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B. 19380200 Zur Lage in Österreich

B.: Zur Lage in Österreich

[Nach Der Einzige Weg. Zeitschrift für die Vierte Internationale. Nr. 3 (März 1938), S. 67-70]

Im Februar 1934 zertrümmerte die österreichische Bourgeoisie alle, auch die versöhnlerischsten Arbeiterorganisationen und liquidierte die verschiedenen politischen Interessenvertretungen der Bourgeoisie, indem sie diese durch eine einzige, mit dem Staatsapparat eng verknüpfte faschistische Partei, die «Vaterländische Front», ersetzte. Die österreichische Bourgeoisie setzte sich dasselbe Ziel, wie jede Bourgeoisie, die zur faschistischen Herrschaftsform übergeht: die Arbeiterklasse sollte aller Kampfmöglichkeiten beraubt werden, das Klasseninteresse der Gesamtbourgeoisie sollte über die gegensätzlichen Interessen der verschiedenen Teile der herrschenden Klasse triumphieren. Jede faschistische Diktatur strebt darnach, alle sozialen Kämpfe, politischen Differenzen und ideologischen Spannungen auszuschalten. Keiner faschistischen Diktatur gelingt es, dieses Ziel zu erreichen, doch die Stabilität jeder faschistischen Diktatur hängt davon ab, wie nahe sie diesem Ziele kommt. Formell sind in Österreich alle politischen Parteien verboten, das «Recht zur politischen Willensbildung», wie es so schön im Jargon der «Vaterländischen» heißt, steht einzig und allein der «Vaterländischen Front» zu, an deren Spitze der Regierungschef steht. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Wir schrieben in Nr. 1 dieser Zeitschrift über die illegale Arbeiterbewegung und wollen uns nun mit jenen politischen Faktoren befassen, die weder ihrer Politik, noch ihrer sozialen Struktur nach etwas mit der Arbeiterklasse zu tun haben.

Die Nazis und die «National-Betonten».

