Kronstadt
war im Jahre 1917 einer der wichtigsten revolutionären Mittelpunkte.
Die Matrosen der baltischen Flotte, die Garnison von Kronstadt und
die Werkstättenarbeiter waren bereits im Frühjahr außerordentlich
revolutionär gestimmt und fest um ihren Rat organisiert. Die
bolschewistische
Organisation
besaß großen Einfluss auf die Massen. Anlässlich eines Konfliktes
zwischen dem Rat und dem Regierungskommissar von Kronstadt,
Pepelajew,
hatte der Kronstädter Rat am 17./30. Mai 1917 eine Resolution
gefasst, wonach das Amt des Regierungskommissars aufzuheben und die
gesamte
Macht
dem Kronstädter Rat zu übergeben ist. Die Resolution lautete: „Die
einzige Macht in Kronstadt ist der Rat der Arbeiter- und
Soldatendeputierten, der in allen Angelegenheiten staatlicher Natur
mit dem Petrograder Rat der Arbeiter- und Soldatendeputierten in
unmittelbare Verbindung tritt." Die Resolution wurde von
Parteilosen eingebracht und von der parteilosen Mehrheit des Rates
mit Unterstützung der Bolschewiki und der linken
Sozialrevolutionäre
angenommen. Die Provisorische
Regierung
posaunte darauf den „Abfall Kronstadts" vom russischen Reich
in die Welt hinaus. Die bürgerliche und die
menschewistisch-sozialrevolutionäre
Presse erhob ein Geschrei über die Gründung einer „Kronstädter
Republik". Zur Beilegung des Konfliktes fuhren zunächst die
Vertreter des Petrograder Rates Tschcheïdse,
Götz
u.a.
nach Kronstadt, und später die Minister Zereteli
und Skobeljew,
denen es gelang, mit dem Kronstädter Rat einen Kompromiss zu
schließen. Es wurde vereinbart, dass der Kronstädter Rat einen
Kandidaten für den Posten des Regierungskommissars namhaft macht,
der von der Provisorischen Regierung bestätigt wird. Außerdem wurde
noch folgende Resolution allgemein-politischer Art angenommen: „In
Beantwortung der Frage der Vertreter der Provisorischen Regierung, I.
G. Zereteli
und M. I. Skobeljew,
über die Stellung zur Zentralgewalt erklärt der Kronstädter Rat
der Arbeiter- und Soldatendeputierten: ,Wir unsererseits erkennen
diese Gewalt vollkommen an. Die Anerkennung schließt natürlich die
Kritik nicht aus und den Wunsch, dass die revolutionäre Demokratie
eine neue Organisation der Zentralgewalt schaffe, indem sie die
gesamte Macht in die Hände der Räte der Arbeiter- und
Soldatendeputierten legt. Wir hoffen, dass es uns durch geistige
Beeinflussung der Auffassungen der Mehrheit der Demokratie gelingen
wird diese Mehrheit auf den Weg zu bringen, der von uns als der
einzig richtige angesehen wird. Doch solange dies nicht erreicht ist,
solange die Mehrheit mit uns nicht einverstanden ist und die heutige
Provisorische Regierung unterstützt, erkennen wir diese Regierung an
und betrachten ihre Verordnungen und Gesetze als ebenso gültig für
Kronstadt wie für alle übrigen Teile Russlands'…"
(„Iswestija"
des Petrograder Rates, Nr. 74 vom 25. Mai/7. Juni 1917.) Lenin
missbilligte
die vorzeitige Aktion der Kronstädter; die weitere Arbeit der
bolschewistischen Fraktion sowie die Verhandlungen über die
Beilegung des Konflikts erfolgten dann unter seiner unmittelbaren
Leitung. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.2, Anm. 20] Lenin meint hier seinen Artikel „Eine grundsätzliche Frage. ,Vergessene Worte' der Demokratie“, der in Nummer 68 der „Prawda“ veröffentlicht wurde. In diesem Artikel äußert sich Lenin zu dem Konflikt zwischen dem Kronstädter Arbeiter- und Soldatendeputiertenrat und der Provisorischen Regierung. Der Kern des Konfliktes bestand darin, dass der Kronstädter Arbeiter- und Soldatenrat, in welchem die Bolschewiki großen Einfluss besaßen, am 17./30. Mai 1917 eine Resolution über die Aufhebung der Funktion des Regierungskommissars und über die Übernahme der ganzen Macht durch den Kronstädter Arbeiter- und Soldatenrat beschloss. In dieser Resolution hieß es: „Die einzige Macht in Kronstadt ist der Rat der Arbeiter- und Soldatendeputierten, der in allen Angelegenheiten staatlicher Natur mit dem Petrograder Rat der Arbeiter- und Soldatendeputierten in unmittelbare Verbindung tritt.“ Die Provisorische Regierung posaunte darauf den „Abfall Kronstadts vom Russischen Reich“ in die Welt hinaus. Zur Beilegung des Konfliktes fuhren zunächst die Vertreter des Petrograder Rates Tschcheïdse, Goz u. a. nach Kronstadt, und später die Minister Zereteli und Skobeljew, denen es gelang, mit dem Kronstädter Rat ein Kompromiss zu schließen. Es wurde vereinbart, dass der Kronstädter Rat einen Kandidaten für den Posten des Regierungskommissars namhaft macht, der von der Provisorischen Regierung bestätigt wird. Lenin schrieb aus diesem Anlass in dem hier angeführten Artikel: „ … der Kronstädter Zwischenfall hat eine sehr wichtige grundsätzliche, programmatische Frage aufgeworfen, an der kein ehrlicher Demokrat, geschweige denn ein Sozialist gleichgültig vorübergehen kann. Das ist die Frage nach dem Recht der Zentralgewalt, die von der Ortsbevölkerung gewählten Beamten zu bestätigen.“ Die Menschewiki, zu denen Zereteli und Skobeljew gehörten und die die Resolution über die Bestätigung des politischen Kommissars durch die Provisorische Regierung durchsetzten, ließen außer Acht, dass dies den Grundsätzen der Demokratie widerspricht. Darum erinnerte sie Lenin an „die Ansicht eines Schriftstellers …, der wahrscheinlich auch in den Augen Zeretelis und Skobeljews seine wissenschaftliche und marxistische Autorität noch nicht ganz eingebüßt hat“. „Dieser Schriftsteller“ – setzte Lenin fort – „ist Friedrich Engels.“ Engels hatte in seinem Brief an Kautsky über das Erfurter Programm das Recht der Zentralregierung auf Ernennung der unteren Funktionäre der Verwaltung entschieden abgelehnt und für das Programm den folgenden Punkt vorgeschlagen: „Vollständige Selbstverwaltung in Provinz, Kreis und Gemeinde durch nach allgemeinem Stimmrecht gewählte Beamte. Abschaffung aller von Staatswegen ernannten Lokal- und Provinzialbehörden.“ Den unterstrichenen Teil dieser Forderung schlug auch Lenin in dem von Engels formulierten Wortlaute für das Minimalprogramm der bolschewistischen Partei vor. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 32] |
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