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nationale Bewegung in Indien nach 1905

Die nationale Bewegung in Indien belebte sich seit 1905 wieder. In der 21. Session des sogenannten Nationalkongresses (einer nationalen Organisation der indischen fortschrittlichen Bourgeoisie und der bürgerlichen Intellektuellen, die 1885 gegründet wurde) im Jahre 1905 wurde das Programm des ausschließlichen Verbrauchs einheimischer Erzeugnisse und des Boykotts ausländischer Gewebe angenommen. Dieses Programm war die Antwort der jungen indischen Bourgeoisie auf die Politik Englands, die auf die Hinderung der industriellen Entwicklung Indiens gerichtet war. Vom Moment der Annahme dieses Programms entfaltete sich in ganz Indien die Propaganda für den Boykott der ausländischen Waren und für die Eröffnung eigener einheimischer Fabriken und Banken. Und besonders mächtig entfaltete sich diese Propaganda in Bengalen, der reichsten Provinz Indiens. Die englische Regierung beantwortete die Bewegung des Boykotts mit dem Gesetz über die Teilung Bengalens in zwei Provinzen zu dem Zwecke, damit in der einen der beiden neuen Provinzen die indische, in der anderen die mohammedanische Bevölkerung überwiege, was die Feindseligkeit zwischen diesen beiden Bevölkerungsteilen sehr verschärfte. Der indische Nationalkongress erklärte hierauf im Jahre 1907 den Boykott aller englischen Waren bis zur Aufhebung des Gesetzes über die Teilung Bengalens. Zu dieser Zeit zeigte sich auch das erste Aufflackern der Arbeiterbewegung; im Jahre 1906 streikten die Eisenbahner und die Kohlengräber, im Jahre 1907 die Arbeiter der Jutefabriken in Kalkutta, der Hauptstadt Indiens. Staatssekretär für Indien in der englischen Regierung war zu dieser Zeit (von 1906 bis 1910) der Liberale John Morley. Er beantwortete die Befreiungsbewegung in Indien mit einer Reihe von Unterdrückungsmaßnahmen Aus den Archiven wurde ein Gesetz aus dem Jahre 1818 herausgeholt, kraft dessen der Generalgouverneur das Recht hatte, politisch verdächtige Leute ohne Gerichtsurteil auszuweisen. Ferner wurde auf Grund zweier besonderer Gesetze vom Jahre 1908 der Bevölkerung streng untersagt, irgendwelche Sprengstoffe und Waffen anzufertigen oder aufzubewahren. Eine ganze Reihe indischer Revolutionäre wurde aus Indien ausgewiesen. Der Führer des linken Flügels der nationalen Bewegung, der sogenannten „Extremisten“, Tilak, wurde 1908 zu sechs Jahren Kerker verurteilt, und zwar wegen der Artikel, die er über die Schreckensherrschaft in Indien geschrieben hatte. Auch gegen die Presse regnete es Unterdrückungsmaßnahmen. Die Zeitungen wurden verboten oder in jeder Hinsicht verfolgt. Unter anderen wurde auch die von Lenin erwähnte Zeitung „Justice“ verboten. Zum März 1909 befanden sich 130 indische Journalisten im Gefängnis oder in der Verbannung. Alles das konnte jedoch die Bewegung in Indien, wenigstens für die allernächste Zeit, nicht zum Stillstand bringen. Gegen Ende 1908 und während des ganzen Jahres 1909 gab es eine ganze Reihe von Anschlägen gegen die Beamten der englischen Verwaltung. Diese Anschläge riefen ihrerseits immer wieder neue Unterdrückungsmaßnahmen hervor. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 131]

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