Redaktion 19171006 Die Bolschewiki und die revolutionären Lynchgerichte der Volksmassen

Redaktion: Die Bolschewiki und die revolutionären Lynchgerichte der Volksmassen

[Nach Bote der Russischen Revolution. Organ der ausländischen Vertretung des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) Nr. 4, 6. Okt. 1917, S. 9]

Die Erschießung der Offiziere in Wiborg und auf dem Linienschiff Petropawlowsk nötigte die Regierung sich an das Zentralkomitee der Sowjets mit der Bitte zu wenden, eine Delegation nach Finnland zu senden, die die Ereignisse untersuchen und Maßregeln gegen ihre Wiederholung treffen sollte. Das Zentralkomitee der Sowjets wollte unter anderen Delegierten auch den Gen. Trotzki als Vertreter der Bolschewiki nach Finnland senden. Darauf erteilte Trotzki in der Sitzung des Zentralkomitees im Namen der bolschewistischen Fraktion folgende Antwort: „die provisorische Regierung führt unabhängig von den revolutionären Organisationen eine Politik, die in ihrer Wurzel falsch, gegen das Volk gerichtet und kontrolllos ist. Führt diese Politik zur Katastrophe, da fordert man von den revolutionären Organisationen die Hinderung der unausweichbaren Folgen der Politik des Wankens und der Willkür. Das Unnormale und Falsche dieses Verhältnisses der Regierung zu den revolutionären Organisationen tritt am krassesten in dem gegebenen Fall zu Tage. Der Admiral Werderewski, der sich an uns mit der Bitte um Hilfe wandte, war vor kurzem zur gerichtlichen Verantwortung gezogen. Zusammen mit ihm waren in derselben Angelegenheit Matrosen arretiert. Aber während inzwischen der Admiral Minister wurde, befinden sich die arretierten Matrosen immer noch in Haft, angeklagt auf Grund des § 108. Dybenko, der Vorsitzende des Zentralkomitees der baltischen Flotte sitzt noch in den Kresty. Was für eine Vorstellung von der offiziellen Gerechtigkeit können unter solchen Umständen die Matrosen haben? Was für ein Vertrauen können sie zur Regierung haben? und was für ein Recht hätten wir, Hand in Hand mit den Vertreten der jetzigen Regierung aufzutreten und für sie die Verantwortung vor den Massen zu tragen?

Schauen wir weiter. Ihr verlangt, dass ein Vertreter unserer Partei, angesichts ihres großen Einflusses auf die Flotte, an Eurer Delegation teilnehme. Eine der Aufgaben dieser Delegation, wie ihr sie formuliert, ist die Untersuchung, ob sich in den Garnisonen Provokateure, und Spione befinden. Es ist klar, dass falls sich dort Provokateure und Spione befinden, sie entdeckt und verhaftet werden müssen. Aber wie könnt ihr die Augen davor schließen, dass die Agenten derselben Regierung, der zu helfen ihr jetzt unsere Partei auffordert, auf die Führer und Mitglieder derselben Partei die infamste aller möglichen Anschuldigungen geworfen haben, die Anschuldigung des Staatsverrats, der Hilfeleistung an den deutschen Kaiser, der Arbeit zu Gunsten des deutschen Imperialismus. Und dann fordert ihr, dass ich an an der Delegation teilnehme, die dem Admiral Werderewski helfen soll, deutsche Agenten zu fangen!

Im Kampfe gegen die Selbstgerichte schreiten wir selbstständig. Wir halten diese spontanen Selbstgerichte für sehr schädlich, desorganisatorisch vom Standpunkt der revolutionären Selbsterhaltung der Soldaten- u. Matrosenmasse. Diesen Kampf führen wir nicht Hand in Hand mit dem Staatsanwalt und den Spionen der Regierung, sondern als revolutionäre Partei, die überzeugt, organisiert und erzieht."

Die bolschewistische Fraktion brachte im Petrograder Sowjet eine Resolution ein, die die Lynchgerichte der Soldaten und Matrosen als Resultat der Politik der Regierung erklärt, die jedes Vertrauen der Arbeitermasse zu der Regierungsgerechtigkeit untergrabe, aber gleichzeitig wendet sich die bolschewistische Fraktion an die Arbeiter- und Soldatenmassen mit der Warnung vor solchen Gerichten, die keine Garantie der Gerechtigkeit geben.

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