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Parteitag der deutschen Sozialdemokratie 1901 in Lübeck

Der Lübecker Parteitag fand im September 1901 statt. Er beschäftigte sich ebenfalls mit dem Auftreten Bernsteins und den Revisionisten. In der Resolution wurde Bernsteins Name direkt angeführt, und es hieß darin unter anderem: „Der Parteitag erkennt rückhaltlos die Notwendigkeit der Selbstkritik für die geistige Fortentwicklung unserer Partei an. Aber die durchaus einseitige Art, wie der Genosse Bernstein diese Kritik in den letzten Jahren betrieb unter Außerachtlassung der Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und ihren Trägern, hat ihn in eine zweideutige Position gebracht und die Missstimmung eines großen Teils der Parteigenossen erregt. In der Erwartung, dass der Genosse Bernstein sich dieser Erkenntnis nicht verschließt und danach handelt, geht der Parteitag zur Tagesordnung über.“ Diese Resolution war von Bebel und Kautsky vorgelegt worden, die eine versöhnlerische Haltung einnahmen. Diese versöhnlerische Haltung der Führer der deutschen Sozialdemokratie hat zum Siege des Revisionismus zunächst in der Praxis der Partei viel beigetragen. [Ausgewählte Werke Band 2]

Der Lübecker Parteitag der deutschen Sozialdemokratie tagte vom 22. bis zum 28. September 1901. Auf diesem Parteitag stand ebenso wie auf dem Hannoverschen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit die Frage des Kampfes gegen den Revisionismus. Zur Zeit dieses Parteitages war in der deutschen Sozialdemokratie ein rechter Flügel hervorgetreten mit einem eigenen Aktionsprogramm und einem eigenen literarischen Organ, den „Sozialistischen Monatsheften", an denen E. Bernstein, v. Vollmar, Auer, W. Heine, David, Woltmann, Schippel u. a. mitarbeiteten. Besondere Entrüstung rief in der Partei das öffentliche Auftreten Bernsteins in einer parteilosen Studentenversammlung hervor, wo er den wissenschaftlichen Sozialismus kritisierte. Eine Reihe von Parteiorganisationen verurteilte die Ansichten Bernsteins aufs Schärfste, das Zentralorgan der Partei aber, der „Vorwärts" bezog Bernstein und seiner Rede in der Studentenversammlung gegenüber die Position wohlwollender Neutralität. Um die Frage des Bernsteinianertums entbrannten auf dem Parteitag lebhafte Diskussionen. Bernstein forderte in seiner Rede „Freiheit der Kritik". Heine und David solidarisierten sich mit Bernstein. Bebel und Kautsky vertraten eine „zentristische" Position, indem sie das Bernsteinianertum kritisierten, gleichzeitig aber auch dem linken Flügel (hauptsächlich Parvus und seinen Artikeln über die Revisionisten in der „Neuen Zeit") gegenüber eine ablehnende Haltung einnahmen. Zuerst wurde über die Resolution Heine abgestimmt, die die „Freiheit der Kritik" forderte und die Frage Bernsteins mit Stillschweigen überging. Nach Ablehnung dieser Resolution nahm der Parteitag eine Resolution Bebels an, in der Bernstein persönlich genannt war, die jedoch die Frage des Bestehens eines rechten Flügels in der Partei im ganzen nicht aufrollte.

Der Parteitag erkennt rückhaltlos die Notwendigkeit der Selbstkritik für die geistige Fortentwicklung unserer Partei an. Aber die durchaus einseitige Art, wie der Genosse Bernstein diese Kritik in den letzten Jahren betrieb, unter Außerachtlassung der Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und ihren Trägern, hat ihn in eine zweideutige Position gebracht und die Missstimmung eines großen Teiles der Parteigenossen erregt.

In der Erwartung, dass der Genosse Bernstein sich dieser Erkenntnis nicht verschließt und danach handelt, geht der Parteitag zur Tagesordnung über."

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