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Martows Haltung im Herbst 1914

In den ersten Monaten nach Kriegsbeginn war Martow aus dem ganzen menschewistischen Flügel der russischen Sozialdemokratie derjenige, der die ausgeprägteste internationalistische Haltung einnahm (siehe seine Artikel „Frieden“ in Nr. 19 des Golos vom 3. Oktober 1914, „Der .Vorwärts* ist tot“ in Nr. 23 vom 9. Oktober u. a. m.). Doch selbst da, wo er sich am schärfsten gegen den Sozialchauvinismus wandte, ging er über die bloße Losung „Kampf für den Frieden“ nicht hinaus und war entschieden gegen einen organisatorischen Bruch mit den Sozialchauvinisten. Nach einigen Schwankungen zum Internationalismus hin formulierte Martow diesen seinen inkonsequenten Standpunkt in einem in Bern am 3./16. Dezember 1914 gehaltenen Vortrag über den „Krieg und die Krise des Sozialismus“, den Lenin in der Diskussion als „soziologische Einführung in eine eklektische Politik“ bezeichnete. Nachdem Karl Liebknecht im Reichstag am 19. November/2. Dezember 1914 seine revolutionäre Erklärung abgegeben und gegen die Kredite gestimmt hatte, nachdem sich ferner in allen Parteien bereits revolutionäre sozialdemokratische Gruppen herauszubilden begonnen hatten, – nach alledem bedeutete Martows Vortrag unter den damaligen Umständen eine deutliche „Schwenkung“ nach rechts. Ein Zeitungsbericht über Martows Vortrag erschien in Nr. 35 des Sozialdemokrat vom 12. Dezember 1915 unter dem Titel „Martows Schwenkung“. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 18, Anm. 61]

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