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lokale Selbstverwaltung nach 1791

Die Konstitution von 1791, die von der Großen Französischen Revolution geschaffen wurde, ersetzte den alten, bürokratischen, zentralisierten Beamtenapparat durch eine weitgehende lokale Selbstverwaltung und führte die Wählbarkeit der lokalen Staatsbehörden ein, allerdings mit verschiedenen Beschränkungen des Wahlrechts für die Besitzlosen. Das Land wurde in Departements, Distrikte und städtische und ländliche Kommunen eingeteilt. In jeder Dorfgemeinde und in jeder Stadt wurde ein eigenes gewähltes Machtorgan – die Munizipalität (der Gemeinderat) geschaffen. Die Verwaltungsorgane der größeren Verwaltungseinheiten wurden ebenfalls von der Bevölkerung gewählt. Alle Organe der lokalen Selbstverwaltung genossen ausgedehnte Rechte. So gehörte insbesondere die Polizei zu ihrem Machtbereich, außerdem konnten sie im Notfall die regulären Truppen heranziehen. In den Gemeinderäten gab es keine ernannten Vertreter der Zentralbehörden. Mit einer derartigen Struktur der Lokalbehörden hing auch die Konzentration der gesetzgebenden Macht in den Händen einer Kammer der Volksvertreter zusammen. Um die Rechte der lokalen Selbstverwaltung tobte in der Zeit der Revolution wiederholt ein Kampf, doch erhielt sich dieses System im Großen und Ganzen bis zum Staatsstreich vom 18. Brumaire (1799), als die Macht in die Hände der „Konsuln“ mit Napoleon Bonaparte, dem Ersten Konsul (in der Folge Kaiser), an der Spitze überging. Die von Bonaparte geschaffene sogenannte „Konstitution des VIII. Jahres“, die das Aushängeschild der Republik beibehielt, konzentrierte in Wirklichkeit in den Händen des Ersten Konsuls diktatorische Vollmachten. Die Wählbarkeit der Organe der lokalen Behörden wurde aufgehoben, an ihre Stelle traten ernannte Präfekten, die dem ersten Konsul unterstanden. Die Distrikts- und Gemeinderäte wurden lediglich zu Kanzleien der Präfekten. Die gesamte lokale Administration, einschließlich der Richter, wurde vorn Ersten Konsul ernannt. Er ernannte auch die Minister sowie das ganze Offizierskorps der Armee und der Flotte. Das Recht der gesetzgebenden Initiative (d. h. das Recht, neue Gesetze anzuregen) stand ebenfalls ausschließlich ihm zu. Die beiden Kammern (das Tribunat und der Gesetzgebende Körper – Corps legislatif) wurden von einem Erhaltungssenat ernannt, der selbst vom Ersten Konsul ernannt wurde. Als Napoleon 1802 zum lebenslänglichen Konsul ausgerufen wurde, wurden seine diktatorischen Rechte noch mehr erweitert. Somit wurde nach dem 18. Brumaire an Stelle des zur Zeit des Bestehens der Republik durchgeführten Grundsatzes der Dezentralisierung eine strenge bürokratische Zentralisierung des gesamten Verwaltungsapparates und seine Unterordnung unter den mit diktatorischen Rechten ausgestatteten Ersten Konsul durchgeführt. Die bürokratische Zentralisation des Staatsapparates entsprach den Interessen der Bourgeoisie, die einen neuen Aufschwung der Revolution in den unteren Volksschichten befürchtete und von der Schaffung einer „starken Macht“ träumte, die die Dauerhaftigkeit der errichteten bürgerlichen Ordnung gewährleisten sollte. Die Wählbarkeit der Staatsbehörden erschien der Bourgeoisie damals ebenfalls gefährlich, insoweit auf diesem Boden die Gegner der Bourgeoisie in den unteren Volksschichten erstarken konnten. Das Prinzip der bürokratischen Zentralisation der Staatsbehörden erhielt sich in Frankreich während des ganzen 19. Jahrhunderts und ist im Verein mit der „demokratischen“ Republik in etwas veränderter Form bis auf den heutigen Tag in Kraft. [Lenin, Ausgewählte Werke Band 7, Anm. 21]

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