mach aus.I Für Pearson sind die „realen Dinge" „Sinneseindrücke" (sense impressions). Jede Annahme von Dingen außerhalb der Sinneseindrücke erklärt er für Metaphysik. Den Materialismus bekämpft er (ohne Feuerbach oder Marx und Engels zu kennen) auf das entschiedenste. Seine Argumente unterscheiden sich in nichts von den oben behandelten. Doch liegt Pearson jede Absicht, Materialismus zu markieren (die Spezialität der russischen Machisten) so fern, und er ist so – unvorsichtig, dass er, ohne für seine Philosophie „neue" Namen zu erfinden, einfach seine eigenen Auffassungen sowie die Machs für „idealistisch" erklärt (S. 326 der erwähnten Ausgabe). Seinen Stammbaum leitet Pearson direkt von Berkeley und Hume ab. Und seine Philosophie unterscheidet sich, wie wir uns noch mehrmals überzeugen werden, von der Philosophie Machs durch größere Geschlossenheit und Durchdachtheit.

Mach solidarisiert sich besonders mit den französischen Physikern P. Duhem und Henri Poincaré.J Über die philosophischen Ansichten dieser Gelehrten, die besonders verworren und inkonsequent sind, werden wir Gelegenheit haben, in dem Kapitel über die neue Physik zu sprechen. Hier dürfte die Bemerkung genügen, dass für Poincaré die Dinge „Gruppen von Empfindungen" sindK und dass auch DuhemL eine ähnliche Auffassung beiläufig ausspricht.

Betrachten wir jetzt die Art, wie Mach und Avenarius ihre ursprünglichen Anschauungen, nachdem sie deren idealistischen Charakter selbst zugegeben hatten, in ihren späteren Werken einer Korrektur unterzogen.

2. „Die Entdeckung der Weltelemente"

Unter diesem Titel schreibt ein Privatdozent der Züricher Universität, Friedrich Adler, über Mach, beinahe der einzige deutsche Schriftsteller, der ebenfalls den Marxismus durch den Machismus ergänzen möchte.M Und man muss diesem naiven Privatdozenten Gerechtigkeit widerfahren lassen: er leistet durch seine Biederkeit dem Machismus einen Bärendienst. Die Frage wird wenigstens klar und scharf gestellt: hat Mach wirklich „die Weltelemente entdeckt"? In diesem Fall könnten selbstverständlich nur ganz rückständige und ungebildete Leute gegenwärtig noch Materialisten bleiben. Oder ist diese Entdeckung Machs eine Rückkehr zu den alten philosophischen Irrtümern?

Wir haben gesehen, dass Mach 1872 und Avenarius 1876 auf dem rein idealistischen Standpunkt stehen. Die Welt ist für sie unsere Empfindung. 1883 erschien die „Mechanik", und im Vorwort zur ersten Auflage beruft sich Mach ausdrücklich auf die „Prolegomena" von Avenarius, indem er die seiner Philosophie „sehr verwandten Ideen" begrüßt. Hier die Betrachtung über die Elemente in seiner „Mechanik":

Alle Wissenschaft kann nur Komplexe von jenen Elementen nachbilden und vorbilden, die wir gewöhnlich Empfindungen nennen. Es handelt sich um den Zusammenhang dieser Elemente … Der Zusammenhang von A (die Wärme) und B (eine Flamme) gehört der Physik, jener von A und N (Nerven) der Physiologie an. Keiner ist allein vorhanden, beide sind zugleich da. Nur zeitweilig können wir von dem einen oder anderen absehen. Selbst die scheinbar rein mechanischen Vorgänge sind also stets auch physiologische …" (S. 498 der 3. Auflage.)

Dasselbe in der „Analyse der Empfindungen":

Wo … neben oder für die Ausdrücke ,Element', ,Elementenkomplex' die Bezeichnungen ,Empfindung', ,Empfindungskomplex' gebraucht werden, muss man sich gegenwärtig halten, dass die Elemente nur in der bezeichneten Verbindung (nämlich: in der Verbindung ABC mit KLM … d. h. in der Verbindung der ,Komplexe, die man gewöhnlich Körper nennt', mit dem ,Komplex, der unser Leib heißt'. L.) und Beziehung, in der bezeichneten funktionalen Abhängigkeit Empfindungen sind. Sie sind in anderer funktionaler Beziehung zugleich physikalische Objekte." (S. 13.)

Eine Farbe ist ein physikalisches Objekt, sobald wir z. B. auf ihre Abhängigkeit von der beleuchtenden Lichtquelle (anderen Farben, Wärmen, Räumen usw.) achten. Achten wir aber auf ihre Abhängigkeit von der Netzhaut (den Elementen KLM), so ist sie ein psychologisches Objekt, eine Empfindung." (S. 14.)

Also besteht die Entdeckung der Weltelemente in folgendem:

1. Alles Seiende wird für Empfindung erklärt.

2. Die Empfindungen werden Elemente genannt.

3. Die Elemente werden in Physisches und Psychisches eingeteilt. Das letztere ist von den Nerven des Menschen, vom menschlichen Organismus überhaupt, abhängig. Das erstere aber nicht.

4. Die physischen und psychischen Elementenzusammenhänge werden für nicht unabhängig voneinander existierend erklärt; sie existieren nur zusammen.

5. Man kann von dem einen oder anderen Zusammenhang nur zeitweilig absehen.

6. Die „neue" Theorie wird für eine Theorie erklärt, die nicht „einseitig" ist.N

Hier haben wir es allerdings nicht mit Einseitigkeit zu tun, sondern mit dem zusammenhanglosesten Durcheinander entgegengesetzter philosophischer Standpunkte. Da ihr nur von den Empfindungen ausgeht, so werdet ihr mit dem Wörtchen „Element" die Einseitigkeit eures Idealismus nicht korrigieren. Ihr verwirrt nur die Sache, ihr versteckt euch feige vor eurer eigenen Theorie. In Worten beseitigt ihr den Gegensatz zwischen Physischem und PsychischemO, zwischen Materialismus (der die Natur, die Materie für das Ursprüngliche hält) und Idealismus (der Geist, Bewusstsein, Empfindung für das Ursprüngliche hält), in Wirklichkeit aber stellt ihr diesen Gegensatz sofort von neuem wieder her, und zwar heimlich, indem ihr von eurer Grundvoraussetzung abrückt! Denn wenn die „Elemente" Empfindungen sind, dann dürft ihr keinen Augenblick die Existenz der Elemente unabhängig von meinen Nerven, meinem Bewusstsein annehmen. Nehmt ihr aber einmal solche, von meinen Nerven, von meinen Empfindungen unabhängige, physische Objekte an, die die Empfindung nur durch Einwirkung auf meine Netzhaut erzeugen, so verlasst ihr schmählich euren „einseitigen" Idealismus, um zu dem Standpunkt des „einseitigen" Materialismus überzugehen! Ist die Farbe eine Empfindung nur in Abhängigkeit von der Netzhaut (was die Naturwissenschaft euch anzuerkennen zwingt), so bedeutet das, die Lichtstrahlen erzeugen die Empfindung der Farbe, indem sie auf die Netzhaut fallen. Es bedeutet, dass außerhalb unser und unabhängig von uns und unserem Bewusstsein eine Bewegung der Materie existiert, sagen wir Ätherwellen von bestimmter Länge und Geschwindigkeit, die, auf die Netzhaut einwirkend, eine bestimmte Farbenempfindung bei den Menschen erzeugen. So gilt es auch in der Naturwissenschaft. Die verschiedenen Empfindungen dieser oder jener Farbe werden erklärt durch die verschiedene Länge der Lichtwellen, die außerhalb der menschlichen Netzhaut, außerhalb des Menschen und unabhängig von ihm existieren. Eben das ist Materialismus: die Materie wirkt auf unsere Sinnesorgane und erzeugt die Empfindung. Die Empfindung ist abhängig vom Gehirn, von den Nerven, der Netzhaut usw., d. h. von in bestimmter Weise organisierter Materie. Die Existenz der Materie ist unabhängig von der Empfindung. Die Materie ist das Primäre. Die Empfindung, der Gedanke, das Bewusstsein sind die höchsten Produkte der in bestimmter Weise organisierten Materie. Dies ist die materialistische Auffassung überhaupt und die Auffassung von Marx und Engels im Besonderen. Mach und Avenarius schmuggeln den Materialismus heimlich ein durch das Wörtchen „Element", das ihre Theorie von der „Einseitigkeit" des subjektiven Idealismus befreien soll, das die Annahme der Abhängigkeit des Psychischen von der Netzhaut, den Nerven usw., die Annahme der Unabhängigkeit des Physischen vom menschlichen Organismus gestatten soll. In Wirklichkeit aber ist das Kunststück mit dem Wörtchen „Element" selbstverständlich nur ein armseliger Sophismus, denn jeder Materialist wird, wenn er Mach und Avenarius liest, sofort die Frage aufwerfen: was sind die „Elemente"? Es wäre doch wirklich kindisch, zu denken, dass man durch die Erfindung eines neuen Wörtchens um die beiden philosophischen Grundrichtungen herumkommen kann. Entweder ist das Element eine Empfindung, wie es alle Empiriokritizisten behaupten, sowohl Mach als auch Avenarius, PetzoldtP usw. – dann aber, meine Herren, ist eure Philosophie nichts als Idealismus, der die Blöße seines Solipsismus vergeblich durch eine neue „objektive" Terminologie zu verdecken sucht. Oder aber das „Element" ist keine Empfindung, – dann ist euer „neues" Wörtchen mit gar keinem Sinn verbunden, dann ist es einfaches Sichwichtigmachen mit einer Bagatelle.

Nehmen wir z. B. Petzoldt – das letzte Wort des Empiriokritizismus, wie ihn der erste und hervorragendste russische Empiriokritizist, W. Lessewitsch, charakterisiert.Q Nachdem er die Empfindungen als Elemente definiert hat, erklärt er im zweiten Band des genannten Werkes:

Man muss sich hüten, in der Aussage: ,Empfindungen sind die Elemente der Welt' das Wort ,Empfindungen' als Bezeichnung für etwas bloß Subjektives und daher Luftiges, das gewöhnliche Weltbild Verflüchtigendes zu nehmen."R

Jeder weiß, wo ihn der Schuh drückt. Petzoldt spürt, dass die Welt sich „verflüchtigt" oder zu einer Illusion werden müsste, wenn man die Empfindungen für Weltelemente hält. Also versucht der gute Petzoldt die Sache durch die Erklärung: man darf die Empfindung nicht für etwas bloß Subjektives halten, wieder gutzumachen! Ist das nicht ein lächerlicher Sophismus? Ändert es etwas an der Sache, ob wir die Empfindung als Empfindung „nehmen" oder uns bemühen, die Bedeutung dieses Wortes zu erweitern? Wird denn dadurch die Tatsache aufgehoben, dass die Empfindungen des Menschen an die normal funktionierenden Nerven, Netzhaut, Gehirn usw. gebunden sind, und dass die Außenwelt unabhängig von unserem Empfinden existiert? Wenn ihr euch nicht mit Ausflüchten herausreden wollt, wenn ihr euch ernstlich vor Subjektivismus und Solipsismus „hüten" wollt, so müsst ihr euch vor allem vor den idealistischen Grundvoraussetzungen eurer Philosophie in Acht nehmen: ihr müsst die idealistische Linie eurer Philosophie (von den Empfindungen zur Außenwelt) durch die materialistische (von der Außenwelt zu den Empfindungen) ersetzen; ihr müsst die leere und verwirrende Wortverzierung „Element" beiseite werfen und einfach sagen: die Farbe ist das Resultat der Einwirkung eines physikalischen Objektes auf die Netzhaut, die Empfindung ist das Resultat der Einwirkung der Materie auf unsere Sinnesorgane.

Nehmen wir noch Rich. Avenarius. Was die Frage der „Elemente" betrifft, so liefert seine letzte (und für das Verständnis seiner Philosophie wohl wichtigste) Arbeit: „Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie"S die wertvollsten Aufschlüsse. Der Verfasser gibt hier unter anderem eine außerordentlich „anschauliche" Tabelle (S. 410 des 18. Bandes), deren Hauptteil wir hier wiedergeben:


A. Elemente, Elementenkomplexe:

I. Sachen bzw. Sachhaftes:

Körperliche Dinge

II. Gedanken bzw. Gedankenhaftes:

Nichtkörperliche Ding-Erinnerungen und -Phantasien.

Man vergleiche damit, was Mach nach all seinen Erklärungen über die „Elemente" sagt („Analyse der Empfindungen", S. 23):

Nicht die Körper erzeugen Empfindungen, sondern Elementenkomplexe (Empfindungskomplexe) bilden die Körper."

Hier habt ihr die „Entdeckung der Weltelemente", die die Einseitigkeit des Idealismus und die Einseitigkeit des Materialismus überwunden haben will! Zuerst beteuert man uns, dass die „Elemente" etwas ganz Neues, Psychisches und Physisches zugleich sind, dann aber bringt man heimlich eine Korrektur an: statt der grob-materialistischen Unterscheidung zwischen Materie (Dinge, Körper) und Psychischem (Empfindungen, Erinnerungen, Phantasien) verkündet man die Lehre des „neuesten Positivismus" von den dinghaften und den gedankenhaften Elementen. Fritz Adler hat durch die „Entdeckung der Weltelemente" nicht viel gewonnen!

Bogdanow schrieb, gegen Plechanow polemisierend, im Jahre 1906:

„… Ich kann nicht zugeben, in der Philosophie Machist zu sein. In der allgemeinen philosophischen Konzeption habe ich von Mach nur das eine übernommen – die Vorstellung von der Neutralität der Erfahrungselemente bezüglich des ,Physischen' und ,Psychischen' und von der alleinigen Abhängigkeit dieser Charakteristiken von der Verknüpfung der Erfahrung" (Empiriomonismus, Buch III, Petersburg 1906 [russisch], S. XLI).

Das ist genau so, wie wenn ein religiöser Mensch sagen würde: ich kann nicht zugeben, ein Anhänger der Religion zu sein, denn von ihren Anhängern habe ich „nur das eine", den Glauben an Gott übernommen. „Nur das eine", das Bogdanow von Mach übernommen hat, das ist eben der Grundfehler des Machismus, das Grundfalsche an dieser ganzen Philosophie. Die Abweichungen Bogdanows vom Empiriokritizismus, denen er selbst große Wichtigkeit beilegt, sind tatsächlich nur von sekundärer Bedeutung und gehen über den Rahmen spezieller, individueller Detailunterschiede zwischen den verschiedenen Mach lobenden und von Mach gelobten Empiriokritizisten nicht hinaus (davon wird noch später die Rede sein). Wenn daher Bogdanow sich dagegen sträubt, mit den Machisten in einen Topf geworfen zu werden, so offenbart er damit nur, dass er die fundamentalen Unterschiede zwischen dem Materialismus und dem, was Bogdanow und allen Machisten gemeinsam ist, nicht begreift. Nicht das ist wichtig, wie Bogdanow den Machismus weiterentwickelte, oder wie er ihn verbesserte oder verschlechterte. Wichtig ist, dass er den materialistischen Standpunkt verlassen hat und dadurch unausweichlich in Konfusion und auf idealistische Irrwege geraten musste.

Im Jahre 1899 hatte Bogdanow, wie wir gesehen haben, den richtigen Standpunkt, als er schrieb:

Das Bild eines vor mir stehenden Menschen, das mir unmittelbar durch mein Sehen gegeben ist, ist eine Empfindung."T

Bogdanow hat sich nicht die Mühe genommen, eine Kritik dieser seiner alten Auffassung zu geben. Er hat Mach blindlings aufs Wort geglaubt und sprach ihm nach, dass die „Elemente" der Erfahrung in Hinsicht auf das Physische und Psychische neutral seien.