In den großen imperialistischen Staaten gibt es für den Kleinbürger, wenn er sich nicht der Arbeiterklasse anschließt, nur eine Möglichkeit: er wird zum begeisterten Anhänger «seiner» Bourgeoisie, er lebt in der Einbildung, dass sein Glück von der Größe und Macht «seines» Landes abhänge. Der Kleinbürger ist überall schwächlich, ängstlich, wankelmütig. Weil er schwächlich ist, sieht er sich nach einer respekteinflößenden Macht um, der er sich anschließen könnte. Besitzt das Proletariat eine revolutionäre Führung, rüttelt es ungestüm an den Grundfesten der Gesellschaftsordnung, drängt es die Bourgeoisie in die Defensive – dann schließt sich ein Teil des Kleinbürgertums dem Proletariat direkt an, während der andere Teil dem Kampf der Arbeiterklasse wohlwollend gegenübersteht. Weicht das Proletariat vor dem Klassenfeind ständig zurück, wird es von reformistischen Jammergestalten geführt, dann wendet sich der Kleinbürger der eigenen Bourgeoisie, meist ihrem aggressivsten Flügel zu. In Österreich lagen (und liegen) die Dinge nicht so einfach. Das österreichische Proletariat wich, da es von einer reformistischen Partei geführt wurde, ständig vor dem Klassenfeind zurück, gab eine Position nach der andern preis. Das Kleinbürgertum konnte von dem, durch die reformistische Politik gelähmten Proletariat nicht angezogen werden. Aber auch die österreichische Bourgeoisie machte (und macht) einen recht kläglichen Eindruck: als ihr Ziel verkündet sie die Erhaltung eines «freien und unabhängigen Österreichs». Wer vermag sich für dieses Ziel zu begeistern? Österreich ist ein lebensunfähiger Zwergstaat, eine aus imperialistischen Kombinationen geborene, verkrüppelte Missgeburt. Und die «Unabhängigkeit»? Jeder Österreicher lacht über dieses in den Reden der «Vaterländischen» immer wiederkehrende Wörtchen. Dieser Liliputstaat, dessen Kanzler und Außenminister seit seinem Bestande ins Ausland reisen, um Anleihen zu erbetteln, dessen Polizeikommissäre und Staatsanwälte beim Anblick eines etwas höher gestellten Ausländers vor Schreck und Ehrfurcht zu sterben drohen – dieses Staatlein soll unabhängig sein? Es mag den deutschen Kleinbürger mit Stolz erfüllen, dass er in einem Lande wohnt, das auf militärischem und wirtschaftlichem Gebiete eine hervorragende Rolle spielt, er mag in der kindischen Illusion leben, dass Deutschlands Macht sein Glück sei – doch warum sollte der österreichische Kleinbürger darauf stolz sein, dass er in einem Lande leben darf, das nur deshalb existiert, weil es sich die großen Imperialismen gegenseitig nicht gönnen? Die österreichische Bourgeoisie konnte sich niemals eine aggressive Außenpolitik leisten, stets lavierte sie vorsichtig zwischen den imperialistischen Mächtegruppierungen, immer trachtete sie, von jener Gruppierung abhängig zu sein, die ihr die größte Bewegungsfreiheit gewährt. Diese Politik imponierte dem Kleinbürger nicht. Er war verdrossen, schimpfte auf «die Politik» und ließ den Dingen ihren Lauf. Nur selten gelang es der christlich-sozialen Partei, größere Massen des Kleinbürgertums zu mobilisieren. Die Heimwehren und Sturmscharen bestanden vor allem aus lumpenproletarischen Elementen. (Im Februar 1934 zeigte sich die Schwäche der Kampforganisationen des österreichischen Faschismus: die kämpfenden Schutzbündler, die nur eine kleine Minderheit des Proletariats bildeten, wurden von der Staatsgewalt besiegt. Während Soldaten, Polizisten und Gendarmen mit den Arbeitern kämpften, versahen die Heimwehren und Sturmscharen Hilfsdienste.) Als die Wirtschaftskrise, die Österreich besonders stark zu spüren bekam, das Los des Kleinbürgers immer trostloser gestaltete, da begann sich dieser nach anderen Verhältnissen zu sehnen und wurde unzufrieden. Das Proletariat, das unter der Führung der Reformisten ständig dem Kampf mit der Bourgeoisie auswich, vermochte ihn ebenso wenig anzuziehen wie die eigene, schwächliche Bourgeoisie. Der Sieg des Nationalsozialismus in Deutschland, die kampflose Niederlage des von beiden Arbeiterparteien verratenen deutschen Proletariats – dieses Ereignis trieb breite Massen des österreichischen Kleinbürgertums ins Lager der Nazis.

Sind die österreichischen Nazis eine Agentur Hitlerdeutschlands? Selbstverständlich treiben die österreichischen Nationalsozialisten eine Politik, die ausschließlich den Interessen des deutschen Imperialismus dient. Jedoch dürfen wir uns die Sache nicht so vorstellen, dass die Nazis nur deshalb da sind, weil Berlin Geld und Agenten schickt. Der österr. Nationalsozialismus ist das Produkt spezifisch österreichischer Verhältnisse: große Teile des Kleinbürgertums eines Zwergstaates wandten sich einer benachbarten imperialistischen Großmacht zu, weil weder das Proletariat noch die Bourgeoisie dieses Landes imstande waren, diese Schichten zu gewinnen. Sehr bald nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland sah sich die österreichische Bourgeoisie veranlasst, die Nazipartei zu verbieten. Diese Maßnahme war, vom Klassenstandpunkt der österr. Bourgeoisie aus gesehen, vernünftig: die Arbeiterklasse konnte auch ohne Hilfe der Nazis niedergeworfen werden – dafür sorgten die Führer der Sozialdemokratie. Die außenpolitischen Ziele der Nazis waren (und sind) mit den Interessen der österr. Bourgeoisie nicht in Einklang zu bringen. Die österr. Bourgeoisie will nicht den Anschluss an Deutschland, da sie weiß, dass sie der «große Bruder» mit Haut und Haar verspeisen würde. Sie wird sich solange gegen den Anschluss und gegen die Nazis im eigenen Lande wehren, solange es imperialistische Mächte gibt, die an einem «unabhängigen», d.h. an einem von Deutschland nicht verschluckten Österreich ein Interesse haben.

