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Dekret über die Zentralisierung der Verwaltung der Eisenbahnen

Gemeint ist die „Verordnung des Rates der Volkskommissare über die Zentralisierung der Verwaltung, die Bewachung der Eisenbahnen und die Hebung ihrer Leistungsfähigkeit“ vom 26. März 1918. Diese Verordnung, die die Rechte der Kollegien beschränkte und das Prinzip der persönlichen Verantwortung einführte, rief unter den Sozialrevolutionären und den Menschewiki eine heftige Agitation gegen die „Verordnung über das Diktatorentum“ hervor. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 25, Anm. 83]

Damit ist das Dekret des Rates der Volkskommissare über die Zentralisierung der Verwaltung der Eisenbahnen, ihrem Schutz und die Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit gemeint, das in den „Iswestija“ vom 26. März 1918 veröffentlicht wurde. Es wurde durch die außerordentlich schwere Lage im Transportwesen veranlasst, die zu einem völligen Zerfall der ohnedies stark erschütterten Volkswirtschaft des Landes zu führen drohte.

Dem Volkskommissariat für Verkehrswesen standen damals ungefähr 650.000 Waggons und 20.000 Lokomotiven zur Verfügung. Bereits gegen Ende 1917 erreichte die Zahl der kranken Lokomotiven und Waggons die kolossale Höhe von 30 Prozent. Besonders stark machte sich das rapide Wachstum des Prozentsatzes der kranken Lokomotiven bemerkbar. So betrug die Zahl der reparaturbedürftigen Lokomotiven zu Beginn des Jahres 1916 16,8 Prozent der Gesamtzahl, Anfang 1917 16,5 Prozent, im April 1917 17,2 Prozent, im April 1918 dagegen 38,5 Prozent.

Die Brennstoffvorräte verminderten sich geradezu katastrophal. Im Jahre 1916 beliefen sich diese Vorräte auf 50 Millionen Pud (1 Pud = 16 Kilo), am 1. Januar 1918 auf 9 Millionen, am 1. April 1918 auf nur mehr 5,4 Millionen Pud.

Die Folge davon war, dass die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen stark zu sinken begann.

Die Einführung einer eisernen Arbeitsdisziplin war eine unerlässliche Voraussetzung für die Besserung der Lage im Transportwesen. Zur Erzielung dieser Disziplin wurde das Dekret über die Reorganisierung der Eisenbahnverwaltung erlassen. Die wichtigste Bestimmung dieses Dekrets war die Einführung der Alleinverantwortlichkeit und einer straffen Zentralisation der Verwaltung des Transportwesens. Wir zitieren hier einige Punkte des Dekrets:

„… 5. Weder den Behörden der Föderativen Sowjetrepubliken noch den Gebiets- oder sonstigen lokalen Sowjetbehörden steht das Recht zu, sich in die Verwaltung des Transportwesens einzumischen, da die Eisenbahnen, wenn sie auch ein bestimmtes Territorium durchqueren, ihrem Wesen nach exterritorial sind, weil sie den Bedürfnissen der gesamten Republik dienen. Sämtliche föderativen, Gebiets- und sonstigen lokalen Sowjetbehörden haben den Eisenbahnern jedwede Unterstützung zu erweisen, einschließlich der Bereitstellung bewaffneter Hilfe, falls irgendwelche Organisationen den Versuch machen sollten, sich dem vorliegenden Dekret nicht zu fügen.

6. Jedes lokale, Bezirks- oder Gebietseisenbahnzentrum wählt aus seiner Mitte den aktivsten, der Sowjetmacht ergebensten Genossen, einen Eisenbahnfachmann, und stellt ihn an die Spitze seines Zentrums als den dem Volkskommissar für Verkehrswesen gegenüber verantwortlichen administrativ-technischen Leiter. In dieser Person verkörpert sich die ganze Fülle der diktatorischen Macht des Proletariats dm gegebenen Eisenbahnzentrum. Diese Amtsperson wird vom Volkskommissar für Verkehrswesen bestätigt … “

Dieses Dekret über die Verwaltung der Eisenbahnen wurde sowohl von allen kleinbürgerlichen Parteien als auch von den „linken“ Kommunisten einer heftigen Kritik unterzogen. Das Gemeinsame, das alle Gegner des Dekrets vereinigte, war ihre kleinbürgerliche Einstellung zur Arbeitsdisziplin und zur Alleinverantwortlichkeit. So sahen insbesondere die „linken“ Kommunisten, die die Wichtigkeit der einen wie der anderen für den Kampf gegen die wirtschaftliche Zerrüttung und für den sozialistischen Aufbau nicht begriffen, in dem Dekret eine Wendung vom „Kommunestaat“ zu einer bürokratischen Verwaltung. Sie schrieben darüber in ihren „Thesen über die gegenwärtige Lage“ (siehe Anm. 148 zum vorliegenden Band): „Die Form der Staatsverwaltung muss sich in der Richtung der bürokratischen Zentralisation, der Herrschaft verschiedener Kommissare, der Beseitigung der Selbständigkeit der lokalen Sowjets und des faktischen Verzichts auf den Typus des von unten sich verwaltenden ,Kommunestaates' entwickeln. Zahlreiche Tatsachen zeigen, dass hier sich bereits eine ganz bestimmte Tendenz entwickelt (die Verordnung über die Verwaltung der Eisenbahnen, die Artikel vom Lazis usw.)“ Diese und ähnliche Äußerungen machten die „linken" Kommunisten zum Sprachrohr des kleinbürgerlichen Elements, dessen Bekämpfung eine der Hauptaufgaben des damaligen Augenblicks bildete. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 8]

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