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Konferenz der kleinbürgerlichen linksnarodnikischen Parteien der verschiedenen Nationen

Die Konferenz der kleinbürgerlichen linksnarodnikischen Parteien der verschiedenen Nationen oder, anders gesagt, die Konferenz der national-sozialistischen Parteien Russlands fand vom 16. bis 20 April 1907 in Finnland statt. Sie war auf Grund eines Beschlusses des II. außerordentlichen Parteitags der Partei der Sozialrevolutionäre (Februar 1907) nach einer Anregung des Vertreters der Jüdischen Sozialistischen Arbeiterpartei („Serp"), der als Gast auf dem Parteitag anwesend war, einberufen worden.

An der Konferenz beteiligten sich Vertreter der Partei der Sozialrevolutionäre, der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), der Revolutionären Fraktion der PPS („Fraki"), der Weißrussischen Hromada, der Jüdischen Sozialistischen Arbeiterpartei („Serp"), der armenischen Partei „Daschnakzutjun", der georgischen Partei der Föderalistischen Sozialisten. Als der Kongress geschlossen wurde, erschien ein Vertreter des Lettischen Sozialdemokratischen Verbandes, der die Solidarität mit den Beschlüssen der Konferenz zum Ausdruck brachte.

Das einleitende theoretische Referat über das Wesen und die Stellung des nationalen Problems im Rahmen der sozialistischen Weltanschauung erstattete der Vertreter der „Serp", M. Gaidarow. Die Debatte über dieses Referat zeigte unter den Teilnehmern Meinungsverschiedenheiten in den prinzipiellen Anschauungen über die nationale Frage. Das Referat „Über den Schutz der Interessen der nationalen Minderheiten bei den Parlamentswahlen" erstattete Losow, über die Agrarfrage im Kaukasus referierte Andrejew. Der Vertreter des „Serp" M. Borissow referierte über die Ausarbeitung eines national-sozialistischen Programms, nach welchem jede Nation als besonderer exterritorialer, d. h. als ein vom Siedlungsgebiet unabhängiger öffentlich-rechtlicher Verband anzuerkennen ist; es wurde die exterritoriale Autonomie sowie die Errichtung einer nationalen Selbstverwaltung in der Form nationaler Gemeinden und Landtage gefordert. Zum Referat über das Programm wurden zwei Resolutionen vorgelegt. In der ersten Resolution hieß es: „Die Lösung der Frage der nationalen Rechte der Minderheitsvölker, die nicht ihr eigenes Siedlungsgebiet haben, kann nicht ausschließlich auf dem Wege der territorialen Autonomie und der lokalen Selbstverwaltung erreicht werden, weshalb die Schaffung exterritorialer, mit öffentlich-rechtlichem Charakter ausgestatteter Organe der nationalen Selbstverwaltung innerhalb des Russischen Reiches eine notwendige Voraussetzung ist für die Lösung der nationalen Frage und für die Befreiung der werktätigen Klassen von der Notwendigkeit, mit der Bourgeoisie ein Bündnis zur Verteidigung der nationalen Rechte einzugehen." In der zweiten Resolution wurde von der Frage der Schaffung exterritorialer nationaler Verbände öffentlich-rechtlichen Charakters gesagt, dass sie zur Diskussion gestellt und in der Parteiliteratur weiter erörtert werden soll.

Für die erste Resolution, die die Anerkennung des Prinzips der national-kulturellen Autonomie enthielt, stimmten die Vertreter der Jüdischen Sozialistischen Arbeiterpartei („Serp"), des Daschnakzutjun, der weißrussischen Hromada und der georgischen Föderalistischen Sozialisten. Die Weißrussen und die Georgier stimmten erst nach ernstlichen Schwankungen für die Resolution. Die Vertreter der Partei der Sozialrevolutionäre und der „Fraki" enthielten sich der Abstimmung.

Außerdem fasste die Konferenz eine Reihe von Beschlüssen, u. a. über die alljährliche Einberufung einer Konferenz der national-sozialistischen Parteien, über die Organisierung eines besonderen Sekretariats zur Durchführung der Beschlüsse der Konferenz, über die Beziehungen zwischen den nationalen sozialistischen Parteien und über die Herausgabe eines periodischen Organs des Sekretariats. [Band 17]

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