Glossar‎ > ‎

Brüsseler Block

Der Bericht des ZK der SDAPR für die Brüsseler Beratung der Vertreter der SDAPR, die auf Beschluss des Internationalen Sozialistischen Büros im Dezember 1913 stattfand, ist in zwei unvollständigen Niederschriften erhalten geblieben. Die eine Niederschrift ist ein Manuskript von Lenin, die andere eine Abschrift von unbekannter Hand, die von Lenin durchgesehen worden ist (in dieser Handschrift befinden sich Notizen von Lenin). Auf Grund dieser beiden Niederschriften konnte der Bericht zusammengestellt werden, aber er ist offenkundig nicht vollständig. Eine Ergänzung zu dem Bericht, die von Lenin geschrieben ist (diese Einschaltung ist im Texte des vorliegenden Bandes in einer Fußnote vermerkt), wurde von der Redaktion der Sämtlichen Werke eingefügt, die sich dabei, da sie über keine genaueren Angaben verfügte, nur von dem Inhalte dieser Ergänzung leiten ließ. Außer dem Manuskript des Berichtes sind noch die Manuskripte „Private Bemerkungen" und die Notizen „Nicht in den Bericht aufzunehmen" erhalten geblieben, die instruktive Richtlinien für die bei der Beratung auftretenden Vertreter des ZK der SDAPR und Entwürfe von Erklärungen darstellen für den Fall, dass die in den Anmerkungen berührten Fragen angeschnitten werden sollten.

Die Brüsseler Vereinigungsberatung fand am 16. und 17. Juli 1914 statt. Es waren bei ihr 11 Gruppen vertreten: 1. das ZK der SDAPR (Bolschewiki) durch I. F. Armand (Petrowa), M. F. Wladimirski, I. F. Popow; 2. das Organisationskomitee (Menschewiki) und die ihm angeschlossenen Organisationen – das kaukasische Gebietskomitee und die Gruppe „Borjba" durch Martow, Semkowski, Romanow (Nikitin), Trotzki, Axelrod, Tria (Mgeladse), Surabow; 3. die menschewistische Dumafraklion durch Tschenkeli; 4. „Jedinstwo" durch Plechanow; 5. die Gruppe „Wperjod" durch Alexinski; 6. der „Bund" durch Jonow und Borissow; 7. die Sozialdemokratie Lettlands durch Bersin; S. die Sozialdemokratie Litauens durch Kapsukas; 9. die polnischen Sozialdemokraten durch Rosa Luxemburg; 10, die Opposition der polnischen Sozialdemokratie durch Hanecki; 11. die PPS (Linke) durch Lapinski (Löwenson) und Walecki.

Von der Exekutive des ISB nahmen an der Beratung Kautsky, Vandervelde, Huysmans, Anseele, Němec und Rubanowitsch teil.

Den Bericht des ZK verlas Inessa Armand in französischer Sprache.

Nach dem Beschluss des ISB sollte die Beratung den Charakter eines allgemeinen Meinungsaustausches über die Frage der Möglichkeit einer Wiederherstellung der Einheit in der SDAPR tragen. Verbindliche Beschlüsse sollten keine gefasst werden, es sollten auch keinerlei Abstimmungen erfolgen.

Diese Linie wurde jedoch von den Vertretern der Exekutive des ISB nicht eingehalten. Huysmans beantragte im Namen der Exekutive eine von Kautsky ausgearbeitete Resolution (siehe „Dokumente und Materialien", Nr. 4). Als Antwort auf den Widerspruch der Vertreter des ZK der SDAPR (der Bolschewiki) und auf ihre Erklärung, dass die Bolschewiki es ablehnen, sich an einer Abstimmung über diese Resolution zu beteiligen, beschuldigte Huysmans die Bolschewiki des Bestrebens, die Einheit zu zerschlagen. „Wer an der Abstimmung über die Resolution nicht teilnimmt, nimmt vor dem Angesicht der Internationale die Verantwortung für das Scheitern der Versuche, die Einheit herzustellen, auf sich, was auch auf dem Kongresse in Wien festgestellt werden wird."

Für die Resolution Kautskys stimmten alle mit Ausnahme der Bolschewiki und der Letten. Interessant ist, dass die oppositionellen polnischen Sozialdemokraten, die „Spalter" mit der Mehrheit stimmten und die Vertreter des ZK der SDAPR nicht unterstützten.

Die Brüsseler „Vereinigungs"-Beratung blieb ohne Ergebnis, um so mehr als bald darauf der Krieg ausbrach.