Wie die neuere, positive Philosophie festgestellt hat – schrieb Bogdanow im Buch I des „Empiriomonismus" –, sind die Elemente der psychischen Erfahrung mit den Elementen einer jeden Erfahrung identisch, so wie sie mit den Elementen der physischen Erfahrung identisch sind." (2. Aufl., S. 90.)

Oder im Jahre 1906 (Buch III, S. XX):

Was aber den Idealismus betrifft – kann man denn von Idealismus sprechen nur aus dem Grunde, weil die Elemente der physischen Erfahrung mit den Elementen des Psychischen oder den Elementarempfindungen als identisch angenommen werden, was doch einfach eine unbestreitbare Tatsache ist."

Hier ist die wahre Quelle allen philosophischen Missgeschicks von Bogdanow, eine Quelle, die er mit allen Machisten teilt. Jawohl, man kann und muss von Idealismus sprechen, wenn die „Elemente der physischen Erfahrung" (d. h. das Physische, die Außenwelt, die Materie) für identisch mit den Empfindungen erklärt werden, denn dies ist nichts anderes als Berkeleyanismus. Hier ist weder eine Spur von neuerer Philosophie noch von positiver Philosophie noch von einer „unbestreitbaren Tatsache", hier liegt einfach ein sehr, sehr alter idealistischer Sophismus vor. Und wenn man Bogdanow gefragt hätte, wie er diese „unbestreitbare Tatsache", dass das Physische mit den Empfindungen identisch sei, beweisen könne, so würde man kein einziges Argument hören außer dem ewigen Refrain der Idealisten: ich empfinde nur meine Empfindungen; „die Aussage des Selbstbewusstseins" (bei Avenarius, „Prolegomena" § 93, S. 56 der 2. deutschen Auflage); oder: „wir erfahren uns selbst als empfindende Substanzen, in welcher Erfahrung die Empfindung allerdings sicherer gegeben ist als die Substanzialität" (ebenda § 91, S. 55) usw. usf. Folglich hat Bogdanow, Mach Glauben schenkend, einen reaktionären philosophischen Kniff für eine „unbestreitbare Tatsache" genommen; denn in Wirklichkeit wurde keine einzige Tatsache angeführt und konnte auch nicht angeführt werden, die die Ansicht, dass die Empfindung ein Abbild der Außenwelt ist, widerlegen könnte – eine Ansicht, die Bogdanow im Jahre 1899 teilte, und die von der Naturwissenschaft bis jetzt geteilt wird. Auf seinen philosophischen Irrfahrten wich der Physiker Mach ganz von der „modernen Naturwissenschaft" ab – ein wichtiger Umstand, den Bogdanow nicht bemerkt hat, und von dem wir später noch viel sprechen werden.

Einer der Umstände, die Bogdanow zu seinem so raschen Sprung vom naturwissenschaftlichen Materialismus zu dem konfusen Idealismus Machs verleitet haben, ist (außer Ostwalds Einfluss) Avenarius' Lehre von der abhängigen und unabhängigen Reihe der Erfahrung. Bogdanow selbst stellt die Sache im Buch I des „Empiriomonismus" folgendermaßen dar:

Insofern die Erfahrungsgegebenheiten in Abhängigkeit vom Zustande eines gegebenen Nervensystems auftreten, insofern bilden sie die psychische Welt einer gegebenen Person; werden diese Erfahrungsgegebenheiten außerhalb dieser Abhängigkeit genommen, so haben wir die physische Welt vor uns. Daher bezeichnet Avenarius diese zwei Erfahrungsgebiete als abhängige und unabhängige Reihe der Erfahrung." (S. 18.)

Dies ist eben das Pech, dass diese Lehre von der unabhängigen „Reihe" (unabhängig von der menschlichen Empfindung) ein Hineinschmuggeln des Materialismus bedeutet, und zwar ein unberechtigtes, willkürliches, eklektisches, vom Standpunkt einer Philosophie aus, die besagt, dass die Körper Empfindungskomplexe, dass die Empfindungen „identisch" mit den „Elementen" des Physischen seien. Denn sobald ihr einmal zugebt, dass die Lichtquelle und die Lichtwellen unabhängig vom Menschen und menschlichen Bewusstsein existieren, dass die Farbe von der Wirkung dieser Wellen auf die Netzhaut abhängig ist – so habt ihr euch faktisch auf den materialistischen Standpunkt gestellt und habt alle „unbestreitbaren Tatsachen" des Idealismus samt allen „Empfindungskomplexen", allen von dem neuesten Positivismus entdeckten Elementen und ähnlichem Unsinn, in Grund und Boden vernichtet.

Darin besteht eben das Unglück, dass Bogdanow (und mit ihm alle russischen Machisten) in die ursprünglichen, idealistischen Anschauungen von Mach und Avenarius nicht eindrang, sich in ihren idealistischen Grundvoraussetzungen nicht zurechtfand und daher das Unberechtigte und Eklektische ihres nachträglichen Versuches, den Materialismus heimlich einzuschmuggeln, gar nicht bemerkte. In der philosophischen Literatur jedoch ist der ursprüngliche Idealismus von Mach und Avenarius allgemein anerkannt, ebenso wie die Tatsache, dass der Empiriokritizismus sich später dem Materialismus zu nähern versuchte. Der französische Schriftsteller Couwelaert, den wir bereits zitiert haben, sieht in den „Prolegomena" von Avenarius den „monistischen Idealismus", in der „Kritik der reinen Erfahrung" (1888–1890) den „absoluten Realismus" und im „Menschlichen Weltbegriff" (1892) – einen Versuch, diese Metamorphose zu „erklären". Es sei bemerkt, dass hier der Ausdruck Realismus im Gegensatz zu Idealismus gebraucht wird. Was mich betrifft, so gebrauche ich wie Engels in diesem Sinn nur das Wort Materialismus und halte diese Terminologie für die einzig richtige, besonders da das Wort „Realismus" von den Positivisten und anderen Wirrköpfen, die zwischen Materialismus und Idealismus schwanken, in Beschlag genommen ist. Es genügt hier festzustellen, dass Couwelaert jene unbestreitbare Tatsache im Auge hat, dass für Avenarius in den „Prolegomena" (1876) die Empfindung das einzig Seiende ist, die „Substanz" dagegen – nach dem Prinzip der „Denkökonomie"! – eliminiert ist, während in der „Kritik der reinen Erfahrung" das Physische für eine unabhängige Reihe, dagegen das Psychische, also auch die Empfindungen, für eine abhängige Reihe angenommen wird.

Avenarius' Schüler Rudolf Willy gibt gleichfalls zu, dass der im Jahre 1876 sich „ganz" im Bann des Idealismus befindende Avenarius später einen „Ausgleich" zwischen dieser Lehre und dem „naiven Realismus" hergestellt hat (oben zitiertes Werk, ebenda), – d. h. jenem instinktiven, unbewusst-materialistischen Standpunkt, auf dem die ganze Menschheit steht, indem sie annimmt, dass die Außenwelt unabhängig von unserem Bewusstsein existiert.

Oskar Ewald, der Verfasser des Buches „Avenarius als Begründer des Empiriokritizismus", meint, diese Philosophie vereinige in sich einander widersprechende, idealistische und realistische (man sollte sagen materialistische) Elemente (Elemente, nicht im machistischen Sinne, sondern im menschlichen Sinne des Wortes gebraucht). Zum Beispiel:

Die absolute (Betrachtungsart) würde den naiven Realismus verewigen, die relative den exklusiven Idealismus in Permanenz erklären."U

Unter absoluter Betrachtung versteht Avenarius das, was bei Mach der Betrachtung der Zusammenhänge der „Elemente" unabhängig von unserem Leib entspricht, unter relativer Betrachtung das, was bei Mach der Betrachtung der Zusammenhänge der „Elemente" in ihrer Abhängigkeit von unserem Leib entspricht.

Noch interessanter ist für uns in dieser Hinsicht die Kritik von Wundt, der selbst, wie die meisten der von mir erwähnten Autoren, auf einem verworrenen idealistischen Standpunkt steht, der aber den Empiriokritizismus wohl am aufmerksamsten untersucht hat. P. Juschkewitsch sagt darüber folgendes: „Es ist interessant, dass Wundt den Empiriokritizismus für die wissenschaftlichste Form des letzten Typus des Materialismus hält"V, d. h. des Typus jener Materialisten, die im Geistigen die Funktion leiblicher Prozesse sehen (und die – fügen wir unsererseits hinzu – nach Wundt zwischen Spinozismus und absolutem Materialismus liegen).W

Allerdings, diese Äußerung Wundts ist sehr interessant. Am interessantesten ist hier aber das Verhalten des Herrn Juschkewitsch gegenüber den philosophischen Büchern und Aufsätzen, die er behandelt. Dies ist ein typisches Beispiel für das Verhalten unserer Machisten. Gogols Petruschka las und fand es interessant, dass aus den Buchstaben immer Worte herauskommen. Herr Juschkewitsch las Wundt und fand es „interessant", dass Wundt Avenarius des Materialismus zeiht. Hat Wundt Unrecht, warum widerlegt man ihn nicht? Wenn er Recht hat, warum erklärt man nicht die Gegenüberstellung von Materialismus und Empiriokritizismus? Herr Juschkewitsch findet es „interessant", was der Idealist Wundt sagt, aber dieser Machist hält es für ganz überflüssig, sich mit der Sache auseinanderzusetzen (sicherlich nach dem „Prinzip der Denkökonomie") …

Juschkewitsch teilt dem Leser mit, dass Avenarius von Wundt des Materialismus geziehen wird; dass aber Wundt einige Seiten des Empiriokritizismus für Materialismus, andere Seiten für Idealismus und deren Verkoppelung für eine künstliche hält, das verschweigt Juschkewitsch, wodurch er die Sache vollständig entstellt. Entweder versteht dieser Gentleman absolut nicht, was er liest, oder ihn leitete der Wunsch, sich durch eine Spiegelfechterei von Wundt selbst loben zu lassen: seht ihr, auch uns halten die offiziellen Professoren nicht für irgendwelche Wirrköpfe, sondern für Materialisten!

Die erwähnte Abhandlung Wundts ist ein umfangreiches Buch (über 300 Seiten), das einer sehr eingehenden Analyse zunächst der Immanentenschule, sodann der Empiriokritizisten gewidmet ist. Warum hat Wundt diese beiden Schulen miteinander verbunden? Nun, weil er sie für nahe verwandt hält, eine Ansicht, die auch von Mach, Avenarius, Petzoldt und den Immanenzphilosophen geteilt wird und, wie wir sehen werden, unbedingt richtig ist. Wundt zeigt im ersten Teil der erwähnten Abhandlung, dass die Immanenzphilosophen Idealisten, Subjektivisten, Anhänger des Fideismus sind. Wiederum, wie wir sehen werden, eine vollkommen richtige Ansicht, die Wundt nur mit dem überflüssigen Ballast professoraler Gelehrsamkeit, mit überflüssigen Finessen und Vorbehalten versieht, was dadurch erklärt werden kann, dass Wundt selbst Idealist und Deist ist. Er wirft den Immanenzphilosophen nicht vor, dass sie Idealisten und Anhänger des Fideismus sind, sondern dass sie diese hohen Prinzipien seiner Meinung nach nicht richtig ableiten. Der zweite und dritte Teil des Buches ist dem Empiriokritizismus gewidmet. Dabei weist er ausdrücklich darauf hin, dass sehr wichtige theoretische Sätze (die Auffassung von der „Erfahrung" und der „Prinzipialkoordination", über die wir noch sprechen werden) „die empiriokritische in Übereinstimmung mit der immanenten Philosophie annimmt" (S. 382). Andere theoretische Sätze entlehne Avenarius dem Materialismus. Der Empiriokritizismus im Ganzen sei eine „bunte Mischung" (S. 57), deren „verschiedene Bestandteile an sich einander völlig heterogen sind" (S. 56).

Zu den materialistischen Brocken des Avenarius-Machschen Mischmasches zählt Wundt hauptsächlich die Avenariussche Lehre von der „unabhängigen Vitalreihe". Wenn ihr von dem „System C" ausgeht (so bezeichnet Avenarius – ein großer Freund des gelehrten Spiels mit neuen Termini – das menschliche Gehirn oder das Nervensystem überhaupt), wenn das Psychische für euch eine Funktion des Gehirns ist, so ist dieses System C eine „metaphysische Substanz" – sagt Wundt (S. 64 der obengenannten Abhandlung), und eure Lehre ist Materialismus. Viele Idealisten und sämtliche Agnostiker (darunter auch die Anhänger von Kant und Hume) bezeichnen die Materialisten als Metaphysiker, weil ihnen die Annahme der Existenz einer vom menschlichen Bewusstsein unabhängigen Außenwelt als ein Hinausgehen über die Grenzen der Erfahrung erscheint. Wir werden über diese Terminologie und ihre vom marxistischen Standpunkt aus völlige Unrichtigkeit an gegebener Stelle noch reden. Hier ist für uns wichtig, festzustellen, dass nach allgemeiner Übereinstimmung der Philosophen verschiedener Parteien, d. h. verschiedener philosophischer Richtungen, die Annahme der „unabhängigen" Reihe bei Avenarius (ebenso wie bei Mach, der denselben Gedanken mit anderen Worten ausdrückt) dem Materialismus entlehnt ist. Wenn man davon ausgeht, dass alles Existierende Empfindung ist oder dass die Körper Empfindungskomplexe sind, so kann man, ohne die eigenen Grundvoraussetzungen, die ganze „eigene" Philosophie zu zerstören, nicht dazu kommen, dass das Physische unabhängig von unserem Bewusstsein existiert, und dass die Empfindung die Funktion einer in bestimmter Weise organisierten Materie ist. Mach und Avenarius aber vereinigen in ihrer Philosophie die idealistischen Grundvoraussetzungen mit einzelnen materialistischen Schlüssen gerade deshalb, weil ihre Theorie ein Musterbeispiel jener „eklektischen Bettelsuppe" ist, von der Engels mit gebührender Verachtung spricht.X

In dem letzten philosophischen Werk Machs, „Erkenntnis und Irrtum" (2. Auflage, 1906), fällt dieser Eklektizismus besonders stark in die Augen. Wir haben schon gesehen, dass Mach dort erklärt: „es unterliegt keiner Schwierigkeit, jedes physische Erlebnis aus Empfindungen, also psychischen Elementen aufzubauen"; in demselben Buch lesen wir:

Abhängigkeiten außerhalb der Grenze U (= Umgrenzung, d. h. „die räumliche Umgrenzung unseres Leibes", S. 8. L.), [das ist] Physik im weitesten Sinne" (S. 323, § 4). „Um diese Abhängigkeiten rein zu erhalten, muss der Einfluss des Beobachters, der innerhalb U liegenden Elemente, möglichst ausgeschlossen werden" (ebenda).

So, so. Zuerst versprach die Meise das Meer zu verbrennen1, d. h. die physischen Elemente aus den psychischen aufzubauen, dann erwies es sich, dass die physischen Elemente sich außerhalb der Grenze der psychischen Elemente befinden, die „innerhalb unseres Leibes liegen". Das ist eine schöne Philosophie!

Noch ein Beispiel:

Ein vollkommenes Gas, eine vollkommene Flüssigkeit, ein vollkommen elastischer Körper existiert nicht; der Physiker weiß, dass seine Fiktionen den Tatsachen nur annähernd, willkürlich vereinfachend, entsprechen; er kennt die Abweichung, die nicht beseitigt werden kann." (S. 418, § 30.)