Die Nationalsozialisten entfalten seit dem Verbot ihrer Partei eine illegale Tätigkeit, die einmal mehr, einmal weniger das öffentliche Leben beherrscht und nie ganz aufhört. Die illegalen Kader der Nazi, die aus Studenten, Kleinbürger- und Bauernsöhnen und Lumpenproletariern bestehen, sind weder numerisch sehr stark, noch moralisch auf der Höhe. Allerdings wird die Tätigkeit der braunen Illegalen durch das viele Geld, das aus dem dritten Reich kommt und durch die Sympathie, welche breite Schichten des Kleinbürgertums diesen Illegalen entgegenbringen, sehr erleichtert. Die Nazis verfügen über eine stark verbreitete, technisch sehr gut gemachte Presse. Ein weitverzweigter Informationsapparat, dessen Verbindungen bis zu den höchsten Staatsstellen reichen, arbeitet in ihrem Auftrage. Ein Teil der Bürokratie des Staatsapparates sympathisiert mit den Nazis, ein andere Teil fürchtet, dass sie bald an der Macht sein werden und wagt es aus diesem Grunde nicht, gegen sie ernsthaft vorzugehen.

Es gibt in Österreich eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften, die alles, was sich in Deutschland ereignet, verherrlichen, eine scharfe antisemitische Sprache führen, die österr. Regierung auf getarnte Art kritisieren und diskreditieren, aber stets ihre Staatstreue betonen und jede Verbindung mit den Illegalen entrüstet in Abrede stellen. Diese Kreise entfalten auch sonst eine rege Tätigkeit: sie veranstalten wissenschaftlich oder kulturell aufgemachte Vorträge und Versammlungen, wo sie Propaganda für das dritte Reich betreiben und einer «alldeutschen» Ideologie huldigen. Neben dieser Sorte von «National-Betonten» gibt es noch eine andere. Die Regierung bemüht sich seit dem Verbot der Nazipartei, die Nazi für sich zu gewinnen. Der Erfolg ist gleich Null. Sie wendet nun seit einiger Zeit folgendes Mittel an: sie kauft mit viel Geld Nazi und lässt diese, in der Sprache der Nazi, auf deren Mentalität besonders Rücksicht nehmend, für die «Vaterländische Front» werben. Diese «National-Betonten» geben ebenfalls Zeitungen und Zeitschriften heraus, halten Versammlungen ab und Vorträge usw. usf. Häufig schildern sie – um die Sympathie der Nazi zu gewinnen – die Verhältnisse in Österreich so, wie sie tatsächlich sind. Wenn sie auf diesem Gebiet zu weit gehen (dies kommt häufig vor), jubeln die braunen Illegalen, beschweren sich die «Vaterländischen» und greift letzten Endes die politische Abteilung der Polizei, ohne die das «neue Österreich» nicht denkbar wäre, ein.

Die «Sozial-Betonten».