Ein offizieller Bericht über die Beratung wurde nicht veröffentlicht, seine Veröffentlichung war im Zusammenhang mit dem für August 1914 geplanten Internationalen Kongress in Wien vorgesehen; dieser Kongress konnte wegen des Kriegsausbruches nicht stattfinden. Nach der Brüsseler Beratung fand eine private Beratung des Organisationskomitees (samt der ihm angeschlossenen Gruppe „Borjba" und der ihm ebenfalls angeschlossenen Kaukasischen sozialdemokratischen Gebietsorganisation), der Gruppe „Wperjod" und der Gruppe „Jedinstwo" statt, auf der ein „Block" gegen die Bolschewiki gebildet wurde. Diese private Beratung beschloss eine Resolution, in der sich die Teilnehmer zu gemeinsamem Handeln, zur Zusammenarbeit verpflichteten, und beschlossen, für den bevorstehenden Wiener Internationalen Kongress eine vereinigte Delegation zusammenzustellen. [Band 17]

Der „Brüsseler Block“, eine antibolschewistische Vereinigung, entstanden auf der „Einigungs“-Konferenz, die vom Internationalen Sozialistischen Büro am 16.-17. (3.-4.) Juli 1914 nach Brüssel einberufen worden war, mit dem Zweck, einen Zusammenschluss der verschiedenen Fraktionen und Gruppen der russischen Sozialdemokratie herbeizuführen. Es beteiligten sich an dieser Konferenz die Mitglieder des Exekutiv-Komitees des Internationalen Sozialistischen Büros – Vandervelde, Anseele, Bertrand, Huysmans, Kautsky, Rubanowitsch, Němec, sowie die Delegierten folgender Organisationen und Gruppen: Organisations-Komitee der Liquidatoren (Axelrod, Martow u. a.), Jüdischer Arbeiter-Bund (Abramowitsch), Gruppe „Borjba“ („Kampf“) (Trotzki), Gruppe „Wperjod“ („Vorwärts“) (Alexinski), Gruppe „Jedinstwo“ („Einheit“) (Plechanow). PPS (Walecki), Litauische Sozialdemokratie (Mickewicz-Kapsukas), Polnische Sozialdemokratie (R. Luxemburg), Polnische Sozialdemokratische Opposition (Hanecki und Malecki); ferner Delegierte des ZK der SDAPR. (Inessa Armand, M. F. Wladimirski und I. F. Popow), des ZK der lettischen Sozialdemokratie (J. A. Bersin u. a.).

Im Namen des ZK der SDAPR. verfasste Lenin für die Konferenz ein Referat, worin er das Wesen der Differenzen darstellte und aus der proletarischen Massenbewegung Tatsachen beibrachte, die die Richtigkeit der bolschewistischen Auffassung bestätigten und die Liquidatoren entlarvten. Das ZK weigerte sich, das „Experiment“ des Zusammenschlusses mit den Liquidatoren, das von verschiedenen antibolschewistischen Gruppen gemacht worden war, zu wiederholen, solange die Liquidatoren nicht mit ihrer ganzen Taktik brechen, „nicht aufhören, Liquidatoren zu sein“. Als Bedingungen für den Zusammenschluss stellte Lenin eine Reihe von Punkten auf, deren wichtigste folgende waren: 1. Bestätigung der von der Pariser Konferenz im Dezember 1908 (Januar 1909 neuen Stils) und von dem Januar-Plenum von 1910 gefassten Parteibeschlüsse über die Liquidatoren, insbesondere die Anerkennung dessen, dass alle Versuche, die Rolle der illegalen Partei zu verkleinern, mit der Zugehörigkeit zur SDAPR unvereinbar seien; 2. Annahme der grundlegenden revolutionären Losungen – demokratische Republik und Enteignung der Gutsbesitzer-Ländereien; 3. Durchführung des Prinzips der internationalen Einheit der Sozialdemokratie; 4. Unzulässigkeit der Blockbildung mit der PPS. und den Sozialrevolutionären; 5. Durchführung der Einheit von unten und überall Schaffung von illegalen sozialdemokratischen Organisationen; 6. Vorbehaltlose Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit; 7. Einstellung der hauptsächlich von bürgerlichen Kreisen finanzierten, die Partei desorganisierenden Petersburger Liquidatoren-Zeitung („Sewernaja Rabotschaja Gaseta“ – „Arbeiter-Zeitung des Nordens“); 8. Verpflichtung der Fraktion Tschcheïdse zur Anerkennung der Führung durch das ZK. Vor Annahme dieser Bedingungen sei jedes Abkommen mit den Liquidatoren als unzulässig zu betrachten.