Von welcher Abweichung wird hier gesprochen? Wessen Abweichung und Abweichung wovon? Es handelt sich hier um die Abweichung des Gedankens (der physikalischen Theorie) von den Tatsachen. Was sind aber Gedanken, Ideen? Ideen sind die „Spuren von Empfindungen" (S. 9). Und was sind Tatsachen? „Empfindungskomplexe". Also die Abweichung der Spuren von Empfindungen kann von den Empfindungskomplexen nicht beseitigt werden.

Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Mach seine eigene Theorie vergisst und dass er, sobald er anfängt, über die verschiedenen Probleme der Physik zu sprechen, einfach urteilt, ohne idealistische Künstelei, d. h. materialistisch. Alle „Empfindungskomplexe" und die ganze Berkeleyanische Weisheit sind verschwunden. Die Theorie der Physiker erweist sich als Abbild der Körper, Flüssigkeiten und Gase, die außerhalb und unabhängig von uns existieren, wobei dieses Abbild natürlich nur ein annäherndes ist; es ist aber unrichtig, diese Annäherung oder Vereinfachung als „willkürlich" zu bezeichnen. Tatsächlich wird hier von Mach die Empfindung als das betrachtet, wofür sie die ganze von Berkeleys und Humes Schülern nicht „geläuterte" Naturwissenschaft hält, nämlich für das Abbild der Außenwelt. Machs eigene Theorie ist der subjektive Idealismus; braucht er aber ein Moment der Objektivität, so schiebt Mach ohne Bedenken die Voraussetzungen der entgegengesetzten, d. h. materialistischen Erkenntnistheorie in seine Betrachtungen ein. Der konsequente Idealist und konsequente Reaktionär in der Philosophie, Eduard v. Hartmann, der mit dem Kampf der Machisten gegen den Materialismus sympathisiert, kommt der Wahrheit sehr nahe, wenn er sagt, dass der philosophische Standpunkt Machs „auf der Nichtunterscheidung des naiven Realismus und absoluten Illusionismus" beruhe.Y Das ist wahr. Die Lehre, dass die Körper Empfindungskomplexe seien usw., ist absoluter Illusionismus, d. h. Solipsismus, denn von diesem Standpunkt ist die ganze Welt nichts anderes als meine Illusion, während die oben zitierte Betrachtung von Mach ebenso wie eine ganze Reihe seiner anderen vereinzelten Betrachtungen ein sogen, „naiver Realismus" ist, d. h. die von den Naturwissenschaftlern unbewusst, instinktiv übernommene materialistische Erkenntnistheorie.

Avenarius und die Professoren, die seinen Fußstapfen folgen, suchen diese Vermengung durch die Theorie der „Prinzipialkoordination" zu verschleiern. Wir werden zur Analyse dieser Theorie sofort übergehen, vorerst aber die gegen Avenarius gerichtete Anschuldigung des Materialismus erledigen. Herr Juschkewitsch, dem die von ihm nicht verstandene Äußerung Wundts interessant schien, interessierte sich selbst nicht, zu erfahren, oder wollte es dem Leser nicht mitteilen, wie sich die nächsten Schüler und Nachfolger von Avenarius zu dieser Anschuldigung verhielten. Dies ist indessen zur Aufklärung der Angelegenheit notwendig, wenn uns die Frage nach dem Verhältnis der Marxschen Philosophie, d. h. des Materialismus, zu der Philosophie des Empiriokritizismus interessiert. Und dann, wenn der Machismus ein Durcheinander, ein Gemisch von Materialismus und Idealismus ist, so ist es wichtig, zu wissen, welche Richtung – wenn man so sagen darf – diese Strömung einschlug, nachdem die offiziellen Idealisten begonnen hatten, sie wegen der Zugeständnisse an den Materialismus zurückzustoßen.

Wundt erwiderten u. a. zwei der reinsten und orthodoxesten Schüler von Avenarius, J. Petzoldt und Fr. Carstanjen. Petzoldt wies mit stolzer Entrüstung die für einen deutschen Professor schmachvolle Anschuldigung des Materialismus zurück und berief sich – nun worauf glauben Sie wohl? – auf die „Prolegomena" von Avenarius, worin der Begriff der Substanz vernichtet worden sei! Eine bequeme Theorie, wenn man sowohl rein idealistische Werke als auch willkürlich angenommene materialistische Prämissen zu ihr in Beziehung bringen kann! Avenarius' „Kritik der reinen Erfahrung", schreibt Petzoldt, widerspreche allerdings einer solchen Lehre – nämlich dem Materialismus – nicht, aber ebensowenig der ihr gerade entgegengesetzten spiritualistischen.Z Eine ausgezeichnete Verteidigung! Eben das nennt Engels eklektische Bettelsuppe. Bogdanow, der sich nicht als Machist bekennen und (in der Philosophie) als Marxist gelten will, folgt Petzoldt nach. Er meint, dass der „Empiriokritizismus … sich weder um Materialismus noch um Spiritualismus noch um irgendeine Metaphysik überhaupt kümmere"Ä, dass „die Wahrheit… nicht in der ,goldenen Mitte', zwischen den kollidierenden Richtungen (Materialismus und Spiritualismus) liege, sondern außerhalb beider".Ö In Wirklichkeit ist das, was Bogdanow die Wahrheit schien, Konfusion, ein Schwanken zwischen Materialismus und Idealismus.

Carstanjen schrieb in seiner Erwiderung auf Wundt, dass er „die Unterschiebung eines materialistischen Momentes, welches der Kritik der reinen Erfahrung völlig fern liegt", absolut zurückweise. „Der Empiriokritizismus ist Skeptizismus κατ' ἐξοχἠν (vorzugsweise) in Bezug auf die Begriffsinhalte."Ü Ein Fünkchen Wahrheit ist in dieser übertriebenen Betonung der Neutralität des Machismus enthalten: die nachträgliche Korrektur von Mach und Avenarius an ihrem ursprünglichen Idealismus reduziert sich ganz auf die Annahme halber Kompromisse mit dem Materialismus. An Stelle von Berkeleys konsequentem Standpunkt: die Außenwelt ist meine Empfindung, – ergibt sich zuweilen der Standpunkt Humes: ich schalte die Frage aus, ob hinter meinen Empfindungen etwas ist. Dieser Standpunkt des Agnostizismus aber verurteilt unausbleiblich zum Schwanken zwischen Materialismus und Idealismus.

3. Prinzipialkoordination und „naiver Realismus"

Avenarius' Lehre von der Prinzipialkoordination ist in seinen Werken: „Der menschliche Weltbegriff" und „Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie" dargestellt. Letztere wurden später geschrieben, und Avenarius betont, dass er hier zwar etwas anders, aber doch nicht etwas anderes darstellt als in seiner „Kritik der reinen Erfahrung" bzw. dem „Menschlichen Weltbegriff". Das Wesentlichste in dieser Lehre ist der Satz von der „unauflöslichen Koordination (Wechselbeziehung) des ,Ich'-Bezeichneten und der ,Umgebung'". „Philosophisch ausgedrückt" – meint Avenarius – kann man ebenso „Ich" als auch „Nicht-Ich" sagen.

,Ich' und ,Umgebung' sind nicht nur beide im selben Sinn ein Vorgefundenes, sondern auch beide immer ein Zusammen - Vorgefundenes… keine vollständige Beschreibung von Vorgefundenem kann eine ,Umgebung' enthalten, ohne ein ,Ich', dessen ,Umgebung' sie wäre, mindestens doch desjenigen, der das Vorgefundene beschreibt."a

Das Ich wird dabei als das Zentralglied der Koordination, die Umgebung als Gegenglied bezeichnet (siehe „Der menschliche Weltbegriff", 2. Auflage, 1905, § 149 ff.). Avenarius erhebt Anspruch darauf, mit dieser Lehre den ganzen Wert des sogenannten naiven Realismus anzuerkennen, d. h. der geläufigen, unphilosophischen, naiven Auffassung aller Menschen, die sich keine Gedanken darüber machen, ob sie selbst und ob die Umgebung, die Außenwelt existieren. Mach, der sich mit Avenarius solidarisch erklärt, ist ebenfalls bemüht, sich als Verteidiger des „naiven Realismus" aufzuspielen („Analyse der Empfindungen", S. 30). Und alle russischen Machisten ohne Ausnahme glaubten Mach und Avenarius aufs Wort, dass dies wirklich eine Verteidigung des „naiven Realismus" ist: sowohl „Ich" als auch „Umgebung" werden anerkannt – also was will man noch mehr?

Um festzustellen, auf welcher Seite hier der höchste Grad wirklicher Naivität liegt, holen wir etwas weiter aus. Hier ein populäres Gespräch eines gewissen Philosophen mit dem Leser:

Der Leser: ,Ein System von Dingen (nach der geläufigen, philosophischen Auffassung. L.) soll ihrer Forderung zufolge da sein, und von diesen erst das Bewusstsein erzeugt werden.'

Der Autor: ,Du redest jetzt in die Seele des Philosophen von Profession …, nicht des gemeinen Menschenverstandes und wirklichen Bewusstseins … Sage mir und besinne dich wohl, ehe du mir antwortest: tritt denn ein Ding ein in dich, und kommt in dir und für dich vor, außer durch und mit dem Bewusstsein desselben zugleich …?'

Der Leser: ,Wenn ich mich meiner recht besinne, so muss ich dir dies zugeben'.

Der Autor: ,Nun sprichst denn doch immer du selbst, aus deiner Seele und in deine Seele. Begehre doch also nicht selbst über dich selbst hinauszuspringen, und irgend etwas anderes zu fassen, als du es eben fassen kannst, als Bewusstsein und (gesperrt vom Verfasser) Ding, als Ding und Bewusstsein; oder eigentlicher als keines von beiden, sondern als dasjenige, das erst hinterher in beides unterschieden wird, das absolut Subjektiv-Objektive und Objektiv-Subjektive'."

Hier habt ihr die Quintessenz der empiriokritischen Prinzipialkoordination, der neuesten Verteidigung des „naiven Realismus" durch den neuesten Positivismus! Der Gedanke der „unauflöslichen" Koordination ist hier mit völliger Klarheit ausgedrückt, und zwar von dem Standpunkt ausgehend, dies sei die wahre Verteidigung der geläufigen menschlichen Auffassung, die durch das Klügeln der „Philosophen von Profession" nicht entstellt ist. Indessen ist dieses eben zitierte Gespräch einem Werk entnommen, das im Jahre 1801 erschienen ist und von dem klassischen Vertreter des subjektiven Idealismus, Johann Gottlieb Fichte, stammt.b

Etwas anderes als eine neue Paraphrase des subjektiven Idealismus wird man auch in der Lehre von Mach und Avenarius, die uns hier beschäftigt, nicht finden. Ihre Prätention, über Materialismus und Idealismus erhaben zu sein, den Gegensatz zwischen dem Standpunkt, der vom Ding zum Bewusstsein geht, und dem entgegengesetzten Standpunkt aufgehoben zu haben, ist nichts als die leere Prätention des aufgefrischten Fichteanismus. Fichte bildete sich ebenfalls ein, er habe das „Ich" und die „Umgebung", Bewusstsein und Ding „unauflöslich" verbunden, er habe das Problem durch den Hinweis auf die Tatsache, dass der Mensch nicht über sich selbst hinaus springen könne, „gelöst". Hier wird, nur mit anderen Worten, die Beweisführung Berkeleys wiederholt: ich empfinde nur meine Empfindungen; ich bin nicht berechtigt, die „Objekte an sich" außerhalb meiner Empfindung anzunehmen. Die verschiedenen Ausdrucksweisen bei Berkeley 1710, bei Fichte 1801 und bei Avenarius 1892/94 ändern das Wesen der Sache, d. h. die philosophische Grundrichtung des subjektiven Idealismus, nicht im Mindesten. Die Welt ist meine Empfindung; das „Nicht-Ich" wird durch unser Ich „gesetzt" (geschaffen, hervorgebracht); das Ding ist unauflöslich mit dem Bewusstsein verbunden, die unauflösliche Koordination von „Ich" und „Umgebung" ist die empiriokritische Prinzipialkoordination – es ist immer eine und dieselbe These, ein und derselbe alte Kram mit etwas aufgefärbtem oder übermaltem Aushängeschild.

Der Hinweis auf den „naiven Realismus", den angeblich eine solche Philosophie verteidigt, ist ein Sophismus billigster Art. Der „naive Realismus" eines jeden gesunden Menschen, der noch nicht in einem Irrenhause oder noch nicht bei den philosophischen Idealisten in der Lehre war, besteht in der Annahme, dass die Dinge, die Umgebung, die Welt unabhängig von unserer Empfindung, unserem Bewusstsein, von unserem Ich und dem Menschen überhaupt existieren. Dieselbe Erfahrung (nicht im machistischen, sondern im menschlichen Sinne des Wortes), die in uns die festeste Überzeugung bewirkt, dass unabhängig von uns andere Menschen und nicht bloße Komplexe meiner Empfindungen des Hohen, Niedrigen, Gelben, Harten usw. existieren, dieselbe Erfahrung bewirkt bei uns die Überzeugung, dass Dinge, Welt und Umgebung unabhängig von uns existieren. Unsere Empfindungen, unser Bewusstsein sind nur das Abbild der Außenwelt, und es ist selbstverständlich, dass ein Abbild nicht ohne das Abgebildete existieren kann, das Abgebildete aber unabhängig von dem Abbildenden existiert. Die „naive" Überzeugung der Menschheit wird vom Materialismus bewusst zur Grundlage seiner Erkenntnistheorie gemacht.

Ist aber eine solche Wertung der „Prinzipialkoordination" nicht das Resultat eines materialistischen Vorurteils gegen den Machismus? Keineswegs! Die Fachphilosophen, denen jede Vorliebe für den Materialismus fremd ist, die ihn sogar hassen und sich zu diesem oder jenem idealistischen System bekennen, stimmen darin überein, dass die Prinzipialkoordination von Avenarius u. Co. subjektiver Idealismus ist. So sagt zum Beispiel Wundt, dessen interessante Äußerung Juschkewitsch nicht verstanden hat, ganz unzweideutig, dass die Theorie von Avenarius, nach der die vollständige Beschreibung des Gegebenen oder Vorgefundenen ohne ein Ich, einen Beobachter oder Beschreiber unmöglich sei, eine „falsche Vermengung des Inhalts der wirklichen Erfahrung mit der Reflexion über diese" ist. Die Wissenschaft, sagt Wundt, abstrahiert durchaus von jedem Zuschauer:

Eine solche Abstraktion ist aber hinwiederum nur deshalb möglich, weil jedes Hinzudenken des erfahrenden Individuums zu jedem Erfahrungsinhalt, das die empiriokritische in Übereinstimmung mit der immanenten Philosophie annimmt, überhaupt eine empirisch nicht begründete Voraussetzung ist, die aus der falschen Vermengung des Inhalts der wirklichen Erfahrung mit der Reflexion über diese hervorgeht." (Zit. Art. S. 382.)

