Die
40er und 60er Jahre des 19. Jahrhunderts waren für Polen eine Epoche
der revolutionär-demokratischen Bewegung für die Befreiung Polens
von der Herrschaft Russlands, Preußens und Österreichs. Im Januar
1846 gab es einen Aufstand in Krakau, der eines der Vorzeichen der
revolutionären Bewegung in Westeuropa des Jahres 1848 war. Im Januar
1863 kam es zu einem umfangreichen
Aufstande der Polen gegen den Zarismus. Russland war damals der
Hort der europäischen Reaktion und der Gendarm gegen die
europäischen revolutionären Bewegungen. Diese Rolle konnte der
Zarismus um so mehr spielen, als es damals innerhalb Russlands keine
revolutionäre Bewegung gab. Marx
und Engels
begrüßten in den 40er und 60er Jahren ebenso wie später zur Zeit
der Pariser
Kommune
die polnische Freiheitsbewegung und sprachen sich aus den folgenden
drei Gründen für die Wiederherstellung des polnischen Staates aus:
a) der Kampf der Polen gegen Russland ist nicht nur eine polnische
Sache, sondern die Sache der gesamten europäischen Demokratie, denn
es ist ein Kampf gegen den Gendarmen Europas; b) die
Wiederherstellung eines demokratischen Polens würde die Errichtung
eines starken Schutzwalles zwischen dem demokratischen Europa und dem
reaktionären Russland bedeuten, und die von der russischen Reaktion
abgeschnittene westeuropäische Reaktion wäre schwächer, als wenn
sie mit der russischen Reaktion verbunden ist; c) kein Volk könne
sich befreien, wenn es ein anderes Volk unterdrückt.
Selbstverständlich sahen Marx
und Engels
in der Revolution die einzig mögliche Methode der Lösung der
polnischen Frage. Da es in Russland keine revolutionäre
Massenbewegung gab, propagierten Marx und Engels den revolutionären
Krieg Deutschlands gegen Russland für die Befreiung Polens. Diese
Propaganda war ein wichtiger Bestandteil ihres damaligen
revolutionären Programms. Auf dieser Grundlage erfolgte auch die von
Lenin
erwähnte Polemik von Marx gegen Ruge.
Dieser bürgerliche Demokrat und deutsche Schriftsteller war Mitglied
der Linken des Frankfurter
Parlamentes von 1848. Während der Debatte im Frankfurter
Parlament über die polnische Frage trat er mit einer schwülstigen
Rede auf, in welcher er nicht von einer geschichtlichen Analyse der
gegebenen Lage und den Interessen der Revolution, sondern von
abstrakten Erwägungen über die Gerechtigkeit und die „Einheit“
in den Bestrebungen Frankreichs, Englands und Deutschlands in dieser
Frage ausging. In einem Artikel in der Kölner „Neuen Rheinischen
Zeitung“ unterzog Marx diese Haltung Ruges einer vernichtenden
Kritik. Daran erinnert Lenin in dem Satze: „Marx wetterte gegen
Ruge.“ [Ausgewählte Werke, Band 2] Die Ansichten von Marx und Engels über die Polenfrage sind vor allem zu ersehen aus ihren Artikeln und Briefen: 1) „Aus dem literarischen Nachlass“ herausgegeben von Mehring, Band III, Seite 101-105, 113, 114, 134-182, 207, 246-264; 2) Marx und Engels: „Briefwechsel“, Stuttgart 1921, siehe das Namen- und Sachregister im IV. Band, Stichwort „Polen“; 3) Engels (früher Marx zugeschrieben): „Revolution und Konterrevolution in Deutschland“, Kapitel VIII und IX. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 122] |
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