Die von der Konferenz angenommene Resolution – die Delegierten des ZK der SDAPR. und der lettischen Sozialdemokratie beteiligten sich an der Abstimmung nicht – erklärte, dass zwischen den auf der Konferenz vertretenen Gruppen und Richtungen wesentliche Meinungsverschiedenheiten nicht beständen, die ein „Fortbestehen der Spaltung rechtfertigen könnten“; ohne auf die zahlreichen Tatsachen einer Schädigung der Parteiarbeit durch die Liquidatoren einzugehen, beschränkte sich die Konferenz auf die Versicherung, dass, sofern „alle Gruppen das Parteiprogramm anerkennen“, sie „selbstverständlich auch die Partei anerkennen“ und auf die Erklärung, dass die Parteiorganisation in der gegenwärtigen Situation „notwendigerweise eine illegale sein muss“. Die Blockbildung mit den Sozialrevolutionären und der PPS., deren Vertreter der Konferenz beiwohnte, mit Schweigen übergehend, beschränkte sich die Resolution auf Ablehnung der Blockbildung mit bürgerlichen Parteien; endlich wurde noch die Einberufung eines „allgemeinen“ Kongresses zur Lösung der strittigen Programmfragen, darunter auch der Frage der „kulturell-nationalen Autonomie“, als Notwendigkeit bezeichnet. Eine Kritik der „Vergangenheit“ einzelner Gruppen als „fruchtlos“ und „schädlich“ vermeidend, beschränkte sich die Resolution auf allgemeine Redensarten über die Notwendigkeit der Einheit.

Die Arbeiten der Brüsseler Konferenz blieben praktisch ohne jede Bedeutung; der bald darauf ausbrechende imperialistische Krieg zerstörte endgültig alle Illusionen über die Möglichkeit einer Vereinigung von revolutionären Sozialdemokraten und Liquidatoren. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 18, Anm. 29]

Der „Brüsseler Block“ war eine antibolschewistische Vereinigung, die aus einer vom Internationalen Sozialistischen Büro der II. Internationale im Juli 1914 in Brüssel abgehaltenen Beratung zum Zwecke der Vereinigung der verschiedenen Fraktionen und Gruppen der russischen Sozialdemokratie hervorgegangen war. An dieser Beratung hatten die Mitglieder des Vollzugskomitees des Internationalen Sozialistischen Büros (darunter Vandervelde und Kautsky) und Vertreter des menschewistischen OK, des Bund, der Trotzkischen Gruppe „Borjba“, der Plechanowschen Gruppe „Jedinstwo“, der Polnischen Sozialistischen Partei, der litauischen Sozialdemokratie, der Sozialdemokratie Polens und Litauens, der polnischen sozialdemokratischen Opposition und der lettländischen Sozialdemokratie teilgenommen. Auf der Beratung erschienen auch Vertreter des bolschewistischen ZK, die ihren Standpunkt in einem besonderen Bericht des ZK vorlegten, den Lenin geschrieben hatte. In dem Bericht wurde das Wesen der Meinungsverschiedenheiten dargelegt und die Unmöglichkeit der Vereinigung mit den Liquidatoren nachgewiesen, solange diese nicht aufhören, Liquidatoren zu sein. Als Hauptbedingung der Vereinigung wurde die Bestätigung jener Beschlüsse der Partei aufgestellt, in denen das Liquidatorentum verurteilt wird, sowie die Anerkennung der These, dass alle Versuche, die Rolle der illegalen Partei herabzusetzen, unvereinbar sind mit der Zugehörigkeit zur SDAPR, ferner die Annahme der wichtigsten revolutionären Losungen (demokratische Republik und Konfiszierung des Großgrundbesitzes) und die unbedingte Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit in der Partei. Die Resolution der Brüsseler Beratung, an deren Abstimmung die Vertreter des bolschewistischen ZK und der lettischen Sozialdemokratie nicht teilnahmen, verneinte 1. das Vorhandensein derartiger Meinungsverschiedenheiten, die eine „weitere Spaltung rechtfertigen könnten; 2. sagte sie über die illegale Partei, dass alle Gruppen dadurch, dass sie das Programm der Partei anerkennen, „selbstverständlich auch die Partei selbst" anerkennen und dass die Organisation der Partei im gegenwärtigen Moment notwendigerweise illegal sein müsse; 3. sprach die Resolution von der Notwendigkeit der Einberufung eines „allgemeinen Parteitages zur Entscheidung über die strittigen Programmfragen“, und 4. lehnte die Resolution die Kritik der „Vergangenheit“ der einzelnen Gruppen als „unfruchtbar und schädlich“ ab und sprach in allgemeinen Phrasen von der Notwendigkeit der Einheit. Die Beschlüsse dieser Beratung hatten jedoch keinerlei praktische Bedeutung. Der Krieg machte allen Versuchen der Opportunisten, den Bolschewismus durch eine derartige „Vereinigung“ abzuwürgen, für immer ein Ende. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 5, Anm. 28]

Kommentare