Denn die Immanenzphilosophen (Schuppe, Rehmke, Leclair, Schubert-Soldern), die, wie wir später sehen werden, selbst ihre heiße Sympathie für Avenarius bekunden, gehen gerade von dieser Idee der „unauflöslichen" Subjekt-Objekt-Beziehung aus. W. Wundt zeigte aber, bevor er Avenarius analysierte, ausführlich, dass die immanente Philosophie nur eine „Modifikation" des Berkeleyanismus ist, und dass die Immanenzphilosophen, wie sehr sie auch von Berkeley abrücken, in Wirklichkeit durch Wortunterschiede nicht den „tieferen Gehalt dieser philosophischen Lehren" zu verhüllen vermögen, nämlich den Berkeleyanismus oder den Fichteanismus.c

Der englische Schriftsteller Norman Smithd kommt in seiner eindeutiger und entschiedener zum selben Resultat:

Die meisten Leser des Werkes von Avenarius ,Der menschliche Weltbegriff' werden wahrscheinlich darin übereinstimmen, dass die positiven Resultate desselben, so überzeugend es auch als Kritik (des Idealismus) ist, vollständig illusionär sind. Wollten wir versuchen, seine Theorie der Erfahrung zu interpretieren, wie man sie hinstellen will, nämlich als wahrhaft realistisch (genuinely realistic), dann entzieht sie sich jeder klaren Darstellung: ihr ganzer Sinn erschöpft sich in der Negation des Subjektivismus, den sie angeblich widerlegt. Erst wenn wir die Fachausdrücke von Avenarius in eine gebräuchliche Sprache übersetzen, entdecken wir, wo in Wahrheit der Ursprung seiner Mystifikation liegt. Avenarius hat die Aufmerksamkeit von den Mängeln seiner Position dadurch abgelenkt, dass er seinen Hauptangriff gerade gegen jenen ,schwachen Punkt' (d. h. den idealistischen Punkt. L.) richtet, der für seine eigene Theorie verhängnisvoll ist … Bei allen Betrachtungen von Avenarius kommt ihm die Unbestimmtheit des Terminus ,Erfahrung' wohl zustatten. Einmal bedeutet dieser Terminus das ,Erfahren' (experience) und das andere Mal ,das Erfahrene' (experienced). Die letztere Bedeutung wird nachdrücklich betont, wenn die Natur des ,Ich' (of the self) in Frage kommt. Diese zwei Deutungen des Begriffes ,Erfahrung' fallen praktisch zusammen mit seiner wichtigen Unterscheidung zwischen der absoluten und der relativen Betrachtung (oben habe ich die Bedeutung dieser Unterscheidung bei Avenarius gezeigt. L.), doch sind diese beiden Gesichtspunkte in seiner Philosophie nicht wirklich in Einklang miteinander gebracht, denn wenn er die Voraussetzung als rechtmäßig zulässt, dass die Erfahrung auf ideelle Weise durch das Denken ergänzt werde (die vollständige Beschreibung der Umgebung wird ideell durch den Gedanken von dem betrachtenden Ich ergänzt. L.), macht er eine Annahme, die er nicht mit seiner Behauptung vereinbaren kann, dass nichts existiere außer in Beziehung zum Ich (to the self). Die ideelle Ergänzung der gegebenen Realität, die auch aus der Zerlegung der materiellen Körper in Elemente, die den menschlichen Sinnen unzugänglich sind (die Rede ist von den materiellen Elementen, die von der Naturwissenschaft entdeckt sind, von den Atomen, Elektronen usw., nicht aber von den von Mach und Avenarius erdichteten Elementen. L.), oder daraus, dass man die Erde in eine Zeit zurückverfolgt, wo noch kein menschliches Wesen auf ihr existierte, ist, streng genommen, keine Ergänzung der Erfahrung, sondern nur dessen, was wir erfahren. Dies ergänzt bloß eines der Glieder der Koordination, von denen Avenarius behauptet hat, sie seien untrennbar. Das führt uns nicht nur zu dem, was nie erfahren worden ist (nie ein Objekt der Erfahrung war, has not been experienced), sondern zu dem, was niemals, auf keinen Fall von Wesen, wie wir, in Erfahrung gebracht werden kann. Aber hier kommt wieder der Doppelsinn des Begriffes ,Erfahrung' Avenarius zu Hilfe. Er beweist, dass der Gedanke eine ebenso wirkliche (genuine) Form der Erfahrung ist, wie die sinnliche Wahrnehmung, und fällt so schließlich zurück in das abgetragene (timeworn) Argument des subjektiven Idealismus, nach dem der Gedanke und die Realität untrennbar sind, weil Realität nur im Gedanken erfasst werden kann und der Gedanke die Existenz des Denkenden einschließt. Also: nicht irgendeine originelle oder tiefe Wiederherstellung des Realismus, sondern nur die Wiederherstellung der wohlbekannten Position des subjektiven Idealismus in seiner rohesten (crudest) Form ist das Endresultat der positiven Spekulation von Avenarius." (S. 29.)

Hier ist die Mystifikation von Avenarius, der Fichtes Fehler vollständig wiederholt, vortrefflich aufgedeckt. Die famose Aufhebung des Gegensatzes zwischen Materialismus (Smith sagt mit Unrecht: Realismus) und Idealismus durch das Wörtchen „Erfahrung" hat sich, sobald wir nur begonnen haben, zu bestimmten konkreten Problemen überzugehen, glattweg als Fabel erwiesen. Ein solches Problem ist das Problem der Existenz der Erde vor dem Menschen und vor allen Lebewesen. Wir werden darüber gleich noch ausführlicher sprechen. Hier bemerken wir nur, dass nicht nur Norman Smith, ein Gegner von Avenarius, den fiktiven Avenariusschen „Realismus" entlarvt, sondern auch der Immanenzler W. Schuppe, der den „Menschlichen Weltbegriff" bei seinem Erscheinen als Bestätigung des naiven Realismus so warm begrüßt hat.e Die Sache verhält sich nämlich so, dass W. Schuppe mit einem solchen „Realismus", d. h. mit einer solchen Mystifikation des Materialismus, wie Avenarius sie auftischt, vollkommen einverstanden ist. Auf so einen Realismus, meinte er in seinem Briefe an Avenarius, habe ich immer Anspruch gehabt, mit dem gleichen Rechte, wie Sie, hochverehrter Herr Kollege, ich, der Immanenzphilosoph, den man durch Verdrehung zu einem subjektiven Idealisten gestempelt hat. „Mein Begriff des Denkens … verträgt sich vortrefflich mit Ihrer ,reinen Erfahrung'." (S. 167.) „Die Zusammengehörigkeit und Unzertrennlichkeit der beiden Glieder der Koordination" gibt nur das Ich (d. h. das abstrakte, Fichtesche Selbstbewusstsein, der vom Gehirn losgerissene Gedanke). „Was Sie eliminieren wollten, haben Sie stillschweigend vorausgesetzt…" (S. 173.)

So schrieb Schuppe an Avenarius. Und es ist schwer zu sagen, wer den Mystifikator Avenarius empfindlicher entlarvt, Smith durch seine klare und eindeutige Widerlegung, oder Schuppe, der sich über die abschließende Arbeit von Avenarius so begeistert äußert. In der Philosophie ist der Kuss eines Wilhelm Schuppe nicht weniger kompromittierlich als in der Politik der Kuss eines Peter Struve oder Menschikow.

Ebenso sagt O. Ewald, der Mach lobt, weil dieser dem Materialismus nicht erlegen ist, über die Prinzipialkoordination:

Erklärt man die Korrelation von Zentralglied und Gegenglied für eine erkenntnistheoretische Notwendigkeit, die zu umgehen unmöglich sei, so betritt man, auch wenn auf dem Umhängeschild der Name ,Empiriokritizismus' in den schreiendsten Lettern prangt, einen Standpunkt, der sich in nichts von dem absoluten Idealismus unterscheidet (ein unrichtiger Terminus; es sollte subjektiven Idealismus heißen; denn der absolute Idealismus Hegels verträgt sich mit der Existenz der Erde, der Natur, der physischen Welt ohne Menschen, wobei unter Natur nur das „Anderssein" der absoluten Idee verstanden wird. L.). Hält man dagegen an jener Koordination nicht fest, und belässt man den Gegengliedern ihre Unabhängigkeit, so liegen mit einem Male alle metaphysischen Möglichkeiten, insbesondere nach der Seite des transzendentalen Realismus hin, offen." (l. c, S. 56 u. 57.)

Herr Friedländer, der sich hinter dem Pseudonym Ewald verbirgt, versteht unter Metaphysik und transzendentalem Realismus den Materialismus. Selbst Verfechter einer Abart des Idealismus, stimmt er mit den Machisten und Kantianern gänzlich darin überein, dass der Materialismus Metaphysik sei, „von Anfang bis Ende wüsteste Metaphysik" (S. 134). Bezüglich der „Transzendenz" und des metaphysischen Charakters des Materialismus ist er ein Gesinnungsgenosse von Basarow und allen unseren Machisten, worüber wir später noch sprechen müssen. Hier ist es wichtig, noch einmal festzustellen, wie in Wirklichkeit die eitle Gelehrtenprätention, Idealismus und Materialismus überwinden zu wollen, sich verflüchtigt, und wie das Problem mit unerbittlicher Unversöhnlichkeit gestellt wird. „Den Gegengliedern ihre Unabhängigkeit belassen", bedeutet (wenn man die geschraubte Sprache von Avenarius ins Menschliche übersetzt) die Natur, die Außenwelt für unabhängig von Bewusstsein und Empfindung der Menschen zu halten. Das aber ist Materialismus. Eine Erkenntnistheorie, die sich auf der Voraussetzung der unauflöslichen Zusammengehörigkeit des Objekts mit der menschlichen Empfindung gründet („Empfindungskomplexe" = Körper; „Weltelemente", die im Psychischen und Physischen identisch sind; Avenariussche Koordination usw.), verfällt unvermeidlich in den Idealismus. Dies ist die einfache und unausweichliche Wahrheit, die bei einiger Aufmerksamkeit leicht in dem Wirrwarr der geschraubten, die Sache absichtlich verdunkelnden und das breite Publikum von der Philosophie abschreckenden, quasi-gelehrten Terminologie der Avenarius, Schuppe, Ewald u. a. zu entdecken ist.

Die „Versöhnung" der Theorie von Avenarius mit dem „naiven Realismus" hat am Ende sogar Zweifel bei seinen Schülern hervorgerufen. So meint z. B. Rudolf Willy, dass die geläufige Behauptung, Avenarius habe den „naiven Realismus" rehabilitiert, cum grano salis (bedingt) zu verstehen sei. „Als Dogma wäre ja der naive Realismus durchaus nichts anderes als der Glaube an die außerpersönlichen Dinge an sich in sinnlich handfester Gestalt."f Mit anderen Worten: die einzige Erkenntnistheorie, die man in wirklicher und nicht fiktiver Übereinstimmung mit dem „naiven Realismus" aufbauen kann, ist nach Willys Ansicht der Materialismus! Willy aber lehnt selbstverständlich den Materialismus ab. Doch muss er zugeben, dass Avenarius die Einheit der „Erfahrung", die Einheit von „Ich" und Umgebung im „Menschlichen Weltbegriff" „durch eine Reihe komplizierter und teilweise sehr gekünstelter Hilfs- und Mittelbegriffe zu gewinnen sucht." (S. 171.) Der „Menschliche Weltbegriff", als Reaktion gegen den anfänglichen Idealismus von Avenarius,

hat durchaus den Charakter eines Ausgleichs zwischen dem „naiven Realismus" des Common Sense (gemeinen Verstandes) und dem erkenntnistheoretischen Idealismus der Schulphilosophie. Aber dass nun ein solcher Ausgleich die Einheit und Ganzheit der Gesamterfahrung (Willy spricht auch von Grunderfahrung; wieder ein neues Wörtchen! L.) herzustellen imstande wäre, möchte ich nicht behaupten." (S. 170.)

Ein wertvolles Geständnis! Idealismus und Materialismus auszugleichen, ist der „Erfahrung" von Avenarius nicht gelungen. Willy scheint die Schulphilosophie der Erfahrung zu verneinen, um sie durch eine Philosophie der „Grund"erfahrung zu ersetzen, die noch dreimal verworrener ist …

4. Hat die Natur vor dem Menschen existiert?

Wir haben bereits gesehen, dass diese Frage für die Philosophie von Mach und Avenarius besonders unangenehm ist. Die Naturwissenschaft behauptet positiv, dass die Erde einmal in einem Zustand existierte, wo es weder den Menschen noch überhaupt irgendein Lebewesen auf ihr gab und auch gar nicht geben konnte. Die organische Materie ist eine spätere Erscheinung, das Resultat einer langwierigen Entwicklung. Also gab es damals keine empfindende Materie, also auch keine „Empfindungskomplexe", kein Ich, das nach der Lehre von Avenarius angeblich mit der Umgebung „unauflöslich" verbunden ist. Die Materie ist das Primäre; Gedanke, Bewusstsein, Empfindung sind das Produkt einer sehr hohen Entwicklung. Dies ist die materialistische Erkenntnistheorie, auf deren Boden die Naturwissenschaft instinktiv steht.

Es fragt sich, ob die hervorragenden Vertreter des Empiriokritizismus diesen Widerspruch zwischen ihrer Theorie und der Naturwissenschaft bemerkt haben? Ja, sie haben ihn bemerkt und die Frage ganz eindeutig gestellt, wie dieser Widerspruch zu beseitigen wäre. Drei Auffassungen dieser Frage, die von Avenarius selbst und dann die von J. Petzoldt und R. Willy, seinen Schülern, bieten vom Standpunkte des Materialismus besonderes Interesse.

Avenarius versucht, diesen Widerspruch mit der Naturwissenschaft durch die Theorie des „potentiellen" Zentralgliedes in der Koordination zu beseitigen. Die Koordination besteht, wie wir wissen, in der „unauflöslichen" Verbindung des Ich und der Umgebung. Um die offenbare Absurdität dieser Theorie zu beseitigen, wird der Begriff des „potentiellen" Zentralgliedes eingeführt. Wie steht es z. B. mit der Entwicklung des Menschen aus dem Embryo? Existiert eine Umgebung (= „Gegenglied"), wenn das „Zentralglied" einen Embryo vorstellt? Das embryonale System C bietet – so antwortet Avenarius – ein „potentielles Zentralglied in Bezug auf eine künftige individuelle Umgebung".g Das potentielle Zentralglied ist nie gleich Null, auch dann nicht, wenn noch keine Eltern („elterliche Bestandteile") existieren, sondern „nur erst solche Umgebungsbestandteile, … welche zu den Eltern selbst zu werden befähigt sind". (§ 185.)

Also die Koordination ist unauflöslich. Dies zu behaupten ist für den Empiriokritizisten unbedingt notwendig, wenn er die Grundlage seiner Philosophie, die Empfindungen und ihre Komplexe, retten will. Der Mensch ist das Zentralglied dieser Koordination. Wenn es aber noch keinen Menschen gibt, wenn er noch nicht geboren ist, so ist das Zentralglied doch nicht gleich Null, es ist nur ein potentielles Zentralglied geworden! Es ist wirklich erstaunlich, dass sich Leute finden, die einen Philosophen mit solchen Erwägungen ernst nehmen! Selbst Wundt, der betont, dass er durchaus kein Feind jeder Metaphysik (d. h. jeder Art Fideismus) sei, ist gezwungen, hier eine „mystische Verdunklung des Erfahrungsbegriffes" durch das Wörtchen „potentiell", das jede Koordination vernichtet, zu konstatieren. (Zit. Artikel, S. 379.)

In der Tat, kann man im Ernst von einer Koordination sprechen, deren Unauflöslichkeit darin besteht, dass eines ihrer Glieder potentiell ist?

Ist das nicht Mystik, ist das nicht eine direkte Vorstufe zum Fideismus? Wenn es möglich ist, ein potentielles Zentralglied in Bezug auf eine zukünftige Umgebung zu denken, warum sollte man es nicht auch in Bezug auf die vergangene Umgebung, d. h. Nach dem Tode des Menschen, tun können? Ihr werdet sagen, dass Avenarius diese Konsequenz aus seiner Theorie nicht gezogen hat. Ja, aber darum ist diese absurde und reaktionäre Theorie nur feiger, aber nicht besser geworden. Avenarius führte allerdings im Jahre 1894 diese Theorie nicht zu Ende, oder er hatte nicht den Mut, sie zu Ende zu führen, sie konsequent bis zu Ende zu denken. Rich. v. Schubert-Soldern aber berief sich, wie wir sehen werden, 1896 ausdrücklich auf diese Theorie, und zwar gerade, um theologische Schlussfolgerungen zu ziehen, wobei er 1906 auch die Zustimmung Machs erwarb, der sagte, Schubert-Soldern gehe (dem Machismus) sehr nahe Wege. Engels war in vollem Recht, als er Dühring, einen ausgesprochenen Atheisten, bekämpfte, weil dieser inkonsequenterweise dem Fideismus in seiner Philosophie ein Türchen offen ließ. Diesen Vorwurf macht Engels mehrmals, und zwar ganz mit Recht, dem Materialisten Dühring, der, wenigstens in den siebziger Jahren, keine theologischen Folgerungen zog. Bei uns aber gibt es Leute, die als Marxisten gelten möchten und trotzdem eine Philosophie in die Massen tragen, die hart an Fideismus grenzt.