Nachdem die Dollfussregierung im Februar 1934 das Proletariat besiegt hatte, löste sie alle Arbeiterorganisationen auf. Der Hass der Arbeiterklasse kannte keine Grenzen! Große Teile der Arbeiterschaft standen im illegalen Kampf, die erdrückende Mehrheit des Proletariats unterstützte die Illegalen und erschwerte die Arbeit der Staatsgewalt, die auch gegen die Nazi kämpfen musste. Die Lage der Regierung war unhaltbar: während sie auf die Arbeiter schlug, bekam sie von den Nazi einen Tritt, während sie gegen die Nazi vorging, wurde sie von den Arbeitern gerüttelt und geschüttelt. Die Diktaturregierung musste, wollte sie nicht kapitulieren, ihre Massenbasis erweitern und den illegalen Kampf, vor allem den der Arbeiter, eindämmen. Dollfuss rief die «Einheitsgewerkschaft» (E. G.) ins Leben. Diese «Gewerkschaft» bekam zwar das Geld, das den freien Gewerkschaftern geraubt worden war, aber die Mitglieder dieser Gewerkschaften erhielt sie nicht. Die Regierung wagte es nicht, durch eine gesetzliche Verordnung alle Arbeiter und Angestellten in die «E. G.» zu jagen. Das hätte einen Proteststurm hervorgerufen, dem sich die Regierung nicht gewachsen fühlte. Die einzelnen Unternehmer wurden von der Regierung dazu veranlasst, durch mannigfaltige Terrormethoden, die Arbeiter allmählich in die faschistische Zwangsgewerkschaft zu pressen. Warum schuf Dollfuss die «Einheitsgewerkschaft»? Zwei Gründe waren es, die ihn dazu veranlassten: erstens sollten die in dieser «Gewerkschaft» vereinigten Arbeiter ideologisch im Sinne der Diktatur beeinflusst werden und zweitens sollte sich der Kampf der Arbeiter gegen das Regime nicht in der Nacht der Illegalität, in der die Polizei hilflos einher tappte, sondern im Lichte der Legalität abspielen. Mit anderen Worten: auf den öffentlich stattfindenden Versammlungen der E. G. soll die Polizei jene finden, die sie ununterbrochen sucht: die «Hetzer», die «Unentwegten», die aufrechten Proletarier, für die es keine «Versöhnung» mit dem Regime gibt. Diese Methode ist zwar raffiniert, aber nicht originell. Schon Bismarck und «Väterchen Zar» schufen Arbeiterorganisationen zur Bespitzelung der Arbeiter. Die Bürokratie der E. G., die aus den Bürokraten der früheren christlichen und deutschnationalen Gewerkschaften und aus sehr vielen gewesenen sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsbeamten besteht, gibt eigene Zeitungen und Zeitschriften heraus und hält häufig Versammlungen ab. Diese «Sozial-Betonten» sehen in den «National- Betonten» ihre größten Feinde. In den Zeitungen beschimpfen sie die «National-Betonten», bringen ausführliche Berichte über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und politischen Spannungen im dritten Reich, weisen daraufhin, dass die Arbeiter unzufrieden sind usw. Häufig sagen und schreiben die «Sozial-Betonten» Dinge, für die «Illegale» hohe Kerkerstrafen bekämen.

Die «Vaterländischen» und die Legitimisten,

Wenn man in Österreich einem Österreicher begegnet, der mit beiden Füßen auf dem Boden der «Vaterländischen Front» steht und von der Regierung begeistert ist, so staunt man ihn wie ein Wundertier an und denkt sich: da ist etwas nicht geheuer, der Kerl arbeitet bestimmt illegal und tarnt sich auf diese Weise. Die «Vaterländischen» bestehen aus der österr. Bourgeoisie, die mit Ausnahme einer kleinen Minderheit gegen den Anschluss an Deutschland ist, aus einem Teil der Bürokratie, dem Klerus und jenen kleinbürgerlichen und bäuerlichen Schichten, die unter dem Einfluss der Kirche stehen. Die katholische Kirche, die in Österreich immer ein Bollwerk der «finstersten Reaktion» war und der österr. Bourgeoisie die besten Politiker geliefert hat (Dr. Seipel), verfügt zwar über einen gewaltigen Einfluss in der Regierung, aber ihr Einfluss auf die Bevölkerung ist nicht allzu bedeutend. Die erdrückende Mehrheit der Arbeiter will von «den «Pfaffen» nichts wissen, große Teile des Kleinbürgertums und der Bauernschaft stehen in «nationaler Opposition» zur katholischen Kirche. Allerdings hat die katholische Kirche, diese verlässlichste Stütze der Diktaturregierung, wackere Apostel im Lager der illegalen Arbeiterbewegung: die Stalinisten. Diese bemühen sich, den Arbeitern den gesunden Hass gegen die Kirche aus den Herzen zu reißen. Die kommunistische Partei Österreichs brachte eine Broschüre heraus, betitelt «Kirche, Volksfront, Bolschewismus», deren Inhalt auch außerhalb Österreichs bekannt werden sollte Es heißt da:

«Das Bündnis, das wir euch vorschlagen, ist kein Bündnis zum Sturz des Kapitalismus, kein Bündnis zum Kampf gegen das Sondereigentum an den Produktionsmitteln, sondern nur (!) zum Kampfe gegen das, was Quadragesimo Anno «eine wider alles Recht angemaßte gesellschaftliche Herrschaftsstellung des Eigentums» nennt. Nichts anderes ist der soziale Inhalt aller Volksfrontprogramme in Frankreich und Spanien, nichts anderes soll der soziale Inhalt des Volksfrontprogramms in Österreich sein.» (S. 34, 35.)

Um zu verhindern, dass der Leser glaube, nur die österr. Stalinisten seien so tief gesunken, erzählt die Broschüre stolz und froh, wie brav und anständig, d.h. wie konterrevolutionär die spanischen Stalinisten sind. Als Zeuge tritt ein Pfaffe auf:

«Die Beobachter der verschiedensten Parteien, schreibt Pater Lobo, haben feststellen können, dass der Kommunismus in den gegenwärtigen Umständen ein Element der Mäßigung, der Ordnung und der Disziplin war.» (S. 21.)

Also sprach der Pfaffe. Nun erhält ein Mann das Wort, der zur Zeit der Monarchie Minister war:

«Die Journalisten sagen mir oft, schreibt Ossario y Gallardo, der Begründer der christlich-sozialen Bewegung in Spanien und ehem. Minister der spanischen Monarchie (!) «wie können Sie als Konservativer und Katholik auf der Seite der Regierung stehen?»… Aber es gibt nur zwei Kommunisten in der Regierung. Wollen Sie wissen, welche Minister die maßvollsten sind: die beiden Kommunisten.» (S. 21, 22.)

Nun könnte aber ein Pfäfflein sagen: gut, ihr seid wirklich brav geworden, aber was ist mit Sowjetrussland? Dort habet ihr – Gott strafe euch dafür – das heilige Privateigentum abgeschafft. Die stalinistische Broschüre drückt sich nicht vor der Frage Sowjetrussland. Hören wir, was sie sagt:

«Niemand kann leugnen, dass Bürger der Sowjetunion über zahlreiches Privateigentum verfügen… Tatsächlich weiß jeder Russlandreisende, dass die Sowjetbürger nicht nur persönliches Eigentum an Dingen des täglichen Gebrauchs und an Spareinlagen (!) besitzen, sondern dass auch die Bauern der Kollektivgüter Gartenland, Vieh, Geflügel und Höfe ihr Eigen nennen. Der Mensch ist also auch nach der Theorie (!) und der Praxis des Marxismus durchaus mit dem «Recht auf Eigentum und auf Gebrauch des Eigentums» (Quadragesimo Anno) ausgestattet.» (S. 7.)

