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Engels' Einleitung von 1895

In seinem Artikel sprach Plechanow von der 1895 verfassten Einleitung von Engels zu den „Klassenkämpfen in Frankreich 1848–50" von Karl Marx. Auf diese Einführung beriefen sich meistens alle Revisionisten, um zu beweisen, Engels habe in dieser Arbeit sich von seiner revolutionären Vergangenheit losgesagt und vor einer Wiederholung der von ihm und von Marx begangenen Fehler gewarnt. Jetzt ist es bekannt, dass die Einleitung von den opportunistischen Führern der deutschen Sozialdemokratie „redigiert" worden ist. In einem Briefe an Lafargue schreibt Engels:

X… . hat mir einen hübschen Streich gespielt. Er hat aus meiner Einleitung zu den Artikeln von Marx über Frankreich (von 1848 bis 1850) alles das entnommen, was ihm dazu dienen kann, die um jeden Preis friedliche und antigewalttätige Taktik zu stützen, die zu predigen ihm seit etlicher Zeit beliebt…" (Engels an Lafargue, 3. April 1895, „Neue Zeit", Jahrg. XIX, Bd. I, S. 426, Briefe von Engels über die französische Arbeiterpartei.)

Noch schärfer schreibt Engels an Kautsky:

Zu meinem Erstaunen sehe ich heute im ,Vorwärts' einen Auszug aus meiner Einleitung ohne mein Vorwissen abgedruckt und derartig zurechtgestutzt, dass ich als friedfertiger Anbeter der Gesetzlichkeit quand même (um jeden Preis) dastehe" (Engels an Kautsky, 1. April 1895, „Neue Zeit", Jahrg. XXVII, Bd. I, Kautsky: Einige Feststellungen über Marx und Engels, S. 7).

Die vom Blaustift des Redakteurs gestrichenen Absätze der Engelsschen Einleitung sind vom Marx-Engels-Institut veröffentlicht worden und geben die Möglichkeit, sowohl die wahren Auffassungen von Engels als auch die Rolle der Revisionisten in dieser Angelegenheit festzustellen (siehe Marx-Engels-Archiv, Buch 1). [Band 12]

Was die „Anschauung“ von Engels betrifft, so muss gesagt werden, dass Kautsky sie bedeutend verdreht. Engels schrieb überhaupt nicht, dass „die Zeit der Barrikadenkämpfe endgültig vorbei“ sei. Er schrieb in seiner Einleitung zu dem Buche von Marx „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850“ nur, dass bei dem Niveau der militärischen Technik, wie es am Ende des 19. Jahrhunderts erreicht worden war (Engels schrieb dies im Jahre 1895), die Aussicht für einen Sieg für die Regierungstruppen sich gebessert und für die Barrikadenkämpfer sich verschlechtert habe. Daraus zog er den Schluss: „Die Rebellion alten Stils, der Straßenkampf mit Barrikaden, der bis 1848 überall die letzte Entscheidung gab, war bedeutend veraltet.“ Aber auch diese Schlussfolgerung begleitete Engels in derselben Einleitung mit der folgenden näheren Erklärung: „Heißt das, dass in Zukunft der Straßenkampf keine Rolle mehr spielen wird? Durchaus nicht. Es heißt nur, dass die Bedingungen seit 1848 weit ungünstiger für die Zivilkämpfer, weit günstiger für das Militär geworden sind. Ein künftiger Straßenkampf kann also nur siegreich sein, wenn diese Ungunst der Lage durch andere Momente aufgewogen wird. Er wird daher seltener im Anfang einer großen Revolution Vorkommen, als im weiteren Verlauf einer solchen, und wird mit größeren Kräften unternommen werden müssen. Diese aber werden dann wohl, wie in der ganzen Großen Französischen Revolution am 4. September und 31. Oktober 1870 in Paris den offenen Angriff der passiven Barrikadentaktik vorziehen.“ – Gerade diese Stelle in der Einleitung von Engels zu dein Buche von Marx wurde bei der Veröffentlichung durch den Parteivorstand der Deutschen Sozialdemokratie mit einigen anderen Stellen gestrichen. Der volle Text der Einleitung ohne diese Kürzungen wurde erst 1924 durch das Marx-Engels-Institut in Moskau veröffentlicht. (Siehe die Ausgabe der „Klassenkämpfe in Frankreich“ mit der vollständigen Einleitung in den „Elementarbüchern des Kommunismus“, Bd. XIX, Internationaler Arbeiterverlag, Berlin.) [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3, Anm. 101]

Die erstmals im Jahre 1895 herausgegebene Arbeit von Karl Marx: „DieKlassenkämpfe in Frankreich 1848–1850", entstanden aus seinen Artikeln in der „Neuen Rheinischen Zeitung", wurde von Fr. Engels mit einer vom 6. März 1895 datierten Einführung versehen. Einige Formulierungen in dieser Einführung, die die Taktik der Arbeiterklasse betrafen, wurden von den Opportunisten als Verzicht Engels auf die von Marx proklamierten revolutionären Kampfmethoden des Proletariats, als prinzipielle Verneinung der Zweckmäßigkeit und Möglichkeit des bewaffneten Aufstandes, sowie der Barrikadenkämpfe ausgelegt. Engels hat damals schon, wie das seine Korrespondenz mit P. Lafargue und K. Kautsky bezeugt, gegen die Versuche, seine „Einführung" im Geiste des Revisionismus und Reformismus auszulegen und den Verfasser der „Einführung" als „friedlichen Anbeter der Gesetzlichkeit quand même" (– um jeden Preis – Die Red.) hinzustellen, protestiert. Heute ist es bekannt, dass auf Drängen des Parteivorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der befürchtete, der Regierung Anlass zu neuen Repressalien zu geben, Engels sich bereit erklärte, in seinem Text einige Ausdrücke zu mildern, und dass er das in diesem Sinne abgeänderte Manuskript an den Parteivorstand für die Presse sandte. Der Parteivorstand strich ohne Wissen Engels' aus dem Manuskript eine Reihe energischer Formulierungen, wodurch der Engelsche Text in den wesentlichen Punkten entstellt wurde, und nach den Worten Engels' ein „schändlicher Eindruck" entstand. Engels ist bald darauf gestorben, ohne noch imstande gewesen zu sein, die Veröffentlichung des vollen Textes seiner „Einführung" zu erwirken, die deutsche Sozialdemokratie aber hielt es nicht für notwendig, den Willen Engels' zu erfüllen und seine Arbeit in der Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die dem Verfasser selbst vorgeschwebt hatte. Die vom Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie aus der „Einführung" gestrichenen Zeilen wurden erst 1924 in der Sowjetunion veröffentlicht.

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