„… Es könnte scheinen“ – schrieb ebendort Avenarius –, „als ob gerade von empiriokritischem Standpunkte aus die Naturwissenschaft gar nicht ,berechtigt' wäre, nach Perioden unserer jetzigen Umgebung zu fragen, welche dem Dasein des Menschen zeitlich vorangehen sollten. Der Fragende kann gar nicht vermeiden, sich hinzu zu denken." „Denn was der Naturwissenschaftler will – fährt Avenarius fort –, ist im Grunde nur das: wie würde die Erde … vor dem Auftreten der Lebewesen bzw. des Menschen zu bestimmen sein, wenn ich mich als ihren Beschauer hinzu denke – etwa in der Weise, wie es denkbar wäre, dass wir die Geschichte eines anderen Gestirns oder gar eines anderen Sonnensystems durch vervollkommnete Instrumente von unserer Erde aus beobachten könnten." (S. 273.)

Die Dinge können nicht unabhängig von unserem Bewusstsein existieren. „Man denkt allemal sich selbst als Intelligenz, die das Ding zu erkennen strebt, mit hinzu."

Diese Theorie, dass es notwendig sei, zu jedem Ding und zu der Natur vor dem Menschen das menschliche Bewusstsein „hinzu zu denken", habe ich in dem ersten Absatz mit den Worten des „neuesten Positivisten" Richard Avenarius dargestellt, im zweiten Absatz aber mit den Worten des subjektiven Idealisten J. G. Fichte.h Die Sophistik dieser Theorie ist so evident, dass es peinlich ist, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Wenn wir uns „hinzu denken", so bleibt unsere Anwesenheit doch eine eingebildete, während die Existenz der Erde vor dem Menschen eine reale ist. In der Tat konnte der Mensch unmöglich Beobachter beispielsweise des glühenden Zustandes der Erde sein. Seine Anwesenheit hierbei zu „denken" ist ein ebensolcher Obskurantismus, wie wenn ich die Existenz der Hölle durch folgendes Argument verteidigen wollte: wenn ich mich als Beschauer „hinzu denke", so könnte ich die Hölle beobachten. Der „Ausgleich" des Empiriokritizismus mit der Naturwissenschaft besteht darin, dass Avenarius sich gütigst herbei lässt, das „hinzu zu denken", dessen Möglichkeit anzunehmen die Naturwissenschaft ausschließt. Kein halbwegs gebildeter Mensch mit einigermaßen gesunden Sinnen zweifelt daran, dass die Erde bereits zu einem Zeitpunkt existierte, wo auf ihr kein Leben, keine Empfindung, kein „Zentralglied" sein konnte, folglich ist die ganze Theorie von Mach und Avenarius, aus der sich ergibt, dass die Erde ein Empfindungskomplex sei („die Körper sind Empfindungskomplexe") oder ein „Komplex von Elementen, in denen das Psychische mit dem Physischen identisch ist", oder ein „Gegenglied, dessen Zentralglied den Wert Null nie annehmen kann", philosophischer Obskurantismus, die Steigerung des subjektiven Idealismus ad absurdum.

J. Petzoldt sah ein, in welch absurde Lage Avenarius gekommen war, und schämte sich dessen. In seiner „Einführung in die Philosophie der reinen Erfahrung" (Bd. II) widmet er einen ganzen Paragraph (§ 65) „der Frage nach der einstigen Wirklichkeit früherer Erdperioden".

In Avenarius' Lehre“ – sagt Petzoldt – „spielt das Ich eine andere Rolle als bei Schuppe" (merken wir uns, dass Petzoldt wiederholt ganz eindeutig erklärt: von drei Männern werden wir zu unserem philosophischen Denken herangeführt: von Schuppe, Mach und Avenarius), „aber wohl noch immer eine für die Theorie zu bedeutende."

Auf Petzoldt hat offenbar gewirkt, dass Schuppe Avenarius entlarvte, indem er nachwies, dass bei Avenarius tatsächlich alles auch nur auf dem Ich beruht; Petzoldt möchte das verbessern.

Avenarius sagt einmal:“ – fährt Petzoldt fort – „,Man kann sich wohl eine ,Gegend' denken, welche noch kein menschlicher Fuß betrat, – aber um eine solche Umgebung denken (gesperrt von Avenarius) zu können, bedarf es doch eines ,Ich'-Bezeichneten, dessen ,Gedanke' sie wäre'."

Petzoldt erwidert:

Die erkenntnistheoretisch wichtige Frage ist aber gar nicht die, ob wir uns eine solche Gegend überhaupt denken können, sondern ob wir sie von irgendwelchem individuellen Denken unabhängig existierend oder existiert habend denken dürfen."

Was recht ist, muss recht bleiben. Die Menschen können sich allerdings alles Mögliche denken und „hinzu denken", auch alle möglichen Höllen, Trolle und Gespenster, Lunatscharski brachte es sogar fertig, nun, gelinde gesprochen, .… religiöse Begriffe „hinzu zu denken". Die Aufgabe der Erkenntnistheorie besteht aber gerade darin, die Irrealität, das Phantastische, das Reaktionäre solcher Hirngespinste aufzudecken.

„… Denn dass zum Denken ein System C gehört (d. h. das Gehirn), das ist ja für Avenarius und die hier vertretene Philosophie eine selbstverständliche Sache."

Das ist nicht wahr. Avenarius' Theorie von 1876 ist die Theorie des Gedankens ohne Gehirn. Und in seiner Theorie von 1892/94 findet sich, wie wir gleich sehen werden, ebenfalls ein solches Element des idealistischen Unsinns.

Ist aber dieses System C Existenzbedingung (gesperrt von Petzoldt) etwa für die Sekundärzeit der Erde?"

Nachdem Petzoldt die von uns bereits zitierte Betrachtung von Avenarius über die eigentlichen Ziele der Naturwissenschaft, und wie wir den Beobachter „hinzu denken" können, angeführt hat, erwidert er:

Nein, wir wollen wissen, ob ich die Erde für jene ferne Zeit ebenso existierend denken darf, wie ich sie für gestern oder für die der gegenwärtigen vorhergehende Minute existierend denke. Oder soll ihre Existenz davon abhängig gemacht werden, dass, wie es Willy gefordert hat, für die betreffende Zeit wenigstens ein wenn auch auf noch so tiefer Entwicklungsstufe stehendes System C mit existierend gedacht werden darf?"

Auf diese Idee von Willy werden wir sofort zurückkommen.

Avenarius vermeidet die sonderbare Folgerung Willys durch den Gedanken, dass der Fragende sich gar nicht wegdenken oder gar nicht vermeiden kann, sich hinzu zu denken. (Vgl. auch Avenarius, „Der menschliche Weltbegriff", S. 130.) Damit macht er aber das individuelle Ich des Fragenden oder doch den Gedanken an dieses Ich zur Bedingung nicht bloß für den Akt des Gedankens an die noch unbewohnte Erde, sondern für die Berechtigung des Glaubens an die Existenz der Erde in jener Zeit.

Diese Irrwege sind leicht zu vermeiden, wenn man dem Ich keine so starke theoretische Stellung einräumt. Das einzige, was die Erkenntnistheorie angesichts irgendwelcher Anschauungen über räumlich oder zeitlich Entlegenes wie überhaupt irgendwelcher Lehren zu fordern hat, ist, dass es Denkbares ist und eindeutig bestimmt gedacht werden kann, alles übrige ist dann Sache der Spezialwissenschaften." (Band II, S. 325.)

Petzoldt taufte also das Gesetz der Kausalität in das Gesetz der eindeutigen Bestimmtheit um und nimmt, wie wir sehen werden, die Apriorität dieses Gesetzes in seine Theorie auf. Das bedeutet, dass Petzoldt vor dem subjektiven Idealismus und Solipsismus des Avenarius („er räumt dem Ich eine zu starke Stellung ein", wie es im professoralen Sprachgebrauch heißt!) sich rettet mittels Kantischer Ideen. Das Fehlen des objektiven Momentes in der Lehre von Avenarius, die Unmöglichkeit, diese Lehre mit den Forderungen der Naturwissenschaft, die die Erde (das Objekt) als längst vor dem Erscheinen der Lebewesen (des Subjektes) existiert habend erklärt, in Einklang zu bringen, alles das hat Petzoldt gezwungen, sich an die Kausalität (die eindeutige Bestimmtheit) zu klammern. Die Erde hat existiert, da ihre Existenz vor dem Menschen mit ihrer jetzigen Existenz kausal verbunden ist. Erstens: woher diese Kausalität? A priori, sagt Petzoldt. Zweitens: sind die Vorstellungen von der Hölle, den Trollen und den „Hirngespinsten" Lunatscharskis nicht auch kausal verbunden? Drittens: die Theorie der „Empfindungskomplexe" wird jedenfalls durch Petzoldt zerstört. Petzoldt löste nicht den von ihm wohl erkannten Widerspruch bei Avenarius, er verwirrte sich nur noch mehr. Denn es kann nur eine Lösung geben: die Anerkennung, dass die von unserem Bewusstsein abgebildete Außenwelt unabhängig von unserem Bewusstsein existiert. Nur diese materialistische Lösung ist mit der Naturwissenschaft wirklich vereinbar, und nur sie beseitigt die idealistische Lösung des Problems der Kausalität durch Petzoldt und Mach, worüber wir noch besonders sprechen werden.

Der dritte Empiriokritizist, R. Willy, warf 1896 in dem Aufsatz „Der Empiriokritizismus als einzig wissenschaftlicher Standpunkt" zum ersten Mal die Frage dieser Schwierigkeit der Avenariusschen Philosophie auf. Wie steht es mit der Welt vor den Menschen, fragt hier Willyi, und antwortet zuerst in Übereinstimmung mit Avenarius: „Wir versetzen uns in Gedanken in die Vergangenheit." Dann aber sagt er, dass man unter Erfahrung durchaus nicht die menschliche Erfahrung notwendig zu verstehen verpflichtet ist.

Denn die Tierwelt – und wäre es der geringste Wurm – müssen wir, wenn wir… das tierische Leben nur im Zusammenhange der allgemeinen Erfahrung betrachten, einfach als primitive Mitmenschen ansehen." (S. 73–74.)

Also, die Erde war vor den Menschen „Erfahrung" eines Wurmes, der die Funktion eines „Zentralgliedes" versah, um die „Koordination" und die Philosophie von Avenarius zu retten! Es wundert uns nicht, dass Petzoldt sich von solcher Denkungsart abzugrenzen suchte; denn dies ist nicht nur der Gipfelpunkt des Unsinns (es werden einem Wurm Ideen über die Erde zugeschrieben, die den Theorien der Geologen entsprechen), sondern sie hilft auch unserem Philosophen nicht im Geringsten, da die Erde nicht nur vor dem Menschen, sondern auch vor allen Lebewesen überhaupt existierte.

Mit dieser Frage befasste sich Willy noch einmal im Jahre 1905. Der Wurm wurde diesmal beiseite gelassenj. Das „Gesetz der eindeutigen Bestimmtheit" von Petzoldt aber konnte Willy natürlich nicht befriedigen, er sieht darin einen „logischen Formalismus".

Gelangen wir durch die Petzoldtschen Fragen (nach der Welt vor den Menschen. L.) nicht einfach nur wieder zurück zu den Dingen-an-sich des common sense?" (d. h. zum Materialismus! Wie entsetzlich, fürwahr! L.) „… Und nun gar jene Erdepoche vor Millionen und aber Millionen Jahren, in der es noch gar kein Leben gab! Ist die Zeit vielleicht ein Ding-an-sich? Nicht doch!k Nun – dann sind die (außerpersönlichen) Dinge jenseits des Menschen nur Vorstellungen –: nur Phantasiestücke, die wir Menschen mit Hilfe einiger Fragmente, die wir in unserer Gegenwart vorfinden, entwerfen. Weshalb nicht? Fürchtet sich der Philosoph vor dem Strome des Lebens? … Also sage ich mir: lass fahren alle Systemweisheit und ergreife den Augenblick – den Augenblick, den du erlebst –: nur ein solcher Augenblick beglückt." (S. 177 u. 178.)

So, so. Entweder Materialismus oder Solipsismus, dahin gelangte Willy trotz seiner schreienden Phrasen bei der Behandlung der Frage nach der Existenz der Natur vor dem Menschen.

Nun das Fazit. Wir ließen drei empiriokritizistische Auguren aufmarschieren, die im Schweiß ihres Angesichts sich abmühten, ihre Philosophie mit der Naturwissenschaft in Einklang zu bringen und die Löcher des Solipsismus auszuflicken. Avenarius wiederholte das Argument von Fichte und unterschob an Stelle der wirklichen Welt eine eingebildete Welt. Petzoldt rückte von dem Fichteschen Idealismus ab und näherte sich dem Kantschen Idealismus. Willy, nachdem er mit dem Wurm Fiasko erlitten hatte, gab es auf und sagte aus Versehen die Wahrheit: entweder Materialismus oder Solipsismus oder gar überhaupt nichts als der gegenwärtige Augenblick.

Es bleibt uns nur noch übrig, dem Leser zu zeigen, wie unsere heimischen Machisten diese Frage verstanden und dargestellt haben. Hier Basarow in den „Beiträgen ,zur' Philosophie des Marxismus", S. 11:

Wir müssen jetzt unter der Führung unseres getreuen Vademekums (die Rede ist von Plechanow. L.) noch in die letzte und entsetzlichste Sphäre der solipsistischen Hölle hinuntersteigen, in jene Sphäre, in der nach Plechanows Versicherung jeder subjektive Idealismus von der Notwendigkeit bedroht ist, sich die Welt in den Anschauungsformen von Ichthyosauriern und Archäopteryxen vorstellen zu müssen. ,Versetzen wir uns in Gedanken' – schreibt Plechanow – ,in jene Epoche, in der nur sehr entfernte Ahnen des Menschen existierten, z. B. in die Sekundärzeit. Es fragt sich, wie stand es da mit Raum, Zeit und Kausalität? Wessen subjektive Formen waren sie damals? Die subjektiven Formen von Ichthyosauriern? Und wessen Verstand diktierte damals der Natur seine Gesetze? Der Verstand der Archäopteryxen? Auf diese Fragen kann die Kantsche Philosophie keine Antwort geben. Sie muss auch als absolut unvereinbar mit der modernen Wissenschaft abgelehnt werden' (Plechanow: „L. Feuerbach", S. 117)."

Hier unterbricht Basarow das Zitat aus Plechanow, und zwar gerade vor folgendem – wie wir sofort sehen werden – sehr wichtigen Passus:

Der Idealismus behauptet: ohne Subjekt kein Objekt. Die Geschichte der Erde zeigt, dass das Objekt viel früher existierte, als das Subjekt entstanden ist, d. h. viel früher als Organismen, die einen bemerkbaren Grad von Bewusstsein besitzen… Die Entwicklungsgeschichte beweist die Wahrheit des Materialismus."