Trotz der tatkräftigsten Unterstützung durch die Stalinisten, gelingt es der katholischen Kirche nicht, die Massenbasis der Regierung zu verbreitern. Die ganze bisherige Erfahrung der «Vaterländischen» beweist, dass es unmöglich ist, breite kleinbürgerliche Massen, von proletarischen ganz zu schweigen, für das «neue Österreich» zu mobilisieren. Es gibt auch für die «Vaterländischen» nur ein Mittel, das ihnen Massen zuführen kann: sie müssen die bestehenden Verhältnisse als schlecht bezeichnen und für andere «kämpfen». Diese Aufgabe erfüllt der Legitimismus. Die Legitimisten haben vor einiger Zeit ihre Zersplitterung überwunden, ihre Presse ausgebaut und entfalten nun eine lebhafte Versammlungstätigkeit. Sie sprechen offen über die grauenhafte Not, die es in Österreich gibt, prangern die Tätigkeit der Nazi und der National-Betonten an, kritisieren das Verhalten eines Teils des Staatsapparates gegenüber den braunen Illegalen und kopieren diese Illegalen, indem sie alles Heil von einer Person, allerdings nicht vom «Führer», sondern vom «Kaiser Otto» erwarten. Ihr wichtigstes «Argument» lautet: als der Kaiser in der Hofburg saß, gab es bessere Zeiten, wenn wieder ein Kaiser dort sitzen wird, wird es wieder bessere Zeiten geben Der «Österreicher» das Organ der Legitimisten, veranstaltete kürzlich eine Rundfrage unter seiner Leserschaft: warum wollt ihr den Kaiser? Die Antworten bewiesen, dass des Spießers Blödheit keine Grenzen kennt. Ein Beispiel:

«Zur Zeit der Monarchie waren geordnete Verhältnisse. Der Arbeiter und der Gewerbetreibende konnten leben … Die Lebensmittel sind teuer. Das Volk ruft nach Gerechtigkeit und dazu braucht es einen gerechten Herrscher.» («Österreicher» Nr. 46.)

Die Legitimisten haben in der letzten Zeit einige Erfolge aufzuweisen: ihre Versammlungen sind überfüllt, ihre Mitgliederzahl wächst. Die Nazi versuchen häufig die Kundgebungen der Legitimisten zu sprengen, manchmal kommt es zu blutigen Kämpfen. Die Versammlungsredner der Legitimisten gehen in der Kritik an der Politik der Regierung häufig so weit, dass ihnen die Polizei verbietet, weiterhin öffentlich aufzutreten. Die «National-Betonten» betätigen sich als Denunzianten der Legitimisten und werfen diesen vor allem vor, dass viele gewesene Sozialdemokraten in ihren Reihen stehen. Schuschnigg bekennt sich nicht offen zum Legitimismus, bezeichnet die Habsburgerrestauration als «nicht aktuell», doch faktisch fördert er den Legitimismus.

Wir stellten eingangs fest, dass das Ideal des Faschismus ein Zustand sei, der keine politischen Differenzen, sozialen Spannungen und ideologischen Gegensätze kennt und dass die Stabilität eines faschistischen Regimes davon abhängt, wie weit dieses von diesem Idealzustand entfernt sei. In Österreich gibt es, trotz des formellen Monopolrechtes der «Vaterländischen Front» auf dem Gebiete der Politik verschiedene politische Strömungen, die einander heftig bekämpfen. Im Laufe dieses Kampfes werden oft Dinge gesagt, die sonst in einem autoritär regierten Lande nicht gesagt werden dürfen. Es wird von der grässlichen Not der Bevölkerung, von der schmalen Massenbasis der Regierung, von den Einfluss der Illegalen und von anderen Dingen gesprochen, die sonst alle unter den Sammelbegriff «Hochverrat» fallen. All dies ist geeignet, den Widerstand der Arbeiter gegen die Diktaturregierung zu verstärken, die Autorität dieser Regierung zu untergraben. Wir haben absichtlich das erfreuliche Bild über die Gegensätze im Lager der offenen Feinde des Proletariats, das wir gezeichnet haben, durch einige Zitate – nicht die ärgsten – aus der illegalen stalinistischen Literatur gestört, um den Leser daran zu erinnern, dass es im Lager der illegalen Arbeiterbewegung nicht besser sondern schlechter aussieht. Es gibt leider noch immer genug illegal tätige Proletarier, die die stalinistische Literatur kolportieren und das in ihr enthaltene pfäffische Geschwätz als kluge, «elastische» Taktik werten.

In einer der nächsten Nummern werden wir den langsam, aber unaufhörlich vor sich gehenden revolutionären Ernüchterungsprozess im Lager der illegalen Arbeiterbewegung schildern.

B. [= Josef Hindels?]

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