Fahren wir mit dem Zitat aus Basarow fort:

„… Gibt aber das Plechanowsche Ding an sich die gesuchte Antwort? Erinnern wir uns, dass wir auch nach Plechanow von den Dingen, wie sie an sich sind, keine Vorstellung haben können, wir kennen nur ihre Erscheinungen, nur die Resultate ihrer Wirkung auf die Sinnesorgane. Außerhalb dieser Wirkung haben sie keine Gestalt. („L. Feuerbach", S. 112.) Welche Sinnesorgane existierten denn in der Epoche der Ichthyosaurier? Augenscheinlich doch nur die Sinnesorgane der Ichthyosaurier und ihresgleichen. Nur die Vorstellungen der Ichthyosaurier waren damals wirkliche, reale Erscheinungen der Dinge an sich. Folglich muss auch nach Plechanow ein Paläontologe, wenn er auf realem Boden bleiben will, die Geschichte der Sekundärzeit in den Anschauungsformen des Ichthyosaurus schreiben. Auch hier also wird der Solipsismus mit keinem Schritt überholt."

Das ist die ungekürzte Betrachtung eines Machisten (wir bitten den Leser wegen der Länge des Zitats um Entschuldigung), eine Betrachtung, die als erstklassiges Muster von Konfusion verewigt zu werden verdient.

Basarow bildet sich ein, Plechanow beim Wort gefangen zu haben. Wenn die Dinge an sich außer ihrer Wirkung auf unsere Sinnesorgane keine andere Gestalt haben, so bedeutet das, dass sie in der Sekundärzeit nicht anders als in „Gestalt" der Sinnesorgane der Ichthyosaurier existierten. Und das soll die Betrachtung eines Materialisten sein?! Wenn die „Gestalt" das Resultat der Wirkung der „Dinge an sich" auf die Sinnesorgane ist, folgt denn daraus, dass die Dinge unabhängig von irgendwelchen Sinnesorganen nicht existieren?

Nehmen wir aber für einen Augenblick an, dass Basarow Plechanows Worte wirklich „missverstanden" hat (so unwahrscheinlich eine solche Annahme auch ist), dass sie ihm unklar schienen. Mag sein. Wir fragen: will Basarow sich in Reitkünsten gegen Plechanow üben (den ja die Machisten zum einzigen Vertreter des Materialismus erheben!) oder zur Klärung der Frage des Materialismus beitragen? Wenn euch Plechanow unklar, widerspruchsvoll usw. erschien, warum habt ihr denn nicht andere Materialisten genommen? Etwa weil ihr sie nicht kennt? Unwissenheit ist jedoch kein Argument.

Sollte Basarow wirklich nicht wissen, dass die Grundvoraussetzung des Materialismus die Anerkennung der Außenwelt, der Existenz von Dingen außerhalb und unabhängig von unserem Bewusstsein ist, dann hätten wir in der Tat einen hervorragenden Fall von äußerster Ignoranz vor uns. Wir erinnern den Leser an Berkeley, der im Jahre 1710 den Materialisten zum Vorwurf machte, dass sie „Objekte an sich" anerkennen, die unabhängig von unserem Bewusstsein existieren und von diesem Bewusstsein abgebildet werden. Es steht natürlich jedem frei, sich auf die Seite Berkeleys oder sonst jemands gegen die Materialisten zu stellen, das ist unbestreitbar, aber ebenso unbestreitbar ist, dass von den Materialisten sprechen und dabei die Grundvoraussetzung des gesamten Materialismus entstellen oder ignorieren, eine heillose Konfusion in die Frage hinein tragen heißt.

Hatte Plechanow recht, als er sagte, dass es für den Idealismus kein Objekt ohne Subjekt gibt, für den Materialismus das Objekt aber unabhängig vom Subjekt existiert und mehr oder weniger richtig in seinem Bewusstsein abgebildet wird? Wenn das nicht richtig ist, so müsste ein Mensch, der auch nur ein klein wenig Achtung vor dem Marxismus hat, diesen Irrtum Plechanows aufzeigen und sich nicht mit Plechanow, sondern mit jemand anderem, mit Marx, Engels, Feuerbach über die Frage des Materialismus und über die Natur vor dem Erscheinen des Menschen auseinandersetzen. Ist dies aber richtig, oder seid ihr zumindest nicht imstande, hier einen Fehler aufzudecken, so ist euer Versuch, die Karten durcheinander zu werfen, im Kopfe des Lesers die elementarste Vorstellung vom Materialismus im Unterschiede zum Idealismus zu verwirren, eine literarische Unanständigkeit.

Für jene Marxisten aber, die sich für die Frage unabhängig von jedem Wörtchen, das Plechanow äußerte, interessieren, berufen wir uns auf die Meinung Ludwig Feuerbachs, der, wie man weiß (vielleicht weiß Basarow das nicht), Materialist war, und über dessen Werke Marx und Engels, wie bekannt, vom Hegelschen Idealismus zu ihrer materialistischen Philosophie gekommen sind. In seiner Entgegnung an R. Haym schrieb Feuerbach:

Die Natur, die kein Objekt des Menschen oder Bewusstseins, ist nun allerdings im Sinne der spekulativen Philosophie oder wenigstens des Idealismus ein Kantisches Ding an sich (wir werden später von der Vermengung des Kantischen und des materialistischen Dinges an sich durch unsere Machisten ausführlich sprechen. L.), ein Abstraktum ohne Realität, aber eben an der Natur scheitert der Idealismus. Die Naturwissenschaft führt uns, wenigstens auf ihrem gegenwärtigen Standpunkte, notwendig auf einen Punkt, wo die Bedingungen menschlicher Existenz noch nicht gegeben, wo die Natur, d. h. die Erde, noch kein Gegenstand des menschlichen Auges und Bewusstseins, die Natur also ein absolut unmenschliches Wesen war. Der Idealismus kann hierauf erwidern: auch die Natur ist eine von dir gedachte. Allerdings, aber daraus folgt nicht, dass diese Natur einst nicht wirklich gewesen ist, so wenig daraus, dass Sokrates und Plato für mich nicht sind, wenn ich sie nicht denke, folgt, dass sie einst ohne mich nicht gewesen sind."l

So also urteilte Feuerbach über Materialismus und Idealismus vom Standpunkt der Natur vor dem Menschen. Den Sophismus von Avenarius (den „Beobachter hinzu zu denken") widerlegte Feuerbach, ohne den „neuesten Positivismus" zu kennen, er kannte aber die alten, idealistischen Sophismen. Gibt doch Basarow rein gar nichts außer der Wiederholung dieses Sophismus der Idealisten: „Wäre ich dort gewesen (auf der Erde, in der vormenschlichen Epoche), so hätte ich die Welt so und so gesehen." („Beiträge ,zur' Philosophie des Marxismus", S. 29.) Mit anderen Worten: wenn ich eine wissentlich unsinnige und im Widerspruch mit der Naturwissenschaft stehende Annahme mache, als könnte der Mensch ein Beobachter der vormenschlichen Epoche sein, so wird es mir gelingen, meine Philosophie zusammen zu reimenl

Danach kann man die Sachkenntnis oder die literarischen Methoden Basarows beurteilen, der die „Schwierigkeit", mit der sich Avenarius, Petzoldt und Willy so herumgeschlagen haben, mit keinem Wort erwähnte, und dabei alles in einen Topf warf, indem er dem Leser einen so unwahrscheinlichen Mischmasch auftischte, dass überhaupt kein Unterschied zwischen Materialismus und Solipsismus übrigblieb. Der Idealismus ist hier als „Realismus" präsentiert, dem Materialismus aber wird unterstellt, dass er die Existenz der Dinge außerhalb ihrer Wirkung auf die Sinnesorgane leugne! Ja, ja, entweder hat Feuerbach den elementaren Unterschied zwischen Materialismus und Idealismus nicht gekannt, oder die Basarow u. Co. haben die ABC-Wahrheiten der Philosophie auf völlig neue Art umgemodelt.

Oder nehmen wir noch Valentinow, einen Philosophen, der natürlich von Basarow begeistert ist:

1. „Berkeley ist der Urheber der Theorie der Subjekt-Objekt-Korrelativität." (S. 148.)

Doch ist das nicht etwa Berkeleyscher Idealismus, nichts dergleichen! Das ist „einsichtsvolle Analyse"!

2. „In der realistischsten Gestalt, abgesehen von den Formen (!) ihrer gewöhnlichen idealistischen Auslegung (nur der Auslegung! L.), sind die Grundvoraussetzungen der Theorie bei Avenarius formuliert." (S. 148.)

Kleine Kinder fallen, wie man sieht, auf Mystifikationen herein!

3. „Avenarius' Ansicht über den Ausgangspunkt der Erkenntnis ist: jedes Individuum findet sich in einer bestimmten Umgebung vor, mit anderen Worten, Individuum und Umgebung sind als gebundene und unlösliche (!) Glieder derselben Koordination gegeben." (S. 148.)

Entzückend! Das ist kein Idealismus, Valentinow und Basarow sind über Materialismus und Idealismus erhaben, diese Subjekt-Objekt-„Unauflöslichkeit" ist – äußerst „realistisch".

4. „Ist die umgekehrte Behauptung, dass es kein Gegenglied gibt, dem kein Zentralglied, kein Individuum korrespondieren würde, richtig? Natürlich (!) ist das nicht richtig In der archaischen Periode grünten die Wälder es gab aber noch keine Menschen. (S. 148.)

Die Unauflöslichkeit kann also gelöst werden! Ist das nicht „natürlich"?

5. „Doch ist die Frage des Objektes an sich vom erkenntnistheoretischen Standpunkt aus absurd." (S. 148.)

Und ob! Als es noch keine empfindenden Organismen gab, waren die Dinge dennoch „Elementenkomplexe", die mit den Empfindungen identisch sind!

6. „Die Immanenzschule in der Person von Schubert-Soldern und Schuppe kleidete diese (!) Gedanken in eine unbrauchbare Form und geriet in die Sackgasse des Solipsismus." (S. 149.)

Diese Gedanken" selbst aber enthalten keinen Solipsismus, und der Empiriokritizismus ist durchaus kein Wiederkäuen der reaktionären Theorie der Immanenzphilosophen, die wohl lügen, wenn sie ihre Sympathie für Avenarius bekunden!

Das ist keine Philosophie, ihr Herren Machisten, das ist ein sinnloser Wortschwall.

5. Denkt der Mensch mit dem Gehirn?

Basarow bejaht diese Frage mit voller Entschiedenheit

Wenn man“ – schreibt er – „der Theorie Plechanows: ,das Bewusstsein ist ein innerer (? – Basarow) Zustand der Materie', eine mehr befriedigende Form gäbe, z. B.: ,ein jeder psychische Vorgang ist die Funktion eines Gehirnprozesses', so würden weder Mach noch Avenarius dagegen ankämpfen." („Beiträge ,zur' Philosophie des Marxismus", S. 29.)

Für die Maus gibt es kein stärkeres Tier als die Katze. Für die russischen Machisten gibt es keinen Materialisten, der stärker wäre als Plechanow. Hat wirklich nur Plechanow, oder hat Plechanow zum ersten Mal jene materialistische These: das Bewusstsein ist ein innerer Zustand der Materie, aufgestellt? Und wenn Basarow die Formulierung des Materialismus bei Plechanow missfiel, warum setzte er sich dann mit Plechanow auseinander und nicht mit Engels, nicht mit Feuerbach?

Weil die Machisten die Wahrheit fürchten. Sie bekämpfen den Materialismus und tun so, als ob sie Plechanow bekämpften: eine feige und prinzipienlose Methode.

Gehen wir aber zum Empiriokritizismus über. Avenarius „würde nicht dagegen ankämpfen", dass der Gedanke eine Funktion des Gehirns sei. Diese Worte Basarows enthalten eine direkte Unwahrheit. Nicht nur kämpft Avenarius gegen die materialistische These an, er schafft eine ganze „Theorie", um gerade diese These zu widerlegen.

Das Gehirn“ – sagt Avenarius im ,Menschlichen Weltbegriff' – „ist kein Wohnort, Sitz, Erzeuger, kein Instrument oder Organ, kein Träger oder Substrat usw. des Denkens.

Das Denken ist kein Bewohner oder Befehlshaber, keine andere Hälfte oder Seite usw., aber auch kein Produkt, ja nicht einmal eine physiologische Funktion oder nur ein Zustand überhaupt des Gehirns." (§ 132, S. 76. Von Mach beifällig zitiert in seiner „Analyse der Empfindungen", S. 22, Anm.)

Nicht weniger entschieden drückt sich Avenarius in seinen „Bemerkungen" aus: Die „Vorstellungen" sind „keine (physiologische, psychische, psychophysische) Funktion des Gehirns". (§ 115.) Die Empfindungen sind keine „psychischen Funktionen des Gehirns." (§ 116.)

Also ist das Gehirn nach Avenarius kein Organ des Gedankens, der Gedanke keine Funktion des Gehirns. Nehmen wir Engels, und wir werden sofort eine diametral entgegengesetzte, offen materialistische Formulierung sehen. „Denken und Bewusstsein" – sagt Engels im „Anti-Dühring" – sind „Produkte des menschlichen Hirns". (S. 22.) Der gleiche Gedanke wird mehrmals in dieser Schrift wiederholt. Im „Ludwig Feuerbach" lesen wir folgende Darstellung der Ansichten Feuerbachs und Engels':

„… dass die stoffliche, sinnlich-wahrnehmbare Welt, zu der wir selbst gehören, das einzig Wirkliche, und dass unser Bewusstsein und Denken, so übersinnlich es scheint, das Erzeugnis eines stofflichen, körperlichen Organs, des Gehirns ist. Die Materie ist nicht ein Erzeugnis des Geistes, sondern der Geist ist selbst nur das höchste Produkt der Materie. Dies ist natürlich reiner Materialismus." (Engels, „L. Feuerbach", S. 18.)

Oder auf Seite 4, wo die Rede ist von der bloßen Widerspiegelung der Natur „im denkenden Hirn" usw. usf.

Diesen materialistischen Standpunkt lehnt Avenarius ab, indem er das „Denken des Gehirns" als „Fetischismus der Naturwissenschaft" bezeichnet. („Der menschliche Weltbegriff", 2. Aufl., S. 70.) Avenarius macht sich also nicht die geringsten Illusionen darüber, dass er in diesem Punkte von der Naturwissenschaft entschieden abweicht. Ebenso wie Mach und alle Immanenzphilosophen gibt er zu, dass die Naturwissenschaft auf einem instinktiven, unbewusst materialistischen Standpunkt steht. Er gibt zu und erklärt ausdrücklich, dass er von der „herrschenden Psychologie" unbedingt abweicht. („Bemerkungen", § 39 und viele andere.) Diese herrschende Psychologie begeht die unerlaubte „Introjektion" – so heißt ein neues abgequältes Wörtchen unseres Philosophen –, d. h. die Hineinverlegung des Gedankens in das Gehirn oder der Empfindungen in uns. Diese zwei Worte („in uns"), sagt Avenarius ebenda, enthalten in sich jene Annahme, die von dem Empiriokritizismus bestritten wird. „Diese Hineinverlegung des , Gesehenen' usw. in den Menschen ist es also, welche als Introjektion bezeichnet wird." (§ 45.)

Die Introjektion weicht „prinzipiell" von dem natürlichen Weltbegriff ab, indem sie aus dem „Vor mir" ein „In mir" (§ 46), „aus dem Bestandteil der (realen) Umgebung' einen Bestandteil des (ideellen) Denkens' …, aus dem ,Amechanischen' (ein neues Wort an Stelle von ,Psychischem'), das sich im Vorgefundenen frei und klar offenbart, ein im Zentralnervensystem geheimnisvoll Latitierendesm (wieder ein neues Wort) macht". (§ 46.)

Hier haben wir dieselbe Mystifikation vor uns, die wir schon bei der sattsam bekannten Verteidigung des „naiven Realismus" durch die Empiriokritizisten und Immanenzphilosophen gesehen haben. Avenarius handelt nach dem Rat des Turgenjewschen Schwindlers: man muss vor allem solche Laster schelten, die man selber hat. Avenarius sucht sich den Anschein zu geben, als bekämpfe er den Idealismus: aus der Introjektion werde gewöhnlich der philosophische Idealismus abgeleitet, die Außenwelt in eine Empfindung, eine Vorstellung usw. verwandelt; ich aber verteidige den „naiven Realismus", die gleiche Realität alles Gegebenen, sowohl des „Ich" wie der Umgebung, ohne die Außenwelt in das menschliche Hirn hinein zu verlegen.

Hier ist ganz dieselbe Sophistik, die wir an dem Beispiel der berüchtigten Koordination beobachtet haben. Indem Avenarius die Aufmerksamkeit des Lesers durch Ausfälle gegen den Idealismus ablenkt, verteidigt er in Wirklichkeit denselben Idealismus mit etwas anderen Worten: der Gedanke ist nicht Gehirnfunktion, das Gehirn ist nicht Organ des Gedankens, die Empfindungen sind nicht Funktion des Nervensystems, nein, die Empfindungen – das sind „Elemente", die in der einen Verbindung nur psychische, in einer anderen Verbindung aber (obwohl „identische" Elemente) physische sind. Mit Hilfe einer neuen, verworrenen Terminologie, neuer, gekünstelter Wörtchen, die eine angeblich neue „Theorie" ausdrücken sollen, dreht sich Avenarius auf demselben Fleck herum, um dann zu seiner idealistischen Grundvoraussetzung zurückzukehren.

Und wenn unsere russischen Machisten (wie z. B. Bogdanow) die „Mystifikation" nicht bemerkt haben und in seiner „neuen" Verteidigung eine Widerlegung des Idealismus sahen, so finden wir in der durch philosophische Spezialisten vorgenommenen kritischen Analyse des Empiriokritizismus eine nüchterne Wertung des Wesens der Ideen von Avenarius, das nach Abstreifung der gekünstelten Terminologie zum Vorschein kommt.

Im Jahre 1903 schrieb Bogdanow in dem Aufsatz: „Das autoritäre Denken" (in dem Sammelband „Aus der Psychologie der Gesellschaft", S. 119 ff.):

Richard Avenarius gab das best konstruierte und vollendetste philosophische Bild der Entwicklung des Dualismus von Geist und Körper. Das Wesen seiner ,Introjektionslehre' besteht in Folgendem: unmittelbar beobachten wir nur die physischen Körper, und schließen nur hypothetisch auf fremde Erlebnisse, d. h. auf das Psychische anderer Menschen … Die Hypothese wird dadurch kompliziert, dass die Erlebnisse eines anderen Menschen in dessen Leib versetzt, in seinen Organismus hinein verlegt (introjiziert) werden. Dies ist schon eine überflüssige Hypothese, die noch dazu eine Menge von Widersprüchen mit sich bringt. Avenarius zählt diese Widersprüche systematisch auf, indem er eine kontinuierliche Reihe der geschichtlichen Momente in der Entwicklung sowohl des Dualismus wie des philosophischen Idealismus entrollt. Wir brauchen Avenarius aber hier nicht weiter zu folgen. Die Introjektion erscheint als Erklärung des Dualismus von Geist und Körper."

Bogdanow lässt sich von der Professorenphilosophie einfangen und glaubt wirklich, dass sich die „Introjektion" gegen den Idealismus richtet. Er nahm die Wertung der Introjektion, wie sie Avenarius selbst gegeben hat, für bare Münze, ohne den Stachel zu bemerken, der gegen den Materialismus gerichtet ist. Die Introjektion bestreitet, dass der Gedanke Gehirnfunktion ist, dass die Empfindungen Funktionen des Zentralnervensystems des Menschen sind, d. h. sie bestreitet, um den Materialismus zu vernichten, die elementarste Wahrheit der Physiologie. Der „Dualismus“ erweist sich als idealistisch widerlegt (ungeachtet alles diplomatischen Wetterns von Avenarius gegen den Idealismus); denn Empfindung und Gedanke erscheinen nicht als das Sekundäre, nicht als das von der Materie Abgeleitete, sondern als das Primäre. Avenarius hat hier den Dualismus nur insofern widerlegt, als er die Existenz des Objekts ohne Subjekt, der Materie ohne Gedanken, der von unseren Empfindungen unabhängigen Außenwelt „widerlegt" hat, d. h. er hat den Dualismus idealistisch widerlegt. Die absurde Leugnung der Tatsache, dass das sichtbare Bild des Baumes die Funktion meiner Netzhaut, Nerven und meines Gehirns ist, brauchte Avenarius, um die Theorie der „unauflöslichen" Verbindung der „vollen" Erfahrung zu bekräftigen, die sowohl unser „Ich" als auch den Baum, d. h. die Umgebung in sich schließt.

Die Lehre von der Introjektion ist eine Konfusion, mit deren Hilfe idealistischer Unsinn eingeschmuggelt wird, und sie steht im Widerspruch mit der Naturwissenschaft, die unerschütterlich dabei beharrt, dass der Gedanke Funktion des Gehirns ist, dass die Empfindungen, d. h. die Abbildungen der Außenwelt, in uns existieren, hervorgerufen durch die Einwirkung der Dinge auf unsere Sinnesorgane. Die materialistische Beseitigung des „Dualismus von Geist und Körper" (d. h. der materialistische Monismus) besteht darin, dass der Geist nicht unabhängig vom Körper existiert, dass er das Sekundäre, eine Funktion des Gehirns, die Widerspiegelung der Außenwelt ist. Die idealistische Beseitigung des „Dualismus von Geist und Körper" (d. h. der idealistische Monismus) besteht darin, dass der Geist nicht eine Funktion des Körpers ist, dass der Geist folglich das Primäre ist, dass die „Umgebung" und das „Ich" nur in der unauflöslichen Verbindung ein und derselben „Elementenkomplexe" existieren. Außer diesen zwei einander entgegengesetzten Arten der Beseitigung des „Dualismus von Geist und Körper" kann es keine dritte Art geben, wenn man den Eklektizismus nicht mitrechnen will, d. h. die widersinnige Vermengung von Materialismus und Idealismus. Gerade diese Vermengung bei Avenarius erschien Bogdanow u. Co. „eine Wahrheit außerhalb des Materialismus und des Idealismus" zu sein.

Die Philosophen von Fach sind aber nicht so naiv und vertrauensselig, wie die russischen Machisten. Es ist wahr, jeder dieser Herren ordentlichen Professoren verteidigt sein „eigenes" System der Widerlegung des Materialismus oder zumindest der „Versöhnung" von Materialismus und Idealismus, – aber wenn es sich um einen Konkurrenten mit einem „originellen" und „allerneuesten" System handelt, da enthüllen sie rücksichtslos die darin enthaltenen zusammenhanglosen Stückchen von Materialismus und Idealismus. Wenn auch am Köder des Avenarius einige junge Intellektuelle hängengeblieben sind, so gelang es doch nicht, den alten Fuchs Wundt auf den Leim zu locken. Der Idealist Wundt entlarvte den Grimassenschneider Avenarius sehr unhöflich, obzwar er ihm für die antimaterialistische Tendenz der Introjektionslehre auf die Schulter klopft.

Wenn der Empiriokritizismus“ – schrieb Wundt – „dem vulgären Materialismus vorwirft, dass er mit Ausdrücken, wie das Gehirn ,habe' oder ,bewirke' das Denken, ein durch tatsächliche Beobachtung und Beschreibung (als ,Tatsache' betrachtet W. Wundt scheinbar, dass der Mensch ohne Gehirn denkt, L.) überhaupt nicht konstatierbares Verhältnis ausdrücke so ist diese Rüge gewiss gerechtfertigt." (Zit. Art., S. 47 u. 48.)

Und ob! Gegen den Materialismus gehen die Idealisten immer mit den Halbheitstheoretikern Mach und Avenarius!

Es ist nur schade, fügt Wundt hinzu, dass die Theorie der Introjektion

mit der Lehre von der ,unabhängigen Vitalreihe' in gar keiner Beziehung steht, vielmehr sichtlich erst nachträglich und in einer ziemlich gekünstelten Weise dieser von außen angepasst wurde." (S. 365.)

In der Introjektion, sagt Oskar Ewald, ist „nicht mehr als eine Fiktion des Empiriokritizismus zu erblicken, der ihrer bedarf, um seine eigenen Irrtümer zu decken." (l. c, S. 44.)

So sieht man sich vor einen seltsamen Widerspruch gestellt: auf der einen Seite soll die Ausschaltung der Introjektion und die Restitution des natürlichen Weltbegriffs der Welt den Charakter lebendiger Realität wieder schenken; auf der anderen Seite führt der Empiriokritizismus in der Prinzipialkoordination zu jener rein idealistischen Annahme einer absoluten Korrelativität von Gegenglied und Zentralglied. Avenarius bewegt sich demnach im Kreise. Er war gegen den Idealismus zu Felde gezogen und streckte die Waffen, bevor es zu einer offenen Feindseligkeit kommen konnte. Aus der Haft des Subjektes wollte er die Welt der Objekte befreien, um sie alsbald wieder an dasselbe zu ketten. Was er wirklich kritisch aufzuheben vermag, ist eher ein Zerrbild des Idealismus als dessen adäquate erkenntnistheoretische Ausdrucksform." (l. c, S. 64 u. 65.)

In seinen häufig angeführten Darlegungen“ – sagt Norman Smith –, „dass das Gehirn weder Sitz noch Organ noch Träger des Gedankens sei, verwirft Avenarius die einzigen Termini, die wir haben, um ihre Beziehung (zwischen Bewusstsein und Gehirn) zu definieren." (Zit. Art., S. 30.)

Es ist auch nicht verwunderlich, dass die von Wundt gebilligte Theorie der Introjektion den Beifall des aufrichtigen Spiritualisten James Wardn findet, der einen systematischen Kampf gegen „Naturalismus und Agnostizismus" führt, besonders gegen Huxley, nicht weil dieser, wie Engels ihm vorwarf, ein zu wenig entschiedener und bestimmter Materialist war, sondern weil sich hinter seinem Agnostizismus eigentlich der Materialismus verstecke.

Es sei noch bemerkt, dass der englische Machist K. Pearson, der auf alle philosophischen Kunstkniffe verzichtet und weder „Introjektion" noch „Koordination" noch die „Entdeckung der Weltelemente" anerkennt, zu dem unausweichlichen Resultat kommt, zu dem der Machismus, wenn er dieser „Deckungen" beraubt ist, gelangen muss, nämlich: zum reinen subjektiven Idealismus. Pearson kennt keine „Elemente". Die „Sinneswahrnehmungen" (sense impressions) sind sein erstes und letztes Wort. Er zweifelt nicht im Geringsten daran, dass der Mensch mit dem Gehirn denkt. Und der Widerspruch zwischen dieser These (der einzigen, die der Wissenschaft entspricht) und dem Ausgangspunkt seiner Philosophie ist offenbar und augenfällig. In seinem Kampfe gegen den Begriff Materie, die von unseren Sinneswahrnehmungen unabhängig existieren soll, gerät Pearson aus dem Häuschen. (Kap. VII in „The Grammar of Science".) Indem er alle Argumente Berkeleys wiederholt, erklärt Pearson, die Materie sei ein Nichts. Sobald es sich aber um die Beziehung von Gehirn und Gedanke handelt, erklärt er entschieden:

Von dem Willen und von dem Bewusstsein, die mit dem materiellen Mechanismus verbunden sind, können wir nicht auf etwas dem Willen und Bewusstsein Ähnliches ohne diesen Mechanismus schließen."o

Als Ergebnis des diesbezüglichen Teils seiner Forschungen stellt Pearson sogar die These auf:

Außerhalb eines dem unsrigen verwandten Nervensystems hat das Bewusstsein keinen Sinn. Es ist unlogisch, zu behaupten, dass die ganze Materie bewusst sei (es ist aber logisch anzunehmen, dass die ganze Materie eine Eigenschaft besitzt, die dem Wesen nach der Empfindung verwandt ist, die Eigenschaft der Abbildung. L.), es ist noch unlogischer, zu behaupten, dass Bewusstsein oder Wille außerhalb der Materie existieren." (a. a. O., S. 75, zweite These.)

So ergibt sich bei Pearson eine heillose Konfusion! Die Materie ist nichts anderes als Gruppen von Sinneswahrnehmungen, das ist seine Voraussetzung, das ist seine Philosophie. Also ist die Empfindung und der Gedanke das Primäre, die Materie das Sekundäre. Aber nicht doch: – das Bewusstsein existiert nicht ohne Materie, ja scheinbar sogar nicht ohne Nervensystem! Das heißt also, Bewusstsein und Empfindung erweisen sich als das Sekundäre. Das Wasser hält sich auf der Erde, die Erde auf dem Walfisch, der Walfisch auf dem Wasser. Die Machschen „Elemente", die Avenariussche Koordination und Introjektion lösen diese Wirrnis nicht auf, sie verdunkeln die Sache nur und verwischen die Spuren durch gelehrt-philosophisches Kauderwelsch.

Ein ebensolches Kauderwelsch, über das ein paar Worte genügen dürften, ist die absonderliche Terminologie von Avenarius, der eine unendliche Fülle von diversen „Notalen", „Sekuralen", „Fidentialen" usw. usw. geschaffen hat. Unsere russischen Machisten umgehen größtenteils diesen professoralen Galimathias schamhaft, indem sie nur dann und wann auf den Leser (zur Betäubung) mit irgendeinem „Existenzial" und dergleichen los knallen. Aber wenn naive Leute diese Wörtchen für eine besondere Biomechanik hinnehmen, so lachen die deutschen Philosophen – die zwar selbst eine Vorliebe für „gelehrte" Worte haben – Avenarius doch aus.

Mit dem ,Notal' z. B. ist gar nicht mehr gesagt, als dass irgendein Wahrnehmungs- oder Erkenntnisinhalt für bekannt gilt."

So Wundt in dem Kapitel „Scholastischer Charakter des empiriokritischen Systems". Und wirklich, das ist die reinste und aussichtsloseste Scholastik. Einer der ergebensten Schüler von Avenarius, R. Willy, hatte den Mut, das aufrichtig zu gestehen:

Avenarius schwebte als wissenschaftliches Ideal eine Biomechanik vor … Allein zu Einsichten in das Gehirnleben könnte man, da wir ja hier erst am Anfang aller Einsicht stehen, nur durch tatsächliche Entdeckungen – aber unmöglich in der Art, wie dies Avenarius versuchte, gelangen. Die Biomechanik von Avenarius stützt sich auf gar keine neuen Beobachtungen; ihr Eigentümliches sind durchaus nur schematische Begriffskonstruktionen, und zwar solche, die nicht einmal den Charakter von Hypothesen, die eine Perspektive gewähren –: sondern von bloßen Spekulierschablonen haben, die sich uns, wie eine Festung, vor die Aussicht setzen."p

Die russischen Machisten werden bald jenen Modenarren gleichen, die vor einem von den bürgerlichen Philosophen Europas abgetragenen Hut in Verzückung geraten.

6. Über den Solipsismus von Mach und Avenarius

Wir sehen, dass Ausgangspunkt und Grundvoraussetzung der Philosophie des Empiriokritizismus der subjektive Idealismus ist. Die Welt ist unsere Empfindung – das ist die Grundvoraussetzung, die zwar durch das Wörtchen „Element" und die Theorien der „unabhängigen Reihe", der „Koordination" und der „Introjektion" vertuscht, aber nicht im Geringsten verändert wird. Die Absurdität dieser Philosophie liegt darin, dass sie zum Solipsismus führt, zur Annahme der alleinigen Existenz eines einzigen, philosophierenden Individuums. Unsere russischen Machisten aber versichern dem Leser, dass es „äußerster Subjektivismus" sei, Mach des „Idealismus oder gar des Solipsismus" zu „beschuldigen". So äußert sich Bogdanow in der Einleitung zur „Analyse der Empfindungen"q (S. XI), und die ganze Gesellschaft der Machisten wiederholt es in den verschiedensten Variationen.

Nachdem wir auseinandergesetzt haben, wie sich Mach und Avenarius vor dem Solipsismus schützen, müssen wir noch eines hinzufügen: der „äußerste Subjektivismus" der Behauptungen liegt ganz auf Seiten von Bogdanow u. Co., denn in der philosophischen Literatur wurde diese Hauptsünde des Machismus von den Schriftstellern der verschiedensten Richtungen unter allen seinen Verschleierungen längst aufgedeckt. Wir beschränken uns auf eine einfache Aufzählung der Meinungen, die den „Subjektivismus" der Unkenntnis unserer Machisten zur Genüge beweisen. Dabei ist wohl zu beachten, dass die Philosophen von Fach fast alle der einen oder andern Spielart des Idealismus huldigen: in ihren Augen ist der Idealismus durchaus kein Vorwurf, wie für uns Marxisten. Sie konstatieren nur die wirkliche philosophische Richtung von Mach, wobei sie dem einen idealistischen System ein anderes, ebenfalls idealistisches System entgegenstellen, das sie für konsequenter halten.

O. Ewald sagt in seinem der Analyse der Avenariusschen Lehre gewidmeten Buch: „Der Schöpfer des Empiriokritizismus verurteilt sich nolens volens zum Solipsismus." (l. c, S. 61 u. 62.)

Hans Kleinpeter, ein Jünger Machs, der im Vorwort zu „Erkenntnis und Irrtum" seine Solidarität mit ihm ausdrücklich betont, weist darauf hin,

„… dass gerade Mach ein Beispiel für die Verträglichkeit eines erkenntnistheoretischen Idealismus mit den Anforderungen der Naturwissenschaft (für die Eklektiker ist nun einmal alles ,verträglich'. L.) ist und dass letztere sehr wohl vom Solipsismus ausgehen kann, ohne bei ihm stehen bleiben zu müssen." („Archiv für systematische Philosophie", Bd. VI, 1900, S. 87.)

E. Lucka in einer Besprechung der „Analyse der Empfindungen" von Mach:

Abgesehen von diesem… Missverständnis steht Mach auf dem Boden des reinen Idealismus Es ist unverständlich, dass Mach sich dagegen verwahrt, Berkeleyaner zu sein." (Kantstudien, Bd. VIII, 1903, S. 416 u. 417.)

W. Jerusalem, ein erzreaktionärer Kantianer, mit dem sich Mach in demselben Vorwort solidarisiert („eine viel tiefere Verwandtschaft" der Gedanken, als Mach früher dachte – S. X, Vorwort zu „Erkenntnis und Irrtum", 1906):

Der ganz zu Ende gedachte Phänomenalismus führt zum Solipsismus." (Daher muss man sich so nebenbei ein paar Sachen von Kant zulegen! Siehe „Der kritische Idealismus und die reine Logik", Wien 1905, S. 26. L.)

R. Hönigswald:

„… stellt die Anhänger der immanenten Philosophie und die Schule der Empiriokritiker vor die Alternative zwischen Solipsismus und einer Metaphysik etwa im Sinne Fichtes, Schellings oder Hegels." („Über die Lehre Humes von der Realität der Außendinge", 1904, S. 68.)

Der englische Physiker Oliver Lodge spricht in einem Buch gegen den Materialisten Haeckel so nebenbei, wie von etwas allgemein Bekanntem, von „Solipsisten, wie Pearson und Mach". (Sir Oliver Lodge: „La Vie et la Matière", Paris 1907, S. 15.)

Was den Machisten Pearson betrifft, so sprach das Organ der englischen Naturforscher „Nature" durch den Mund des Geometers Edward T. Dixon eine ganz bestimmte Meinung aus, die Wert ist, wiedergegeben zu werden, nicht etwa weil sie neu ist, sondern weil die russischen Machisten naiverweise Machs philosophische Konfusion für eine „Philosophie der Naturwissenschaft" hingenommen haben. (Bogdanow, S. XII ff. des Vorwortes zur „Analyse der Empfindungen".)

Die Grundlage des ganzen Werkes von Pearson“ – schrieb Dixon – „ist folgender Satz: da wir nichts anderes unmittelbar kennen können als Sinneswahrnehmungen (sense impressions), sind die Dinge, von denen wir gewöhnlich als objektiven und äußeren Gegenständen sprechen, nichts anderes als Gruppen von Sinneswahrnehmungen. Aber Professor Pearson gibt die Existenz fremder Bewusstseine zu; er tut das nicht bloß stillschweigend, indem er sich an sie mit seinem Buche wendet, sondern auch ausdrücklich an vielen Stellen seines Buches."

Auf die Existenz des fremden Bewusstseins schließe Pearson nach der Analogie, indem er die Körperbewegungen der anderen Leute beobachtet: sei aber einmal das fremde Bewusstsein real, so gebe es auch über die Existenz der Menschen außer mir keinen Zweifel!

Gewiss würde es nicht möglich sein, auf diese Weise einen konsequenten Idealisten zu widerlegen, der da behauptete, dass nicht nur Außendinge, sondern auch alle fremden Bewusstseine unwirklich seien und nur in seiner Einbildung existieren. Aber die Realität fremder Bewusstseine anerkennen, heißt die Realität jener Mittel anerkennen, durch die wir auf das fremde Bewusstsein schließen, d. h. … das Außenbild der menschlichen Körper."

Der Ausweg aus dieser Schwierigkeit sei die Anerkennung der „Hypothese", dass unseren Sinneswahrnehmungen eine objektive Realität außer uns entspricht. Diese Hypothese erkläre vollkommen befriedigend unsere Wahrnehmungen:

Ich kann nicht ernstlich daran zweifeln, dass Professor Pearson selbst ebenso an sie glaubt, wie alle anderen Menschen auch. Würde er dies jedoch ausdrücklich anerkennen, dann müsste er fast jede Seite seiner Schrift ,The Grammar of Science' neu schreiben."r

Spott und Hohn – das ist die Antwort der denkenden Naturforscher auf die idealistische Philosophie, die Machs Entzücken hervorruft.

Zum Schluss noch die Äußerung eines deutschen Physikers, L. Boltzmann. Die Machisten werden vielleicht mit Friedrich Adler sagen, dass er ein Physiker der alten Schule sei. Es handelt sich aber jetzt nicht um Theorien der Physik, sondern um eine Grundfrage der Philosophie. Boltzmann wendet sich gegen die Leute, die „durch die neuen erkenntnistheoretischen Dogmen ganz befangen sind", und schreibt:

Überhaupt hat das Misstrauen zu den aus den direkten Sinneswahrnehmungen erst abgeleiteten Vorstellungen zu dem dem früheren naiven Glauben entgegengesetzten Extrem geführt: nur die Sinneswahrnehmungen sind uns gegeben, daher – heißt es – darf man keinen Schritt darüber hinausgehen. Aber wäre man konsequent, so müsste man weiter fragen: sind uns auch unsere gestrigen Sinneswahrnehmungen gegeben? Unmittelbar gegeben ist uns doch nur die eine Sinneswahrnehmung oder der eine Gedanke, den wir jetzt im Moment denken. Wäre man konsequent, so müsste man nicht nur alle anderen Wesen außer dem eigenen Ich, sondern sogar alle Vorstellungen, die man zu allen früheren Zeiten hatte, leugnen."s

Den sogenannten „neuen", „phänomenologischen" Standpunkt von Mach u. Co. behandelt dieser Physiker verdientermaßen als eine alte Absurdität des philosophischen, subjektiven Idealismus.

Nein, mit „subjektiver" Blindheit sind jene Leute geschlagen, die den Solipsismus als den Hauptfehler Machs „übersehen" haben.

A E. Mach, „Die Geschichte und die Wurzel des Satzes von der Erhaltung der Arbeit". Vortrag gehalten in der k. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften am 15. Nov. 1871. Prag 1872 (zweiter, unveränderter Abdruck, Leipzig 1909), S. 57 u. 58.

B E. Mach, „Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt". 3. Aufl., Leipzig 1897, S. 473.

C Friedrich Engels, „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft". 5. Aufl., Stuttgart 1904, S. 6.

D E. Mach, „Erkenntnis und Irrtum". 2. Aufl., 1906, S. 12, Anmerkung.

E Avenarius, „Der menschliche Weltbegriff", 1891, Vorwort, S. XI.

F F. van Couwelaert, „L'empiriocriticisme" in „Revue neo-scholastique". 1907, Februar, S. 51.

G Rudolf Willy, „Gegen die Schulweisheit. Eine Kritik der Philosophie". München, Alb. Langen, 1905, S. 172.

H A. Bogdanow: „Die Grundelemente der historischen Auffassung der Natur". Petersburg 1899, S. 216 (russisch).

I Karl Pearson, „The grammar of science". 2-d ed. London 1900, S. 326.

J „Analyse der Empfindungen", S. 4. Vgl. das Vorwort zu „Erkenntnis und Irrtum", 2. Aufl.

K Henri Poincaré, „La valeur de la science". Paris 1905, passim. t

L P. Duhem, „La theorie physique, son objet et sa structure". Paris 1906. Vgl. S. 6 u. 10. „Die Entdeckung der Weltelemente"

M Friedrich Adler, „Die Entdeckung der Weltelemente (zu Ernst Machs 70. Geburtstag)", „Der Kampf", 1908, Nr. 5 (Februar).

N Mach, „Analyse der Empfindungen": „Man nennt diese Elemente gewöhnlich Empfindungen. Da aber in diesem Namen schon eine einseitige Theorie liegt, so ziehen wir vor, kurzweg von Elementen zu sprechen". S. 17 u. 18.

O E. Mach, „Analyse der Empfindungen": „Der Gegensatz zwischen Ich und Welt, Empfindung oder Erscheinung und Ding fällt dann weg, und es handelt sich lediglich um den Zusammenhang der Elemente …" (S. 11.)

P Joseph Petzoldt, „Einführung in die Philosophie der reinen Erfahrung". Bd. I, Leipzig 1900, S. 113: „Als Elemente sind bezeichnet die Klasse der Empfindungen, im gewöhnlichen Sinne einfacher, nicht noch weiter zerlegbarer Wahrnehmungen".

Q W. Lessewitsch, „Was ist die wissenschaftliche (lies: modische, professorale, eklektische) Philosophie?", Petersburg 1891 (russisch), S. 229 u. 247.

R Petzoldt, Bd. 2, Leipzig 1904, S. 329.

S R. Avenarius, „Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie" in „Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie", Bd. 18, 1894, und Bd. 19, 1895 (abgedruckt zusammen mit „Der menschliche Weltbegriff", 3. Aufl., Leipzig 1912. Die Red.).

T A. Bogdanow, „Die Grundelemente der historischen Auffassung der Natur". S. 216. Vgl. die oben angeführten Zitate.

U Oskar Ewald, „Richard Avenarius als Begründer des Empiriokritizismus". Berlin 1905, S. 66.

V P. Juschkewitsch, „Materialismus und kritischer Realismus". St. Petersburg 1908 (russisch), S. 15.

W W. Wundt, „Über naiven und kritischen Realismus" in „Philosophische Studien", Bd. XIII, 1898, S. 334.

X Vorwort zu „Ludwig Feuerbach", datiert vom Februar 1888. Diese Worte von Engels beziehen sich auf die deutsche Professorenphilosophie überhaupt. Die Machisten, die Marxisten sein möchten, aber nicht imstande sind, sich in die Bedeutung und den Inhalt dieses Gedankens von Engels zu vertiefen, verstecken sich mitunter hinter der jämmerlichen Ausrede, Engels habe Mach noch nicht gekannt (Friedrich Adler). Worauf gründet sich diese Meinung? Dass Engels weder Mach noch Avenarius zitiert hat? Andere Gründe gibt es nicht, dieser Grund ist aber unzureichend, da Engels keinen der Eklektiker mit Namen nennt. Dass er aber Avenarius nicht gekannt haben soll, der seit 1876 eine Vierteljahrsschrift für „wissenschaftliche" Philosophie herausgab, ist kaum anzunehmen.

1 Aus einer russischen Fabel. Anmerkung des Übersetzers.

Y Eduard v. Hartmann, „Die Weltanschauung der modernen Physik", Leipzig 1902, S. 219.

Z J. Petzoldt, „Einführung in die Philosophie der reinen Erfahrung", Bd. I, S. 351.

Ä Bogdanow, „Empiriomonismus", Buch I, 2. Aufl., S. 21.

Ö Ebenda S. 93.

Ü Fr. Carstanjen, „Der Empiriokritizismus, zugleich eine Erwiderung auf W. Wundts Aufsätze". Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie, Jahrg. 22 (1898), S. 73 u. 214.

a R. Avenarius, „Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie". § 24.

b Johann Gottlieb Fichte, „Sonnenklarer Bericht an das größere Publikum über das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie. Ein Versuch, den Leser zum Verstehen zu zwingen". Berlin 1801, S. 178 u. 179. (2. Aufl., Leipzig 1922 Philosophische Bibliothek – S. 81 u. 82.)

c Zit. Artikel § C: „Die immanente Philosophie und der Berkeley sehe Idealismus", S. 373 u. 375, vgl. S. 386 u. 407. Über die Unvermeidlichkeit des Solipsismus von diesem Standpunkt: S. 381.

d Norman Smith, „Avenarius, Philosophy of Pure experience" in „Mind", Bd. XV, 1906, S. 28.

e W. Schuppe, „Die Bestätigung des naiven Realismus". Offener Brief an Herrn Prof. Dr. Richard Avenarius. Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 17, 1893, S. 364–388 (abgedruckt im „Menschlichen Weltbegriff" von Avenarius, 3. Aufl., Leipzig 1912. Die Seitenzahlen beziehen sich auf diese Auflage. Die Redaktion).

f Rudolf Willy: „Gegen die Schulweisheit", S. 170.

g „Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie", § 184.

h J. G. Fichte, „Recension des Änesidemus", 1794, Sämtliche Werke, Bd. I, S. 19.

iVierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie", Band XX, 1896, S. 72.

j R. Willy: „Gegen die Schulweisheit", 1905, S. 173–178.

k Wir werden uns darüber besonders mit den Machisten auseinandersetzen.

l L. Feuerbach: Sämtliche Werke, herausgegeben von W. Bolin und Fr. Jodl, Band VII, Stuttgart 1903, S. 510; oder Karl Grün: „L. Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlass sowie in seiner philosophischen Charakterentwicklung", Band I, Leipzig 1874, S. 423–435.

m sich Verbergendes.

n James Ward: „Naturalism and Agnosticism", 3rd ed., London 1906, vol. II, p. 171 u. 172.

o K. Pearson, „The Grammar of Science", 2nd. Ed. London 1900, S. 58.

p R. Willy, Gegen die Schulweisheit. S. 169. Der pedantische Petzoldt würde solche Zugeständnisse natürlich nicht machen; mit der Selbstzufriedenheit des Philisters käut er die „biologische" Scholastik von Avenarius wieder (Bd. I, Kap. II).

q Es handelt sich um die Einleitung Bogdanows zur russischen Ausgabe dieses Werkes von E. Mach. Die Red.

rNature", 21. July 1892, S. 269.

s Dr. Ludwig Boltzmann, „Populäre Schriften", Leipzig 1905, S. 132. Vgl. S. 168, 177, 187 und andere.

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